Alkoholmißbrauch (1975)
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Der Pro-Kopf-Verbrauch alkoholischer Getränke ist seit 1950 bis 1972 bei Wein und Sekt von 1,7 l auf 5,3 l, bei Bier von 68,5 l auf 106,5 l gestiegen. Bei Spirituosen stieg der Verbrauch von 4,4 l im Jahr 1955 auf 6,7 l im Jahr 1971. Hier wurde für 1972 eine geringfügige Abnahme auf 6,5 l verzeichnet. Als A. wird sowohl der übermäßige Genuß alkoholischer Getränke als auch der Genuß an ungeeigneten Orten und zu ungeeigneten Zeiten, vor allem am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit, verstanden. Die schädlichen Folgen des A. zeigen sich in kriminellen Handlungen, in Ordnungswidrigkeiten und anderen Rechtsverletzungen. Der Anteil der unter A. straffällig gewordenen Täter ist örtlich und in verschiedenen Berufszweigen unterschiedlich hoch. Er stieg in Cottbus von 29,5 v. H. im Jahr 1964 auf 38,7 v. H. im Jahr 1970, lag aber im selben Jahr in dem zu diesem Bezirk gehörenden Kreis Finsterwalde bei 57 v. H. In einer Untersuchung des Bezirksgerichts Erfurt wurde festgestellt, daß 1971 im Bezirk Erfurt bei Widerstand gegen staatliche Maßnahmen 68,2 v. H., bei Rowdytum 11,3 v. H. und bei Körperverletzung 8,5 v. H. der Straftäter alkoholbeeinträchtigt waren.
Zurechnungsunfähigkeit und verminderte Zurechnungsfähigkeit begründen nach §§ 15 Abs. 3,16 Abs. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) weder einen Schuldausschließungs- noch Strafmilderungsgrund. Bei schuldhaft verursachtem Rauschzustand ist der Täter nach dem von ihm verletzten Gesetz zu bestrafen, wobei Alkoholeinfluß häufig als strafverschärfender Umstand gewertet wird. Zur Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen kann das Gericht den Täter verpflichten, sich einer fachärztlichen Behandlung zu unterziehen (§ 27 StGB). Die Verleitung von Kindern und Jugendlichen zum A. ist nach § 147 StGB mit Gefängnisstrafe bis zu 2 Jahren oder Strafen ohne Freiheitsentzug (Strafensystem) bedroht. Diese Strafbestimmung richtet sich vor allem gegen Gastwirte, die pflichtwidrig alkoholische Getränke an Minderjährige abgeben.
Übermäßiger Alkoholgenuß wird auch als wesentliche Ursache anderer Störungen des gesellschaftlichen Lebens angesehen. A. ist einer der häufigsten Ehescheidungsgründe, bei Ehen mehrfach Geschiedener nach einer Analyse von Ehescheidungsverfahren im Jahre 1970 der häufigste Scheidungsgrund.
Bei der Überwindung des A. sollen alle staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte mitwirken.
In vielen Betrieben ist durch Arbeitsordnungen der Alkoholgenuß während der Arbeitszeit untersagt worden. Nach der VO über die Aufgaben der örtlichen Räte und der Betriebe bei der Erziehung kriminell gefährdeter Bürger vom 15. 8. 1968 (GBl. I, S. 751) sind Vereinbarungen zur Erziehung, Betreuung und Unterstützung mit Bürgern anzustreben, die durch ständigen A. fortgesetzt die Arbeitsdisziplin verletzen oder sonst in gröbster Weise, z. B. durch Asoziales Verhalten, die Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens mißachten. Durch die AO über die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrer-Haftpflicht-Versicherung vom 12. 1. 1971 (GBl. I, S. 93) ist die Regreßpflicht für Versicherte, die unter Alkoholeinfluß anderen einen Schaden zugefügt haben, erweitert worden.
Auch Preiserhöhungen für Spirituosen sollen den übermäßigen Alkoholgenuß hemmen. Die Lebensgewohnheit der Bevölkerung und nicht zuletzt auch ökonomische Interessen der Hersteller und Handelsbetriebe sowie der Gaststätten haben aber bisher einen wesentlichen Erfolg des Kampfes gegen den A. verhindert.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 26
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