
Nationale Front der DDR (1975)
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Die NF. des Demokratischen Deutschland ging aus der Volkskongreßbewegung (Deutscher Volkskongreß) hervor, die 1947 von der SED im Hinblick auf die Staatsgründung als eine Art Vorparlament initiiert wurde. Nachdem bereits seit Mitte 1948 der Demokratische Block als Zusammenschluß der Parteien (SED; CDU; LDPD; NDPD; DBD) sowie später auch der Massenorganisationen (FDGB; FDJ; DFD; Kulturbund) unter Führung der SED wirkte, wurde die NF. am 7. 10. 1949 als zusätzliche Form der Bündnispolitik auf der programmatischen Grundlage der vom SED-Parteivorstand am 4. 10. 1949 angenommenen Entschließung „Die Nationale Front des Demokratischen Deutschland und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ gegründet. Sie war als gesamtdeutsche Bewegung zur „Rettung der deutschen Nation“ konzipiert, der jede Partei, Organisation, Persönlichkeit in West und Ost unbeschadet ihrer politischen, ökonomischen oder weltanschaulichen Prinzipien beitreten konnte. Der gesamtdeutschen Funktion wurde von Anfang an die Aufgabe der wirtschaftlichen Stärkung der SBZ/DDR zugeordnet, deren Partei- und Staatsführung sich noch für Gesamtdeutschland verantwortlich fühlte. Unter Überwindung von Widerständen gegen die Bündnispolitik in den eigenen Reihen entwickelte die SED die NF. von einer allgemein antifaschistisch-demokratisch orientierten zu einer sozialistischen Volksbewegung. Ähnlich wie die Volksfronten in einigen anderen sozialistischen Ländern gilt die NF. als das breiteste und umfassendste „Bündnis aller politischen und sozialen Kräfte des werktätigen Volkes unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei“.
Innerhalb des politischen Systems der DDR wird der NF. die Rolle eines wichtigen Bindegliedes zwischen Staat und Gesellschaft beigemessen, dessen Wirksamkeit an der erwünschten Annäherung der Klassen und Schichten an die Arbeiterklasse und der damit verbundenen wachsenden sozialen Homogenität sowie der politisch-moralischen Einheit der Bevölkerung gemessen wird. Charakteristisch für die Nationale Front der DDR — so die neue Bezeichnung seit 1973 — ist, daß sie keine Massenorganisation mit eingetragenen Mitgliedern und Grundorganisationen darstellt, sondern bei einem geringen Anteil von hauptamtlichen Kräften auf der breiten ehrenamtlichen Tätigkeit von 335.000 Bürgern in 17.000 Orts-, Wohnbezirks-, Stadtbezirks-, Kreis- und Bezirksausschüssen beruht, die von den Wahlberechtigten des jeweiligen Bereiches gewählt werden.
In den Ausschüssen, die als wichtige Organisationsform nicht nur Repräsentativorgane der Parteien und Massenorganisationen der NF., sondern operative Arbeitsorgane im jeweiligen Territorium bilden, arbeiten Vertreter der Parteien, Massenorganisationen und auch nichtorganisierte Einzelpersonen ohne bestimmten Proporz zusammen. Den Ausschüssen gehören die Vorsitzenden der jeweiligen Räte der Bezirke, Kreise, Städte und Gemeinden an.
Höchstes Organ ist der direkt von der Bevölkerung gewählte Kongreß, der den Nationalrat und seinen Präsidenten wählt. Der Nationalrat leitet die Arbeit zwischen den Kongressen durch sein Präsidium und Sekretariat. Beim Nationalrat sowie Bezirks- und Kreisausschüssen bestehen Arbeitsgruppen, die als Konsultativgremien fungieren (z. B. Arbeitsgruppe Mittelstand seit 1956, 1963 in Arbeitsgruppe Komplementäre, Handwerker und Gewerbetreibende umbenannt). Den Kern und den Träger der zahlreiche Vereinigungen, Gesellschaften und Verbände umfassenden NF. bildet der „Demokratische Block“, dessen Ausschüsse ähnlich staatlich-territorial wie die der NF. aus der jeweils gleichen Zahl von Vertretern der fünf Parteien (SED, DBD, CDU, LDPD, NDPD) und vier Massenorganisationen (FDGB, FDJ, DFD, KB der DDR) zusammengesetzt sind. Während in den Ausschüssen der NF. das Gemeinsame im Vordergrund der Arbeit steht, dienen die Blockausschüsse durchaus als Foren, in denen parteipolitische Vorstellungen und auch kontroverse Meinungen diskutiert werden. Es ist die allgemeine Tendenz festzustellen, daß die NF. nicht nur umfangreichere Aufgaben und eine breitere Basis hat, sondern in der politischen Praxis mehr und mehr den Block auf allen Ebenen ersetzt.
Zu den vielfältigen Aufgaben der NF gehören u. a.: Mobilisierung staatsbürgerlicher Aktivität und Verantwortung der Bürger bei der Vorbereitung und Durchführung der Gesetze der Volkskammer und der Beschlüsse der örtlichen Volksvertretungen; Propaganda und Agitationsarbeit auf breitester Basis; rechtzeitiges Erkennen von neuen Problemen; Benennung der Kandidaten für Wahlen auf alle Ebenen; Unterbreitung der vom Demokratischen Block beratenen und beschlossenen Kandidatenliste sowie des Wahlprogramms; Bestätigung der Richterkandidaten und Unterstützung der Wahl und Tätigkeit der gesellschaftlichen Gerichte im Wohnbezirk; Antragsrecht zur Abberufung von Abgeordneten; Zusammenarbeit mit den Volksvertretungen, vor allem durch enge Verbindung der Ausschüsse mit den Abgeordneten; Mithilfe bei der Lösung der Aufgaben des Volkswirtschaftsplanes u. a. durch den Wettbewerb „Schöner unsere Städte und Gemeinden — Mach mit!“; Unterstützung der Bemühungen, die sich vor allem im Produktionsbereich angestrebte Herausbildung sozialistischer Denk- und Verhaltensweisen im Wohnbereich fortzuführen (Hausgemeinschaften).
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 585
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