
Einheitliches System von Rechnungsführung und Statistik (1975)
Siehe auch:
- Einheitliches System von Rechnungsführung und Statistik: 1979
- Rechnungsführung und Statistik: 1985
- Staatliche Zentralverwaltung für Statistik: 1979
- Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (SZS): 1969
Das ESRS. stellt eine Verbindung der beiden bisher getrennten Informationssysteme betriebliches Rechnungswesen und Statistik dar.
Mit dem innerbetrieblichen Rechnungswesen wird insbesondere versucht, eine möglichst exakte und detaillierte Kostenzurechnung auf Produkte (Kostenträger), auf Entstehungsfaktoren (Kostenstellen) sowie nach der Art ihrer Entstehung (Kostenarten) zu erreichen. Damit sollen einerseits alle betrieblichen finanziellen Ströme genau erfaßt werden, andererseits dient die Kostenrechnung und -analyse aber auch dem Ziel, herauszufinden, wo noch Kostenteile eingespart, ungünstige Produktionen von Halbprodukten durch Zulieferungen anderer Hersteller ersetzt bzw. unrentable Endprodukte zugunsten neuer Erzeugnisse aufgegeben werden können. Zu diesen, auch in marktwirtschaftlichen Systemen geltenden Aufgaben des Rechnungswesens tritt in sozialistischen Wirtschaftssystemen noch die staatliche Zielvorstellung einer eingehenden Prüfung der innerbetrieblichen Vorgänge vermittels der Finanzbuchhaltung. Deshalb wurde in der DDR auch dem Hauptbuchhalter im Betrieb oder Kombinat neben der Leitung des Rechnungswesens eine weitgehende Überwachungsfunktion hinsichtlich der Einhaltung der Pläne und gesetzlichen Verordnungen übertragen, für die er übergeordneten Organen direkt verantwortlich ist.
Die Funktion der Statistik geht in der DDR über die Rolle der reinen Erfassung und Auswertung gesamtwirtschaftlich wichtiger Daten hinaus: Einerseits ist sie Instrument politischer Zielsetzungen und dient z. B. der Propaganda und der Darstellung der „Errungenschaften des Sozialismus“. Sie ist so organisiert, daß Vergleiche mit westlichen Ländern erschwert werden. In wichtigen Grundsätzen, Definitionen, Erhebungsmethoden sowie in der Aufbereitung und Klassifizierung des Zahlenmaterials bestehen z. B. erhebliche Unterschiede zur Bundesrepublik Deutschland. Andererseits hat auch die Statistik in der DDR die entscheidende Aufgabe, Instrument zur Überprüfung der Planerfüllung zu sein.
Da sowohl das innerbetriebliche Rechnungswesen als auch die Statistik in starkem Maße der Überwachung der Erfüllung der Volkswirtschaftspläne dienen, wurde bereits frühzeitig die Idee entwickelt, den zahlenmäßigen Informationsbedarf der wirtschaftsleitenden Organe auf allen Ebenen nach einheitlichen Gesichtspunkten zu befriedigen. Grundsatz des daraus entstandenen ESRS. ist die Erfassung, Darstellung und Analyse gleicher wirtschaftlicher Erscheinungen und Prozesse in allen Bereichen nach gleichen Merkmalen, Abgrenzungen und Definitionen. Damit gelingt es in relativ kurzer Zeit, betriebliche Angaben durch Hochrechnung zu gesamtwirtschaftlichen Daten zu aggregieren. Im Einzelnen ist geregelt worden, daß eine Reihe von Kennziffern für den Informationsbedarf über gesamtwirtschaftliche bzw. bereichstypische Fragen regelmäßig erfaßt wird, während zusätzliche andere Daten zur zweig- oder branchenspezifischen Information entweder auch regelmäßig oder nur in größeren Zeitintervallen erhoben werden.
Das ESRS. wurde ab 1. 1. 1968 für die sozialistische Industrie, die Bauwirtschaft, das Post- und Fernmeldewesen, den Bereich Verkehr, den sozialistischen Binnenhandel sowie für bestimmte Betriebe der Landwirtschaft eingeführt (GBl. II, 1966, S. 445 ff.). Seit Beginn des Jahres 1969 ist das ESRS. auf den Außenhandel sowie seit Anfang 1970 auch auf Kreditinstitute, Versicherungen, Produktionsgenossenschaften des Handwerks, Privatbetriebe und Staatsorgane ausgedehnt worden. Gesetzliche Grundlagen sind neben der Verordnung von 1966 mehrere Durchführungsbestimmungen zum ESRS. (GBl. II, 1966, S. 827 ff.; II, 1967, S. 729 ff.; II, 1969, S. 619 ff.; II, 1970, S. 557 ff.; sowie I, 1973, S. 405 f.), und spezielle Anordnungen für einzelne Bereiche. Mit Wirkung vom 1. 1. 1973 wurden allerdings für bestimmte örtlich geleitete Betriebe, die vereinfachten Planungsanforderungen unterliegen, Erleichterungen hinsichtlich der Datenerfassung erlassen (GBl. II, 1972, S. 609 f.).
Zentrales Organ des Ministerrates der DDR für die Durchsetzung des ESRS. ist die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (SZS). Sie besteht aus einer Zentralstelle in Ost-Berlin sowie Bezirks- und Kreisstellen. Unterstellt sind ihr ebenfalls die „VVB Maschinelles Rechnen“ mit einem Rechenzentrum Statistik und Rechenbetrieben in den Bezirken sowie die Zentralstelle für Primärdokumentation. Gemäß ihrem Statut von 1966 (GBl. II, 1966, S. 881 ff.) leitet und kontrolliert die SZS die statistische Berichterstattung und faßt das statistische Material zusammen, um den staatlichen Leitungsorganen zuverlässiges Zahlenmaterial hinsichtlich der Erfüllung der Volkswirtschaftspläne sowie als Grundlage für wichtige wirtschaftliche Entscheidungen (z. B. die Ausarbeitung der Jahres- und der Fünfjahrpläne) zu geben. Der SZS wurde ab 1964 auch die Verantwortung für die Entwicklung und Durchsetzung der Grundsätze des Rechnungswesens sowie seit 1966 der Grundsätze des ESRS. übertragen. Die SZS hat zu gewährleisten, daß sowohl Erfassung als auch [S. 249]Aufbereitung und Analyse der Daten in der gesamten Volkswirtschaft möglichst rationell sowie unter Einsatz moderner Datenverarbeitungsanlagen erfolgen. Leiter ist gegenwärtig (1974) Prof. Dr. Arno Donda.
Obwohl dem ESRS. erhebliche Vorteile zuerkannt werden können, erweist sich bisher noch eine Reihe von Faktoren als problematisch:
a) Das betriebliche Rechnungswesen muß zur weiteren Durchsetzung des ESRS. gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen und bestimmten, an den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung geknüpften Notwendigkeiten angepaßt werden.
b) Die Betriebe stehen einem überhöhten Verwaltungsaufwand gegenüber, da sie eine Fülle von Daten entsprechend den Erfordernissen der Planabrechnung sowohl termingerecht als auch möglichst EDV-gerecht bereitstellen müssen.
c) Die Uneinheitlichkeit sowohl der Definitionen der Plankennziffern als auch ihrer Berechnungsverfahren erweisen sich für das Informationssystem als recht hinderlich. Daran dürfte sich auch in Zukunft wenig ändern, da allen Bemühungen um Vereinheitlichung ständig Veränderungen des Kennziffernsystems infolge von Plankorrekturen oder Änderungen der Organisation der Wirtschaftsleitung gegenüberstehen.
d) Die Leistungsabrechnung unterliegt einer Reihe von Schwierigkeiten, die sich z. T. aus den Verzerrungen der Preise (Preissystem und Preispolitik) ergeben, z. T. aber auch auf miteinander nicht vergleichbare bzw. unzureichende Maßgrößen zurückzuführen sind. So werden z. B. die Verfahren der Produktivitäts- und der Rentabilitätsmessung von diesen Mängeln beeinträchtigt. Aber auch die Messung der Produktionsleistung anhand der Kennziffer „Warenproduktion“ erweist sich wegen der bei den verschiedenen Produktionsstufen auftretenden Doppelzählungen der Vorleistungen (Bruttoprinzip) als problematisch.
e) Die zunehmende Zusammenarbeit innerhalb des RGW und die damit verbundene Koordinierung der Volkswirtschaftspläne verlangt auch von der DDR erhebliche Anpassungen im Rahmen des ESRS., die zweifellos nicht einfach zu bewältigen sind. Immerhin hat die 1962 gegründete „Ständige Kommission des RGW für Statistik“ bis zum Jahre 1973 insgesamt 60 Empfehlungen zur Vereinheitlichung der statistischen Kennziffern erarbeitet. Dennoch dürfte es noch einige Zeit dauern, bis das ESRS. der DDR mit den teilweise noch unvollkommeneren Systemen der anderen RGW-Länder abgestimmt wird und dabei seine Leistungsfähigkeit gleichzeitig erhöht.
Um das Berichtswesen für den Zeitraum des künftigen Fünfjahrplanes 1976 bis 1980 zu verbessern, werden gegenwärtig in der DDR größere Anstrengungen unternommen. Dabei sollen neben einer Verbesserung der Planung auch eine straffere Kontrolle der Plandurchführung sowie eine bessere Übereinstimmung von Jahres- und Fünfjahrplanung erreicht werden. Deshalb ist vorgesehen, künftig — zusammen mit der Erarbeitung einer „Ordnung der Planung der Volkswirtschaft der DDR 1976–1980“ — nach einer Überprüfung des bestehenden betrieblichen und gesamtwirtschaftlichen Rechnungswesens eine „Ordnung der Planabrechnung“ für den gleichen Zeitraum herauszugeben. Grundsätzlich soll zwar möglichst viel Bewährtes aus dem bestehenden Berichtswesen übernommen werden, jedoch sind auch nachhaltige Korrekturen und Verbesserungen vorgesehen. Z. B. sollen die Berichtsunterlagen (Formblätter) vereinheitlicht, generell eine Umstellung der Planabrechnung auf neue konstante Planpreise (auf Basis der Preise vom 1. 1. 1975) durchgeführt und die statistische Erfassung der Qualität der Erzeugnisse erheblich verbessert werden.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 248–249
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