
Wirtschaftswissenschaften (1969)
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Unter W. werden Wissenschaften verstanden, die wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge, Prozesse und Erscheinungen untersuchen und „ökonomische Gesetze“ in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen erforschen. Sie umfassen Forschung und Lehre. Zu den W. des Sozialismus werden gezählt: 1) die Politische Ökonomie, 2) eine „Theorie der Volkswirtschaftsplanung“, 3) eine „sozialistische Betriebswirtschaftslehre“, 4) eine Lehre der sozialistischen Wirtschaftsführung, 5) Spezialdisziplinen wie Industrieökonomie, Agrarökonomik und Finanzökonomik, 5) Disziplinen im Grenzbereich zu anderen Wissenschaften wie Wirtschaftsstatistik, Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsgeographie.
Die W. beschränkten sich lange auf die aus dem Russischen übersetzte Politische Ökonomie als einer normativistischen Lehre auf der Grundlage — wie als Bestandteil — des Marxismus-Leninismus. Für die Planung, Leitung und Kontrolle eines industriellen Wirtschaftssystems erwies sie sich als nicht ausreichend, so daß die Anwendung von Ergebnissen und Methoden der W. aus ande[S. 737]ren Ländern und Gesellschaftssystemen diskutiert und experimentiert wird. So sind heute auch Versuche feststellbar, durch empirische und ansatzweise „wertfreie“ Untersuchungen die Daten und Strukturen der wirtschaftlich-sozialen Abläufe in einer Industriegesellschaft besonderer Art zu gewinnen. Dies geschieht im Rahmen einer besonders seit Einführung des Neuen ökonomischen Systems 1963 geforderten „schöpferischen Weiterentwicklung“ der W., speziell der „ökonomischen Lehren des Sozialismus und des Übergangs zum Kommunismus“. In erster Linie erfolgt die Weiterentwicklung durch die Anwendung der Mathematik, entweder zur Formalisierung ökonomischer Strukturen (z. B. in der Form der Verflechtungsbilanzen) oder als Operationsforschung. Durch das NÖS bzw. ÖSS erfuhren die W. eine Aufwertung.
Die wesentlichen Aufgaben der W. sind: 1) Grundlagen für die Beratung der Wirtschaftspolitik der SED und des Ministerrats zu schaffen; 2) neue Erkenntnisse, Analysen und Vorschläge für die Lösung grundsätzlicher und aktueller Fragestellungen bereitzustellen; 3) Wissenschaftler und Fachleute für die verschiedenen Wirtschaftsbereiche und die wirtschaftspolitische Leitung und Planung aus- und weiterzubilden.
Gegenstand der Forschung sowie der auszubauenden Lehre sind vor allem die durch das NÖS aufgeworfenen Probleme, z. B. des stetigen Wachstums, des Verhältnisses von zentraler zu dezentraler und direkter zu indirekter Planung, der Bestimmung von Effektivitätskriterien, der Leitung von Betrieben und Wirtschaftsorganisationen, der Kostenrechnung und Preisbildung, der Kombination widersprüchlicher wirtschaftspolitischer Ziele. Als allgemeines Kriterium für die Forschung wie für die W. insgesamt wird die Nutzanwendung in der Praxis gesehen.
Die W. sind an fast allen Universitäten vertreten, ferner an einer Reihe spezieller Hochschulen (z. B. Hochschule für Landwirtschaft Bernburg) und Fachschulen. Wirtschaftswissenschaftliche Forschung wird auch an den Industrieinstituten der Ministerien, VVB und Großbetriebe durchgeführt. Von herausragender Bedeutung sind die Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst und das Institut für Wirtschaftswissenschaften der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Leitende Institutionen für die W. sind das Institut für Gesellschaftswissenschaften und das Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED. Im Bereich des Staatsapparates sind es der Beirat für ökonomische Forschung, das ökonomische Forschungsinstitut — beides bei der SPK — und das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. 12.328 Studenten hatten 1967 W. — einschließlich Ingenieurökonomie — belegt, darunter 6.198 im Fernstudium („Stat. Jahrbuch der DDR 1968“, S. 472). (Planung, WirtschaftV
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 736–737
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