DDR von A-Z, Band 1975

Friedensgefährdung (1975)

 

 

Siehe auch:


 

Der Alliierte Kontrollrat hatte in Art. III A III der Direktive 38 vom 12. 10. 1946 einen Straftatbestand gegen denjenigen aufgestellt, der „nach dem 8. 5. 1945 durch Propaganda für den Nationalsozialismus oder Militarismus oder durch Erfindung oder Verbreitung tendenziöser Gerüchte den Frieden des deutschen Volkes oder den Frieden der Welt gefährdet hat oder möglicherweise noch gefährdet“. In der strafrechtlichen Praxis der DDR-Justiz spielte diese Bestimmung bei der Verfolgung tatsächlicher oder angeblicher Gegner des politischen Systems eine große Rolle. Durch Beschluß des sowjetischen Ministerrates vom 19. 9. 1955 verlor die Direktive 38 neben allen anderen Gesetzen, Direktiven und Befehlen des Kontrollrates ihre Gültigkeit auf dem Territorium der DDR. Bis zum 1. 2. 1958 fand auf strafwürdig empfundene Sachverhalte Art. 6 der Verfassung von 1949 Anwendung. Danach traten die Vorschriften des Strafrechtsergänzungsgesetzes in Kraft (Strafrecht). Seit dem 1. 8. 1968 fallen friedensgefährdende Handlungen unter die Aggressionsverbrechen im 1. Kapitel des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches.

 

Neben diesen Strafbestimmungen gilt formell weiter das Gesetz zum Schutze des Friedens (Friedensschutzgesetz) vom 15. 12. 1950 (GBl., S. 1199), das jedoch gegenüber dem neuen StGB keine zusätzlichen Straftatbestände normiert. Zuständig für eine Aburteilung nach dem Gesetz ist grundsätzlich das Oberste Gericht der DDR; der Generalstaatsanwalt kann die Anklage auch vor einem anderen Gericht erheben. Die Zuständigkeit [S. 338]des OG. ist auch dann gegeben, wenn die Straftat von deutschen Staatsbürgern nicht im Gebiet der DDR begangen worden ist, selbst dann, wenn der Täter dort nicht einmal seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat. Das Gesetz wurde in der strafrechtlichen Praxis nur sehr selten angewendet. Es behielt neben dem Strafgesetzbuch seine Geltung, weil es „von historischer Bedeutung ist und eine wesentliche Aussage über die Grundhaltung des ersten deutschen Friedensstaates in sich birgt“ (Neue Justiz, 1967, H. 6, S. 172).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 337–338


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.