
Kraftfahrzeugindustrie (1975)
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Entsprechend der DDR-Industriezweigsystematik zum Industriezweig des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus zu zählen. Zur K. zählen im einzelnen der Lkw-, der Pkw-, der Traktoren- und Anhängerbau. Ferner gehören zu dieser Wirtschaftsgruppe die Betriebe zum Bau von Krafträdern, Motorrollern und Mopeds. Insgesamt sind in der K. etwa 95.000 Arbeiter und Angestellte tätig. Die Bruttoproduktion des Zweiges Straßenfahrzeug- und Traktorenbau hat sich im Zeitraum 1960 bis 1973 um das 2,56fache und damit im Vergleich zur gesamten Industrie überdurchschnittlich erhöht (die industrielle Bruttoproduktion stieg im gleichen Zeitraum nur um das 2,17fache). Anleitendes Organ für die K. ist die Vereinigung Volkseigener Betriebe Automobilbau, Sitz Karl-Marx-Stadt.
Die Bedeutung der K. der DDR im Verhältnis zum entsprechenden Sektor der Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Kriege u. a. durch Demontagen sehr gesunken. Die Bevorzugung der Produktionsgütererzeugung verhinderte einen umfassenden Neuaufbau. Die Betriebe wurden und werden bis heute völlig unzulänglich mit Investitionsmitteln ausgestattet. Vor dem Kriege entfiel auf das Gebiet der heutigen DDR ein Anteil von ca. 25 v. H., 1973 nur noch ca. 4 v. H. der deutschen K. Die Produktion (bezogen auf 1 000 Einwohner) hat sich wie folgt entwickelt:
Die SED-Führung erklärte die schwache Entwicklung der K. lange Zeit damit, daß der Motorisierungsgrad der Bevölkerung in einem „sozialistischen Lande“ kein Indikator für ihren Lebensstandard sei. Überdies konnte die K. in der DDR auch deshalb nicht weiterentwickelt werden, weil ihre Haupthandelspartner in Osteuropa über nur wenig aufnahmefähige Märkte verfügen. Die bis heute möglichen kleinen Produktionsserien liegen weit unter der Rentabilitätsgrenze jeder K., so daß dieser Industriezweig hoch subventioniert werden muß. Ein Teil der Subventionen wird durch die privaten Käufer aufgebracht, die für Pkws im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland 2–3fach höhere Preise zahlen müssen.
Die größten Betriebe der K. sind der VEB Automobilwerk Eisenach mit annähernd 9.000 Beschäftigten (Hauptproduktion: Personenkraftwagen Typ „Wartburg 353“, Drei-Zylinder-Zweitakt-Motor, 1000 ccm, 50 PS, Preis: etwa 18.000 Mark), VEB Sachsenring Zwickau mit ebenfalls ca. 9.000 Beschäftigten (Hauptproduktion: Personenkraftwagen Typ „Trabant“, Zwei-Zylinder-Zweitakt-Motor, 600 ccm, 26 PS, Preis: 8.000 Mark), VEB Motorradwerk Zschopau (Hauptproduktion: Motorräder Typ „MZ“) und der VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk „Ernst Thälmann“ Suhl (Hauptproduktion: Mopeds und Fahrräder).
Bei Personenkraftwagen werden nur zwei Typen hergestellt, der Mittelklassewagen „Wartburg“ und der Kleinwagen „Trabant“. Die Aufgabe der eigenständigen Pkw-Produktion, von der jahrelang in der DDR gemunkelt wurde, scheint vorläufig nicht beabsichtigt zu sein. So kündigte Ende 1973 der Generaldirektor der VVB Automobilbau für die nächsten Jahre beträchtliche Steigerungen der einheimischen Pkw-Produktion an. Außerdem wurde zwischen den Skoda-Werken in der ČSSR und dem VEB Automobilwerk Eisenach ein Kooperationsvertrag abgeschlossen, der von 1975 an die Lieferung eines Vier-Zylinder-Motors für den Personenkraftwagen „Wartburg“ vorsieht. Im Rahmen des [S. 475]Komplexprogramms des RGW ist beabsichtigt, langfristig den gemeinsamen Bau eines Fahrzeug-Grundtyps durch die ČSSR, Ungarn und die DDR zu erreichen. Beträchtliche Nachteile bestehen nach wie vor in der Sortiments- und termingerechten Bereitstellung mit Kraftfahrzeug-Ersatzteilen, wenn auch in den letzten Jahren die Produktion von Ersatzteilen — allerdings zu Lasten der Finalproduktion — beträchtlich erhöht werden konnte. So steigerte der VEB Sachsenring, der ca. ein Drittel der Ersatzteilpositionen für den „Trabant“ selbst herstellt, die Ersatzteilproduktion von 1970–1973 um etwa 65 v. H.; die Ersatzteilproduktion aus der Zuliefererindustrie stieg in gleicher Höhe.
Aufgrund einer Absprache mit den übrigen Ländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) werden in der DDR im Lastkraftwagenbau nur drei Typen hergestellt, und zwar je ein Wagen mit 2 t, 4 t und 5 t Nutzlast. Ferner wird ein Kleintransporter mit ¾ t Tragkraft gebaut. Der Omnibusbau konzentriert sich unter Verwendung von Bauteilen der Lkw-Typen auf kleine Modelle. Schwere Lastkraftwagen und schwere Omnibusse werden nach einer Absprache der Länder des RGW in der DDR nicht entwickelt und auch nicht gefertigt. So beläuft sich z. Z. die Zahl der Ikarus-Busse (Ungarn) im Verkehrsnetz der DDR auf ca. 15.000.
Der Traktorenbau ist ebenfalls schwach entwickelt. Bis September 1967 wurden nur Radschlepper mit etwa 20 PS gefertigt, die zum größten Teil exportiert wurden, weil sie für die Großflächenbearbeitung in der DDR nicht geeignet waren. Seitdem werden auch Radtraktoren des Typs ZT 300 (90 PS) hergestellt.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 474–475
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