
Preissystem und Preispolitik (1975)
I. Grundsätze des Preissystems
Die Preisbildung folgt in der DDR anderen Prinzipien als in marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen. In diesen führt prinzipiell der Preismechanismus unter der Voraussetzung, daß wirksamer Wettbewerb vorliegt, eine Angleichung der Angebots- und Nachfragebeziehungen herbei und signalisiert den weitgehend autonomen Marktparteien (Wirtschaftseinheiten), was zu produzieren ertragreich ist bzw. welche Güter von Nutzen sind. Das bedeutet, die Koordination der Entscheidungen der Wirtschaftseinheiten erfolgt weitgehend über die Preise auf den Märkten.
Im Gegensatz dazu ist das Ps. in der DDR — genauso wie in anderen Wirtschaftssystemen des Ostblocks — Instrument der zentralen staatlichen Wirtschaftsführung und dient der Durchsetzung zentraler Ziele. Es ist Bestandteil des Gesamtsystems „ökonomischer Hebel“, zu dem u. a. die Steuern, Kredite, Zinsen, Fonds und Prämien (Jahresendprämie) gehören. Die Preise sind sowohl Gegenstand der Planung — deshalb erfolgt ihre Festsetzung generell auch durch staatliche Instanzen — als auch Instrumente zur Durchsetzung der Planziele. Die Wirksamkeit des Ps. zur Unterstützung der Planerfüllung hängt von seiner Übereinstimmung mit den jeweiligen Planzielen und den angewendeten Methoden des Planungssystems ab (Planung). Unter den Bedingungen einer Zentralplanwirtschaft würden dann ökonomisch optimale Planpreise innerhalb einer Planperiode vorliegen, wenn diese in Abhängigkeit von den für diese Periode aufgestellten Planzielen die relative Knappheit der betreffenden Güter zum Ausdruck brächten. Auch unter Zuhilfenahme komplizierter mathematisch-statistischer Verfahren (z. B. Input-Output-Rechnung) ist es jedoch bisher weder in der DDR noch in anderen Ostblockstaaten gelungen, auch nur annähernd derartige optimale Preise zu bestimmen.
Entscheidendes Problem der realen Preisfestsetzung ist, daß sich Grundsätze der Preisbildung widersprechen können. Zudem können die Preise, die zwangsläufig bei zentraler Preisfestsetzung für längere Zeit terminiert sind, durch Änderungen der Planziele laufend in Gegensatz zu ihrer Funktion als Instrument der Plandurchsetzung gelangen. So hatte man nach dem Krieg die Preise wichtiger Grundstoffe mit Hilfe von Subventionen weit unter den Selbstkosten festgelegt, um den Investitionsgüterbereich durch Unterbewertung der Vorprodukte zu begünstigen. Für Konsumgüter galten hingegen meist überhöhte Preise, um dadurch die Entwicklung des Konsums zugunsten der Investitionen zu hemmen. Damit standen die Preise jedoch bis zum Beginn der Industriepreisreform bewußt im Gegensatz zu dem auch in östlichen Wirtschaftssystemen grundsätzlich angestrebten Prinzip der Kostendeckung, das wiederum für Wahlentscheidungen im Rahmen des Planungsprozesses, insbesondere für die Messung der Wirtschaftlichkeit alternativer Produktionen von entscheidender Bedeutung ist.
Als besondere Schwierigkeit erweist sich zudem, daß bei unterbewerteten Produkten im Zeitverlauf die erforderlichen Preissubventiohen in der Regel zunehmen. Ihr Abbau in besonders krassen Fällen würde aber wiederum kurzfristige Substitutionsprozesse auslösen, denen die dann bevorzugten Erzeugnisgruppen mangels zureichender Kapazitäten möglicherweise nicht gewachsen wären. Um solche Störungen sowie generell aus Preisänderungen resultierende Einflüsse zu vermeiden, tendieren Zentralplanwirtschaften zu einer Preisstarrheit, die über einen längeren Zeitraum hinweg wiederum nicht einmal die Übereinstimmung einiger wichtiger Preise mit bestimmten zentralen Zielvorstellungen gewährleisten kann. Solange aber die Preise der einzelnen Güter weder als Maßstab des erforderlichen volkswirtschaftlichen Aufwands noch der Dringlichkeit des im Plan festgelegten Bedarfs angesehen werden können, ist eine auf annähernd optimale Leistungsfähigkeit ausgerichtete Planung unmöglich, weil ihr der Orientierungsmaßstab für den Grad der ökonomischen Effizienz der verschiedenartigen Leistungen fehlt. Deshalb versuchte man auch im Rahmen des NÖS und ÖSS mit einer Reihe von aufeinanderfolgenden Schritten Verbesserungen des damaligen Ps. durchzusetzen.
II. Die Industriepreisreform
In mehreren Stufen wurden in den Jahren 1964 bis 1967 in der DDR sämtliche Industriepreise auf der Basis der vorausgeschätzten Selbstkosten des Jahres 1967 neu festgelegt. Das Ziel dieser umfangreichen Preisreform war es, einen bedeutenden Teil der vordem erheblichen Preisverzerrungen zu beseitigen. Da das bis 1964 geltende Ps. — besonders für Vorleistungen und Materialien — zum großen Teil auf Preisen des Jahres 1944 basierte, spiegelte es die in der DDR bestehenden volkswirtschaftlichen Kosten- und Knappheitsverhältnisse nur ungenau und erheblich verzerrt wider. Vor 1964 lagen die Preise wichtiger Grundstoffe beträchtlich unter den Herstellungskosten. Dies erforderte umfangreiche staatliche Subventionen. So wiesen beispielsweise die Preise für Rohstoffe wie Kohle, Gas, Elektroenergie, Holz, Eisen, Mauersteine und Dachziegel ein Niveau von nur 45–60 v. H. der effektiven Erzeugungskosten auf. Demgegenüber galten für Konsumgüter z. T. überhöhte Preise, weil die konsumnahen Bereiche hohe Steuern in Form der Produktionsabgaben (Produktions- und Dienstleistungsabgabe) zu tragen hatten.
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Diese Preisverzerrungen bewirkten volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen: Es traten Rohstoffverschwendungen auf, sowohl als Folge zu niedrig bewerteter Rohstoffe als auch wegen zu seltener Nutzung technisch günstigerer, aber häufig überbewerteter substitutiver Einsatzgüter. Die Sortimentsstruktur der von den Betrieben erzeugten Fertigprodukte konzentrierte sich bei der vom Mengendenken beherrschten Planung z. T. auf Güter, deren volkswirtschaftlicher Aufwand die betrieblichen Kosten weit überstieg, weil der je Produkt ausgewiesene Gewinn kein echter Maßstab der betrieblichen Leistung sein konnte. Schließlich wurde der technische Fortschritt behindert, weil infolge der verzerrten Preise bei neuen Produktionsverfahren und Investitionsprojekten nicht die tatsächlich zu erwartende Wirtschaftlichkeit bestimmbar war; realisiert wurden daher z. T. Projekte mit vermeintlich hohem Nutzen, der sich bei kostengerechten Preisen als nur gering erwiesen hätte.
Der Industriepreisreform war eine Neuberechnung der viel zu niedrigen Abschreibungen vorausgegangen; sie entsprachen infolge einer uneinheitlichen Unterbewertung der Anlagegüter nicht dem Wert des tatsächlichen Verschleißes. Zu ihrer Neufestsetzung war deshalb eine Neubewertung des Brutto-Anlagevermögens (Grundmittelumbewertung) notwendig, die 1963 nach umfangreichen Vorarbeiten durchgeführt worden ist.
Die Industriepreisreform wurde in den folgenden — in der Tabelle oben dargestellten — 3 Etappen durchgeführt.
Da ein wichtiges Merkmal der Industriepreisreform darin bestand, die Konsumgüterpreise unverändert zu lassen, mußten die Betriebe der verbrauchsnahen Branchen Kostensteigerungen ihrer Vorprodukte durch vermehrte Rationalisierungen bzw. Gewinneinbußen ausgleichen. Allerdings wurden vereinzelt auch Minderungen der Produktionsabgaben vorgenommen bzw. Subventionen eingeführt, wenn die eingetretenen Kostenerhöhungen die Betriebe zu stark belastet hätten. Somit wirkte sich die letzte Etappe der Industriepreisreform vor allem auf die Preise der Investitionsgüter aus, die sich durchschnittlich um 16 v. H. erhöhten. Bei den Ausrüstungen stiegen die Preise im Durchschnitt um 8 v. H., bei den Bauinvestitionen um 33 v. H. Allgemein nahmen die Baupreise um 26 v. H. zu.
Als positives Ergebnis der Preisreform läßt sich vermerken, daß die staatlichen Preissubventionen in verschiedenen Bereichen von vorher etwa 13,5 Mrd. Mark auf 7,5 Mrd. Mark reduziert werden konnten. Damit wurden auch wesentliche Preisdisproportionen zwischen den Erzeugnissen verschiedener Wirtschaftszweige z. T. bereinigt.
III. Ungelöste Probleme der Preisreform
Obwohl die Industriepreisreform merklich bessere Preisverhältnisse geschaffen hatte, wiesen auch die neuen Preise Mängel auf. Sie entsprachen dem volkswirtschaftlich notwendigen Aufwand noch immer nicht und berücksichtigten die in der DDR gegebenen Knappheitsverhältnisse nur unzureichend. Insbesondere zeigten sich folgende Mängel:
1. Der Preisreform hatte man die voraussichtlichen Kosten von 1967 zugrundegelegt, die wiederum aufgrund vorausgeschätzter Durchschnittswerte für die Verarbeitungskosten sowie anhand globaler Um[S. 672]rechnungskoeffizienten für Rohstoffgruppen ermittelt worden waren. Dabei mußten zwangsläufig Schätzfehler auftreten.
2. In den Industriepreisen waren zwar die Abschreibungen, nicht jedoch der Kapitalzins für Eigen- und Fremdmittel enthalten, so daß die Erzeugnisse kapitalintensiver Zweige generell unterbewertet waren. Ursache der Vernachlässigung des Kapitalzinses war die vor den Reformen praktizierte kostenfreie Zuweisung von Staatshaushaltsmitteln für Investitionen.
3. Demgegenüber führte das Festhalten an den zu einem Teil überhöhten Konsumgüterpreisen — trotz starker staatlicher Abschöpfungen — zu einer überhöhten Rentabilität entsprechender Konsumgüterproduktionen.
4. Da das Ps. grundsätzlich nur starre Preisrelationen kennt, erbrachten die im Zeitverlauf auftretenden Veränderungen der Kostenrelationen erneute Verzerrungen der Preisstruktur. So entsprachen beispielsweise die bei der Grundmittelumbewertung benutzten Wertmaßstäbe von 1962 schon 1968 — nach der Preisreform — nicht mehr den damaligen Wiederbeschaffungspreisen, so daß die Produktionsfondsabgabe auf eine nicht mehr einheitliche Bemessungsgrundlage bezogen und die Abschreibungen falsch ausgewiesen wurden.
5. Auch die neuen Preise stimulierten Neuentwicklungen nur unzureichend, da deren Produzenten nur den durchschnittlichen Kalkulationsgewinn erzielten, während sie bei älteren Erzeugnissen infolge von Kosteneinsparungen höhere Gewinne erreichen konnten.
6. Die mit der Industriepreisreform geschaffenen Preise berücksichtigten weder die in der DDR gegebenen Knappheitsrelationen der Produktionsfaktoren noch die Dringlichkeit der Nachfrage.
IV. Preispolitik in den Jahren 1968--1970
In den letzten Jahren der NÖS-Periode wurde zur Beseitigung einiger der bereits erwähnten Preismängel eine Reihe von interessanten preispolitischen Maßnahmen realisiert:
a) Die Einführung des fondsbezogenen Preises (GBl. II, 1968, Nr. 67, S. 497): Mit diesem Preistyp sollte im Gegensatz zur bisherigen Preisbildung (sog. kostenbezogener Preistyp) auch der volkswirtschaftlich erforderliche Kapitalaufwand im Preis berücksichtigt werden, um damit die Zahlung der Produktionsfondsabgabe für kapitalintensive Betriebe zu ermöglichen. Bei diesem Preistyp wurde der Gewinnanteil ausschließlich als Prozentsatz (höchstens 18 v. H.) des notwendigen — und nicht des tatsächlichen — Kapitalaufwandes kalkuliert, der wiederum am Kapitaleinsatz der günstigsten Betriebe einer Erzeugnisgruppe bemessen war. Da der Preis somit nur den „optimalen“ Kapitaleinsatz sowie die „günstigste“ Höhe der Umlaufmittelbestände berücksichtigte, die Produktionsfondsabgabe aber auf den effektiven Kapitalaufwand bezogen war, konnte der Betrieb seinen Nettogewinn (Bruttogewinn minus Produktionsfondsabgabe) bei gegebenen Verarbeitungskosten nur durch Entscheidungen zur Verbesserung seiner Kapitalnutzung maximieren,
b) Die Schaffung von Preisdynamisierungsmaßnahmen (GBl. II, 1968, Nr. 67, S. 497): Ausgelöst durch im Zeitverlauf auftretende Kostenminderungen sollte beim Industriepreisregelsystem eine Überschreitung der festgelegten Obergrenze des fondsbezogenen Gewinns automatisch Preissenkungen auslösen, bis die vorbestimmte Gewinnuntergrenze erreicht war.
Den Generaldirektoren der VVB oblag die Beobachtung, inwieweit sich die Rentabilität der jeweiligen Erzeugnisgruppe an den Höchstgewinn annäherte; bei Überschreiten desselben sollten sie Preisherabsetzungen für Einzelerzeugnisse bzw. Erzeugnisgruppen vorschlagen oder selbst durchführen. Preissenkungen sollten jedoch ausgeschlossen sein, wenn die dann eintretenden Nachfrageerhöhungen bei bestehenden Kapazitäten nicht hätten befriedigt werden können, oder wenn verfälschte Preisrelationen für Substitutionsgüter entstanden wären.
Um zu erreichen, daß die Betriebe auch tatsächlich an Kosten- und Preisminderungen interessiert waren. durften sie — gemäß den für 1969 und 1970 geltenden Bestimmungen — die aufgrund von Preisreduktionen eintretenden Gewinneinbußen voll von der an den Staat zu zahlenden Nettogewinnabführung abziehen.
[S. 673]Zur Förderung der Entwicklung neuer sowie der Ausschaltung veralteter Güter wurde weiterhin eine Preisdegression für neu- und weiterentwickelte Erzeugnisse eingeführt, die bei zunächst erhöhtem Gewinn und danach folgenden kontinuierlichen Preis- und Gewinnminderungen dem Hersteller eines Gutes schließlich dann Verluste bringen sollte, wenn das Produkt nicht mehr dem allgemeinen technischen Niveau entsprach.
An der Festlegung sowohl des Ausgangspreises als auch an der Preisdegression waren neben dem Hersteller und den Abnehmern vor allem die zuständigen Preiskontrollorgane beteiligt (z, B. Amt für Preise, Industrieministerium, VVB). Die Preisdegression sollte sich nach der voraussichtlichen „ökonomischen Lebensdauer“ des Erzeugnisses, also der Periode richten, in der das Produkt dem in der DDR erreichten durchschnittlichen technischen Niveau entsprach. Dabei war vorgesehen, eine stärkere Preisdegression im Zeitverlauf festzulegen, als Kosteneinsparungen zu erwarten waren, um beim Produzenten einen wirksamen Druck auf die Kosten auszulösen. Nach Ablauf der „ökonomischen Lebensdauer“ des Erzeugnisses sollte sein Hersteller durch Verluste zur Produktionseinstellung des nunmehr „veralteten“ Produktes veranlaßt werden,
c) Die Einführung differenzierter Preisformen: Um eine größere Beweglichkeit der Preisbildung zu erreichen, wurden neben den bis dahin fast ausschließlich geltenden Festpreisen auch Preisformen wie Höchstpreise und Vereinbarungspreise eingeführt (GBl. 11, 1967, Nr. 25, S. 153 sowie 1968, Nr. 122, S. 971). Während Festpreise, die weder über- noch unterschritten werden durften und nur durch planmäßige Preisänderungen (z. B. Industriepreisregelsystem) verändert werden konnten, vor allem bei Erzeugnissen Anwendung fanden, die als Vorleistungen Niveau und Struktur der Kosten weiter Abnehmerkreise beeinflußten, wurden Höchstpreise für verschiedenartige Güter festgelegt. Diese Preisform war für alle Konsumgüter sowie für Erzeugnisse, die einer raschen technischen Entwicklung unterliegen, vorgesehen. Mit den Höchstpreisen, die unter- aber nicht überschritten werden durften, wurde den Betrieben ein gewisser eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum hinsichtlich Preissenkungen zur Erzielung von Absatzsteigerungen eingeräumt.
Unter Vereinbarungspreisen sind solche Preise zu verstehen, die ohne Bestätigung der Preisorgane auf Grundlage der geltenden Kalkulationsrichtlinien, jedoch mit höheren bzw. niedrigeren als dem vorgesehenen kalkulatorischen Gewinnsatz frei zwischen Herstellern und Abnehmern (insbesondere für Einzelanfertigungen, Spezialmaschinen usw.) vereinbart werden durften.
d) Preisprognose und Preisplanung (GBl. III, 1968, Nr. 9, S. 29): Ein wichtiges Problem der Planung zu konstanten Preisen besteht darin, daß bei auftretenden Preisänderungen die im Plan festgelegten Strukturentscheidungen überprüft und der neuen Preissituation angepaßt werden müssen. Zur Überwindung dieser Schwierigkeiten sollten Preisprognosen auf betrieblicher Ebene sowie eine gesamtwirtschaftliche Preisplanung dienen. Zu diesem Zweck wurden für den Fünfjahrplanzeitraum 1971–1975 probeweise unter Leitung des Amtes für Preise in einigen zentralgeleiteten Betrieben entsprechende Planinformationen erarbeitet. Es war dabei die 1969 bestehende Kostenstruktur zu ermitteln, sowie die für den Zeitraum 1971–1975 zu erwartende Entwicklung der Selbstkosten, des Brutto-Anlagevermögens und der Umlaufmittel einzuschätzen. Die ermittelten Daten wurden in ein zentrales, 1 150 Erzeugnisgruppen umfassendes Preisverflechtungsmodell übertragen. Unter Berücksichtigung zentraler Entscheidungen (z. B. über Außenhandel, Strukturänderungen, Lohnerhöhungen) sollten dann aus dem dynamisierten Preisverflechtungsmodell Preisänderungskoeffizienten für die einzelnen Erzeugnisgruppen erarbeitet werden, die dann eine der Grundlagen für die Fünfjahrplanentwürfe bilden sollten. Während bis 1970 tatsächlich für ca. ein Drittel der industriellen Warenproduktion fondsbezogene Preise eingeführt worden sind, zeigte sich bei den Preisdynamisierungsinstrumenten als deutliche Schwäche, daß statt der angestrebten Preisminderungen faktisch Preiserhöhungen eintraten. Auch die Preisplanung verlief nicht erwartungsgemäß: Offensichtlich scheinen bei der praktischen Anwendung des Preisverflechtungsmodells so erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten zu sein, daß sein weiterer Einsatz aufgegeben bzw. eingeschränkt wurde.[S. 674]
V. Tendenzen der gegenwärtigen Preisbildung
Die Rezentralisierung von Ende 1970 wirkte sich besonders ungünstig auf das Ps. aus. Gerade als es begann, aktives Instrument der Planung zu werden, indem es stimulierend auf Kostensenkungen und eine bessere Nutzung des technischen Fortschritts hinwirkte, wurde das NÖS- bzw. ÖSS-Modell abgebrochen. Das Industriepreisregelsystem sowie die Preisdegression bei neuen und weiterentwickelten Erzeugnissen wurden aufgehoben, und die weitere Einführung fondsbezogener Preise ausgesetzt (GBl. II, 1972, Nr. 67, S. 761). Noch ungünstiger wirkte jedoch der generelle Preisstop für alle 1971 produzierten Güter bis zum Jahre 1975 (GBL II, 1971, Nr. 77, S. 669 ff. und S. 674 ff.). Er ist nunmehr praktisch bis 1980 verlängert worden, mit Ausnahme einiger weniger Erzeugnisse, für die planmäßig Preiskorrekturen vorgesehen sind. Damit sind die Preise wieder passives Systemelement geworden, das kaum effizienzsteigernde Impulse auszulösen vermag. Ökonomisch unrichtige Preisrelationen bleiben nun auch in Zukunft aufrechterhalten. So ergeben sich für kapitalintensive Produktionen, für die bis 1970 noch keine fondsbezogenen Preise eingeführt worden waren, durch die Produktionsfondsabgabe z. T. erhebliche Schwierigkeiten bei ihrer Fondsbildung. Da bei einem Preisstopp die Preisfestsetzung für neue oder weiterentwickelte Produkte zum Problem wurde, hat man ein umständliches und äußerst bürokratisches Preisantrags- und Preisbestätigungsverfahren entwickelt (GBl. II, 1972, Nr. 24, S. 257 ff.): a) Preise für neue oder verbesserte Konsumgüter müssen nach eingehender Kontrolle der Preis- und Kostenkalkulation von zentralen Organen (z. B. durch das Amt für Preise, dem ein Zentraler Preisbeirat beigeordnet ist) bestätigt werden. Ausgangspunkt des komplizierten Preisbestätigungsverfahrens ist ein vom Betrieb zu stellender Preisantrag, der neben Angaben über Produktionsvolumen und dem zu erwartenden Bedarf sowohl die nach den geltenden Kalkulationsvorschriften ermittelten Kosten als auch einen mit den Hauptabnehmern abgestimmten Preisvorschlag enthalten soll. Dieser geht nacheinander den wirtschaftsleitenden Organen der Industrie, des Handels, die ihrerseits durch einzelne Preisbeiräte unterstützt werden, und dann dem Ministerium für Handel und Versorgung sowie schließlich — bei wichtigen Erzeugnissen — dem Amt für Preise bzw. dem Ministerrat zu. Alle Instanzen haben eine eingehende Prüfung und Stellungnahme sowie dem jeweils übergeordneten Organ einen Preisvorschlag zu unterbreiten, bis schließlich bei der letzten Instanz die endgültige Preisentscheidung getroffen wird. Lediglich bei der Preiseinstufung endet der Prozeß bereits beim wirtschaftsleitenden Organ des Handels (z. B. Zentrales Warenkontor), soweit der Betrieb anhand von Preisberechnungsvorschriften nicht selbst einstufen darf.
b) Bei den Industriepreisen verläuft das Verfahren der Preisbestätigung im Prinzip genauso, nur stehen in der Mitte der Kette der zentralen Prüfungsinstanzen statt der Organe des Handels und des Ministeriums für Handel und Versorgung die jeweils zuständigen Fachministerien, die durch Arbeitskreise bzw. zeitweilige Expertenkommissionen unterstützt werden. Die Preiseinstufung erfolgt auch hier durch das Preiskoordinierungsorgan der Industrie bzw. die Betriebe selbst. Bei neuen Produkten wird grundsätzlich für 3 Jahre ein höherer Gewinnzuschlag zugestanden, jedoch dürfen sie nur um weniger verteuert werden als ihrer Qualitätsverbesserung zum bisherigen Erzeugnis entspricht. Zur Stimulierung besserer Qualitäten werden bei Produkten mit dem amtlichen Gütezeichen „Q“ oder „1“ Preiszuschläge gewährt. Um aber grundsätzlich auf möglichst niedrige Preise hinzuwirken, werden für Neuentwicklungen bereits im Entwicklungsstadium unter Mitwirkung der Hauptabnehmer und Zulieferer Preislimite festgelegt. Bei ganzen Investitionsprojekten dürfen Auftraggeber sowie General- und Hauptauftragnehmer entsprechend der geltenden Kalkulations- und Kostenregelungen im Rahmen verbindlicher Angebote Vereinbarungspreise bilden. Dabei darf der Auftraggeber Einsicht in die Berechnungsunterlagen der Anbieter nehmen.
Die heute gebräuchlichen Preisarten, die sich sowohl nach der Anzahl der Preiselemente als auch nach unterschiedlichen Funktionen unterscheiden, lassen sich durch das folgende Schaubild charakterisieren.
Im Gegensatz zu den bei Konsumgütern wirksamen Großhandels- oder Einzelhandels-Verkaufspreisen gelten für Investitionsgüter, Rohstoffe, Materialien, Halbprodukte und Vorleistungen in den zwi[S. 675]schenbetrieblichen Wirtschaftsbeziehungen sowie zwischen den Betrieben und dem Produktionsmittelhandel die sog. Industriepreise. Hierzu rechnen einmal der Betriebspreis, der sich aus den kalkulierbaren Kosten zuzüglich des gemäß den Kalkulationsvorschriften zulässigen Gewinns zusammensetzt, und zum anderen der Industrieabgabepreis (Betriebspreis und Produktionsabgabe). Da für Investitionsgüter in der Regel keine Produktionsabgabe zu zahlen ist, fallen bei diesen Betriebspreis und Industrieabgabepreis zusammen.
VI. Gegenwärtige Preisprobleme
Mit dem Wegfall wichtiger Preisbildungskonzeptionen des NÖS und dem 1971 verhängten Preisstopp haben sich die Preisverzerrungen verschlechtert. Denn gegenwärtig gelten 3 Gruppen von Preisen nebeneinander: Für einen großen Teil der Erzeugnisse werden noch die mit der Industriepreisreform geschaffenen Preise angewandt, bei einer Gruppe von Produkten bestehen fondsbezogene Preise und für eine weitere Gruppe neuer oder weiterentwickelter Güter werden neue — in der Regel allerdings nicht fondsbezogene — Preise angewandt.
Mit dieser Uneinheitlichkeit der Preise haben die einst mit der Industriepreisreform verminderten Preismängel wieder deutlich zugenommen: Bei formal konstanten Preisen bleiben die infolge laufend auftretender Kosten- und Aufwandsveränderungen entstehenden Verschiebungen der Wert-Relationen zwischen den Gütern verborgen. Auch inflationäre Erscheinungen sind verdeckt, da Preiserhöhungen vermittels Produktwandel auftreten, indem billige Erzeugnisse aufgegeben und durch neue — im Preis überhöhte — Produkte ersetzt werden. Eine wirtschaftlich sinnvolle — d. h. wenigstens annähernd kostengerechte — Leistungsbewertung ist gegenwärtig kaum noch möglich. Dies wiederum erweist sich als Störfaktor der Planung, da die bestehenden Preise volkswirtschaftliche Verlustproduktionen induzieren und notwendige Innovationsprozesse behindern oder in falsche Richtungen lenken können.
Das Ps. ist auch nicht in der Lage — mit Gewährung eines zunächst höheren Gewinns für neue bzw. weiterentwickelte Produkte sowie über den mit den Kalkulations- und Kostenvorschriften (Gewinn) ausgeübten Druck auf die Kosten — etwa einen „Wettbewerb“ zu laufenden Kosten- und Preisminderungen auszulösen. Leistungsfähige Betriebe haben kein Interesse zur Aufdeckung ihrer Reserven, denn angesichts des komplizierten Verfahrens der Preisbestätigung für neue oder verbesserte Produkte gelingt ihnen vielfach die Durchsetzung überhöhter Preise. Das Amt für Preise ist trotz seiner umfangreichen Kompetenzen schon wegen der übermäßigen Verwaltungsarbeit überfordert, die Prinzipien der Preisfestsetzung konsequent durchzusetzen.
Verbesserungen der Preisbildungsmethoden dürften auch in den nächsten Jahren nicht zu erwarten sein, da die Planabrechnung im Fünfjahrplanzeitraum 1976–1980 auf Basis der Preise vom 1. 1. 1975 (GBl. 1, 1974, Nr. 23, S. 240 f.) — d. h. unter Beibehaltung der gegenwärtig verzerrten Preisrelationen — erfolgt.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 670–675
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