
LPG (1969)
Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975
Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften sind eine in Deutschland neuartige Erscheinungsform gemeinschaftlicher Landbewirtschaftung sowjetischer Prägung, entstanden durch den Zusammenschluß bis dahin individuell wirtschaftender Bauern, Landarbeiter und auch sonstiger Berufszugehöriger zu einem kollektiven landwirtschaftlichen Betrieb zwecks gemeinsamer Bewirtschaftung und Nutzung der eingebrachten und der öffentlich bereitgestellten Bodenflächen und Produktionsmittel („sozialistischer landwirtschaftlicher Großbetrieb“).
Die LPG sind keine Genossenschaften in unserem Sinne des Wortes. Es handelt sich nicht um freiwillige genossenschaftliche Zusammenschlüsse, die dazu dienen, die wirtschaftliche Lage ihrer Mitglieder, die einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb besitzen, zu fördern, sondern um Kooperationsformen der Landbewirtschaftung, die nach „sozialistischen Grundsätzen organisiert und geleitet werden“. LPG sind Zwangsgemeinschaften kommunistischer Art im Dienste des kollektiven Erwerbs, deren Verwaltung und Wirtschaftsgeschehen durch Gesetz und Musterstatuten zentral reglementiert und kontrolliert werden, so daß das Mitspracherecht der Mitglieder und ihre Eigenverantwortung entscheidend eingeschränkt sind und ihre Privatinitiative weitgehend unterbunden ist (LPG-Gesetz).
Nach dem „Prinzip des stufenweisen Übergangs zur sozialistischen genossenschaftlichen Großproduktion“ gibt es verschiedene Typen von LPG, die sich im Grad der Vergesellschaftung der Bodenflächen und Produktionsmittel sowie in der Verteilung der Einkünfte voneinander unterscheiden. Die Vergesellschaftung bezieht sich entweder nur auf die gemeinsame Bewirtschaftung des von den Mitgliedern eingebrachten Ackerlandes und teilweise auch des Grünlandes (Typ I) oder zuzüglich auch auf [S. 383]die zur Feldwirtschaft erforderlichen Zugkräfte, Maschinen und Geräte (ursprünglicher Typ II) oder auf den gesamten bäuerlichen Betrieb einschließlich des lebenden und toten Inventars (Typ III). Die Mitglieder behalten zur persönlichen Nutzung eine „individuelle Wirtschaft“, die je nach Typ verschieden groß ist. Beim Typ I handelt es sich um 0,5 ha Ackerland und um die gesamte übrige Wirtschaft, bei Typ II können neben 0,5 ha Ackerfläche, Gärten, Dauergrünland und Wäldern das gesamte Zucht- und Nutzvieh, vom Zugvieh 1 Pferd, 1 Ochse sowie das zur Bearbeitung des verbleibenden Landes nötige Inventar in individueller Nutzung bleiben. Im Typ III umfaßt die individuelle Wirtschaft nur noch die persönliche ➝Hauswirtschaft. Typ I und II stellen nur Übergangsformen zum Typ III dar. Bei ihnen handelt es sich im Gegensatz zu Typ III noch um keinen geschlossenen „Großbetrieb“, sondern um eine Gemeinschaft von Bauernwirtschaften, die nur den Betriebszweig Feldwirtschaft gemeinsam betreiben.
Die LPG wird formell durch den Vorstand, den Vorsitzenden und die Mitgliederversammlung geleitet. Letztere kann „zur Teilnahme der Genossenschaftsmitglieder an der Leitung und Verwaltung der Genossenschaft“ Kommissionen bilden, unter denen die „Revisionskommission“ zur laufenden Kontrolltätigkeit die wichtigste ist. Diese ist auch berechtigt, notfalls die Funktionen des Vorstandes zu überwachen, wenn er versagt. Stellen Beschlüsse der Mitgliederversammlung, die mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt und bei Anwesenheit von mindestens ⅔ aller Mitglieder gültig sind, „einen Mißbrauch der innergenossenschaftlichen Demokratie“ dar, so können sie nach Anhören des LPG-Beirates, des parteipolitischen Gremiums der LPG, vom Rat des Kreises aufgehoben werden. Von der SED nicht gebilligte Beschlüsse, auch wenn sie statutengerecht sind, werden auf diese Weise torpediert. Die Bewachung und Kontrolle der Arbeitsleistungen und der wirtschaftlichen Entwicklung der LPG obliegt dem Buchhalter, der den Vorsitzenden bzw. die Revisionskommission darüber regelmäßig unterrichtet. Dies erfordert einen umfangreichen Verwaltungsapparat, dessen Kosten die LPG belasten, ganz abgesehen davon, daß die darin beschäftigten Menschen der Güterproduktion entzogen werden.
Über die Arbeitsorganisation der LPG Brigaden der LPG.
Die nach Erfüllung der Marktproduktion, nach Abgeltung aller Verpflichtungen und den statutenmäßigen Einlagen zur Bildung der Natural- und Geldfonds verbleibenden Natural- und Geldbeträge werden an die LPG-Mitglieder nach den im Jahre geleisteten Arbeitseinheiten und nach dem Umfang und der Güte der eingebrachten Bodenanteile in den einzelnen Typen wie folgt verteilt:
[S. 384]
Die Bodenanteile — falls solche überhaupt gezahlt werden — sind unter Umständen für jedes Mitglied gleich. Ihre Höhe wird von der Mitgliederversammlung bestimmt. In vielen Fällen werden Bodenanteile auch gänzlich außer acht gelassen. In den LPG erhalten die Mitglieder also keinen verbindlich vereinbarten Arbeitslohn, d.h., das LPG-Mitglied vom Typ III weiß während des ganzen Jahres noch nicht, mit welchem Entgelt für die AE es endgültig rechnen kann, da dieses vom Betriebserfolg abhängt. „Bis zu 70 v. H. des zu erwartenden Geldes“ kann es im Laufe des Jahres als Anzahlung auf die geleisteten AE erhalten. Der Gesamtlohn kann erst am Jahresende aus dem Betriebsergebnis errechnet werden. Für die aus dem Betriebsergebnis abzugeltenden Ansprüche sind Prioritäten festgelegt. Bei der Verwendung der Geldeinkünfte steht an erster Stelle die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber der öffentlichen Hand, wie Bezahlung von Steuern und Versicherungen, Kreditrückerstattungen. Es folgen dann die Ausgaben für die laufende Produktion, wie z. B. Saatgut, mineralische ➝Düngemittel, Futtermittel; die Rücklagen für den „unteilbaren Fonds“ zu künftigen Investitionszwecken; die Rücklagen für den „Hilfs- und Kulturfonds“ zur sozialen Betreuung der LPG-Mitglieder sowie Rücklagen für den „Prämienfonds“. Der Lohnanspruch steht an letzter Stelle und wird demnach als Residualgröße abgegolten. Die LPG-III-Mitglieder haben zwar den Status eines Lohnarbeiters, aber ohne die geringste Einflußmöglichkeit auf Betriebsorganisation und Betriebsführung müssen sie alle Risiken der Produktion tragen. Diese mit unseren Begriffen nicht zu vereinbarende Konstruktion des LPG-Typs III veranlaßte zunächst dazu, den Mitgliedern der LPG III eine Mindestbezahlung der AE zu garantieren und bei ungenügendem Betriebserfolg die hierfür erheblichen Mittel zuzuschießen. Bezeichnenderweise besteht diese Garantie seit der vollständigen Kollektivierung nicht mehr, die Subventionierung der AE im Typ III wird aber praktisch noch fortgeführt. Im Zuge der Zwangskollektivierung wurde im Febr. 1960 die Subventionierung (verlorene Zuschüsse) zur Stützung von 4 Mark je AE in den LPG Typ III aufgehoben. „Dadurch soll allen Mitgliedern bewußt werden, daß die Entwicklung ihrer LPG, die Höhe ihrer Einkünfte und das Wachstum ihres Wohlstandes vor allem von ihrer eigenen Arbeit, nicht aber von ständiger finanzieller Unterstützung durch den Staat abhängen“ (Paul Scholz in „Der freie Bauer“ vom 14. 2. 1960). Heute wird eine Produktionshilfe nur noch an wirtschaftsschwache LPG vom Typ III gegeben, um die Produktionsgrundlagen zu verbessern. Gemeint sind solche LPG III, die infolge natürlicher Schwierigkeiten, z. B. geringe Bodenqualität, unzureichender Viehbesatz, Stallmangel, unzureichende Meliorationen, noch keine Wirtschaftlichkeit erreichen oder bei denen die durchschnittliche Gesamtvergütung (Geld- und Naturalvergütung) für AE in Höhe von höchstens 3.120 Mark je ganzjährig tätiges Mitglied geplant wurde, wo jedoch Schwierigkeiten auftraten, diese Vergütung zu verwirklichen. Die Schwierigkeiten dürfen jedoch „nicht Folge mangelnder Arbeit“ sein. Damit zeichnet sich bereits ab, daß im Stadium der totalen Kollektivierung die zahlreichen Vergünstigungen, die als Anreiz zu LPG-Eintritten bzw. -Gründungen dienten, abgebaut werden.
Der entscheidende betriebswirtschaftliche Unterschied zwischen Typ I und II gegen[S. 385]über Typ III besteht darin, daß den Bauern in den Typen I und II bei nur gemeinsamer Bewirtschaftung des Ackerlandes noch ein Rest von eigener Leistungsinitiative für die VeredlungsWirtschaft geblieben ist, während im Typ III die Mitglieder bezahlte Kolchosarbeiter sind. Deshalb wäre es für die Lebensverhältnisse vieler Bauern von großer Bedeutung, wenn die Möglichkeit bestehen würde, die Typen I und II auf längere Zeit durchzuhalten. Auf die Dauer wird der Kommunismus das Nebeneinander von Kollektivformen mit so unterschiedlichem Vergesellschaftungsgrad nicht zulassen. Die „schrittweise Vergesellschaftung weiterer Betriebszweige“ in den Typen I und II zeichnet sich bereits sehr deutlich ab, u.a. in dem auf dem VII. Bauernkongreß geschaffenen modifizierten Typ II. In ihm wird bereits eine „genossenschaftliche“ Viehhaltung aufgebaut sowie Grünland und Wald in die LPG eingebracht. Die Versorgungsabhängigkeit der Viehwirtschaft in den Typen I und II (ursprünglich) von Futtermitteln aus der kollektiven Feldwirtschaft begünstigt auch ohne behördliche Zwangsmaßnahmen das Fortschreiten der Kollektivierung. Dem SED-Regime bringt dieser schrittweise Übergang vom Typ I über Typ II in Typ III den Vorteil der Einsparung erheblicher Subventionsmittel für die Erstellung der baulichen und technischen Voraussetzungen, da diese nun aus eigener Kraft der LPG-Mitglieder erfolgen muß.
Über die agrarpolitischen Maßnahmen zur LPG-Bildung Agrarpolitik, über die Ertragslage der LPG Landwirtschaft.
Zur Fachbildung und politischen Schulung von Mitgliedern und Führungskräften der LPG wurde am 1. 9. 1953 die Hochschule für LPG in Meißen gegründet. Das gebührenfreie Studium, zu dem die Mitgliederversammlung der LPG die Teilnehmer delegiert, dauert als Direktstudium 3 Jahre, als Fernstudium 5 Jahre, als Abendstudium sowie als Wechselstudium (Direkt- und Fernstudium) 4 Jahre und endet mit dem Staatsexamen als „Diplom-Agronom“. Der fachliche Ausbildungsstand der Führungskräfte in den LPG ist für die Machthaber ein ernstes Problem: Nach dem Stand vom 30. 9. 1966 hatten von den 14.131 LPG-Vorsitzenden nur 9.424 eine abgeschlossene Ausbildung, davon 1829 einen Hochschulabschluß, 4.022 Fachschulabschluß, 1.367 Meisterprüfung und 2.206 Facharbeiterprüfung. Von den insgesamt 896.674 mitarbeitenden LPG-Mitgliedern wiesen nur 233.898 (rd. 26 v. H.) eine abgeschlossene Ausbildung auf.
Die angestrebte betriebswirtschaftliche Umstellung auf industriemäßige Produktionsmethoden in der Landwirtschaft im Zuge des Neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft sieht eine zunehmende Konzentration, Spezialisierung und Arbeitsteilung der Agrarproduktion in Kooperationsgemeinschaften und Kooperationsverbänden vor. Da die geforderte Konzentration bestimmter Nutzungszweige der Viehwirtschaft, wie vor allem Jungrinderaufzucht, Schaf- und Geflügelhaltung, z. T. nicht mehr auf innerbetrieblicher Grundlage möglich ist, können mehrere LPG, ohne Rücksicht auf verwaltungsterritoriale Grenzen, Gemeinschaftseinrichtungen mit den Organen Bevollmächtigtenversammlung, Vorstand und Revisionskommission bilden. Rechtsgrundlage ist neben dem LPG-Gesetz die AO über die Bildung und das Musterstatut der G. (GBl. 1964, III, S. 324).
Literaturangaben
- Kramer, Matthias: Die Landwirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone. 4. Aufl. (unter Mitarb. v. Gerhard Heyn und Konrad Merkel). (BB) 1957. Teil I (Text) 159 S., Teil II (Anlagen) 224 S.
- Merkel, Konrad, und Eduard Schuhans: Die Agrarwirtschaft in Mitteldeutschland — Sozialisierung und Produktionsergebnisse. (BB) 2., erw. Aufl. 1959. 200 S. m. 53 Tab.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 382–385
Lotto | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | LPG-Gemeinschaftseinrichtungen zur Beschaffung landwirtschaftlicher Produktionsmittel |