DDR von A-Z, Band 1975

Parteien (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985


 

Nachdem der SMAD-Befehl Nr. 2 vom 10. 6. 1945 die Bildung antifaschistischer, demokratischer P. und Gewerkschaften zuließ, kam es zur Gründung folgender P. auf dem Territorium der heutigen DDR: KPD (11. 6. 1945), SPD (15. 6. 1945) - beide P. vereinigten sich am 21./22. 4. 1946 zur SED CDU (26. 6. 1945) und LDPD (5. 7. 1945). Zusammenschluß dieser P. am 14. 7. 1945 im antifaschistisch-demokratischen Block, der am 5. 8. 1948 die neugegründete DBD (29. 4. 1948) und am 7. 9. 1948 die neugegründete NDPD (25. 5. 1948) aufnahm. Am 17. 6. 1949 erfolgte die Umbenennung in Demokratischer Block, dessen P. und Massenorganisationen (FDGB; FDJ; DFD; Kulturbund) den Kern und die Träger der Nationalen Front der DDR bilden.

 

Die SED nahm von Anfang an eine Führungsrolle gegenüber den bürgerlichen P. ein, deren anfängliche Selbständigkeit sie politisch und administrativ bekämpfte, indem prominente Gegner in deren Reihen neutralisiert oder ausgeschlossen, bzw. der SED aufgeschlossene Kräfte unterstützt wurden. Nachdem diese Umwandlung bis zum Anfang der 50er Jahre abgeschlossen war, wurde den nichtsozialistischen P. als wichtigste Funktion die „Transmission“ zugewiesen. In diesem Sinn vermitteln und interpretieren diese P. nicht nur die Entscheidungen der SED gegenüber solchen gesellschaftlichen Gruppen, die sich dem direkten Zugang der SED entziehen, sondern politisieren ihre Mitglieder und Anhänger, so daß von ihnen Ziele und Argumente der SED akzeptiert werden.

 

Nachdem das Mehrparteiensystem in der DDR zu einer bleibenden, auch staatsrechtlich verankerten Einrichtung geworden war und die ursprünglich bürgerlichen P. sich in ihrem politischen Charakter gewandelt hatten, wird den Erfahrungen dieser P., ihrer Mitarbeit am sozialistischen Aufbau immer noch Bedeutung beigemessen. Insbesondere während der 60er Jahre, als die DDR im Zuge ihrer Politik gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ihre eigene Entwicklung als modellhaft darstellte, sollte die Existenz der Block-P. beweisen, daß auch bei einer sozialistischen Umgestaltung eines entwickelten Industriestaates unter Führung einer marxistisch-leninistischen Partei nichtproletarischen Schichten eine gesicherte wirtschaftliche, politische und soziale Perspektive eröffnet werden kann. Ist diese Funktion inzwischen auch in ihrer gesamtdeutschen Dimension abgeschwächt, so spielt sie doch weiterhin eine Rolle im Rahmen der Auslandsaktivitäten der DDR. In neutralen oder Entwicklungsländern wird besonders auf die Existenz eines Mehrparteiensystems hingewiesen und durch Delegationen unter Führung von Spitzenfunktionären der Block-P. demonstriert. Dem Anspruch der DDR nach bildet ihr Mehrparteiensystem einen historisch höheren Typ der Zusammenarbeit von P., der nicht mit den in westlichen Parteisystemen auftretenden Koalitionen verglichen werden könne.

 

Das Zusammenwirken der P. mit der SED, deren Führungsrolle uneingeschränkt anerkannt wird, scheint sich aus Sicht der DDR befriedigend zu gestalten. Dennoch ist die weitere Existenz der Block-P. keineswegs gesichert, da ihre Legitimationsgrundlage in dem Maße schwindet, wie die von der SED verfolgte, auf politische und soziale Homogenisierung der Gesellschaft abzielende Politik Realität wird. Nachdem jedoch der VIII. Parteitag der SED 1971 die Ulbrichtsche Konzeption der „sozialistischen Menschengemeinschaft“ als unzulässige Antizipation noch nicht erreichter harmonischer Gesellschaftsverhältnisse kritisiert und demgegenüber den Charakter einer noch relativ stark differenzierten Klassengesellschaft in der DDR betont hat, ergibt sich weiterhin die Notwendigkeit des Bündnisses der Arbeiterklasse mit anderen sozialen Klassen und Schichten und demzufolge auch der Existenz der Block-P. als Medien dieser Bündnispolitik. Folgende Faktoren komplizieren die Situation der Block-P.: Mitgliederschwund; fehlende Motive für jüngere Menschen, diesen P. beizutreten; Einschränkung der politischen Wirkungsmöglichkeiten (durch Verbot der betrieblichen Organisationen, der Organisierung der Mitglieder etwa in der NVA, in Hochschulen usw., von eigenen Unter- bzw. Nebengliederungen wie Jugend- oder Frauenorganisationen).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 615


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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