DDR von A-Z, Band 1975

 

Staatsapparat (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985

 

Der St. stellt den Teil des Staates dar, der als vollziehend-verfügender Apparat der Volksvertretungen diesen die Ausübung staatlicher Macht durch Vollzug ihrer Entscheidungen ermöglicht. Gemäß der marxistisch-leninistischen Lehre vom sozialistischen Staat wird der St. nicht als eigenständige staatliche Gewalt gesehen. Seine Existenz und seine organisa[S. 820]torische Gestaltung werden mit funktionalen Erfordernissen, die aus der Rolle und den Funktionen des Staates bei der Entwicklung der Gesellschaft resultieren, begründet.

 

 

1. Organisation

 

 

Das grundlegende Organisationsprinzip des St. ist der demokratische Zentralismus. Es besagt, daß die Grundfragen der staatlichen Leitung und Planung zentral entschieden werden, daß diese Entscheidungen für die nachgeordneten Organe verbindlich sind, daß die Durchführung dieser Entscheidungen auch im Fall der Existenz zentraler Richtlinien in eigener Verantwortung der nachgeordneten Organe erfolgt, daß eine strenge Staatsdisziplin durchgesetzt und die Mitwirkung der Bürger an der Ausarbeitung und Durchführung staatlicher Entscheidungen gewährleistet werden muß. Der demokratische Zentralismus regelt somit das Verhältnis der hierarchisch geordneten Ebenen im St. zueinander und bestimmt damit auch den jeweiligen Grad der Zentralisation, konstituiert aber auch die Mitwirkung der Bürger an der Leitung der staatlichen Aufgaben als Ausdruck der sozialistischen Demokratie.

 

Zum St gehören: der Staatsrat, der Ministerrat mit den Ministerien, Staatssekretariaten, Ämtern, Kommissionen, Verwaltungen und anderen Organen, wie z. B. die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion, der Nationale Verteidigungsrat, die örtlichen Räte auf der Ebene der Bezirke, Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinden mit ihren Fachabteilungen, das Oberste Gericht mit den Bezirks- und Kreisgerichten sowie der Generalstaatsanwalt und die Bezirks- und Kreisstaatsanwälte, die Nationale Volksarmee, die Deutsche Volkspolizei, die Organe der Staatssicherheit, der Leitungsapparat der Volkswirtschaft mit den zentralen wirtschaftsleitenden Organen, den Generaldirektoren der VVB, der Kombinate und den Direktoren der VEB sowie Leitern anderer staatlicher Institutionen und Einrichtungen, wie z. B. den Rektoren von Hochschulen.

 

Die Spitze des St. bildet die Regierung, die das höchste Exekutivorgan des Staates darstellt. In der DDR ist diese Funktion von 1949 bis 1960 vom Ministerrat wahrgenommen worden. Mit der Gründung des Staatsrates und der von ihm übernommenen Funktion und Aufgaben ist die Regierungsfunktion auf ihn, faktisch aber seit 1970/71 und offiziell mit dem Gesetz über den Ministerrat der DDR (GBl. I, S. 253) 1972 wieder auf den Ministerrat übergegangen.

 

In der Verfassung der DDR (in der Fassung vom 7. 10. 1974 heißt es: „Der Ministerrat ist als Organ der Volkskammer die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik.“ Der Staatsrat setzt sich aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern, darunter dem 1. Stellvertreter, und den übrigen Mitgliedern zusammen.

 

Wie der Staatsrat ist auch der Ministerrat Organ der Volkskammer. Er setzt sich aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern und den übrigen Mitgliedern zusammen.

 

II. Die Ministerien

 

 

Die Ministerien sind staatliche Organe, die Zweige der Volkswirtschaft (Industrieministerien) und andere gesellschaftliche Bereiche (Kultur, Volksbildung, Gesundheitswesen usw.) leiten. Sie sind für die planmäßige Entwicklung der von ihnen geleiteten Industriezweige sowie anderer Bereiche der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens verantwortlich und verpflichtet, die Beschlüsse der SED, die Gesetze und andere staatliche Rechtsnormen entsprechend den Bedingungen ihrer Bereiche durchzuführen und die dafür notwendigen Entscheidungen zu treffen. Zu diesem Zweck haben sie das Recht, eigenverantwortlich am Rechtsverkehr teilzunehmen und vermögensrechtliche Beziehungen eingehen zu können, wozu ihnen durch den Staatshaushalt der DDR jährlich finanzielle Mittel in Form eines Haushalts übertragen werden. Zur Verwirklichung der den Ministerien übertragenen Leitungsaufgaben erläßt das Ministerium Erlasse und Verordnungen. Die Beschäftigung der Mitarbeiter wird nach arbeitsrechtlichen, in bestimmten Fällen nach zivilrechtlichen Vorschriften gestaltet. Als Sitz aller Ministerien ist Berlin festgelegt. Die Bildung der Ministerien als zweig- und bereichsleitende Organe wird durch die existierende Spezialisierung und Arbeitsteilung in der Gesellschaft bedingt, wobei das Prinzip der Zweigleitung Ausdruck der zentralisierten staatlichen Leitung ist Veränderungen der Zahl und der Art von Ministerien erfolgen vor allem dann, wenn durch die Entwicklung der Produktion und der Struktur der Bereiche und Zweige, aber auch durch veränderte staatliche Leitungsaufgaben neue Strukturen erforderlich werden. Die dem Ministerrat in früheren Gesetzen zugesprochene Kompetenz der Strukturveränderung ist im neuen Gesetz nicht enthalten; sie ist ohnehin weitgehend Privileg der Partei. Der Ministerrat legt die Grundsätze für die Tätigkeit der Ministerien fest, bestimmt die Aufgaben und übt die Kontrolle über deren Verwirklichung aus. Er schafft die Voraussetzungen für die Koordination und Kooperation der Ministerien untereinander bzw. mit den örtlichen Räten.

 

A. Zusammenarbeit der Ministerien mit den Räten der Bezirke

 

 

Die Beziehungen zwischen den Ministerien und den örtlichen Räten sind nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus zu gestalten und sollen auf einer klaren Abgrenzung der Kompetenzen beruhen. Die Formen der Zusammenarbeit reichen von [S. 821]gegenseitiger Information und Abstimmung, gemeinsamer Erarbeitung von Entscheidungsvorlagen bis zur arbeitsteiligen Durchführung bestimmter Vorhaben. Diese Zusammenarbeit findet in der Hauptsache zwischen den Räten der Bezirke und den Ministerien bzw. in sogenannten Komplexberatungen zwischen Ministerrat und Rat des Bezirkes, z. B. bei vorbereitenden Plandiskussionen im Bezirk, statt.

 

B. Zusammenwirken von Ministerien

 

 

Das Zusammenwirken von Ministerien geschieht zur Vorbereitung von Ministerrats-Entscheidungen in Form gemeinsamer Arbeitsgruppen; bei der Durchführung komplexer Aufgaben kann der Ministerrat ein Ministerium mit Koordinierungsaufgaben betrauen, wodurch dieses Leitungsfunktionen gegenüber ihm nicht unterstellten Einrichtungen wahrnehmen kann.

 

C. Aufgaben der Ministerien

 

 

Die Aufgaben der Ministerien erstrecken sich auf: die Ausarbeitung von Planvorschlägen für ihren Bereich auf der Grundlage staatlicher Direktiven; die Leitung und Planung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts; die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf den Gebieten der Finanzen, Preise und der wirtschaftlichen Rechnungsführung; die Steuerung der Arbeitskräfte und die Erarbeitung der Lohnpolitik ihres Zweiges bzw. Bereiches.

 

Bei der Erfüllung dieser Aufgaben sind sie verpflichtet, volkswirtschaftliche Verflechtung im nationalen wie internationalen Bereich zu berücksichtigen, mit den für Fragen der Planung, der Wissenschaft und Technik, der Preispolitik (Preissystem und Preispolitik) und der Lohnpolitik zentral verantwortlichen Organen wie dem Ministerium für Wissenschaft und Technik, der Staatlichen Plankommission, dem Amt für Preise oder dem Staatssekretariat für Arbeit und Löhne zusammenzuarbeiten und ein effektives Wirtschaften der ihnen unterstellten Einrichtungen, Betriebe und Institutionen zu ermöglichen. Bei der Erfüllung ihrer fachspezifischen Leitungsaufgaben sind sie berechtigt, im Rahmen der ihnen übertragenen Kompetenzen im System der doppelten Unterstellung den nachgeordneten Apparaten auf der örtlichen Ebene Weisungen zu erteilen.

 

D. Die Leitung der Ministerien

 

 

Die Ministerien werden vom Minister nach dem Prinzip der Einzelleitung geleitet. Er hat die Befugnis, zur Wahrnehmung seiner Verantwortung rechtlich bindende Entscheidungen zu treffen.

 

Die dem Minister als Mitglied des Ministerrates übertragenen Rechte und Pflichten kann dieser nicht auf seine Stellvertreter oder den Apparat übertragen. Die wichtigsten dieser Rechte und Pflichten sind: die kollektive Beratung und Beschlußfassung im Ministerrat; die Vorbereitung von Entscheidungen des Ministerrates und das Einbringen von Vorlagen; die Ausübung der Rechtssetzungsbefugnis; die Wahrnehmung von Regierungsverantwortung in auswärtigen Beziehungen, internationalen Gremien und Ausschüssen, z. B. des RGW, und seine Befugnisse als höchster Disziplinarvorgesetzter seines Verantwortungsbereiches.

 

Die Praxis zeigt, daß bei Verhinderung diese Rechte und Pflichten auch vom 1. Stellvertreter des Ministers wahrgenommen werden.

 

E. Beratungsorgan

 

 

Zur Vorbereitung seiner Entscheidungen stehen dem Minister das Kollegium und bestimmte Einrichtungen seines Ministeriums (Stäbe) zur Verfügung. Außerdem existieren als Beratungsorgane bei den meisten Ministerien wissenschaftliche Beiräte für bestimmte Fachgebiete, wissenschaftliche Räte für den gesamten Bereich des Ministeriums und andere Beratungsgremien, wie z. B. der Hoch- und Fachschulrat beim Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen.

 

Diese Gremien, deren Mitglieder vom Minister berufen und die häufig von leitenden Mitarbeitern des Ministeriums oder ihm unterstellten Einrichtungen geleitet werden, setzen sich aus Vertretern des St., Wissenschaftlern, Praktikern und Funktionären von den im jeweiligen Bereich tätigen Massenorganisationen (Kammer der Technik; FDGB) sowie der SED zusammen. Sie werden über anstehende Entscheidungen informiert, diskutieren Vorlagen, informieren über bereichsspezifische Aspekte und Aktivitäten, geben fachspezifische Informationen und erstellen selbst, sowie sie dazu geeignet sind und beauftragt werden, Entscheidungsunterlagen. Sie können sich in Arbeitsgruppen und -kreise untergliedern, arbeiten nach einem mit dem Ministerium abgestimmten Arbeitsplan und werden auch als institutioneller Ausdruck der sozialistischen Demokratie im St. betrachtet.

 

F. Stellvertreter des Ministers

 

 

Der Minister verfügt über mehrere Stellvertreter; ihre Zahl ist abhängig vom Umfang der vom Ministerium wahrzunehmenden Aufgaben und Außenbeziehungen.

 

Der 1. Stellvertreter im Range eines Staatssekretärs ist verantwortlich für den Geschäftsbetrieb des Ministeriums. Er vertritt den Minister.

 

Die anderen Stellvertreter sind für einzelne Bereiche des Ministeriums verantwortlich, haben aber gegenüber den Struktureinheiten der ihnen zugeordneten Bereiche (Abteilungen und Sektoren) kein leitungsbezogenes, sondern nur ein aufgabenbezogenes Weisungsrecht. Die Bereiche sind nach inhaltlichen (z. B. Weiterbildung, internationale Beziehungen), funktionalen (z. B. im Sicherheitsbereich) oder regionalen (z. B. im Außenwirtschafts- und Außenministerium) Kriterien organisiert.[S. 822]

 

G. Organisationsstruktur der Ministerien

 

 

Eine verbindliche Organisationsstruktur für alle Ministerien gibt es nicht; der Ministerrat entscheidet nur über die Hauptstruktur. Ministerien gliedern sich in der Regel in Hauptabteilungen (Hauptverwaltungen), Abteilungen (Verwaltungen) und Sektoren, wobei nur in großen Ministerien Hauptabteilungen bzw. -Verwaltungen bestehen.

 

Die Struktureinheiten werden entweder dem funktionalen oder dem linearen Typ zugeordnet. Bei dem funktionalen Strukturtyp werden die unterstellten Bereiche und Zweige durch den Minister und seine Stellvertreter mit Hilfe von Fachstäben geleitet, die für alle unterstellten Einheiten jeweils einen funktional bestimmten Bereich bearbeiten.

 

Bei dem linearen Typ werden die jeweils unterstellten Zweige in allen Bereichen komplex geleitet, d. h. eine zweigbezogene Abteilung leitet z. B. alle im Wissenschaftlichen Gerätebau vorhandenen Einzelbereiche an. Die Leiter dieser Einheiten, die in den letzten Jahren verstärkt in den Industrieministerien gebildet worden sind, können im Auftrag des Ministers gegenüber den Leitern der unterstellten wirtschaftsleitenden Einheiten anleitend tätig werden. Die Stabsabteilungen des Ministeriums sind diesen Typen nicht zuzuordnen. Sie stehen vor allem dem Minister als Spezialistengruppen für bestimmte Fragen (grundsätzliche Probleme der Perspektiv- und Jahresplanung, wissenschaftlich-technischer Fortschritt) zur Verfügung, leisten analytische und prognostische Arbeit, ziehen aus wissenschaftlich-technischen sowie organisatorischen Entwicklungen Schlußfolgerungen und legen diese dem Minister zur Entscheidung vor.

 

Die Entscheidungen des Ministers ergehen in der Form von Anordnungen, Durchführungsbestimmungen, Verfügungen, Richtlinien und Dienstanweisungen. Sie unterscheiden sich nach Dauer, Umfang, Inhalt und Adressatenkreis.

 

III. Andere zentrale Organe des Ministerrates

 

 

Die anderen zentralen Organe des Ministerrates, wie die Staatssekretariate oder die zentralen Ämter, unterscheiden sich von den Ministerien hinsichtlich ihrer Aufgaben und der Führung z. T. dadurch, daß sie Querschnittsaufgaben wahmehmen (Amt für Preise), nicht über mehrere Leitungsebenen verfügen und ihre Leiter nicht Mitglied des Ministerrates sind (Ausnahmen: Amt für Preise, ABI, SPK, Staatl. Vertragsgericht, Staatsbank). Sie sind ansonsten den gleichen Prinzipien der Leitung und Organisation unterworfen.

 

IV. Der Staatsapparat auf der örtlichen Ebene

 

 

Die Räte und deren Fachabteilungen bilden den St. auf der örtlichen Ebene. Die Mitglieder der Räte werden durch die Volksvertretung gewählt, die Leiter der Fachabteilungen durch den Rat in Abstimmung mit dem Leiter des übergeordneten Fachorgans, im Falle des Bezirkes mit dem Minister, berufen. Die Volksvertretung bestätigt die Entscheidung. Die Räte bestehen aus dem Vorsitzenden, dem Ersten Stellvertreter, dem Sekretär und den übrigen Mitgliedern. Der Vorsitzende leitet den Rat; er ist berechtigt, den Mitgliedern des Rates, den Leitern der Fachorgane und den dem Rat unterstellten Einrichtungen und Betrieben Weisungen zu erteilen und deren Durchführung zu kontrollieren. Weisungen an den Vorsitzenden dürfen nur vom Vorsitzenden des übergeordneten Rates bzw. dem Vorsitzenden des Ministerrates erteilt werden. Die Leiter der Fachabteilungen haben das Recht, im Rahmen ihrer Kompetenzen im System der doppelten Unterstellung Weisungen an Leiter von Fachabteilungen nachgeordneter Räte zu erteilen, wovon der Ratsvorsitzende unterrichtet werden muß. Weisungen dürfen nicht in die von den örtlichen Volksvertretungen beschlossenen Pläne eingreifen, Entscheidungen der Räte können durch die Volksvertretung, den übergeordneten Rat und den Ministerrat aufgehoben werden.

 

Die Beziehungen der verschiedenen Ebenen des St. werden durch rechtliche Regelungen fixiert, die entsprechend dem gesellschaftlichen Entwicklungsstand, den Anforderungen an die staatliche Leitung und den erklärten Bedürfnissen (z. B. rasche Umsetzung von wissenschaftlichen Ergebnissen in die Produktion) formuliert werden. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus ermöglicht die Regelung der Beziehungen auch dann, wenn eine rechtliche Fixierung noch nicht stattgefunden hat bzw. bestehende durch neue Entwicklungen überholt worden ist und sich die Erfüllung der Rechtsbeziehung als Hemmnis der gesellschaftlichen Entwicklung erweisen würde. Deshalb sind die in der Verfassung und in einzelnen Gesetzen formulierten Vorschriften über Rolle und Funktion der Organe des St. nur bedingt geeignet, verbindliche Aussagen über ihre jeweils aktuelle Bedeutung und Stellung zu machen.

 

V. Partei und Staatsapparat

 

 

Die marxistisch-leninistische Staatslehre definiert den sozialistischen Staat als wichtigstes Instrument der Arbeiterklasse und ihrer Partei zur Gestaltung der gesellschaftlichen Entwicklung. Das Verhältnis von Partei und St. verdeutlicht die instrumentale Rolle des Staates.

 

Die Beschlüsse der Partei sind die Grundlagen der staatlichen Normsetzung und verbindlich für die Arbeit des St. Seine Entscheidungen konkretisieren die Vorgaben der Partei, soweit diese nicht bereits detaillierte Durchführungsbestimmungen enthalten. Die Umsetzung der Parteibeschlüsse in die staatliche Tätigkeit erfolgt sowohl auf der zentralen wie auf der örtlichen Ebene durch verschiedene Methoden und Mechanismen.

 

[S. 823]Gemeinsame Beschlüsse von Politbüro der SED und Präsidium des Ministerrates oder des ZK der SED und dem Ministerrat, in sozialpolitischen Angelegenheiten auch mit dem Präsidium des Bundesvorstandes des FDGB, werden ohne Umsetzung direkt von St. verwirklicht.

 

Partei- und St. bilden gemeinsame Kommissionen bzw. Arbeitsgruppen zur Vorbereitung, operativen Durchführung und Kontrolle von Entscheidungen. Die Parteileitung, d. h. die Sekretariate, geben dem St. der entsprechenden Ebene „Hinweise“ zur Erfüllung bestimmter Aufgaben. Sie legen die Grundzüge der Tätigkeit der Parteikader im St. fest. Mitglieder der hauptamtlichen Leitungen der SED sind befugt, an Sitzungen der Leitungsgremien des St. teilzunehmen, Konsultationen mit Staatsfunktionären durchzuführen und grundsätzliche Fragen der Durchführung der staatlichen Politik zu erörtern. Leitende Funktionen im St. werden von Mitgliedern der SED wahrgenommen, die faktisch als Beauftragte der Partei staatliche Funktionen wahrnehmen. Die Vorsitzenden der Räte und anderer Einheiten des St. sind Mitglieder der Sekretariate der Parteileitungen der örtlichen Ebenen. Auf der zentralen Ebene sind z. B. der Vorsitzende des Ministerrates und seine beiden Ersten Stellvertreter Mitglieder des Politbüros des ZK der SED; die Vorsitzenden der Räte der Bezirke, der Bezirksplankommissionen und -Wirtschaftsräte sind stets Mitglieder der Sekretariate der Bezirksleitung der SED.

 

Der Partei kommt das Recht zu, die von ihr als wichtig angesehenen Positionen im St. nach ihren Vorstellungen zu besetzen. Dies geschieht mit Hilfe des Nomenklatursystems (Nomenklatur).

 

Die Mitglieder der SED im St. werden in den nach besonderen Vorschriften des Statuts arbeitenden BPO zusammengefaßt. Die BPO bzw. deren Leitungen leisten politisch-ideologische Arbeit, kontrollieren die Tätigkeit der Mitarbeiter und Institutionen bezüglich der Durchführung der Parteibeschlüsse, leiten gemeinsam mit den Gewerkschaftsleitungen Kampagnen und Wettbewerbe, sorgen für die Durchführung des Parteilehrjahres, organisieren die Schulung von Mitgliedern, Kandidaten und Parteilosen und die marxistisch-leninistische Weiterbildung mit Hilfe der Betriebsschulen des Marxismus-Leninismus, informieren die übergeordneten Parteileitungen über die Probleme der Organisationsbereiche und sind bemüht, neben politisch ideologischen auch fachliche Anforderungen zu erfüllen, um so die — früher häufig zu beobachtende - unzureichende Autorität der Parteifunktionäre zu stärken.

 

Es wird aber davon ausgegangen, daß der Parteiapparat die Funktionen des St. nicht übernehmen kann und darf. Er soll den St. als das wichtigste Instrument der Partei gemäß deren Beschlüssen anleiten, Entwicklungen kontrollieren und, falls notwendig, entstehende Konflikte rechtzeitig kanalisieren, bzw. lösen.

 

Die Tätigkeitsbedingungen des St. sind im Gegensatz zum Parteiapparat durch andere Bedürfnisse, Organisationsformen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter gekennzeichnet. Die wachsende Komplexität des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sowie die Tatsache, daß der St. stets unmittelbarer Adressat der Wünsche der Bevölkerung ist, wirken sich in besonderer Weise auf die Formen staatlicher Leitungstätigkeit aus und bedingen einen rascheren Wandel. So bedeutet die Anweisung der Parteiführung an die örtlichen Parteileitungen, sich nicht in die Arbeit des St. im Sinne der Übernahme seiner Funktionen einzumischen, auch eine Anerkennung der Tatsache, daß die Tätigkeiten von Partei und St. sich gegenseitig bedingten und die Vermischung der Aufgaben die notwendige Arbeitsteilung durchbricht. Die Mängel der staatlichen Leitungstätigkeit, der gelegentlich dem St. gegenüber erhobene Vorwurf des Bürokratismus und andere kritische Einwände seitens der SED richten sich in der Hauptsache gegen Einzelpersonen. Eine Änderung des Verhältnisses von Partei und St. wird von ihr als unmöglich bezeichnet, da dies die Machtfrage entscheidend berühren würde.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 819–823


 

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Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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