
Zollwesen (1975)
Siehe auch:
- Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs, Amt für: 1954
[S. 972]Die Aufgaben des Z. unterscheiden sich in einer staatlich verwalteten Planwirtschaft grundsätzlich von den herkömmlichen Funktionen des Zollrechts, das von marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnungen geprägt ist. Während es nämlich Aufgabe des Zolldienstes im traditionellen Sinne ist, sowohl im Interesse des Staatshaushaltes als auch der Wirtschaft dafür zu sorgen, daß Auslandswaren nicht ohne Mitwirkung des Zolldienstes in den Inlandsverkehr kommen, der Wettbewerb und die Inlandspreisbildung nicht durch Einschleusen billiger Auslandserzeugnisse in den Inlandsverkehr gestört werden, treffen diese Funktionen nur z. T. auf den Zolldienst einer zentral verwalteten Planwirtschaft zu. Das Außenwirtschaftsmonopol und die Art der Preisgestaltung können Zölle sogar entbehrlich machen, da die Steuerung von Export und Import bereits durch Plandirektiven erfolgt (Planung). Auch eine fiskalpolitische Bedeutung kommt den Zöllen nicht zu, weil die staatlichen Handelsorgane ohnehin die Preise für Außenhandelsgüter festlegen.
Das Z. der DDR rechtfertigt sich aufgrund folgender Aufgabenstellung:
1. einen ordnungsgemäßen, den Interessen des sozialistischen Staates und seiner Bürger entsprechenden Warenverkehr über die Grenzen zu gewährleisten, somit eine störungsfreie Abwicklung des Außenhandels zu sichern;
2. im Rahmen des Warenverkehrs über die Grenzen die für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Tier- und Pflanzenwelt notwendigen Maßnahmen durchzuführen;
3. den Nationalreichtum zu sichern, besonders aber zur Erhaltung des Kunstbesitzes und anderer Kulturwerte der DDR beizutragen.
Insbesondere die beiden letzten Punkte machen die Abkehr vom herkömmlichen Zollrecht deutlich. Insgesamt wird aus der Aufgabenstellung ersichtlich, daß das Zollrecht ein außen- und innenpolitisches Instrument ist, dem gelegentlich polizeiordnungsrechtliche Züge innewohnen.
Grundlage des Z. ist das Gesetz über das Z. der DDR vom 28. 3. 1962 (GBl. I, S. 42), zu dem inzwischen 22 Durchführungsbestimmungen (DB) — die sich indessen teilweise wieder aufgehoben haben — und Verordnungen (VO) mit ebenfalls mehreren DB und Anordnungen (AO) ergangen sind. Der Zeitpunkt des Erlasses des Zollgesetzes (ZG) ist ursächlich dafür gewesen, daß sehr konkrete Ziele der Deutschland- und Außenpolitik der SED in das Zollrecht Eingang gefunden haben, das formal der Durchsetzung des Außenhandels- und Valutamonopols dient (vgl. auch Art. 9 Abs. 5 der Verfassung von 1968). Als Zollgebiet gilt das Territorium der DDR, das von der Zollgrenze umschlossen wird. „Westberlin“ ist im Zollrecht ein eigener Abschnitt gewidmet. Es wird festgelegt, daß „Westberlin“ nicht zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gehört. Die zollrechtliche Stellung soll im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen geregelt werden. Es wird aber auch nicht als Zollinland der DDR behandelt.
Im ZG ist ein 3stufiger Zolltarif vorgesehen: 1. der Grundzolltarif, der den bis vor Erlaß des Gesetzes für private Sendungen geltenden Tarif ablöst; 2. der Vertragszolltarif, der für Länder gelten soll, die der DDR die Meistbegünstigung einräumen; 3. der Sonderzolltarif, der auf Staaten abgestellt ist, die der DDR die Meistbegünstigung nicht gewähren. Diese Tarifdifferenzierung — sehr niedrige oder keine Zölle im Falle der Meistbegünstigung; hohe Zölle (Kampfzölle) bei deren Fehlen — richtete sich partiell gegen die Außenhandelspolitik der EWG. Indessen ist die DDR wie die übrigen Mitgliedstaaten des RGW im Interesse des Funktionierens der eigenen Wirtschaft vorwiegend an einer handelspolitischen Zusammenarbeit auch mit der EG interessiert. Freilich kann die Zolldifferenzierung je nach politischer Lage und Zielsetzung verwendet werden.
Die Hauptelemente des Z. sind die Genehmigungspflichtigkeit von Warenbewegungen über die Zollgrenze hinweg, von der einige DB wiederum Ausnahmen vorsehen, sowie das Entstehen der Zollschuld bei der Ein- und Ausfuhr von Waren. Gegenstand, Grundlage, Höhe und Fälligkeit des Zolls sind in einem nicht im GBl. veröffentlichten Zolltarif festgelegt. Der Zolltarif ist ein alphabetisch oder nach anderen Gesichtspunkten (z. B. stoffliche Zusammensetzung, wirtschaftliche Herkunft) geordnetes Verzeichnis der Waren und der für sie geltenden Zollsätze. Im einzelnen wird unterschieden nach 1. Einfuhr-, Ausfuhr- und Transitzöllen; 2. autonomen Zöllen (gesetzlich festgelegten, jederzeit veränderbaren Zollsätzen gegenüber Staaten, mit denen keine vertraglichen Vereinbarungen bestehen) und Konventionalzöllen; 3. der Bemessungsgrundlage (Bemessung nach dem Wert in Form des Normalpreises des Zollgutes, Kombination von spezifischen Zöllen, Wertzöllen und negativem Wertansatz); 4. Schutzzöllen zum Schutz der inländischen Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz; 5. Finanzzöllen.
Das ZG. regelt im übrigen die technischen Modalitäten beim Grenzübertritt von Waren, Geld, Devisen und Personen bzw. überträgt die Befugnis zur Regelung von Einzelfragen den zuständigen Stellen des Ministerrats. Im einzelnen sind geregelt: die Kontrolle, Untersuchung und evtl. Sicherstellung von Waren und Beförderungsmitteln beim Grenzübertritt, die Einholung von Gutachten und Auskünften, der Erlaß von Verfügungen und deren Durchsetzung auch durch unmittelbaren Zwang, die körperliche Durchsuchung von Personen, das Genehmigungsverfahren für den Warenverkehr, Zollverfahrensfragen, die Art der Zollerhebung, die Zollstrafen- und Strafbestimmungen zur Durchsetzung dieser Regelungen.
Für folgende Kategorien von Waren bzw. Warenbewegungen sind besondere Vorschriften in den DB und VO ergangen: die Ein- und Ausfuhr von Handelswaren, von Waren im Rahmen der Kulturabkommen, von Mustern, Proben und Werbematerial, von Waren für den Bedarf und die Zwecke der diplomatischen oder anderen Vertretungen der DDR sowie für den Bedarf und die Zwecke der in der DDR akkreditierten diplomatischen und anderen ausländischen Vertretungen, von Waren zu Messen und Ausstellungen, von Kraftfahrzeugen, Zu[S. 973]behör und Ersatzteilen, von Reisebedarf und sonstigen mitgeführten Gegenständen im Reiseverkehr, von Waren im Geschenkverkehr, von Literatur, anderen Druckerzeugnissen, Ton- und Bildträgern, von Rückwaren und Reparaturgut, von Umzugs- und Erbschaftsgut sowie die Durchfuhr von Waren aller Art durch das Zollgebiet der DDR auf allen Verkehrswegen.
Gemäß der VO vom 25. 6. 1959 (GBl. I, S. 610) ist die Einfuhr von Kraftfahrzeugen sowie Zubehör- und Ersatzteilen nur über die staatlichen Außenhandelsbetriebe zulässig. In besonderen Fällen kann der zuständige Rat des Bezirks die Einfuhr von Personenwagen, Motorrädern und Mopeds erlauben, die dann aber nicht in der DDR vermietet, verpachtet oder veräußert werden dürfen.
Die 20. DB zum ZG vom 14. 6. 1973 (GBl. I, S. 271) regelt das Verfahren für die Ein- und Ausfuhr von Gegenständen im grenzüberschreitenden Geschenkpaket- und -päckchenverkehr auf dem Postwege. Genußmittel dürfen danach bis zu bestimmten Höchstmengen eingeführt werden. Geschenksendungen werden gemäß einem in einer Anlage zur DB enthaltenen Tarif verzollt. Bis zu einem Wert von 200 Mark kommt die Zollerhebung nicht zur Anwendung. Nach der AO über die Aussetzung der Erhebung von Zöllen bei der Einfuhr von Geschenksendungen auf dem Postwege vom 14. 6. 1973 (GBl. I, S. 273) erhalten Rentner und Sozialunterstützungsempfänger die zulässige Zahl von Einfuhrgeschenksendungen (jährlich 12) ohne Zollerhebung. Für Einfuhrgeschenksendungen aus der Bundesrepublik Deutschland und aus „Westberlin“ wird die Zollerhebung ausgesetzt. In einer Bekanntmachung zur 20. DB ist eine umfangreiche Liste von Gegenständen genannt, die von der Ein- und Ausfuhr als Geschenksendungen ausgenommen sind. Die Bestimmungen über den grenzüberschreitenden Reiseverkehr enthalten nach dem gleichen Prinzip Genehmigungsgrenzen für die Ein- und Ausfuhr von Geschenken, in der DDR gekauften Gegenständen, Reisegebrauchsgegenständen und besonderen Waren - ausgenommen sind Perlen, Edelmetalle und Kraftfahrzeuge. Die Höhe der Genehmigungsfreigrenze richtet sich nach dem Wohnsitz (in oder außerhalb der DDR) und nach der Dauer der Ausreise bzw. des Aufenthaltes in der DDR. Innerhalb der Freigrenzen sind bei der Einfuhr von Genußmitteln wiederum bestimmte Höchstgrenzen zu beachten. Außerdem gelten auch für den Reiseverkehr Ein- und Ausfuhrverbote, die politisch, devisenrechtlich (Devisen) und ideologisch motiviert sind und insofern die Aufgabenstellung des Z. verdeutlichen.
Genehmigungsfrei sind schließlich auch die Ein- und Ausfuhr von beweglichem Erbschafts- und Umzugsgut mit Ausnahme von Kraftfahrzeugen und Produktionsmitteln sowie von Gegenständen, die wiederum grundsätzlich von der Ein- und Ausfuhr als Erbschafts- oder Umzugsgut ausgenommen sind (22. DB zum ZG vom 14. 6. 1973 — GBl. I, S. 274). Die Liste der Ein- und Ausfuhrverbote umfaßt weniger Gegenstände als die für den Reise- und Geschenkpaketverkehr geltende. Die Ein- und Ausfuhr von Umzugsgut muß mit der Übersiedlung, die von Erbschaftsgut innerhalb eines Jahres nach Annahme der Erbschaft oder nach Abschluß der Erbauseinandersetzung erfolgen.
Die Ein- und Ausfuhr von Handelswaren richtet sich vollständig nach dem Außenhandelsmonopol (Außenwirtschaft) und ist daher nur über die Außenhandelsbetriebe und andere vom Minister für Außenhandel ermächtigte Betriebe und Organe möglich. Der Definition nach gelten als Handelswaren somit Waren, die im Rahmen des Außenhandelsplanes aus- und eingeführt werden sowie z. B. Einfuhren aus Valutaanrechten und Devisenkrediten.
Wegen der besonderen Berlin-Regelung im ZG sind die meisten DB zum ZG für Berlin (West) durch AO in Kraft gesetzt worden. Bei der 22. DB ist jedoch davon Abstand genommen worden. Dies läßt die Vermutung zu, daß, ähnlich wie bereits im Devisenrecht, nun auch im Zollrecht das Zollgebiet auf den Bereich der DDR und Ost-Berlins begrenzt wird und die Fiktion von „Westberlin als auf dem Territorium der DDR“ liegend nicht mehr aufrechterhalten wird.
Die Durchführung der Aufgaben nach dem Zollrecht obliegt der Zollverwaltung der DDR, die als zentral geleitetes Organ dem Ministerium für Außenhandel untersteht. Die Zollverwaltung gliedert sich in die Hauptverwaltung, Bezirksverwaltungen — meist 2 politische Verwaltungsbezirke zusammengefaßt —, Zollämter und Zollstellen. Grenz-, Binnen- und Postzollämter unterstehen den Bezirksverwaltungen, während für die Überwachung der Zollstellen die Zollämter zuständig sind. Mit dem ZG vom 28. 3. 1962 übernahm die Zollverwaltung die Aufgaben des früheren Amts für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs.
Zum Aufgabengebiet gehören hauptsächlich die Kontrolle der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren, Devisen und Zahlungsmitteln nach den Bestimmungen des ZG und die Erhebung von Zöllen im Außenhandels-, Post- und Eisenbahnverkehr. Zur Erfüllung dieser Aufgaben arbeitet die Zollverwaltung eng mit anderen Kontroll- und bewaffneten Organen wie auch mit anderen zentralen und örtlichen Staatsorganen zusammen. Genehmigungsgebühren; Warenverkehr, nichtkommerzieller.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 972–973
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