
Demokratie (1975)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969
Nach der Staatslehre des Marxismus-Leninismus eine Staatsform, eine Form der Machtausübung, „deren Inhalt und Funktion stets durch die in der jeweiligen Gesellschaftsordnung herrschenden Produktionsverhältnisse und dem diesen Verhältnissen entsprechenden Klassencharakter des Staates bestimmt wird“. Nach Lenin hat D. gleichzeitig eine andere Seite. Sie bedeutet die „formale Anerkennung der Gleichheit zwischen den Bürgern, des gleichen Rechts aller, die Staatsverfassung zu bestimmen und den Staat zu verwalten“.
Die seit 1776 (USA) bzw. 1791 (Frankreich) für die westliche Welt gültige D.-Auffassung wird in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus häufig als „bürgerlich“ bezeichnet. Obwohl die französischen Aufklärer, namentlich Jean-Jacques Rousseau, die den D.-Begriff für die Staats- und Gesellschaftsordnungen des 18. Jahrhunderts entwickelt haben, eine positive Bewertung erfahren, wird an ihrem D.-Begriff kritisiert, daß er das „Klassenbewußtsein des Volkes“ unberücksichtigt ließe. Schon Marx und Engels haben darauf verwiesen, daß in der „bürgerlichen D.“ weder die Ausbeutung noch die politische Ungleichheit aufgehoben seien; Grundlage der bürgerlichen D. sei vielmehr der auf dem „Antagonismus der Klassen“ beruhende kapitalistische Staat. Gemäß der marxistischen Formationslehre stellt die bürgerliche D. allerdings dennoch einen Fortschritt gegenüber dem absolutistischen Feudalstaat dar, weil sie dem Proletariat das Wahlrecht sowie Rede- und Koalitionsfreiheit gebracht und damit die Voraussetzungen für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft geschaffen hat. Die bürgerliche D. sei zwar eine „Dik[S. 188]tatur der Minderheit über die Mehrheit“, der Bourgeoisie über das Proletariat, bilde aber ein erstrebenswertes Übergangsstadium auf dem Wege zur Diktatur des Proletariats und zum Sozialismus, damit zu einer „Diktatur der Mehrheit über die Minderheit“, Entsprechend der Auffassung, daß die D. Klassencharakter trage, wird in der marxistisch-leninistischen Staatslehre scharf zwischen „bürgerlicher“ und „sozialistischer“ D. unterschieden. „Wirkliche“ D. könne erst die Arbeiterklasse errichten. Mit der Diktatur des Proletariats und dem Aufbau der sozialistischen D. werde die bürgerliche D. historisch abgelöst. Die marxistisch-leninistische Lehre von der sozialistischen D. verwendet denn auch einen D.-Begriff, der außer einigen nur äußerlichen Ähnlichkeiten mit dem westlichen D.-Begriff nichts gemein hat (vgl. Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1972, Kap. I; Materialien … 1974, Kap. II). Grundrechte; Verfassung; Wahlen.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 187–188
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