
Wirtschaft (1969)
1. Wirtschaftspolitik
a) allgemeine Bestimmung und Aufgaben
W.-Politik wird verstanden als die Gesamtheit der gestaltenden Maßnahmen, die der Staat im Hinblick auf die Erreichung der politischen und wirtschaftlichen Ziele „der herrschenden Klasse“ trifft. Die Maßnahmen beziehen sich auf die Abläufe und Strukturen des Wirtschaftssystems. Das bestehende Wirtschaftssystem wird als „sozialistische Planwirtschaft“ gekennzeichnet. Entscheidend für die Eigenart der [S. 727]W.-Politik ist, daß die sozialistische Plan-W. in ihren Grundelementen bewußt als ein Wertsystem aufgefaßt wird. Dieses bezieht sich nicht darauf, makroökonomische Ungleichgewichte in Notlagen zu beseitigen (z. B. Kriegs-W.), sondern soll im Zusammenhang einer neuen gesamtgesellschaftlichen Wertordnung von oben auf die Dauer in dem gesellschaftlichen System durchgesetzt werden. Eine entsprechende W.-Politik zu führen, war und ist das Ziel der KPD bzw. SED. Typisch ist eine grundsätzlich kämpferische Einstellung der SED auch im wirtschaftspolitischen Bereich. Sie zeigte sich am deutlichsten dort, wo gewaltsam das überkommene W.-System zerstört wurde (z. B. durch Enteignung, Zwangskollektivierung, Berufslenkung). Die ideologische Orientierung erfolgt im wesentlichen am Marxismus-Leninismus, im einzelnen an der Politischen Ökonomie. Die Veränderungen im wirtschaftlichen Lenkungssystem während der letzten Jahre (NÖS) und die jüngste starke Förderung von praxisbezogenen Teilbereichen der W.-Wissenschaften („sozialistische Wirtschaftsführung“, „sozialistische Betriebswirtschaftslehre“) zeigen jedoch, daß die Dogmen der traditionellen politischen Ökonomie gegenüber den Problemen von entwickelten, vielschichtig verflochtenen industriellen Volkswirtschaften aussagenarm sind.
Die W.-Politik hat zur Aufgabe, bestimmte Grundbestandteile des Gesamtsystems — gesellschaftliches Eigentum und zentrale Lenkung — entweder zu schaffen oder so funktionsbereit zu halten, daß über wirtschaftliche Wachstumsprozesse eine Anhebung des Lebensstandards möglich ist. Daher wird die W.-Politik zu Recht als der „wichtigste Teil der Gesamtpolitik“ der SED und ihr folgend der staatlichen Verwaltung bestimmt. Machtgewinn, -behauptung und -Sicherung der SED sind eng mit der Gestaltung der wirtschaftlichen Struktur (Organisationsformen, Institutionen) und des wirtschaftlichen Ablaufs (W.-Prozeß, makro- und mikroökonomische Beziehungen) verknüpft.
Im einzelnen sind wichtige Aufgaben der W.-Politik: 1) der allgemeine Aufbau des W.-Systems durch Bildung und Auflösung von W.-Organen, 2) die Verteilung von Entscheidungskompetenzen derart, daß ein kooperationsfähiges Entscheidungssystem entsteht, 3) die Festlegung der volkswirtschaftlichen Grundstruktur, der Branchen und Produktionssortimente sowie der territorialen wirtschaftlichen Verflechtung, 4) die Bestimmung der Wachstumsziele und -strategien, der volkswirtschaftlichen Effektivität im zentralen Plan, 5) die Regelung eines Systems direkter und indirekter Instrumente („ökonomische Hebel“) wie Preisplanung und -gestaltung, Haushaltsabführungen, Prämiensätze, 6) Entscheidungen über Investitionen, den Außenhandel und 7) über den den VEB verbleibenden Anteil am Reineinkommen, 8) die Lenkung der Branchen durch Ministerien, VVB, Kombinate und VEB im Hinblick auf Forschung, Entwicklung, Fertigung und Absatz sowie der regionalen Wirtschaftskomplexe (Bezirke und Kreise, Städte und Gemeinden), 9) die rationelle Nutzung der Produktionsfaktoren und die Verteilung der Erzeugnisse, 10) die Regelung der Finanzbeziehungen, z. B. zwischen Bank, Betrieb und Staatshaushalt.
b) Etappen
Bei dem Abbau des überkommenen W.-Systems und dem Aufbau einer sozialistischen Plan-W. lassen sich bis jetzt fünf verschiedene Phasen unterscheiden. Sie sind gleichzeitig die Hauptetappen der allgemeinen politischen Entwicklung.
Die erste Phase von 1945 bis 1949 war dadurch gekennzeichnet, daß ökonomische Machtbasen (z. B. privatkapitalistisches Eigentum) zerstört bzw. übernommen wurden. Es war die Etappe der „Eroberung der politischen und wirtschaftlichen Kommandohöhen“ durch Industrie- und Bodenreformen. In der Industrie wurde das staatliche und „nationalsozialistische“ Eigentum, später auch das Privatkapital enteignet. Der Befehl Nr. 124 der SMAD vom 30. 10. 1945 („Sequesterbefehl“) ordnete unter der Bezeichnung „Über die Beschlagnahme und provisorische Übernahme einiger Eigentumskategorien“ die Beschlagnahme wichtiger Industriebetriebe an. Formal sollte sich die Maßnahme vor allem gegen „Naziaktivisten und Rüstungsfabrikanten“ richten. Ein kleiner Teil der beschlagnahmten Betriebe wurde mit dem Befehl Nr. 167 vom 5. 6. 1946 in das „Eigentum der UdSSR auf Grund der Reparationsansprüche der UdSSR“ überführt („SAG-Betriebe“), während der größere Teil zu „Volkseigentum“ erklärt wurde (Befehl Nr. 64 vom 17. 4. 1948). In der Provinz Sachsen bestimmte [S. 728]ein am 30. 6. 1946 durchgeführter „Volksentscheid über die entschädigungslose Enteignung der sequestrierten Betriebe der Kriegsverbrecher und aktiven Faschisten“ die Übernahme in „Volkseigentum“. 1947 gingen alle Bodenschätze in „Volkseigentum“ über (Ländergesetze „Über die Überführung der Bodenschätze und Bergwerksbetriebe in die Hand des Volkes“).
Parallel dazu lief seit 1945 eine Bodenreform, durch die aller landwirtschaftlicher Privatbesitz über 100 ha entschädigungslos enteignet und in einem allgemeinen „Bodenfonds“ zusammengefaßt wurde. Etwa ⅔ des Landes wurde an 550.000 landlose Bauern, Landarbeiter, Pächter u. a. verteilt, etwa ⅓ übernahmen Länder, Kreise und Gemeinden. Diese erste Phase charakterisierten weiterhin Demontagen und Reparationsleistungen an die SU. Letztere wurden formal 1953 abgeschlossen. Am 27. 6. 1947 konstituierte sich auf Befehl Nr. 138 der SMAD die „Deutsche Wirtschaftskommission“ als zentrale deutsche Verwaltungsinstanz. Bestehend aus 12 Zentralverwaltungen brachte die DWK eine stärkere Zentralisierung des wirtschaftlichen Leitungssystems. Ein Teil der volkseigenen Betriebe unterstand ab Juli 1948 direkt der DWK. Die anderen VEB wurden entweder von Länderregierungen, unteren Gebietskörperschaften oder genossenschaftlich verwaltet. Als Zwischeninstanzen schuf die DWK ein Ministerium für Industrie und von diesen angeleitete Vereinigungen Volkseigener Betriebe mit VEB als unselbständigen Filialbetrieben. Die DWK wurde die Vorläuferin der späteren Regierung.
Die zweite Etappe von 1949 bis 1958 wurde dadurch bestimmt, daß Grundlagen für die volkswirtschaftliche Grundstruktur kennzeichnende Branchen der chemischen und elektrotechnischen Industrie und des Maschinenbaus geschaffen sowie durch Kriegsschäden und Demontagen bedingte Verluste und Disproportionen beseitigt wurden. Die Industrieverwaltung wurde in dieser Zeit zweimal reorganisiert: Ende 1950 wurde das Ministerium für Industrie durch einzelne Industrieministerien ersetzt. Sie übernahmen den größeren Teil der bis dahin den Länderregierungen unterstehenden VEB-L (jetzt VEB-Z), der kleinere Teil wurde als „örtliche Industrie“ den Kreiskörperschaften unterstellt. Gleichzeitig wurden neue Branchenverwaltungen (VVB-Z) gegründet. Ende 1951 wurden dann die Branchenverwaltungen aufgelöst und die angeschlossenen Betriebe in selbständige, nach der „wirtschaftlichen Rechnungsführung“ arbeitende W.-Einheiten umgewandelt.
Allgemein führte die SED in dieser Phase einen verschärften „Klassenkampf nach innen“. Die Sozialisierung wurde weiterbetrieben, so durch die Gründung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks und von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Die Zwangskollektivierung der selbständigen Bauern-W. lief von Juli 1952 bis April 1960. Sie stagnierte in den Jahren 1953 (Juni-Aufstand), 1956 (Unruhen in Polen) und 1957 (Ungarn-Aufstand).
1950 wurde die DDR in den 1949 gegründeten Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe aufgenommen, womit eine intensivere wirtschaftliche Verflechtung mit den Ostblockländern, in erster Linie mit der SU, begann.
Die 1948 mit einem Halbjahresplan eingeführte zentrale Planung brachte 1949 einen Zweijahrplan, 1951 einen ersten und 1956 einen zweiten Fünfjahrplan.
Die dritte Phase von 1958 bis 1962 begann mit einer Reorganisation des Staats- und W.-Apparates. Der Auflösung der Industrieministerien folgte die Gründung von Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) mit der Aufgabe, unterstellte VEB „operativ und produktionsnah anzuleiten“. Eine Staatliche Plankommission wurde aufgebaut, der bis zur Bildung des Volkswirtschaftsrates 1961 während der vierten Verwaltungsreform auch die VVB unterstanden. Die örtliche Industrie gewann an Bedeutung, indem den Räten der Bezirke und Kreise ehemals zentralverwaltete Industriebetriebe zugeordnet wurden. Im Zusammenhang damit konstituierten sich bei den Räten der Bezirke besondere Wirtschaftsräte. Währenddessen wurde die Industrie stark ausgebaut (z. B. VEB Braunkohlenkombinat „Schwarze Pumpe“, Werk II des VEB Leuna-Werke, Erdölleitung „Freundschaft“).
Die Jahre 1958 und 1959 brachten insgesamt eine erste Konsolidierung des wirtschaftlichen und politischen Systems, der in den Jahren bis 1962 dann jedoch, hervorgerufen durch die Vollkollektivierung der Landwirtschaft, die Fluchtbewegung und den Bau der Mauer, Krisen folgten. Die wirtschaftlichen Kontakte zu RGW-Ländern [S. 729]wurden ausgebaut. Unter der Formel „Störfreimachung“ wurden eine stärkere Umstellung der W. auf Materialimporte aus der SU und anderen Ostblockländern sowie die Eigenfertigung bisher importierter Erzeugnisse propagiert. Durch die Umstellung sollte der Interzonenhandel verringert werden. Er stieg im Umfang allerdings ab 1962 wieder an.
Typisch für die vierte Phase, von 1963 bis 1966, war der weitere Ausbau der etablierten sozialistischen Plan-Wirtschaft unter einem wirtschaftspolitischen Reformprogramm, dem Neuen ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft. Bemerkenswert ist dreierlei: einmal eine zunehmende Dezentralisierung ableitbarer Entscheidungen, was jedoch gleichzeitig begleitet ist von einer stärkeren Zentralisierung bei Grundentscheidungen (z. B. die Struktur- und Wachstumspolitik betreffend), zweitens die Nachfrage nach Sachverstand auf allen Produktions- und Leitungsebenen und die Integration von Sachverständigen meistens über Konsultativgremien und Stabsstellen und drittens eine Ökonomisierung des W.-Ablaufs in Verbindung mit der Verbreitung des Leistungsdenkens. Das NÖS zielt in erster Linie nicht auf eine Veränderung der Grundelemente des W.-Systems und der bezeichnenden Instrumente der W.-Politik, sondern auf deren effektivere Gestaltung und Anwendung. Ein weitverbreiteter Voluntarismus und Praktizismus sollen durch einen Prozeß der partiellen Verwissenschaftlichung und einer allgemeinen Anhebung des Ausbildungsniveaus eingeschränkt werden. Dabei werden auch Bestandteile westlicher Verkehrs wirtschaften auf ihre Anwendbarkeit hin überprüft und ggf. übernommen (z. B. die auf eigene Rechnung arbeitenden „Ingenieurbüros für Betriebswirtschaft“ bei den VVB, ohne daß dies die immanenten Spannungen des zentral gelenkten W.-Systems beseitigen könnte. Auch wenn wettbewerbliche Elemente eingebaut werden, bleibt der Planungszentrale die Aufgabe, ein volkswirtschaftliches Gleichgewicht zu sichern. Die Spannungen bestehen zwischen den Mengen- und Preisregulierungen. Der unmittelbare Preis-Mengenzusammenhang ist unterbrochen, andererseits können die staatlichen Preisorgane die einmal fixierten Preise nicht fortlaufend den unterschiedlichen Versorgungs- und Kostenlagen anpassen. Umdispositionen sind nur schwerfällig zu erreichen, was auf die durchschnittliche volkswirtschaftliche Effektivität drückt. Dies gewinnt an Bedeutung, wenn — wie in letzter Zeit — die W.-Branchen verstärkt unmittelbar an den internationalen Markt herantreten. Die relativ hohe Effizienz, die einer zentral gelenkten W. bei herausgehobenen Schwerpunkten oder bei radikalen Umstellungen in dem W.-System möglich ist, bleibt einer entwickelten, in den Grundzügen proportionierten Plan-W. nach allen bisherigen Erfahrungen unerreichbar.
Im einzelnen wurden durch das NÖS eine Reihe indirekter Leitungsinstrumente und Anreize verbessert oder aber neu eingeführt (z. B. neue Industriepreise, Zins, Prämien), die Position der VVB zu ökonomischen „Führungsorganen“ ausgebaut und das wirtschaftliche Leitungssystem insgesamt durch die Anwendung moderner, sozialwissenschaftlicher und mathematischer Verfahren (z. B. der Soziologie, Sozial- und Betriebspsychologie, Optimierungsrechnung) rationalisiert. Im Rahmen einer 1959 begonnenen „zweiten Etappe“ des NÖS wurden der Volkswirtschaftsrat aufgelöst und sieben Industrieministerien sowie das Ministerium für Materialwirtschaft gebildet. Durch diese Ministerien wurde die Kontrolle über die VVB wieder gefestigt.
Die gegenwärtige fünfte Phase wurde im April 1967 auf dem VII. Parteitag der SED mit dem Beschluß eingeleitet, das NÖS als Ökonomisches System des Sozialismus weiterzuentwickeln. Das ÖSS wird als das „Kernstück des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“ angesehen. Die seit 1963 in der Industrie gesammelten Erfahrungen werden jetzt auf andere W.-Bereiche (z. B. die Landwirtschaft) und auch die staatliche Verwaltung übertragen. Durch die Anwendung der kybernetischen Systemtheorie soll die gesamte Leitungs- und Planungsorganisation rationalisiert und optimiert werden. Weiterhin ist kennzeichnend, daß die Bedeutung einer volkswirtschaftlichen Struktur- und Wachstumspolitik für eine entwickelte Industriewirtschaft erkannt wurde. Das führt vor allem zu Änderungen in der Planung. Zur Lösung der strukturpolitischen Probleme wird 1968 eine gesonderte Schwerpunktplanung eingeführt. Dabei erhält die zentrale Ebene der Ministerien und der [S. 730]SPK zusätzliche Kompetenzen. Im Unterschied zur ersten Phase des NÖS wird die Priorität der Politik und Ideologie vor und in der Ökonomie wieder hervorgehoben und gleichzeitig die „führende Rolle“ der SED auch in der W. betont.
2. Wirtschaftssystem
a) Wirtschaftsfläche
Die gesamte W.-Fläche umfaßt 1967 10.830.237 ha. Hiervon sind 6.350.780 ha landwirtschaftliche Nutzungsfläche, 2.946.664 ha Forsten und Holzungen, 84.372 ha Ödland und 209.011 ha Gewässer. Hinzu kommen 1.018.796 ha sonstige Flächen, d.s. Hof- und Gebäudeflächen, Straßen, Plätze, Schienenwege, Flug-, Sport- und Militärübungsplätze, Parkanlagen usw. Die Gesamtfläche entspricht etwa der der Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Nach der Größe ihrer W.-Fläche steht die DDR in Europa an 16. Stelle. Die W.-Fläche, nach Eigentumsformen gegliedert, ergibt für 1967 folgende Verteilung: 1.206.003 ha nicht-sozialistischer Betriebe und 9.624.234 ha sozialistischer Betriebe, darunter 501.319 ha volkseigener Güter, 6.585.884 ha Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften und 20.964 ha Gärtnerischer Produktionsgenossenschaften. 1950 war das Verhältnis zwischen nicht-sozialistischem und sozialistischem Eigentum an der W.-Fläche noch 8.262.730 ha zu 2.492.081 ha und 1958 lautete es 5.234.413 ha zu 5.579.113 ha („Statistisches Jahrbuch der DDR 1968“, S. 271, 255).
b) Zentrale Planung
Die zentrale Planung ist neben den spezifischen Eigentumsverhältnissen das entscheidende Strukturmerkmal des W.-Systems. In dem System wird generell davon ausgegangen, wirtschaftliche Einzeldispositionen über einen zentralen Plan zu lenken und zu koordinieren. In der Vergangenheit hat sich die Form, nach der vor allem die Beziehungen zwischen Planungszentrale und W.-Einheiten geregelt wurde, wiederholt geändert. Seit 1948 gab es allein fünf größere Umbildungen der Planorganisation. Sehr verschiedene Planarten wurden, zumeist diskontinuierlich, angewendet: neben Jahres- und kurzfristigen Plänen Halbjahr-, Zweijahr-, Fünfjahr- und Siebenjahrpläne. Die früher durchgeführte einfache Mengenplanung mit der Bruttoproduktion als entscheidender Kennziffer ist inzwischen durch einige Qualitäts- und Effektivitätskriterien ergänzt worden, ohne daß eine Kennziffer, z. B. der Gewinn, Priorität erlangte. Hier wie auch bei anderen Problemen der zentralen Planung wirkt sich negativ das Fehlen einer entwickelten Planungstheorie aus. Seit 1967 (ÖSS) wird der Perspektivplan zum wichtigsten wirtschaftspolitischen Instrument ausgebaut. Neuere Entwicklungen (z. B. der volkswirtschaftlichen Prognostik und der Schwerpunktplanung) stärken die zentrale Planung.
c) Eigentumsverhältnisse
Eine der primär kennzeichnenden Differenzen zwischen dem W.-System der DDR und dem der BRD sind die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse. Sie werden im Rahmen der Politischen Ökonomie als die wichtigsten gesellschaftlichen Verhältnisse angesehen und bestimmen angeblich den Charakter aller anderen gesellschaftlichen Beziehungen. Im sozialistischen System wird das gegenüber dem Privateigentum dominierende „sozialistische Eigentum“ an Produktionsmitteln als die wirtschaftliche Basis der gesamtgesellschaftlichen Steuerung durch die SED („Arbeiter-und-Bauern-Macht“) angesehen. Die Bildung von Privateigentum an Produktionsmitteln durch Unternehmer und von großen Kapitalgruppen mit gesellschaftspolitischen Einflußmöglichkeiten wird verhindert.
Das sozialistische Eigentum existiert in zwei Formen: als „Volkseigentum“, das die durch Vergesellschaftung in direkten staatlichen Besitz gelangten Betriebe und Unternehmen erfaßt, und als „genossenschaftliches Eigentum“, das durch den Zusammenschluß von Einzelproduzenten zu Erzeugergenossenschaften entsteht. Die Basis des Volkseigentums entstand 1946 durch die entschädigungslose Enteignung der „Nazi- und Kriegsverbrecher“. Durch den Neubau zahlreicher Großbetriebe wuchs der staatliche Wirtschaftsbereich stark an. 1967 stammten 79,5 v. H. der industriellen Produktion (einschl. des Fertigungshandwerks) aus volkseigenen Betrieben.
Das genossenschaftliche Eigentum besteht in den Organisationsformen von Produktionsgenossenschaften, die vor allem in der Landwirtschaft und im Handwerk sowie [S. 731]im Gartenbau und in der Fischerei verbreitet sind, und von Konsumgenossenschaften. In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden neben dem Privateigentum als dritte Eigentumsform noch das „halbstaatliche Eigentum“ unterschieden. Dieses umfaßt Betriebe mit einer staatlichen Beteiligung (Kapitaleinlage) und/oder einem Kommissionsvertrag. Die 3.892 privaten Industriebetriebe mit in der Regel mehr als 10 Beschäftigten des Jahres 1967 machen zwar rein zahlenmäßig immer noch 29,6 v. H. der Industriebetriebe aus, sie sind jedoch an der industriellen Bruttoproduktion nur noch mit 2 v. H. beteiligt. Bei den halbstaatlichen Betrieben lauten die Zahlen für 1967: 5.562 Betriebe, die 42,3 v. H. der Industriebetriebe darstellen, produzieren 10,3 v. H.
d) Volkseigene Wirtschaft
Die VEW umfaßt alle in staatlichem Besitz befindlichen Betriebe und Institutionen aus den verschiedenen W.-Bereichen. Hierzu gehören: die volkseigene Industrie, die volkseigenen Güter, der staatliche Außenhandel (Außenwirtschaft), der staatliche Großhandel mit Industriebedarf (Staatliche Kontore) und mit Konsumgütern und Lebensmitteln (Großhandelsgesellschaften, VVEAB), der staatliche Einzelhandel (HO) und die staatlichen Verkehrseinrichtungen (Deutsche Reichsbahn, Post- und Fernmeldewesen, Interflug (Luftverkehr), Schiffahrt, Kraftverkehr).
Vom Staat eingesetzte Leiter bzw. Direktoren der VEB und der übrigen Einrichtungen verwalten die VEW nach dem Prinzip der Einzelleitung. Ihre Aufgabe ist es, [S. 732]das VEW „wirtschaftlich zu nutzen, zu erhalten und zu mehren“. Die Bevölkerung kann Rechte aus der VEW lediglich in den verschiedenen Beratungs- und Kontrollgremien (z. B. Produktionskomitees, Gesellschaftliche Räte) und formal auch über die Volksvertretungen wie Volkskammer, Bezirks- und Kreistag und Gemeindevertretung wahrnehmen. Am 30. 9. 1967 arbeiteten von insgesamt rd. 7,7 Mill. Berufstätigen in der W. 5 Mill. Berufstätige in der VEW („Statistisches Jahrbuch der DDR 1968“, S. 61).
e) Wirtschaftsorgane
Die Organisationseinheiten des W.-Systems sind die unmittelbar wirtschaftenden Einheiten und die staatlichen Träger der W.-Politik sowie der allgemeinen Verwaltung. Letztere werden auch „wirtschaftsleitende Organe“ genannt. Dagegen umfaßt die ältere Bezeichnung „Produktionsleitungen“ Einheiten beider Arten: Vereinigungen Volkseigener Betriebe, Bezirkswirtschaftsräte und Räte für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft.
Die Organe der W.-Politik und Verwaltung sind hierarchisch gegliedert. Höchstes Organ der W.-Leitung ist der Ministerrat. Er transformiert wirtschaftspolitische Ziele, Strategien und Mittelpräferenzen aus dem Parteiapparat der SED in Sollgrößen und Handlungsanweisungen für den Bereich der W. und arbeitet direkt mit dem Staatsrat und der Volkskammer zusammen. Auf seiner Ebene werden die wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen mit beteiligten Ressorts (z. B. Bildungswesen, Gesundheitswesen) abgestimmt. Dem Ministerrat unterstehen zur Leitung, Verwaltung und Kontrolle der W. spezielle Organe, die sich nach Funktionen unterscheiden lassen. Dies sind erstens Organe, denen produktive W.-Bereiche zugeordnet sind: Industrieministerien, das Ministerium für bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie, der Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft, die Ministerien für Bauwesen und Verkehrswesen, Post- und Fernmeldewesen, Handel und Versorgung, das Amt für Wasserwirtschaft. Eine zweite Gruppe hat neben spezifischen Hauptaufgaben, wie z. B. die Planungsaufgaben der Staatlichen Plankommission, im Zusammenhang der W.-Leitung und -Verwaltung vorwiegend koordinierende und indirekt regelnde Funktionen: die Staatliche Plankommission, die Ministerien für Wissenschaft und Technik sowie der Finanzen, besondere Verwaltungsstellen für Arbeit, Löhne und Preise, die Staatsbank der DDR, Kontrollaufgaben vor allem hat die dritte Gruppe der wirtschaftsleitenden Organe: wie die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik, das DAMW und das Staatliche Vertragsgericht.
Auf der regionalen Ebene existieren folgende wichtige Organe der W.-Leitung:
1) die die Industrie der Bezirke leitenden und den Räten der Bezirke sowie dem Ministerium für bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie unterstellten Bezirkswirtschaftsräte, 2) Räte für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft auf Bezirks- und Kreisebene, 3) Bezirks- und Kreisbauämter und 4) Räte der Gemeinden, soweit sie kommunale Dienstleistungs- oder Versorgungsbetriebe verwalten.
Die unmittelbar wirtschaftenden Einheiten umfassen Produktions- und Dienstleistungsbetriebe, Handelsorganisationen, Genossenschaften, Banken. Im Vordergrund des allgemeinen W.-Prozesses stehen die Industriebetriebe. Der Grad der erreichten Annäherung an die Optimalität der Größenordnungen der Betriebe, der technisch-ökonomisch adäquaten Ausstattung mit Sachmitteln und Fertigungsverfahren und der rationellen Verflechtung in den überbetrieblichen Produktionsprozeß sind von erheblicher Auswirkung auf die gesamtwirtschaftliche Effektivität. In allen drei Aspekten befindet sich die W. im Rückstand gegenüber führenden Industrieländern. Das gegenwärtige wirtschaftpolitische Programm zielt bei diesen Problempunkten auf eine Verringerung der hohen Anzahl kleinerer Betriebe durch Zusammenlegungen von Betrieben und die Bildung von Kombinaten. Des weiteren sollen durch Spezialisierung, Konzentration und den Aufbau von Kooperationsverbänden und von sozialistischen Arbeitsgemeinschaften sowie durch die Intensivierung der Erzeugnisgruppenarbeit günstige Formen der überbetrieblichen Zusammenarbeit gefunden werden. Schließlich soll die Produktion vornehmlich durch Rationalisierungen stärker mechanisiert und automatisiert werden.
[S. 733]
[S. 734]
f) Regionale Struktur der Volkswirtschaft
(Quelle: „Statistisches Jahrbuch der DDR 1968, S. 83 f.)
Literaturangaben
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- Gleitze, Bruno: Die Wirtschaftsstruktur der Sowjetzone und ihre gegenwärtigen sozial- und wirtschaftsrechtlichen Tendenzen. (BMG) 1951. 27 S. m. Tab.
- Kitsche, Adalbert: Die öffentlichen Finanzen im Wirtschaftssystem der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. (BMG) 1954. 68 S. m. 1 Anlage.
- Kitsche, Adalbert: Das Steuersystem in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Gelsenkirchen 1960, Buersche Druckerei Dr. Neufang. 187 S. m. zahlr. Tab.
- *: Der Kohlenbergbau und die Energiewirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im Jahre 1955 und nach der Planung 1956/60. (FB) 1957. 91 S. m. 5 Anlagen.
- Thalheim, Karl C., und Peter Propp: Die Entwicklungsziele der sowjetischen Besatzungszone in der zweiten Fünfjahrplan-Periode. (FB) 1957. 87 S. m. 15 Tab.
- Thalheim, Karl C.: Die Wirtschaft der Sowjetzone in Krise und Umbau (Wirtschaft und Gesellschaft in Mitteldeutschland, Bd. 1, hrsg. v. Forschungsbeirat … beim BMG). Berlin 1964, Duncker und Humblot. 191 S.
- Walther, Otto: Verwaltung, Lenkung und Planung der Wirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1953. 59 S. m. 6 Anlagen.
- Kramer, Matthias: Die Bolschewisierung der Landwirtschaft in Sowjetrußland, in den Satellitenstaaten und in der Sowjetzone (Rote Weißbücher 3). Köln 1951, Kiepenheuer und Witsch. 144 S.
- Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“ — Dokumente und Berichte zur Vertreibung und Vernichtung des bodenständigen Landvolkes in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (bearb. v. Joachim v. Kruse). Hannover 1955, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Landwirte und Bauern. 124 S.
- Merkel, Konrad, und Eduard Schuhans: Die Agrarwirtschaft in Mitteldeutschland — Sozialisierung und Produktionsergebnisse. (BB) 2., erw. Aufl. 1959. 200 S. m. 53 Tab.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 726–734