DDR von A-Z, Band 1975

Subjektiver Faktor (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1979 1985


 

SF. und „objektive Bedingungen“ sind allgemeine Kategorien des Historischen Materialismus und bezeichnen die Beziehungen zwischen der bewußten Tätigkeit des Menschen und den äußeren Bedingungen, unter denen sich der Prozeß der Veränderung der Gesellschaftsstruktur durch den Menschen vollzieht.

 

Als SF. in der Entwicklung der Gesellschaft wird die bewußte Tätigkeit des Menschen, der sozialen Klassen, Schichten, Gruppen (als Träger eines bestimmten Handlungsgeschehens), aber auch ihr Bewußtsein über ihr Tun, ihr Wollen, ihre Energie, zugleich ihre Organisiertheit und die von ihnen geschaffenen Organisationsformen (Parteien, Verbände usw.) bezeichnet, die notwendig für die Lösung der historischen Aufgaben sind. Die Bedeutung des SF. in dieser Sicht liegt darin, daß von ihm die Verwirklichung der durch die objektiven, d. h. sozio-ökonomischen Bedingungen gegebenen Möglichkeiten abhängt.

 

Dem SF. wird im Sozialismus wachsende Bedeutung zugewiesen, die in dessen Besonderheit gegenüber früheren Gesellschaftsformationen liege: mit der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat umfaßt der SF. nicht nur die Partei der Arbeiterklasse und den Staat, sondern alle Werktätigen. Infolgedessen entstehe erstmals in der Geschichte die reale Möglichkeit, die Entwicklung der Gesellschaft in Übereinstimmung mit den erreichten objektiven Bedingungen zu bringen und auf der Grundlage der im Sozialismus wirkenden und erkannten Gesetze die gesamtgesellschaftliche Entwicklung bewußt zu lenken.

 

Wichtigste Elemente der bewußten Lenkung sind die wissenschaftliche Führung und Leitung der Gesellschaft sowie die „richtige“ Organisation der Führungsorgane; sie soll die Möglichkeit voluntaristischer Entscheidungen ausschließen. Die Tätigkeit der Partei, ihre Strategie und Taktik als SF. muß im Einklang mit den als objektiv [S. 857]bezeichneten historischen Gesetzmäßigkeiten stehen, um den historischen Fortschritt nicht zu behindern, den sie zwar nicht aufhalten, dessen konkrete Realisierung sie aber fördernd oder hemmend beeinflussen kann. Der Ausdruck „subjektiv“ ist nicht gleichbedeutend mit „willkürlich“ oder „subjektivistisch“. Einzelne Vertreter des Marxismus-Leninismus wenden sich gegen eine Überbetonung des SF. ohne genügende Berücksichtigung der als letztlich bestimmend angesehenen objektiven Bedingungen. Eine Absolutierung des SF. stehe in dieser Sicht dem Verständnis von Freiheit entgegen, die nicht als abstrakte Wahlfreiheit, sondern als gesellschaftliche Kategorie, als bewußte Herrschaft des Menschen über die Natur und die sozialen Prozesse, d. h. als Möglichkeit der Realisierung des geschichtlichen Fortschritts begriffen wird.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 856–857


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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