DDR von A-Z, Band 1975

Grenze (1975)

 

 

Siehe auch:

  • Grenze: 1979
  • Grenze, Innerdeutsche: 1985

 

Der Verlauf der G. (Länge ca. 1 346 km) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR bestimmt sich nach den Festlegungen des Londoner Protokolls (Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin vom 12. 9. 1944), soweit nicht hiervon später von den damaligen Besatzungsmächten örtliche Abweichungen vereinbart wurden.

 

Die im Londoner Protokoll festgelegte G. verläuft weitgehend entlang den bis 1945 bestehenden Landes- und Provinzgrenzen: Von der Lübecker Bucht nach Süden bis an die Elbe, entlang den Westgrenzen Mecklenburgs, Sachsen-Anhalts, der West- und Südgrenze Thüringens sowie der Südgrenze Sachsens bis zur deutsch-tschechoslowakischen G. ostwärts von Hof.

 

Auf der Seite der DDR sind an der G. umfangreiche Sperranlagen errichtet, die aus mehrfachem Stacheldraht, Minen, Gräben, Stolperdrähten, optischen und elektrischen Warnanlagen, Schußanlagen, Wachtürmen, Erdbunkern, Beobachtungsständen, Lichtsperren und Hunde-Laufanlagen bestehen. Zur Überwachung dieser Anlagen und zur Kontrolle der G. ist das „Kommando Grenze“ der Nationalen Volksarmee (NVA) eingesetzt. Es wird dabei unterstützt durch freiwillige Helfer (Grenztruppenhelfer), die Befugnisse wie Hilfspolizisten besitzen (Verordnung über die Zulassung und Tätigkeit freiwilliger Helfer zur Unterstützung der Deutschen Volkspolizei und der Grenztruppen der NVA vom 16. 3. 1964, GBl. II, S. 241).

 

Jenseits der G. erstreckt sich das G.-Gebiet (früher: Sperrgebiet). Das G.-Gebiet unterliegt einer besonderen Ordnung, die im einzelnen in der Anordnung über die Ordnung in den Grenzgebieten und den Territorial-Gewässern der Deutschen Demokratischen Republik — Grenzordnung — vom 15. 6. 1972 (GBl. II, S. 493) niedergelegt ist. Das G.-Gebiet besteht aus einem Schutzstreifen und der Sperrzone, für die eine räumliche Tiefe nicht mehr vorgeschrieben ist. (Bisher war bestimmt, daß der Schutzstreifen etwa 500 Meter und die Sperrzone etwa 5 km tief ist; entlang der G. zu Berlin [West] war die Tiefe des Schutzstreifens bisher auf etwa 100 Meter und innerhalb des Bezirkes Potsdam auf etwa 500 Meter festgelegt.) Als Folge hiervon ist das G.-Gebiet in der Zwischenzeit räumlich eingeengt worden, so daß viele Ortschaften, die bisher im G.-Gebiet lagen, heute nicht mehr dazu gehören. Dadurch wurden Besuche von Westdeutschen, West-Berlinern und Bewohnern der DDR bei Verwandten möglich in Gebieten, die früher zum Sperrgebiet gehörten und nicht betreten werden konnten.

 

Personen, die in dem G.-Gebiet wohnen oder sich dort vorübergehend aufhalten, sind besonders einschränkenden Genehmigungs-, Registrier-, Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen unterworfen. Angehörige der NVA sind befugt, unter bestimmten Voraussetzungen Personen und Sachen im G.-Gebiet zu durchsuchen, Grundstücke und Räume zu betreten, Personen in Gewahrsam zu nehmen, bei Widerstand „körperliche Einwirkungen“ vorzunehmen und nach den entsprechenden militärischen Bestimmungen der NVA die Schußwaffe anzuwenden (bis Juli 1974 wurden im Bereich der G. 104 Todesfälle im Zusammenhang mit Gewaltakten von DDR-Grenzorganen registriert).

 

Der Verkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ist lediglich über die aus der folgenden Übersicht ersichtlichen Übergänge möglich.

 

 

 

An der Ostseeküste der DDR ist die G. die Linie, die die [S. 387]Territorial-Gewässer vom offenen Meer trennt (Seegrenze). In der Anlage 1 der G.-Ordnung vom 15. 7. 1972 ist die Grundlinie der Territorial-Gewässer der DDR beschrieben, die den Ausgangspunkt für die Bemessung der Dreimeilenzone und die seewärtige Begrenzung der inneren Gewässer der DDR darstellt. Die Grundlinie, von der aus die Breite der Territorial-Gewässer bestimmt wird, ist dort entsprechend den geographischen Besonderheiten der Küste nach dem Verlauf der Küstenlinie und dem Prinzip der begradigten Grundlinie festgelegt. Entlang der Küste der DDR besteht das G.-Gebiet aus dem Schutzstreifen und der G.-Zone einschließlich der inneren Seegewässer. Die G.-Zone umfaßt ein Gebiet von etwa 5 km Tiefe. Das Vermieten von Zimmern und Schlafstellen sowie das Zelten in der G.-Zone bedarf besonderer Genehmigungen.

 

Die Küstengewässer der DDR dürfen von Fahrzeugen der Küstenfischerei, des Rettungsdienstes sowie von Sportbooten nur mit besonderer Genehmigung befahren werden. Der Aufenthalt und das Ankern ausländischer Handelsschiffe, Fischerei- und Sportfahrzeuge in den Territorial-Gewässern, den inneren Seegewässern und den festgelegten Seewasserstraßen der DDR ist nur gestattet, wenn dies im Rahmen der normalen Schiffahrt üblich oder aus Gründen unabwendbarer Gewalt oder Not erforderlich ist. Das Einlaufen in die Häfen der DDR darf nur auf den Ansteuerungen und den festgelegten Schiffahrtswegen erfolgen. Die Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR haben umfangreiche Befugnisse gegenüber ausländischen Schiffen zur Durchsetzung der Sicherheitsinteressen der DDR.

 

Im Zusatz-Protokoll zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik sind die Regierungen beider Staaten übereingekommen, eine Kommission (Grenzkommission) zu bilden, die folgende zwei Aufgaben hat:

 

[S. 388]1. die Markierung der zwischen den beiden Staaten bestehenden G. zu überprüfen und, soweit erforderlich, zu erneuern oder zu ergänzen, sowie die erforderliche Dokumentation über den G.-Verlauf (G.-Karte und G.-Beschreibung) zu erarbeiten;

 

2. zur Regelung sonstiger mit dem G.-Verlauf in Zusammenhang stehender Probleme (z. B. der Wasserwirtschaft, der Energieversorgung und der Schadensbekämpfung) beizutragen.

 

Auf Vorschlag der Grenzkommission würden am 20. 9. 1973 zwei Vereinbarungen zwischen den Regierungen beider Staaten unterzeichnet, und zwar die Vereinbarung über Grundsätze zur Schadenbekämpfung und die Vereinbarungen über Grundsätze zur Instandhaltung und zum Ausbau der G.-Gewässer sowie der dazu gehörenden wasserwirtschaftlichen Anlagen.

 

In einem Protokoll-Vermerk über den Verlauf der Grenze zwischen dem Küstenmeer der Bundesrepublik Deutschland und dem Küstenmeer der Deutschen Demokratischen Republik, der am 29. 6. 1974 unterschrieben wurde, wird der Verlauf der Grenze zwischen den Küstenmeeren in der Lübecker Bucht festgestellt (am süd-ostwärtigen Rand des Schiffahrtsweges 3; der Schiffahrtsweg 3 liegt außerhalb des Küstenmeeres der DDR. Die G.-Feststellung entspricht britischen Anweisungen bezüglich des Schiffahrtsweges.

 

Im Zusammenhang damit wurde eine Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über den Fischfang in einem Teil der Territorial-Gewässer der Deutschen Demokratischen Republik in der Lübecker Bucht unterzeichnet, die die Ausübung des Fischfanges durch die Lübecker Stadtfischer in dem westlichsten Teil des Küstenmeeres der DDR rechtlich sichert, in dem die Stadtfischer den Fischfang seit alters her ausgeübt haben. Deutschlandpolitik der SED; Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten.

 


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 386–388


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.