
Psychologie (1975)
Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985
Die P. ist in der DDR erst in den 60er Jahren entwickelt worden. Ulbricht forderte auf dem [S. 685]VI. Parteitag (1963) eine „intensive Förderung der Entwicklung“ der P. Kurz zuvor, im Herbst 1962, war eine „Gesellschaft für P.“ in Ost-Berlin gegründet worden; 1964 erfolgte die Errichtung der „Forschungsgemeinschaft Sozialpsychologie“ in Jena (Sozialpsychologie). Inzwischen ist die P. in der DDR in enger Anlehnung an Grundaxiome des Dialektischen und Historischen Materialismus sowie an die in der Sowjetunion gelehrte P. (S. L. Rubinstein, A. N. Leontjew, A. R. Lurija) als eigenständige Wissenschaft definiert worden: P. ist eine „auf Erfahrung und vor allem auf Experiment gegründete Wissenschaft, die diejenigen Gesetzmäßigkeiten untersucht, denen zufolge das Verhalten (Tätigkeit, Handeln) von lebenden Systemen … reguliert wird“ (Phil. Wörterbuch, Hrsg. G. Klaus und M. Buhr. 7. Aufl., Berlin 1970, Bd. II, S. 891).
Ähnlich wie in der Sozial-P. wurde auch in der P. bis 1970/1971 die Systemtheorie verwandt. Herrschende Lehre war, daß das Verhalten lebender „hochkomplexer Systeme“ durch innere Mechanismen bestimmt wird. Die „subjektive Erscheinungsform“ dieser inneren Regulierungsmechanismen sind die sog. psychischen Erscheinungen (Wahrnehmungen, Erinnerungen, Stimmungen, Denkprozesse). Von „bewußten psychischen Erscheinungen“ wird in der marxistisch-leninistischen P. dann gesprochen, wenn die psychischen Erscheinungen in die Sprache überführt und damit in die soziale Kommunikation einbezogen werden. Nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 sind der Systemtheorie entlehnte Denk- und Erklärungsmodelle abgelehnt, bisher jedoch nicht durch neue, mit dem Marxismus-Leninismus zu vereinbarende ersetzt worden.
Die marxistische P. soll folgende Relationen der psychischen Erscheinungen berücksichtigen: a) zu den äußeren Bedingungen (deren Ursache und Abbild sie sind), b) zum Subjekt, c) zum Zentralnervensystem (das als „Substrat der psychischen Erscheinungen und Prozesse“ aufgefaßt wird), d) zu den jeweiligen Tätigkeiten des Organismus.
Die P. in der DDR gliedert sich in die „allgemeine“ P., die die Wahrnehmungs-, die Gedächtnis- und Lern-, die Gefühls-, die Denk-P. umfaßt sowie die Entscheidungs- und Willens-P., welche auch als P. der Tätigkeit bzw. des Handelns bezeichnet wird. Neben der allgemeinen P. steht die „differentielle“ P., die auf der Persönlichkeit aufbaut. Sie wird unterteilt in: Begabungs- und Intelligenz-P., Charakterologie und Psychopathologie. Innerhalb der allgemeinen wie der differentiellen P. spielen genetische Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle, wobei das „dialektische Prinzip der Entwicklung“ zugrundegelegt wird. Für diesen Forschungszweig ist in den letzten Jahren das Fach „Entwicklungs-P.“ aufgebaut worden. Unter „angewandter“ P. werden schließlich die Sprach-, Kunst-, Musik- und Sexual-P. subsumiert.
Daneben gibt es die schon seit etwa 1960 bestehenden angewandten Disziplinen der Arbeitspsychologie. Ingenieur-P., pädagogischen P. sowie klinischen P. Schwerpunkte der Forschung und Lehre auf dem Gebiet der P. sind heute die Universitäten: Berlin, Dresden, Jena, Leipzig. An den an diesen Universitäten bestehenden Instituten für P. werden Diplompsychologen ausgebildet.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 684–685