DDR von A-Z, Band 1975

Kulturelle Zusammenarbeit (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1979 1985


 

Die KZ., die im Sprachgebrauch der DDR meist als „kultureller Austausch“, als „Kulturaustausch“ oder auch als „kulturelle Auslandsbeziehungen“ (Kleines Politisches Wörterbuch, 2. Aufl. 1973) bezeichnet wird, hat im gegenwärtigen Stadium der internationalen Politik der Entspannung und der friedlichen Koexistenz einen besonderen Stellenwert.

 

In den am 8. 7. 1973 in Helsinki verabschiedeten Schlußempfehlungen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) haben die Teilnehmerstaaten, darunter auch die DDR, vereinbart, u. a. auch Vorschläge zur Erweiterung und Verbesserung der Zusammenarbeit und des Austausches auf den verschiedenen Gebieten der Kultur zu erarbeiten. In der zweiten [S. 487]Phase der KSZE-Beratungen, die seit Sommer 1973 in Genf stattfanden, befaßte sich eine besondere Unterkommission mit entsprechenden Vorschlägen (im sog. „3. Korb“), die im letzten KSZE-Beratungsabschnitt vom 30. 7. bis 1. 8. 1975 in Helsinki angenommen wurden und in ihrer Verwirklichung zur Sicherung des Friedens und zur Verständigung zwischen den Völkern beitragen sollen.

 

Die DDR steht — wie auch andere Länder des sozialistischen Lagers — vor der Notwendigkeit, die in langfristiger Entwicklung unvermeidliche KZ. mit der bisher praktizierten Politik der kulturellen Abgrenzung in Einklang zu bringen. Hierzu dienen „Prinzipien“, die nach Auffassung der DDR für den Kulturaustausch gelten müssen. In erster Linie wird hier der Grundsatz der „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten“ beansprucht; dieser Grundsatz ist im Schlußbericht der UNESCO-Konferenz von Helsinki vom 20. 6. 1972 wie auch im Grundlagenvertrag vom 21. 12. 1972 enthalten. Ein weiteres Prinzip ist die Forderung nach „Achtung der Gesetze und Sitten eines jeden Landes“ im Zusammenhang mit dem Kulturaustausch. Diese Forderung ist, schon im Vorzeichen der gesamteuropäischen Konferenz von Helsinki, von Leonid I. Breshnew anläßlich des 50. Jahrestages der Gründung der UdSSR am 21. 12. 1972 besonders hervorgehoben worden. Eine DDR-spezifische Variante ist die Hinzufügung „Achtung der Gewohnheiten und Traditionen des anderen Staates“ („Die sozialistischen Staaten sind für den breiten Austausch von geistigen Werten, jedoch unter strenger Beachtung der Gesetze, der Gewohnheiten und Traditionen eines jeden Landes“, Kurt Hager in: „Neues Deutschland“ vom 8. 2. 1974). Im Hinblick auf die künftige Entwicklung der KZ. hat das ideologische Prinzip, daß auch in der Politik der friedlichen Koexistenz der Grundwiderspruch zwischen Sozialismus und Kapitalismus nicht aufgehoben ist, besondere Bedeutung: „Die Politik der friedlichen Koexistenz ist ökonomischer, politischer und ideologischer Klassenkampf“ (Kleines Politisches Wörterbuch, 2. Aufl. 1973, S. 243). Aus dieser Grundeinstellung ergibt sich eine Differenzierung in der auswärtigen Kulturpolitik der DDR. Die KZ. mit der UdSSR und den anderen Ländern der sozialistischen Staatengemeinschaft besitzt qualitativ und quantitativ den Vorrang. Diese Beziehungen werden als ein bewußter und planmäßig gesteuerter Prozeß der Kooperation und Annäherung der verschiedenen nationalen Kulturen verstanden. Die KZ. mit den „progressiven Ländern“ Asiens, Afrikas und Lateinamerikas verfolgt das Ziel, die politische Entwicklung dieser Länder zu beeinflussen und zugleich das politische und kulturelle Ansehen der DDR dort zu steigern. Die kulturellen Beziehungen mit den Ländern der „Dritten Welt“ und mit den „kapitalistischen Ländern“ waren bis zur allgemeinen internationalen Anerkennung der DDR (1973) vor allem auf das Ziel der vollen Anerkennung ausgerichtet. Die KZ. mit „demokratischen und antiimperialistischen Kräften“ in diesen Ländern wird besonders gepflegt. Häufig tritt die Kulturpolitik der DDR mit dem Anspruch auf, „Hüter des deutschen Kulturerbes (kulturelles Erbe) zu sein; sie stellt sich dabei bewußt in Gegensatz zur auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland.

 

In der KZ. mit der Bundesrepublik Deutschland bestreitet die DDR strikt den „innerdeutschen Charakter“ dieser Beziehungen. Der Hinweis auf die Gemeinsamkeiten von Geschichte, Kultur und Sprache ist verpönt. Das Ausmaß dieser Beziehungen (Sommer 1974) ist unbeträchtlich: Es gibt einige Gastspiele von DDR-Bühnen und -Orchestern im Bundesgebiet. Gelegentlich stellen Museen und Sammlungen Leihgaben für Ausstellungen im anderen deutschen Staat zur Verfügung. Die gewerblichen Buchhandelsbeziehungen beruhen auf Vereinbarungen des innerdeutschen Handels. Die Teilnahme von Wissenschaftlern und Künstlern aus der DDR an Veranstaltungen im Bundesgebiet (und in umgekehrter Richtung) ist zwar kein Ausnahmefall; diese Beziehungen sind jedoch im ganzen gesehen noch recht spärlich. Die Entwicklung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur ist im Art. 7 des Grundlagenvertrags vom 21. 12. 1972 vereinbart worden; die nach dem Zusatzprotokoll (Ziffer 7) vorgesehenen Verhandlungen über den Abschluß von Regierungsabkommen sind am 27. 11. 1973 aufgenommen worden. Im Art. 7 des Grundlagenvertrags haben die Vertragsparteien auch die Entwicklung der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik vereinbart; die für den Abschluß von Regierungsabkommen erforderlichen Verhandlungen (nach Ziffer 2 des Zusatzprotokolls) haben am 30. 11. 1972 begonnen.

 

Die kulturellen Austauschbeziehungen der DDR beruhen weitgehend auf Kulturabkommen, die in der Regel mit Arbeitsplänen und Arbeitsprogrammen ausgefüllt werden. Seit November 1972 gehört die DDR der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) an. Die Mitgliedschaft zu Organisationen und Institutionen der UNESCO (z. B. zum Internationalen Musikrat, zum Internationalen Theater-Institut, zum Internationalen Rat der Museen usw.) hatte die DDR schon früher erworben.

 

Für die Praxis des kulturellen Austausches steht der DDR ein seit Jahren entwickeltes Instrumentarium zur Verfügung, das auch die Ausschaltung störender und unerwünschter Einflüsse garantiert. Die Künstler-Agentur der DDR besitzt eine Monopolstellung bei der Vermittlung von Ensembles und Solisten, die außerhalb der DDR gastieren sollen; auch Gastspiele aus dem Bundesgebiet in der DDR und aus dem Ausland können nur von der genannten Künstler-Agentur vermittelt werden. Die in der Liga für Völkerfreundschaft zusammengeschlossenen Freundschaftsgesellschaften und Freundschaftskomitees sind insbesondere in den Gastländern weitgehend die Träger und Veranstalter der kulturpolitischen Veranstaltungen der DDR. Seit der internationalen Anerkennung der DDR sind auch die diplomatischen Vertretungen am Kulturaustausch beteiligt. In verschiedenen Ländern gibt es Kulturzentren der DDR (in Europa in den Städten Rom, Helsinki, Stockholm und Kopenhagen). Als zentrale Vorstudienanstalt für ausländische Studierende und als Stätte zur [S. 488]Förderung deutscher Sprachkenntnisse dient das Herder-Institut in Leipzig. Ein Auslandsschulwesen, das den von der Bundesrepublik Deutschland geförderten deutschen Auslandsschulen vergleichbar ist, unterhält die DDR dagegen nicht.

 

Neben der intensiven Förderung des deutschen Sprachunterrichts, vor allem in Ländern der „Dritten Welt“, befaßt sich die auswärtige Kulturarbeit der DDR auch mit der Präsentation von Filmen; Sprachunterricht und Filmvorführung bieten besonders gute Möglichkeiten, ein vorteilhaftes „Image“ des anderen deutschen Staates zu erzeugen. Auch die Entsendung künstlerischer Ensembles nimmt einen breiten Raum ein. Die DDR hat es dabei verstanden, das hohe Niveau ihrer Musik- und Bühnenkunst als kontinuierliche Weiterentwicklung des traditionell im Ausland geschätzten deutschen Kulturerbes zu präsentieren.

 

Aus den Beständen der Museen — es sind in erster Linie die Staatlichen Museen in Dresden und Berlin (Ost) zu nennen — veranstaltet die DDR vor allem im westlichen Ausland Ausstellungen alter Meister und Maler des 19. Jahrhunderts. Mit zahlreichen Buchausstellungen im Ausland will sie sich „als ein Land des Buches“ darstellen.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 486–488


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.