DDR von A-Z, Band 1975

Chemische Industrie (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985


 

Die ChI. ist entsprechend ihrer Beschäftigtenzahl mit 333.129 Arbeitern und Angestellten, die 1973 in 723 Betrieben tätig waren, der viertgrößte, entsprechend ihrem Produktionswert nach dem Maschinen- und Fahrzeugbau und der Lebensmittelindustrie der drittgrößte Industriebereich der DDR. Ihr Anteil an der industriellen Bruttoproduktion der DDR betrug 1973 14,3 v. H. Von 1960 bis 1973 konnte die ChI. die Bruttoproduktion um das 2,64fache steigern (zum Vergleich: Steigerung der gesamten industriellen Bruttoproduktion im gleichen Zeitraum um das 2,17fache).

 

Im einzelnen umfaßt die ChI. folgende Industriezweige:

 

[S. 183]Kali- und Steinsalzindustrie; Erdöl-, Erdgas- und Kohlewertstoffindustrie; Anorganische Grundchemie; Organische Grundchemie; Pharmazeutische Industrie; Plastindustrie; Gummi- und Asbestindustrie; Chemiefaserindustrie; Industrie chemischer und chemisch-technischer Spezialerzeugnisse. Die Hauptstandorte der ChI. liegen in den Bezirken Frankfurt (Oder), Halle und Leipzig.

 

Die ChI. ist auch heute noch überwiegend Braunkohlenchemie, d. h. sie basiert primär auf der Verarbeitung der noch reichlich verfügbaren Braunkohle. Allerdings ist seit einigen Jahren ein bedeutsamer Strukturwandel im Rohstoffeinsatz — von der Braunkohlen- zur Mineralölverarbeitung — eingetreten. In beachtlichem Umfang sind die Kapazitäten der Petrochemie und Erdölverarbeitung erweitert worden.

 

Vor der Spaltung Deutschlands hatte die mitteldeutsche ChI. bei einer großen Anzahl von Erzeugnissen überdurchschnittliche Produktionsanteile, bei einigen wichtigen chemischen Grundstoffen bestand sogar eine weitgehende Abhängigkeit Westdeutschlands von der mitteldeutschen ChI. Das größte Chemiewerk Europas, das Leunawerk, die drei I. G.-Farbenwerke in Bitterfeld und andere Werke waren Lieferanten Westdeutschlands und der ganzen Welt.

 

Bei verhältnismäßig geringen Kriegsschäden mußte die ChI. 1945–1946 empfindliche Demontagen hinnehmen. Die wichtigsten Chemie-Großbetriebe wurden von der UdSSR beschlagnahmt. Nach dem Wiederaufbau verfügten die Sowjets (Stand vom Anfang 1952) über mehr als 52 v. H. aller Kapazitäten in der ChI. Erst seit 1. 1. 1954 wurden die SAG-Betriebe der ChI. an die deutsche Verwaltung zurückgegeben. In der Periode des ersten Siebenjahrplans sollte die Produktion der ChI. bis 1965 gegenüber 1958 annähernd verdoppelt werden. Entwicklungsschwerpunkte waren Kunststoffe (Plaste) und synthetische Fasern. Die Kraftstofferzeugung und die Düngemittelproduktion sollten gegenüber 1958 um 100 v. H. gesteigert werden. Alle Planziele wurden nicht erreicht. Nach vier Jahren Laufdauer des ersten Siebenjahrplans hat die ChI. nur 45 v. H. des in dieser Zeit geplanten Zuwachses der Produktion erzielt. Im Rahmen der Zusammenarbeit der Länder des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) soll die ChI. der DDR Hauptlieferant für Kalidünger, Kunststoffe, Silicone und synthetischen Kautschuk werden. Die ChI. gehört zu den Schwerpunktindustrien der DDR. Die durchschnittliche jährliche Grundfondszunahme betrug zwischen 1966 und 1970 6,1 v. H. (zum Vergleich: Industrie insgesamt 4,9 v. H.). Inden Jahren 1971 und 1972 erhielt sie mehr als 20 v. H. der Investitionen der gesamten Industrie (1973 = 20,0 v. H.). Im laufenden Fünfjahrplan (1971–1975 soll die industrielle Warenproduktion im Bereich des Ministeriums für Chemische Industrie um 47 bis 49 v. H. gesteigert werden, das entspricht einer durchschnittlichen Wachstumsrate pro Jahr von 8,0 bis 8,3 v. H. Während 1971 das Produktionswachstum mit 5,6 v. H. unter dem durchschnittlichen Wachstum des Fünfjahrplan-Zeitraumes lag, wurde 1972 mit einem Wachstum von 7,9 v. H. gegenüber dem Vorjahr und 1973 mit 8,7 v. H. eine erhebliche Beschleunigung erreicht. Trotz einiger moderner Anlagen der chemischen Rohstoffumwandlung gelang es jedoch der ChI. der DDR bisher nicht, auch nur annähernd einen so deutlichen Wachstumsvorsprung vor der gesamten Industrie zu erreichen, wie es in führenden westlichen Industrieländern üblich ist.

 


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 182–183


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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