DDR von A-Z, Band 1969

Ministerrat (1969)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979 1985


 

Der M. organisiert nach Art. 78 der Verfassung im Auftrage der Volkskammer die Erfüllung der politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Aufgaben sowie der ihm übertragenen Verteidigungsaufgaben des sozialistischen Staates. Auf dem VI. Parteitag der SED (Januar 1963) wurde der M. erstmals als Exekutivorgan der Volkskammer und des Staatsrats bezeichnet. Dementsprechend wird der M. auch im § 2 des Gesetzes über den M. vom 17. 4. 1963 (GBl. I, S. 89) Exekutivorgan der Volkskammer und des Staatsrates genannt. Der M. arbeitet auf der Grundlage der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer sowie der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates (Art. 79 Abs. 1 Satz 1 der Verf.). Der M. hat wissenschaftliche Prognosen auszuarbeiten, die Gestaltung des ökonomischen Systems des Sozialismus zu organisieren und die planmäßige Entwicklung der Volkswirtschaft zu leiten. Wie schon nach § 5 des M.-Gesetzes von 1963 liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit also auf wirtschaftlichem Gebiet.

 

Der M. hat das Recht zur Normensetzung. Er erläßt im Rahmen der Gesetze und Erlasse Verordnungen und faßt Beschlüsse (Gesetzgebung) und hat das Recht, Regierungsabkommen abzuschließen und zu kündigen (Art. 79 Abs. 1 Satz 2; Abs. 3 der Verf.).

 

Der M. ist das Organ, das in der Verfassung von 1949 als Regierung bezeichnet wurde. Schon bald wurde die Bezeichnung M. gebräuchlich, die seit 1960 deshalb gerechtfertigt ist, weil nicht mehr dieses Organ, sondern der Staatsrat das Organ ist, das innerhalb des Staatsapparates als Organ der Volkskammer zwischen den Tagungen der Volkskammer die politischen Entscheidungen trifft und damit Regierung im funktionellen Sinn ist. Der M. ist Spitze der Behördenorganisation. Er leitet, koordiniert und kontrolliert die Tätigkeit der Ministerien, der anderen zentralen Staatsorgane und der Räte der Bezirke entsprechend den Erkenntnissen der Organisationswissenschaft.

 

Ihm unterstehen die örtlichen Räte (Bezirk, Gemeinde, Kreis), die freilich gleichzeitig den Volksvertretungen, die sie gewählt haben, verantwortlich sind, und die Verwaltungszweige, die nicht in die allgemeine Behördenorganisation eingegliedert sind (die nachgeordneten Dienststellen zentraler Staatsorgane, z. B.- die örtlichen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei, und des Ministeriums für Staatssicherheit).

 

Nicht in die allgemeine Behördenorganisation gehören die Gerichte (Gerichtsverfassung), die Staatsanwaltschaft und die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion.

 

Der M. ist ferner für Beschwerden gegen Entscheidungen zentraler Organe des M. zuständig (Art. 104 Abs. 1 der Verf.). Über das Verhältnis des M. zur SED bestimmt § 4 des M.-Gesetzes von 1963, daß dieser außer auf der Grundlage der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer sowie der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrats vor allem auf der Grundlage des Programms der SED und der Beschlüsse des ZK der SED, die die staatliche Tätigkeit betreffen, die für den umfassenden Aufbau des Sozialismus sich ergebenden politischen, ökonomischen, wissenschaftlichen, technischen und kulturell-erzieherischen Hauptaufgaben ausarbeitet. Auf der 2. Tagung des ZK der SED (Juni 1967) forderte Ulbricht, daß sich die Entscheidungen der Partei stärker auf Kernfragen konzentrieren sollen, damit so die Verantwortung des M. für seine eigene schöpferische Arbeit erhöht würde. Zugleich forderte er aber, daß im M. die Beschlüsse der Parteiführung viel sorgfältiger als bisher erörtert würden („Neues Deutschland“ v. 8. 7. 1967).

 

Über die Bildung des M. bestimmt Art. 80 der Verf., daß sein Vorsitzender vom Vorsitzenden des Staatsrats der Volkskammer vorgeschlagen und von ihr mit der Bildung des M. beauftragt wird. Der Vorsitzende und die Mitglieder des M. werden nach der Neuwahl der Volkskammer von ihr auf die Dauer von 4 Jahren gewählt. Der Vorsitzende und die Mitglieder des M. werden vom Vorsitzenden des Staatsrates auf die Verfassung vereidigt.

 

Über die Zusammensetzung des M. bestimmt Art. 80 Abs. 4 der Verf., daß der M. aus dem Vorsitzenden, den Stellvertretern des Vorsitzenden und den Ministern besteht. Der M. wird vom Vorsitzenden des M. geleitet. Er ist ein kollektiv arbeitendes Organ (Art. 78 Abs. 1 Satz 2 der Verf.). Der M. ist der Volkskammer verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Nach § 2 des M.-Gesetzes von 1963 ist der M. auch dem Staatsrat, der nach Art. 66 Abs. 1 der Verf. als Organ der Volkskammer deren Aufgaben zwischen ihren Tagungen versieht, verantwortlich. Für die Tätigkeit des M. tragen alle seine Mitglieder die Verantwortung. Der Vorsitzende und die Mitglieder des M. können jederzeit von der Volkskammer abberufen werden (Art. 50 der Verf.).

 

Nach Ablauf der Wahlperiode der Volkskammer setzt der M. seine Tätigkeit bis zur Wahl des neuen M. durch die Volkskammer fort (Art. 80 Abs. 2 Abs. 7 und 8 der Verf.). Jeder Minister leitet verantwortlich das ihm übertragene Aufgabengebiet.

 

Die Ministerien sind zentrale Fachorgane mit einem bestimmten Geschäftsbereich, die im Gegensatz zu den Staatssekretariaten mit eigenem Geschäftsbereich und anderen zentralen Fachorganen von Ministern geleitet werden. Die Minister haben also in der Regel eine Doppelstellung. Sie sind gleichzeitig Mitglied des M. und Leiter eines zentralen Fachorgans. Die meisten Ministerien haben ein Statut, in dem sie als [S. 432]Organe des M., juristische Personen und als Haushaltsorganisation bezeichnet werden.

 

Die Stellvertreter des Vorsitzenden des M. sind mit der Koordination verschiedener Geschäftsbereiche betraut.

 

Aus seiner Mitte bildet der M. ein Präsidium, das vom Vorsitzenden des M. geleitet wird (Art. 80 Abs. 5 der Verf.). Dieses nimmt zwischen den Tagungen des M. dessen Funktionen wahr und leitet und organisiert die Arbeit des M. (§ 9 des M.-Gesetzes von 1963). Das Präsidium des M. ist also eine Art Überkabinett und das eigentliche Führungsorgan des Staatsapparates.

 

Organe des M. sind die Staatliche Plankommission und der Landwirtschaftsrat. Der M. hat ein eigenes Büro, das dem Vorsitzenden des M. bei dessen Leitung und der des Präsidiums unterstützt.

 

Der M. hatte am 1. 5. 1968 folgende Zusammensetzung:

 

Vorsitzender des Ministerrats: Willi ➝Stoph (SED)

 

Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats: Alfred ➝Neumann (SED)

 

Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats:

 

Mitglieder sind ferner die Minister:

 

Dem Präsidium des Ministerrates gehören an:

 

Willi ➝Stoph, Max ➝Sefrin, Alfred ➝Neumann, Dr. Werner ➝Titel, Dr. Alexander ➝Abusch, Dr. Gerhard ➝Weiss, Dr. Kurt Fichtner, Dr. Herbert ➝Weiz, Manfred ➝Flegel, Siegfried ➝Böhm, Wolfgang ➝Rauchfuß, Georg ➝Ewald, Gerhard ➝Schürer, Dr. Kurt ➝Wünsche.

 

Leiter des Büros des Ministerrates ist Rudolf ➝Rost.


 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 431–432


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.