
Verlagswesen (1975)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985
Wie jeder andere Wirtschaftszweig unterliegt auch das V. der zentralen Wirtschaftsplanung (Wirtschaft).
Angeleitet und kontrolliert wird das V. durch das Ministerium für Kultur, dem es (nach seinem Statut von 1964) obliegt, „auf die Entwicklung einer vielseitigen, sozialistischen, schöngeistigen Literatur zu orientieren und insbesondere jene literarischen Werke zu fördern, die die Gegenwart in fortschrittlichem Geiste darstellen; das literarische deutsche und ausländische kulturelle Erbe zu pflegen; die Bewegungen der schreibenden Arbeiter und Bauern zu unterstützen, um im Geist des Bitterfelder Weges die breite künstlerische Selbstbetätigung auf literarischem Gebiet zu fördern“. Zuständig ist seit Anfang 1963 die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im MfK. (Leiter: Klaus Höpcke); sie übernahm die Aufgaben der bisherigen Abteilung Literatur und Buchwesen sowie der VVB Verlage und des Druckerei- und Verlagskontors. Die graphische (in der DDR „polygraphische“) Industrie und neuerdings auch die Buchbindereien unterstehen dagegen dem Ministerium für Leichtindustrie. Die Hauptverwaltung hat „die Verlage zu lizenzieren, die unterstellten Verlage anzuleiten und für eine zweckentsprechende Arbeitsteilung zwischen den Verlagen Sorge zu tragen; die thematische Jahres- und Perspektivplanung der Verlage anzuleiten, zu koordinieren und ihre Erfüllung zu kontrollieren; die Manuskripte der Buchverlage und die Erzeugnisse der nicht lizenzierten Verlage (Gelegenheitspublikationen, lokale Festschriften, Heimatblätter usw. D. Red.) zu begutachten und Druckgenehmigungen zu erteilen“; sie leitet ferner auch den Buchhandel, vornehmlich den Volksbuchhandel, und das allgemeinbildende Bibliothekswesen fachlich und ideologisch an. Die Editionspläne sind außerdem auf Verlegerkonferenzen Gegenstand von Kritik und Selbstkritik. Die „Begutachtung“ der Verlagsprogramme zielt u. a. auf deren klare Abgrenzung durch Zuweisung thematischer Zuständigkeiten ab; auch werden „Schwerpunkttitel“ festgelegt, deren Produktion unter Hintanstellung aller sonstigen Vorhaben besonders zu fördern ist. Um das System der Steuerung zu vervollständigen, werden Autorenverpflichtungen im Sinne des Vertragsgesetzes angestrebt. Seit einer Anordnung vom 7. 2. 1966 bedürfen schließlich Erwerb und Vergabe von urheberrechtlichen Nutzungsberechtigungen (Lizenzen) im Verkehr mit Partnern außerhalb der DDR vor Abschluß eines Vertrages der Genehmigung durch das Büro für Urheberrechte. Bei der Vergabe kann die Genehmigung davon abhängig gemacht werden, daß die Nutzungsberechtigung zuvor einem Verlag oder einer anderen kulturellen Einrichtung in der DDR angeboten wurde.
Nach dem „Perspektivprogramm“ der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel, das im Febr. 1965 veröffentlicht wurde, sollen die staatlichen Organe die Voraussetzungen dafür schaffen, „daß zu gegebener Zeit eine allmähliche Ersetzung der staatlichen Kontrolle und die volle Eigenverantwortlichkeit der Verlage erfolgen kann“.
1973 waren an der Buch-, Zeitschriften-, Kunstblätter- und Musikalien-Produktion annähernd 90 Verlage beteiligt. Obschon nachprüfbare Angaben über die Eigentumsverhältnisse im V. nicht veröffentlicht werden, lassen sich etwa 60 Verlage, darunter alle größeren, einwandfrei als entweder „volkseigen“ (d. h. Staatsverlage) oder „organisationseigen“ (d. h. im Besitz von Parteien, Massenorganisationen usw.) identifizieren. Etwa 20 Verlage waren (von den 3 kirchlichen abgesehen) wahrscheinlich noch Privateigentum; ihr Anteil an der Produktion dürfte (nach Titeln) unter 5 v. H. gelegen haben. Alle staats- und organisationseigenen Verlage wurden 1959 in einer VVB Verlage zusammengeschlossen; diese VVB wurde 1962 aufgelöst und in die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur überführt. Zu den volkseigenen Verlagen gehören u. a. das Bibliographische Institut, die Verlage Breitkopf & Härtel, Brockhaus, Gustav Fischer, Niemeyer, Reclam, Seemann, Teubner, Thieme, die enteignet wurden; die meisten produzieren trotzdem unter dem gleichen Namen wie in der Bundesrepublik Deutschland. Einzelne Ministerien haben eigene Verlage; der Staatsverlag der DDR bringt seit Anfang 1963 die amtlichen Veröffentlichungen der Volkskammer, des Staatsrates usw. heraus. Der Ost-Berliner Dietz-Verlag gehört der SED, der Aufbau-Verlag dem Kulturbund, der Verlag Neues Leben der FDJ, der Urania-Verlag der Urania und der Verlag Tribüne dem FDGB.
[S. 904]Die Buchproduktion brachte 1973 (einschl. Broschüren und Nachauflagen) 5.330 Titel, darunter 912 Übersetzungen, in einer Auflage von 119,7 Mill. Exemplaren auf den Markt, womit sich die Gesamtauflage im Verhältnis zu 1955 nahezu verdoppelt hat.
Auch in der technischen Qualität hat die Produktion in manchen Bereichen den alten Standard des „Leipziger Platzes“ wieder erreicht; wie in der Bundesrepublik Deutschland werden die „Schönsten Bücher des Jahres“ ausgezeichnet. Die Auflagen der Bücher liegen im Durchschnitt höher als in der Bundesrepublik Deutschland, doch sind die Größen aus verschiedenen Gründen schwer vergleichbar; neben der Breite und Vielfalt des Angebots in der Bundesrepublik Deutschland ist zu berücksichtigen, daß die Auflagen vieler Titel, und insbesondere der „Bestseller“ in der DDR, wenn nicht gesteuert, so doch beeinflußt sind durch den Pflichtbedarf der Bibliotheken, durch den Verbrauch von Prämien und Buchgeschenken der „gesellschaftlichen Organisationen“ und durch die Absperrung des Lesepublikums von der Literatur der Bundesrepublik Deutschland und des „kapitalistischen“ Auslandes. Die Bemessung der Auflagen ist daher auch nicht allein oder in erster Linie abhängig von der Nachfrage, sondern von den Direktiven des Literaturapparates. Im Absatz der Fachliteratur schlägt sich aber auch die von der SED verbreitete „Atmosphäre des Lernens“ positiv nieder. Lizenzausgaben oder Übersetzungen „westlicher“ Literatur, die in ideologisch bestimmter Auswahl zugelassen werden, aber auch Unterhaltungsliteratur jeglichen Niveaus ohne politischen Einschlag, sind meist schnell vergriffen.
Die durchschnittlichen Bücherpreise liegen teilweise beträchtlich unter den westdeutschen. Der Buchexport ist monopolisiert; im Verkehr mit der Bundesrepublik Deutschland vollzieht er sich im Rahmen des innerdeutschen Handels. Kulturpolitik; Zeitschriften; Literatur und Literaturpolitik.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 903–904