Wohnungsbau (1969)
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Der W. ist seit Kriegsende zugunsten der Errichtung von Industrie-, Verwaltungs- und militärischen Bauten vernachlässigt worden, obwohl erhebliche Kriegsschäden an Wohnungen entstanden waren. Während in der BRD der W. in den vergangenen Jahren mehr als 35 v. H. der gesamten wertmäßigen Bauproduktion ausmachte, wurden vom SED-Regime nur zwischen 19 und 25 v. H. der verfügbaren Baukapazitäten für den W. freigegeben. Zwischen Kriegsende und 1956 waren durch Instandsetzung teilzerstörter Wohngebäude etwa 300.000 Wohnungen wieder wohnbar gemacht, höchstens 70.000 Wohnungen neu gebaut worden. In diesem Zeitraum hatte die BRD einen Zugang von rd. 3,5 Mill. Wohnungen, d.h., auf die unterschiedliche Bevölkerungszahl umgerechnet, eine fast vierfach größere Wohnungsbautätigkeit. Erst ab 1957 stieg die Wohnungsbautätigkeit in Mitteldeutschland etwas stärker an, erreichte jedoch niemals den entsprechenden Stand in der BRD. (Siehe Tabelle.)
Zu den Zahlen der Tabelle ist zu bemerken, daß die Wohnfläche je neu erstellter Wohneinheit in der BRD in allen Jahren größer war, z. B. 1967 BRD = 82 qm,„DDR“ = 51 qm. Auch hinsichtlich der Qualität, des Komforts usw. befindet sich der W. drüben im Rückstand.
Das SED-Regime hatte 1958 versprochen, es wolle in der Periode des Siebenjahrplans (1959–1965) 772.000 neue Wohnungen bauen lassen. Bis Ende 1965 wurden davon jedoch nur rd. 562.000 fertiggestellt. Der Plan des W. ist nur mit 72 v. H. erfüllt worden. Der W. ist seit 1962 bei steigendem Bedarf rückläufig. Von dem überalterten Wohnungsbestand müßten, wenn man westliche Maßstäbe zugrunde legt, jährlich etwa 60.000 Wohnungen als abbruchreif erklärt werden. Der weitaus größte Teil davon wird jedoch weiter bewohnt (Wohnungswesen). — Seit 1962 ist der Anteil der durch Arbeiterwohnungsbau-Genossenschaften gebauten Wohnungen ständig zurückgegangen: 1961 betrug der Anteil 59 v. H., 1967 nur noch 25 v. H. Dagegen wird der Anteil des sog. volkseigenen W., durch den fast ausschließlich Werkswohnungen gebaut werden, weiter ansteigen.
Seit Anfang 1958 sind die „örtlichen Staatsorgane“ für den W. allein zuständig. Aus dem Staatshaushalt werden für den W. weniger Mittel bereitgestellt. Die Finanzierung geschieht überwiegend aus den Spareinlagen der Bevölkerung. Weitere Finanzquellen für den W. sind die Lottoeinnahmen (Lotterie), Leistungen der Bevölkerung im Nationalen Aufbauwerk, Baukostenzuschüsse und Genossenschaftsanteile der Wohnungssuchenden sowie Zuschüsse aus den öffentlichen Haushalten.
[S. 741]Berücksichtigt man die unterschiedliche Größe der neu gebauten Wohnungen, dann ist der Rückstand der „DDR“ gegenüber der BRD noch sehr viel größer. Im Jahre 1961 wurde in Mitteldeutschland je Kopf der Bevölkerung nur ein Viertel der in der BRD erstellten Wohnfläche neu gebaut. Die Belegzahl für neue Wohnungen ist hoch angesetzt. Haushalte mit 2 Personen haben z. B. nur Anspruch auf eine 1½-Raum-Wohnung einschl. Küche. Amtlich wurde 1965 dazu erklärt: „Es ist eine weitverbreitete, aber falsche Meinung, daß mit dem umfassenden Aufbau des Sozialismus auch die Wohnungsgröße wachsen muß. Wichtiger ist, daß für die neu entstehenden Industriebetriebe Wohnungen für die neuen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.“ Aus Fachzeitschriften ist zu entnehmen, daß der rechnerische Wohnungsbedarf erst nach 1970 abgedeckt werden soll. Wörtlich heißt es weiter: „Die Bereitstellung einer gut ausgestatteten Wohnung für jede Familie mit je einem Raum für jedes Familienmitglied ist jedoch erst zwischen 1970 und 1980 möglich.“
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 740–741