DDR von A-Z, Band 1975

Strafensystem (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1969 1979 1985


 

Das StGB vom 12. 1. 1968 enthält ein differenziertes St., das sich in folgende Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gliedert: Beratung und Entscheidung durch ein gesellschaftliches Gericht, Strafen ohne Freiheitsentzug, Strafen mit Freiheitsentzug, Todesstrafe, Zusatzstrafen.

 

1. Gesellschaftliche Gerichte können lediglich Erziehungsmaßnahmen festlegen.

 

2. Strafen ohne Freiheitsentzug sind: Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe und öffentlicher Tadel. Diese Strafen sind „unter Berücksichtigung der Schwere der Tat und der Schuld des Täters gegenüber Personen anzuwenden, die ein Vergehen aus Undiszipliniertheit, Pflichtvergessenheit, ungefestigtem Verantwortungsbewußtsein oder Unachtsamkeit oder wegen besonderer persönlicher Schwierigkeiten begehen. Zweck der Strafen ohne Freiheitsentzug ist es, den Täter zur eigenen Bewährung und Wiedergutmachung anzuhalten, damit er künftig seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird“ (§ 30 StGB).

 

Die Geldstrafe, lange Zeit als eine für das „kapitalistische“ Strafrecht typische Strafart verpönt, beträgt 50 Mark bis 10.000 Mark. Bei Straftaten, die auf erheblicher Gewinnsucht beruhen, kann sie bis auf 100.000 Mark erhöht werden. Sie soll den Täter durch einen empfindlichen Eingriff in seine persönlichen Vermögensinteressen zur Achtung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Rechte der Bürger erziehen (§ 36 StGB).

 

Der öffentliche Tadel ist auszusprechen, wenn das Vergehen keine erheblichen schädlichen Auswirkungen hat und die Schuld des Täters gering ist (§ 37 StGB).

 

3. Strafen mit Freiheitsentzug sind: Freiheitsstrafe, Haftstrafe und Arbeitserziehung. Gegenüber Militärpersonen gibt es noch den Strafarrest.

 

Die Freiheitsstrafe ist bei Verbrechen und bei solchen Vergehen auszusprechen, durch die besonders schädliche Folgen herbeigeführt oder in anderer Weise eine schwerwiegende Mißachtung der gesellschaftlichen Disziplin zum Ausdruck gebracht worden ist oder gegenüber Tätern, die aus bisherigen Strafen keine Lehren gezogen haben (§ 39 StGB). Die zeitige Freiheitsstrafe beträgt mindestens 6 Monate und höchstens 15 Jahre. Außerdem gibt es die lebenslängliche Freiheitsstrafe. Ausnahmsweise kann auch eine Freiheitsstrafe von 3 bis 6 Monaten verhängt werden, wenn die verletzte Strafbestimmung auch Strafen ohne Freiheitsentzug androht (§ 40 StGB).

 

Auf Haftstrafe ist in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zu erkennen, wenn dies „zur unverzüglichen und nachdrücklichen Disziplinierung des Täters notwendig ist.“ Sie kann für die Dauer von 1 Woche bis zu 6 Wochen ausgesprochen werden. Während ihres Vollzuges ist „gesellschaftlich nützliche Arbeit zu leisten“ (§ 41 StGB.).

 

Die Arbeitserziehung (§ 249 StGB) ist bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten vorgesehen. Sie beträgt mindestens 1 Jahr und dauert so lange, bis der Erziehungserfolg eingetreten ist. Sie darf aber die Obergrenze der Freiheitsstrafe, neben der sie angedroht ist, nicht überschreiten.

 

4. Die Todesstrafe ist außer bei Mord bei einer Anzahl politischer Delikte und Militärstraftaten vorgesehen.

 

5. Wenn es „zur Erziehung des Täters oder zum Schutz der Gesellschaft erforderlich ist“, können Zusatzstrafen verhängt werden, wenn sie in dem verletzten Gesetz ausdrücklich angedroht sind oder die besonderen Voraussetzungen für die Anwendung der jeweiligen Zusatzstrafe vorliegen. Folgende Zusatzstrafen sind möglich: Geldstrafe in der als Hauptstrafe vorgesehenen Höhe zusätzlich zur Verurteilung auf Bewährung und zur Freiheitsstrafe, wenn dies zur Verstärkung der erzieherischen Wirksamkeit der Strafen geboten ist. öffentliche Bekanntmachung der Urteile kann angeordnet werden, „wenn sie zur Erziehung des Täters, zur erzieherischen Einwirkung auf andere Personen oder zur Aufklärung der Bevölkerung oder ihre Mobilisierung zur Bekämpfung bestimmter Erscheinungen der Kriminalität notwendig ist“ (§ 50 StGB).

 

Die Aufenthaltsbeschränkung soll dem Verurteilten durch die Beschränkung seiner Freizügigkeit die Gelegenheit zur Begehung weiterer Straftaten nehmen, die Fortsetzung seiner Beziehungen zu Personen, die einen schädlichen Einfluß auf ihn ausgeübt haben, verhindern und ihn in eine Umgebung bringen, die seiner kollektiven Erziehung und gesellschaftlichen Entwicklung dienlich ist. Durch die Aufenthaltsbeschränkung wird dem Verurteilten auf die Dauer von 2 bis 5 Jahren der Aufenthalt an bestimmten Orten oder Gebieten der DDR untersagt. Wenn es im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in bestimmten Gebieten erforderlich ist, kann die Aufenthaltsbeschränkung in Ausnahmefällen auch zeitlich unbegrenzt ausgesprochen werden (§§ 51, 52 StGB).

 

Das Verbot bestimmter Tätigkeiten kann verhängt wer[S. 844]den, wenn der Täter die Straftat unter Ausnutzung oder im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit begangen hat und es im Interesse der Gesellschaft notwendig ist, ihm die Ausübung dieser Tätigkeit zeitweilig oder für Dauer zu untersagen (§ 53 StGB).

 

Der Entzug der Fahrerlaubnis kann zusätzlich zu einer Strafe ausgesprochen werden, wenn der Täter als Fahrer eines Kfz eine Strafe begangen hat (vgl. § 54 StGB). Die Dauer des Entzuges der Fahrerlaubnis oder anderer Erlaubnisse (§ 55 StGB) kann zeitlich begrenzt oder unbegrenzt ausgesprochen werden. Sie beträgt mindestens 3 Monate.

 

Gegenstände, die zu einer vorsätzlichen Straftat benutzt oder bestimmt oder die durch eine solche Tat erlangt oder hervorgebracht sind, können eingezogen werden, wenn der Eigentümer „die ihm zur Verhinderung eines Mißbrauchs dieser Gegenstände obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat oder wenn die Einziehung zum Schutz der Gesellschaft notwendig ist“ (§ 56 StGB). Auf Vermögenseinziehung kann „bei Verbrechen gegen die Souveränität der DDR“ (Aggressionsverbrechen), schwerer Verbrechen gegen die DDR (Staatsverbrechen), schwerer Verbrechen gegen die sozialistische Volkswirtschaft oder anderer schwerer Verbrechen” erkannt werden, wenn diese unter Mißbrauch oder zur Erlangung persönlichen Vermögens begangen worden sind und der sozialistischen Gesellschaft erheblichen Schaden zugefügt haben und wenn deswegen eine Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren ausgesprochen worden ist. Die Vermögenseinziehung soll dem Verurteilten die Möglichkeit nehmen, „sein Vermögen zum Schaden der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse zu mißbrauchen, ihm die Schwere seines Verbrechens bewußt machen sowie ihn und andere Personen von der Begehung weiterer Verbrechen zurückhalten“.

 

Die Vermögenseinziehung erstreckt sich auf das gesamte Vermögen des Täters, mit Ausnahme der unpfändbaren Gegenstände (§ 57 StGB).

 

Die Aberkennung staatsbürgerlicher Rechte ist zulässig bei Verbrechen gegen die Souveränität der DDR, Staatsverbrechen und Mord (§ 58 StGB).

 

Ausweisung ist gegenüber Tätern zulässig, die nicht Bürger der DDR sind. Diese können anstelle oder zusätzlich zu der im verletzten Gesetz angedrohten Strafe aus der DDR ausgewiesen werden (§ 59 StGB).

 

Für die gegenüber Jugendlichen zulässigen Strafmaßnahmen gelten zusätzlich einige besondere Bestimmungen des 4. Kapitels des StGB (Jugendstrafrecht).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 843–844


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.