Außenwirtschaft und Außenhandel (1975)
I. Allgemeine Grundlagen
Unter Außenwirtschaft wird die Gesamtheit der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen einer Volkswirtschaft einschließlich der Produktionssphäre verstanden. Der Außenhandel ist wichtigster Teilbereich der Außenwirtschaft, Über den Außenhandel werden die meisten anderen Formen der Außenwirtschaftstätigkeit, wie wissenschaftlich-technische Beziehungen, Spezialisierungs-, Investitions- und Kooperationsvorhaben, die Plankoordinierung mit den RGW-Mitgliedsländern, der Austausch von kommerziellen und nichtkommerziellen Dienstleistungen (Transport, Touristik u. a.), die auswärtigen Kreditbeziehungen und die Erschließung internationaler Märkte realisiert.
Für die gesamten Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR gilt das Außenhandelsmonopol des sozialistischen Staates, das auch in Art. 9 Ziff. 5 der Verfassung von 1968 (unverändert auch in der Fassung vom 7. 10. 1974) staatsrechtlich fixiert wurde. Es bedeutet die Beherrschung der gesamten Außenwirtschaftstätigkeit durch den sozialistischen Staat. In einer Planwirtschaft sozialistischen Typs erweist sich Planung und Kontrolle auch dieses Wirtschaftssektors durch zentrale, damit beauftragte Instanzen (Ministerium für Außenhandel; Kammer für Außenhandel; Außenhandelsbetriebe etc.) als notwendig, wenn keine schwerwiegenden Störungen auf dem zentral geplanten Binnenmarkt auftreten sollen. Darüber hinaus kann die Außenwirtschaft ihrer funktionalen außenpolitischen Bedeutung für den sozialistischen Staat nur entsprechen, wenn ihre zentrale Lenkung gesichert ist.
Das Außenwirtschaftsmonopol umschließt das Valuta- und Außenhandelsmonopol, das die Verstaatlichung der Planung, Durchführung und Kontrolle des gesamten Außenhandels bedeutet. Damit sichert der sozialistische Staat ebenfalls die Übereinstimmung von Außenhandel und zentraler Volkswirtschaftsplanung, die Durchsetzung einer den Zielen seiner Außenpolitik dienenden und den binnenwirtschaftlichen Erfordernissen angepaßten Volkswirtschaftspolitik. In der DDR wird darüber hinaus betont, daß nur das Außenwirtschafts- bzw. Außenhandelsmonopol unerwünschte Einflüsse des Weltmarktes von der eigenen Wirtschaft fernhalten könne. Trotz uneingeschränkter Beibehaltung des Außenwirtschaftsmonopols ist in den letzten Jahren in der DDR eine stärkere Verlagerung außenwirtschaftlicher Funktionen auf spezialisierte Organe des Außenhandels bzw. die für den Außenhandel zuständigen Betriebe und Unternehmen der VVB festzustellen, womit eine größere Flexibilität in der Außenwirtschaftspolitik angestrebt wurde.
Die DDR ist vor allem aus zwei Gründen auf die außenwirtschaftliche Tätigkeit angewiesen. Einmal bedarf sie der Importe von Roh- und Brennstoffen, um [S. 78]die traditionell stark vertretene verarbeitende Industrie zu versorgen, zum anderen kann sie die Enge des Binnenmarktes, die die Herausbildung effizienter Produktionsstrukturen verhindert, überwinden. Die allseitig wachsenden Anforderungen an das Wirtschaftspotential haben zu einem Wandel auch der Aufgabenstellung der Außenwirtschaft im volkswirtschaftlichen Leistungsprozeß geführt. War ursprünglich die Außenwirtschaftstätigkeit auf die Importseite fixiert, um hierüber vor allem binnenwirtschaftliche Engpässe infolge mangelnder Selbstversorgung, Flexibilität oder Unterplanerfüllung zu beseitigen (Lückenbüßerfunktion des Außenhandels), erlangte im Zuge zunehmender Intensivierung des Wirtschaftsprozesses seit Mitte der 60er Jahre die Exportseite eine eigenständigere Position. Dieser kommt nicht mehr allein die Aufgabe zu, die zur Bezahlung der Importe notwendigen Devisen hereinzubringen. Vielmehr soll vor allem über den Export das volkswirtschaftliche Wachstum durch die Entwicklung führender Zweige und dynamischer Produktionsstrukturen, die Herabsetzung der Fondsintensität und die verbesserte Kapazitätsausnutzung stimuliert werden. Gegenwärtig wird in der DDR die erreichte Intensität und Struktur der außenwirtschaftlichen Verflechtung als unbefriedigend angesehen. So betrug der Außenhandelsumsatz pro Kopf der Bevölkerung 2.750 VM (1973) bei einer vergleichbaren Pro-Kopf-Ziffer in der Bundesrepublik Deutschland von 4.494 DM.
Als Ursache für die noch — etwa im Vergleich zu führenden westlichen Außenhandelsländern — geringe Verflechtung der DDR sind vor allem der schwerfällige und für binnen- und außenwirtschaftliche Störungen anfällige Bilateralismus im Handelsverkehr, das lange Zeit für alle Länder des RGW typische Autarkiestreben (breites Produktionssortiment bis Ende der 60er Jahre!), die starke Orientierung der Wirtschaftsbeziehungen auf die sozialistischen Länder mit einem überwiegend noch komplementären und für die DDR oftmals unattraktiven Güteraustausch und die trotz der Außenwirtschaftsreformen fortdauernde Inflexibilität des Außenwirtschaftssystems aufgrund des uneingeschränkten Außenwirtschaftsmonopols des Staates zu nennen.
II. Außenwirtschaftspolitik
Die Außenwirtschaftspolitik ist sowohl der allgemeinen Wirtschafts- als auch der Außenpolitik untergeordnet. Neben dem bis Anfang der 70er Jahre beherrschenden politischen Aspekt — gegenüber den Entwicklungsländern und westlichen Industriestaaten das Streben nach völkerrechtlicher Anerkennung zu unterstützen — kam ihr jedoch stets die wichtige Aufgabe zu, über den Export den Import der DDR zu finanzieren. Als Bestandteil der Wirtschaftspolitik ist das Bemühen der Außenwirtschaftspolitik heute stärker darauf gerichtet, die Außenwirtschaftsbeziehungen zur Durchführung des „wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ zu intensivieren, d. h. Instrument der nationalen Wachstums- und Strukturpolitik zu sein. Nach den Bestimmungen des geltenden Fünfjahrplans (1971–1975) sind die Außenwirtschaftsbeziehungen mit den Mitgliedsländern des RGW, insbesondere mit der UdSSR (siehe dazu Punkt V.) „als entscheidende Grundlage für die gesamten Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR“ vorrangig weiterzuentwickeln und zu vertiefen. Von dieser Basis sollen die Beziehungen zu den Entwicklungsländern und den — im Plan zuletzt genannten — kapitalistischen Ländern auf der Grundlage der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Vorteils weiterentwickelt werden. Die intendierten Formen konkreter außenwirtschaftlicher Tätigkeit sind gegenüber den genannten Regionen unterschiedlicher Art. Mit westlichen Industrie- und den Entwicklungsländern werden insbesondere langfristige Handels- und Zahlungsabkommen abgeschlossen, und lediglich mit ausgewählten nichtsozialistischen Schwerpunktländern bzw. „progressiven“ Entwicklungsländern sollen „vorteilhafte Kooperationsbeziehungen“ entwickelt werden. Das Hauptgewicht bei der Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zum RGW liegt noch immer bei den bilateralen Abkommen über Warenaustausch und Zahlungsverkehr. Daneben ist aber seit Beginn der 70er Jahre das Bemühen um den Abschluß von Kooperationsabkommen im Bereich von Wissenschaft, Technik und Produktion und die im „Komplexprogramm“ vorgesehene zwei- und mehrseitige Plankoordinierung aller RGW-Länder, einschließlich des vorgesehenen „Fünfjahrplans der mehrseitigen Integrationsmaßnahmen für die Jahre 1976–1980“ stark in den Vordergrund gerückt. Die DDR gilt innerhalb des RGW als eifriger Befürworter der „sozialistischen ökonomischen Integration“. Die bislang realisierten wirtschaftlichen Aktivitäten mit den westlichen Industriestaaten mündeten vor allem im Abschluß von Handelsabkommen, die bis 1973 bzw. 1974 auf Kammer- oder Bankebene, danach auf Regierungsebene wirksam wurden. Langfristige bilaterale Regierungsabkommen, die zum Teil für mehrere Jahre laufen und in der Regel als „Verträge über wissenschaftliche, technische und industrielle Zusammenarbeit“ gekennzeichnet sind, konnten seit 1969 mit Frankreich, Italien, Finnland, Island, Großbritannien, Österreich, Japan, Australien und Dänemark geschlossen werden. Darüber hinaus wurden die Westbeziehungen durch die Einrichtung staatlicher Handelsvertretungen, Niederlassungen und Servicestellen der Außenhandelsbetriebe (AHB) intensiviert, wie auch durch die Teilnahme an international bedeutsamen Ausstellungen und Messen, an denen die DDR allein 1972 in 103 Fällen beteiligt war (Bundesrepublik Deutschland 31, Frankreich 12, Italien 12, Schweden 11).
[S. 79]Zu den vielfältigen Westbeziehungen der DDR läßt sich zusammenfassend feststellen, daß sie ein wirtschaftlich bedeutendes Element der gesamten Außenwirtschaftsbeziehungen sind, da die DDR auf diese Weise technologisches Know-how und eine Reihe von Engpaßgütern importiert. Der Westhandel ist gegenwärtig von einem hohen Importüberschuß auf Seite der DDR gekennzeichnet.
Auch die Wirtschaftsbeziehungen mit den sozialistischen Ländern bzw. RGW-Mitgliedern beruhen auf dem Abschluß von Abkommen über den Warenaustausch und Zahlungsverkehr. Diese zuletzt 1971 geschlossenen Handelsverträge mit allen sozialistischen Ländern sind der Laufzeit der langfristigen Perspektivpläne (1971–1975) angepaßt und werden innerhalb des RGW zur Zeit noch bilateral koordiniert.
Darüber hinaus wurde von der DDR eine Vielzahl von zwei- und mehrseitigen Kooperationsabkommen im RGW — bis Ende 1972 waren es ca. 288 — geschlossen. Die RGW-Integrationspolitik der DDR zeigt sich u. a. darin, daß sie, im Rahmen der Produktionsspezialisierung, die Fertigung wichtiger Erzeugnisse zugunsten anderer RGW-Länder eingestellt hat. Zu nennen ist die Einstellung der Flugzeugproduktion, von Bereichen des Lokomotiven-, des Straßenbahnwagen-, Webmaschinen-, Elektrogabelstapler-, Traktoren- und Omnibusbaus. Multi- und bilaterale Großprojekte im RGW, bei denen die DDR beteiligt ist, wie die Erdgas-Transit-Leitung „Nordlicht“, der Bau eines Zellstoffkombinats in Sibirien, einer Olefinproduktions- und Verarbeitungsanlage in der ČSSR, eines metallurgischen Kombinats in Kursk etc. zeigen weiterhin die enge Bindung der DDR an die östliche Wirtschaftsregion auf.
III. Entwicklung des Außenhandels
Eine hinreichend spezifizierte Aufstellung ist weder über die gesamte außenwirtschaftliche noch über die nach Ländern gegliederte Warenstruktur bekannt. Auch werden weder Zahlungsbilanzen noch — außer der Handelsbilanz — deren Teilbilanzen veröffentlicht. Schwierig ist es ebenfalls, die exakte Außenhandelsverflechtung (Anteil der Ex- und Importe am Nationaleinkommen) zu ermitteln, da die Valutamark (VM) eine rein rechnerische Größe darstellt, deren Umrechnungsverhältnis zu den Ex- und Importbinnenpreisen nicht bekannt ist. Doch ist seit 1960 das Nationaleinkommen (in vergleichbaren Preisen) um 74 v. H., der Außenhandelsumsatz aber um rd. 190 v. H. (vgl. Tabelle 1) gestiegen, woraus eine zunehmende Außenhandelsverflechtung der Wirtschaft der DDR abgelesen werden kann. Real nahm der Außenhandelsumsatz schneller zu als nominal: während er sich in vergleichbaren Preisen von 1960 bis 1972 um 160 v. H. erhöhte, steigerte er sich zu jeweiligen Preisen nur um 153 v. H.
Der Außenhandelssaldo ist mit Ausnahme der Jahre 1962,1966 und 1970 aktiv, so daß sich ein kumulierter Ausfuhrüberschuß von ca. 6,8 Mrd. VM (1972) bilden konnte. Dieser wurde allerdings vornehmlich im Handel mit sozialistischen Ländern erzielt, während der Westhandel der DDR einen kumulierten Passivsaldo (allein 1973 2,9 Mrd. VM) aufweist, an dem besonders die Bundesrepublik Deutschland einen großen Anteil hat (bis 1973 insgesamt 1,8 Mrd. DM).
Obwohl der Außenhandel — auch nach den Wirtschaftsreformen — über das Außenhandelsmonopol des sozialistischen Staates gelenkt wird, konnte er in der Vergangenheit nicht immer plangemäß entwickelt werden.
So wurden zwar die in den langfristigen Perspektivplänen niedergelegten Umsatzvolumina erreicht, jedoch nicht immer die Jahrplanvorgaben und die angestrebten Ex- und Importrelationen. Das gilt sowohl für den abgebrochenen Siebenjahrplan (1959–1965), in dessen Zeitraum die Exporte um 60 v. H. (Plan 86 v. H.) und die Importe um 65 v. H. (Plan 57 v. H.) stiegen, als z. B. auch für den laufenden Fünfjahrplan 1971–1975. Aufgrund des untererfüllten Exportplans konnte der für 1971 angestrebte Gesamtumsatzzuwachs von 8 v. H. nicht realisiert werden (Ist + 6,7 v. H.), und auch 1972 blieb das Wachstum des Handels mit + 10,8 v. H. hinter dem Planansatz von + 12,5 v. H. zurück. Demgegenüber gelang 1973 eine Planrealisierung (+ 14,1 v. H.), jedoch entwickelte sich die Regionalstruktur der Außenwirtschaft nicht plangemäß. Statt der vorgesehenen 15 v. H stieg der Umsatz mit den sozialistischen Ländern um nur 11 v. H. Dafür erhöhte sich der Umsatz mit den westlichen Industrieländern um ca. 22 v. H. auf das Doppelte des vorgesehenen. Der relativ geringe Zuwachs des DDR-„Osthandels“ wird damit gerechtfertigt, daß es bei der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen mit dieser Region mehr auf qualitative denn auf quantitative Veränderungen ankomme.[S. 80]
IV. Die Entwicklung der Waren- und Länderstruktur
Es ist festzustellen (siehe Tabelle 2), daß die Warenstruktur des Außenhandels der DDR durchaus derjenigen einer hochentwickelten Volkswirtschaft entspricht: hohe und weiter zunehmende Anteile der (metall-) verarbeitenden Industrie und abnehmende Anteile der Grundstoffindustrie bei Aus- und Einfuhren. Allerdings sind die jeweiligen Anteile beider Leicht-, Nahrungs- und Genußmittelindustrie trotz deren starken Rückgangs bei den Einfuhren immer noch als recht hoch anzusehen.
Gegenüber den westlichen Ländern durchlief die Handelsstruktur eine ähnliche Entwicklung. Die Abnahme der Anteile der Grundstoffe, Verbrauchs-, Landwirtschafts- und Nahrungsgüter und die rapide Zunahme der Investitionsgüter bei den Einfuhren zeigen, daß — ganz entgegen den offiziellen Behauptungen der DDR-Wirtschaftsführung — der Westen zur Struktur- und Wachstumsentwicklung der DDR-Wirtschaft einen nicht unerheblichen Beitrag geleistet haben dürfte (vgl. Tabelle 3).
Bei der Handelsentwicklung der DDR (vgl. Tab. 4 a und 4 b) sind die relativ hohen Steigerungsraten bei den Ausfuhren in die sozialistische Länder und bei den Einfuhren aus nichtsozialistischen Ländern und die relativ niedrigen Raten bei den Ausfuhren in die nichtsozialistischen Länder und der Einfuhren aus sozialistischen Ländern hervorzuheben. Die hohe Einfuhrsteigerung aus den nichtsozialistischen Ländern dürfte den Bedarf der DDR besonders an hocheffektiven Industrieausrüstungen und technisch-organisatorischem Know-how widerspiegeln, während in der hohen Exportrate gegenüber den sozialistischen Ländern vor allem die Bedeutung der DDR als Investitionsgüterlieferant zum Ausdruck kommt. Bemerkenswert ist die trotz niedriger Ausgangsbasis und intensiver politischer Bemühungen um diese Ländergruppe geringfügige Steigerungsrate im Handel mit den Entwicklungsländern (Entwicklungshilfe).
[S. 81]Die Länderstruktur des DDR-Außenhandels ist durch den hohen, aber seit 1968 nahezu kontinuierlich abnehmenden Anteil der sozialistischen Länder und den seit dem gleichen Zeitraum zunehmenden Anteil der kapitalistischen Länder mit der Bundesrepublik Deutschland als des bei weitem größten Handelspartners charakterisiert. Die von Honecker auf dem VIII. Parteitag geäußerte Zielvorstellung, im Zeitraum bis 1975 drei Viertel des Handels mit sozialistischen Ländern abzuwickeln, hat sich nicht verwirklichen lassen. Seit 1960 hat sich die Außenhandelsstruktur zuungunsten der UdSSR, jedoch zugunsten der industriell entwickelten Länder im RGW wie ČSSR, Polen und Ungarn entwickelt (vgl.
V. Besondere Bindungen an die UdSSR
Mit keinem anderen Land des RGW ist die wirtschaftliche Verflechtung der DDR so eng wie mit der UdSSR. 1973 wickelte die DDR rd. 35 v. H. des Außenhandels — das entspricht rd. 17 v. H. des Außenhandels der Sowjetunion — mit diesem ihrem größten Wirtschaftspartner ab. Diese Entwicklung erklärt sich aus der Tatsache, daß die UdSSR maßgeblich die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik und den Aufbau, die Besetzung und die Organisation des gesamten Staatsapparates einschließlich des Wirtschaftssystems der DDR bestimmt hat und auf diesem Wege eine enge wirtschaftliche und politisch-ideologische Bindung zwischen beiden Staaten erreichte.
Auch gegenwärtig gilt für die Partei- und Wirtschaftsführung der DDR das Bekenntnis E. Honeckers zur Sowjetunion (1971): „… die unzerstörbare Freundschaft mit der UdSSR ist das feste Fundament für alles, was wir in der DDR erreicht haben. Dieses Bündnis, unser Platz an der Seite der anderen Bruderparteien und Länder der sozialistischen Staatengemeinschaft sind so lebenswichtig für uns wie der Schlag unseres Herzens.“
Trotz dieser Beschwörungen der „brüderlichen Beziehungen“ hat seit Ende der 60er Jahre der Anteil des sowjetischen Außenhandels am Gesamthandel der DDR abgenommen (siehe Tabelle), obwohl absolut noch immer ein hoher Zuwachs erzielt wird. Ein nicht unwesentlicher Grund für diese Entwicklung dürfte darin zu suchen sein, daß die UdSSR sich angesichts der Größe ihrer Projekte gezwungen, sieht, ihren Bedarf vor allem an wissenschaftlich-technischem und organisatorischem Know-how in Verbindung mit dem Kauf von Produktionsanlagen neuesten Entwicklungsstandes zunehmend auf westlichen Märkten zu decken.
Seit 1950 entwickelte sich der Handel DDR–UdSSR wie folgt:
Die Warenstruktur des Außenhandels ist — obwohl hier Wandlungen zu beobachten sind — noch überwiegend komplementärer Natur. In ihrer wirtschaftlich bedeutendsten Funktion als Rohstofflieferant deckte die UdSSR den Importbedarf der DDR mit ca. 90 v. H. bei Baumwolle, Erdöl, Eisenerz, Buntmetallen und Holz, mit 80 v. H. bei Walzstahl. Auch gegenüber der Sowjetunion wurde die DDR ihrem Ruf als größter Investitionsgüterlieferant des RGW gerecht: ca. 25 v. H. des gesamten Maschinen- und Ausrüstungsimports der Sowjetunion kamen aus der DDR. Einzelne Gruppen wiesen noch höhere Anteile auf: Schienenfahrzeuge lagen bei 35 v. H. (Zahlen 1972), Produkte der Umformtechnik bei ca. 50 v. H., Schiffsdieselmotoren und Krane bei ca. 60 v. H. Seit einigen Jahren ist jedoch ein struktureller Wandel der Außenhandelsbeziehungen sichtbar geworden: Der Anteil der Einfuhr von Investitionsgü[S. 82]tern aus der UdSSR stieg von 1960 bis 1969 von 4 v. H. auf 17 v. H., dagegen sanken die Anteile der Einfuhr von Grundstoffen und Produktionsgütern von 55 v. H. auf 46 v. H., diejenigen von Gütern der Ernährungs- und Landwirtschaft von 21 v. H. auf 10 v. H. Während der Anteil von Maschinen und Ausrüstungen an den Exporten in die DDR 1971 ca. 20 v. H. betrug, machte er bei den Einfuhren aus der DDR rd. 57 v. H. aus.
Auch das „Abkommen über den Warenaustausch und Zahlungen zwischen der DDR und der UdSSR für die Jahre 1971–1975“ ist eindeutig auf die Verbesserung der Warenstruktur in Richtung eines mehr substitutiven Güteraustauschs gerichtet. So sollen die Importe aus der UdSSR besonders an Rationalisierungs- und Automatisierungsmitteln als Voraussetzung für die planmäßige Investitionstätigkeit der DDR steigen. Das Abkommen sieht vor, daß die UdSSR „in großem Umfange“ spanabhebende Werkzeugmaschinen, Schmiede- und Preßausrüstungen, Krane, Bau- und Wegemaschinen, Erzeugnisse der elektronischen- und Radioindustrie, Elektroschweißausrüstungen, Textilmaschinen und Kondensationsturbinen liefert. Jedoch bilden nach wie vor Roh- und Grundstoffe die Grundlage des Warenaustauschs. Importiert werden: Erdöl, Erdgas, Steinkohle, Koks, Eisen- und Manganerz, Roheisen, Walzwerkerzeugnisse, Buntmetalle verschiedenster Art. Die DDR-Exporte bestehen vornehmlich aus Automatisierungs- und Rationalisierungsmitteln, Hochgenauigkeitsmaschinen, Präzisionsgeräten und Instrumenten, Walzwerk- und Chemieausrüstungen. Schienenfahrzeugen und Fischfangschiffen. Der Anteil dieser Produkte soll sich bis 1975 gegenüber dem Zeitraum 1966/1970 um über 50 v. H. erhöhen. Weiter liefert die DDR in wachsendem Umfang vor allem Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Medikamente, fotochemische Erzeugnisse, Kosmetika, Lacke und Farben und verschiedene Erzeugnisse der Konsumgüterindustrie.
Neben den Abschluß von Handelsabkommen, die die Basis für den Austausch von Waren und Dienstleistungen bilden, treten in zunehmendem Maße andere Formen wirtschaftlicher Zusammenarbeit, die die Verflechtung der beiden Volkswirtschaften intensiver werden lassen. So wurden seit 1964 70 Regierungs- und Ministerabkommen zur Forschungs- und Produktionskooperation, zur Spezialisierung und langfristigen Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen vor allem auf dem Gebiet der Rohstoffversorgung und der Entwicklung und Lieferung „entscheidender Industrieerzeugnisse“ abgeschlossen, davon mehr als die Hälfte seit dem VIII. Parteitag der SED(1971). Seit 1967 werden als besondere Art der Zusammenarbeit „Direktbeziehungen“, die abrechnungspflichtige Arbeitspläne einschließen, zwischen den Industrieministerien, anderen zentralen staatlichen Organen und auch den VVB und Kombinaten der DDR und der UdSSR gepflegt. Von zentraler Bedeutung für die Beziehungen zwischen beiden Ländern ist die im März 1966 auf der Grundlage des „Vertrages über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit zwischen der DDR und der UdSSR“ (12. 6. 1964) gebildete „Paritätische Regierungskommission für ökonomische und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit DDR-UdSSR“ (PRK). Jede Seite in der Kommission bestimmt ihren Vorsitzenden; für die DDR ist es G. Schürer, stellvertretender Ministerratsvorsitzender und Vorsitzender der Staatlichen Plankommission der DDR, für die UdSSR N. A. Tichonow, stellvertretender Ministerratsvorsitzender der Sowjetunion. Abwechselnd finden in beiden Ländern wenigstens zwei Tagungen pro Jahr statt, denen ein gegenseitig abgestimmter Arbeitsplan zugrundeliegt. Die wichtigsten Aufgaben der Kommission sind:
Erweiterung und Vertiefung der Zusammenarbeit (vor allem in Wachstumsbranchen);
Koordinierung der Volkswirtschaftspläne, insbesondere der Fünfjahrpläne; Erarbeitung von Entwicklungsprognosen;
Zusammenarbeit zwischen Planungsorganen, Ministerien und Institutionen, Aufnahme von „Direktbeziehungen“;
Koordinierung und Kooperation der Tätigkeit der wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen; Vertiefung der Kooperation und Spezialisierung vor allem im industriellen Sektor.
Bis zum April 1974 tagte die Kommission 15 mal. Im Verlauf ihrer Tätigkeit wurde eine Reihe von Regierungsabkommen über Kooperation und Spezialisierung in Forschung und Wirtschaft wirksam:
4. Tagung 20.–23. 5. 1968 — Abkommen über die Spezialisierung und Kooperation auf dem Gebiet der Produktion von Waren der Haushaltschemie und einzelner Arten von Papier und Karton.
5. Tagung 17.–20. 12. 1968 — Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Elektronik und des wissenschaftlichen Gerätebaus, der Kernenergetik und bei der Entwicklung moderner Prozesse der chemischen Großproduktion.
6. Tagung 1.–4. 7. 1969 — Abkommen über die Kooperation bei der Schaffung von Verfahren und Anlagen für Prozesse der chemischen Großproduktion.
7. Tagung 28.–30. 1. 1970 — Abkommen über die Kooperation bei der Schaffung von Verfahren und Anlagen für wichtige Gebiete der Chemie, Erdölverarbeitung und der Leichtindustrie. Abkommen über die gegenseitige Lieferung von Schiffen und Schiffsausrüstungen im Zeitraum 1971–1975.
8. Tagung 22.–24. 6. 1970 — Regierungsabkommen über Wissenschaftskooperation auf dem Gebiet der Automatisierung sowie der Chemie.
10. Tagung 17.–21. 5. 1971 — Regierungsabkom[S. 83]men über die Forschungs- und Produktionskooperation auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik, der chemischen Industrie, des Textilmaschinenbaus.
11. Tagung 15.–18. 11. 1971 — Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Produktion von Glasseide.
12. Tagung 5.–9. 6. 1972 — Abkommen über die Rationalisierung und Rekonstruktion von Armaturenwerken und über die Forschungs- und Produktionskooperation auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Gerätebaus und der Medizintechnik.
13. Tagung 29. 1.–1. 2. 1973 — Abkommen über gemeinsame Arbeiten bei der Entwicklung der Elektronik und auf dem Gebiet der Standardisierung.
14. Tagung 12.–15. 6. 1973 — Mehrere Abkommen über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rundfunkindustrie, des Textilmaschinenbaus, der Elektrotechnik.
15. Tagung 18.–22. 3. 1974 — Regierungsabkommen über die Errichtung eines Betriebes für elektrotechnische Spezialausrüstungen, gemeinsam erstellt von der UdSSR, der DDR und Polen.
Auf die Arbeit der PRK ist auch die nach den Vorstellungen des Komplexprogramms im Jahre 1973 geschaffene Wirtschaftsorganisation „ASSOFOTO“ mit dem Sitz in Moskau zurückzuführen. Sie stellt einen Zusammenschluß des VEB Fototechnisches Kombinat Wolfen und der sowjetischen „Sojuschimfoto“ dar und soll nach Abschluß der organisatorisch-rechtlichen Vorbereitungen ca. 90 v. H. aller im RGW-Bereich benötigten Foto- und Datenaufzeichnungsmaterialien herstellen. Von ihr werden ca. 100.000 Arbeitskräfte erfaßt werden. Gemeinsame Produktions- und Investitionsplanung, die Vertiefung der Spezialisierung und die Kooperation im Produktionsbereich werden angestrebt. Aufgrund der Tatsache der engen politischen und wirtschaftlichen Bindung der DDR an die UdSSR wurde oft die Behauptung aufgestellt, die DDR werde — vor allem was die geforderten Rohstoffpreise und die Qualität der von der UdSSR gelieferten Waren anginge — ökonomisch von ihr übervorteilt. Solche Vermutungen lassen sich jedoch nicht eindeutig beweisen. Die tatsächliche Preisentwicklung bei Ex- und Importen Ende der 60er Jahre zeigt eine Verbesserung der Terms of Trade für die DDR, was das Argument einer Preisausbeutung nicht stützt. Auch läßt die immer stärker werdende wirtschaftliche Position der DDR gegenüber der UdSSR — so dürfte die UdSSR in manchen Industriezweigen (Schiffsantriebe, Rechenmaschinen) in großem Umfang auf Importe aus der DDR angewiesen sein — solche Praktiken — zumindest in der jüngeren Vergangenheit — nicht vermuten. Angesichts der hohen Kosten beim Fördern und Transportieren der sowjetischen Rohstoffe drängt die UdSSR jedoch darauf, von der DDR, wie auch von anderen Rohstoffbezugsländern im RGW, einen finanziellen und materiellen Kostenbeitrag zu erhalten. Das jüngste, diesen Problembereich berührende Abkommen wurde im Mai 1974 zwischen der Sowjetunion, der DDR, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn und Bulgarien über die gemeinsame Finanzierung der sowjetischen Erzeugung von Eisenerz und Eisenlegierungen geschlossen. Ob und inwieweit hier und in anderen Fällen versteckte „Kreditgeschenke“ o. ä. an die Sowjetunion gemacht wurden, entzieht sich gegenwärtig einer Nachprüfung.
VI. Die Organisation der Außenwirtschaft
Mit dem sich allmählich vollziehenden Übergang zur verstärkten Nutzung intensiver Wachstumsfaktoren und mit der Einführung des NÖSPL bzw. des ÖSS in der DDR wurde auch das bestehende System der Außenwirtschaft reformiert (Phasen der Wirtschaftspolitik seit 1963).
Grundsätzlich bleibt das Außenwirtschaftsmonopol erhalten. Der außenwirtschaftliche Bereich wurde jedoch in monetärer Weise und organisatorisch-institutioneller Hinsicht vom binnenwirtschaftlichen derart getrennt, daß die Industriebetriebe zu Binnenpreisen fakturierten und den Außenhandelsbetrieben — früher Außenhandelsunternehmen — nahezu ausschließlich den Kontakt mit den Außenmärkten überlassen mußten.
Zur Anwendung des Monopols ist eine Reihe von Organen notwendig, deren Funktionen sich zum Teil im Laufe der Reformen geändert haben. Das zentrale Organ ist das Ministerium für Außenhandel — bis 31. 12. 1973 Ministerium für Außenwirtschaft —, das im Auftrage des Ministerrates die Gesamtinteressen des Staates auf dem Gebiete der Außenwirtschaft wahrzunehmen hat und dem eine Reihe von Außenhandelsorganen untergeordnet ist. Laut Statut des Ministeriums für Außenwirtschaft vom 9. 8. 1973 (GBl. I, 1973, Nr. 41) sind dies: die Handelsvertretungen und handelspolitischen Abteilungen der DDR in anderen Staaten, die Außenhandelsbetriebe (soweit sie nicht von VVB, Kombinaten oder Industrieministerien angeleitet werden), die Kammer für Außenhandel, die Zollverwaltung (Zollwesen), der VEB Leipziger Messeamt (Leipziger Messe), die Außenhandelswerbegesellschaft mbH., das Amt für Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR, das Zentrum für Information und Dokumentation der Außenwirtschaft, das Forschungsinstitut beim Ministerium für Außenhandel und die Fachschule für Außenwirtschaft „Joseph Orlopp“.
Mit der Reform wurde das Außenwirtschaftsmonopol effektiver gestaltet. Im organisatorischen Bereich des Exports erhielten die AHB den Charakter von Verkaufsorganen einzelner oder mehrerer VVB, Kombinate oder VEB. Die AHB schließen sogenannte Exportkommissionsverträge mit den VVB bzw. Exportbetrieben ab. Die Geschäfte der AHB [S. 84]erfolgen zwar in eigenem Namen, aber für Rechnung der VVB und Exportbetriebe. Sie arbeiten nach den Prinzipien der wirtschaftlichen Rechnungsführung und erhalten für ihre Tätigkeit eine Handelsspanne. Neben anderen Formen der Organisation des Exportabsatzes wie der Übertragung der direkten Absatzfunktion auf Kombinate und Großbetriebe, der Durchführung von Eigengeschäften und der Einschaltung von Binnenhandelsorganen in den Exportabsatz spielen die im Zuge der Einführung des ÖSS gebildeten Exportbüros und -kontore für die bezirks- und kreisgeleiteten Betriebe im Rahmen der Erzeugnisgruppenarbeit eine Rolle.
Auf der Importseite wurden keine bedeutenden organisatorischen Änderungen durchgeführt. Obwohl z. B. der VEB Carl-Zeiss-Jena, die VVB „Pharmazeutische Industrie“ und „Schiffbau“ und der VEB Uhrenkombinat Ruhla das Recht zum Abschluß von Importverträgen für Erzeugnisse ihres Produktionsprofils erhielten, bleibt der Import über die AHB typisch.
Im Bereich der finanziellen Beziehungen wurden die Voraussetzungen geschaffen, die Resultate außenwirtschaftlicher Tätigkeit auch auf die Produktionsbetriebe einwirken zu lassen. Dies geschah durch die Bildung des einheitlichen Betriebsergebnisses bei den Exporten. Es setzt sich im wesentlichen aus den Erlösen der abgesetzten Warenproduktion, den Exporterlösen und den sogenannten Exportstimulierungsmitteln (Exportförderungsprämie, Exportrückvergütungen, Exportstützungen) zusammen. Stimulanzien wurden als indirekte Lenkungsmittel notwendig, da das bis dahin zur plangemäßen Lenkung des Außenhandels geschaffene Preisdifferenzenkonto wegfiel. Damit gewannen auch die neu eingeführten, nur nach nichtsozialistischen Ländern und Güterarten differenzierten Richtungskoeffizienten zur Bestimmung des Exporterlöses an Gewicht, da vornehmlich über sie durch entsprechende Stimulierung der Exportbetriebe Richtung und Umfang des Warenverkehrs gesteuert werden kann. Auf der von der Reform ohnehin wenig berührten Importseite wurden im finanziellen Bereich im wesentlichen die Preise an das Niveau der Beschaffungsmärkte neu angeglichen, das Preisdifferenzenkonto blieb grundsätzlich erhalten. Allerdings wurde 1968 in einigen Betrieben das einheitliche Betriebsergebnis auch für die Importseite eingeführt (VVB Schiffbau Rostock, VEB Kombinat Carl-Zeiss-Jena, VEB Uhrenkombinat Ruhla).
Im Bereich der Planung und Leitung der Außenwirtschaft wurde im Zuge der Reformen von der Mengen- auf die kombinierte Wert-Mengenplanung übergegangen. Die Erfüllung des Valutaaufkommensplans für das sozialistische und nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet wurde zur Hauptkennziffer erhoben. Dagegen wurde ein attraktiver ökonomischer Hebel, die Gewährung von Valutaanrechten für zusätzliche Importe bei Planüberbietungen der Produktionsbetriebe, vor allem wegen seiner den Intentionen des zentralen Plans zuwiderlaufenden Wirkung wieder aufgehoben.
Seit 1970, und besonders seit dem VIII. Parteitag (1971), sind im Rahmen allgemeiner Rezentralisierungsbestrebungen im System der Leitung und Planung der Volkswirtschaft auch ähnliche Tendenzen im System der Außenwirtschaft festzustellen gewesen. Sie hatten das Ziel, „einer weitergehenden Dezentralisation der Außenhandelsorganisation entgegenzutreten, die sich zum Teil aus einer einseitigen Betonung der Erfordernisse des wissenschaftlich-technischen Fortschritts ergaben. Mit dem VIII. Parteitag der SED wurden diese Tendenzen überwunden.“ Damit dürfte — wenn auch nur indirekt — Kritik an den Interessen der Produktionsbetriebe, vornehmlich die Wirtschaftsbeziehungen zu den westlichen entwickelten Ländern zu intensivieren, geübt worden sein. Im Zuge der Umorientierung soll die Stellung der AHB gegenüber den Produktionsbetrieben „entsprechend den Gesamtinteressen des Staates“ gestärkt und die ökonomischen Hebel sollen stärker als Planungsinstrumente eingesetzt werden. So ist z. B. vorgeschlagen worden, den Einfluß der AHB auf die Erwirtschaftung und Verwendung des Exportgewinns der Betriebe zu erweitern. Gegenwärtig wird auch betont, daß der AHB nicht — wie ursprünglich vorgesehen — Beauftragter des Produktionsbetriebes, sondern Bestandteil des Produktionsprozesses und Wahrer des Außenwirtschaftsmonopols ist.
Wesentliche Ursache für die verstärkte Straffung des Außenwirtschaftssystems dürften — neben den Widersprüchen, die eine Folge der Orientierung an der Rentabilität (einheitliches Betriebsergebnis) einerseits und am zentralen Plan andererseits sind — die Erfordernisse der sozialistischen Wirtschaftsintegration im RGW sein. Als dringlich wird es in diesem Zusammenhang angesehen, eine einheitliche Leitung des Außenhandels zu sichern und damit die Steuerungsmöglichkeiten durch das Außenhandelsministerium den gesamtpolitischen Vorstellungen entsprechend zu stärken. Kein Widerspruch ist es, wenn gleichzeitig postuliert wird, die Verantwortlichkeit der VVB, Kombinate und Betriebe zu erhöhen und deren „sachkundige Mitwirkung“ besonders bei den zunehmenden Kooperations- und Spezialisierungsvorhaben u. a. in Form der „Direktbeziehungen“ zu erweitern, da eine derartige Mitwirkung nur auf der Basis eines „durch staatliche Prämissen abgegrenzten Verantwortungsfeldes“ geschieht. Verstärkte zentrale Eingriffe werden ohnehin dann notwendig, wenn einseitige Belastungen bestimmter Betriebe zu der Notwendigkeit führen, durch „zentrale Umverteilung von Reineinkommensmitteln entsprechende Kompensationsmöglichkeiten zu gewährleisten“.
[S. 85]Festzuhalten bleibt jedoch, daß ein wesentliches Element der Reform — das einheitliche Betriebsergebnis — trotz verschiedentlich geübter Kritik nunmehr als fester Bestandteil des Außenwirtschaftssystems angesehen wird.
VII. Außenhandelspreise und Verrechnungsverkehr
Die Preisbildung im Außenhandel wird in Ermangelung eigener Bewertungsmaßstäbe im sozialistischen System überwiegend nach den auf den „internationalen Märkten“ herrschenden Preisen (Weltmarktpreisen) vorgenommen. Diese bilden unter Berücksichtigung verschiedener ökonomischer Faktoren (Angebot und Nachfrage, Lieferfristen, Bestellmenge, Rabatte etc.) die Basis für die zwischen den Wirtschaftspartnern stattfindenden Preisverhandlungen, deren Ergebnis in der Regel in ausländischer Währung festgelegt und danach in Valutamark bzw. Binnenwährung umgerechnet wird. Die Umrechnung der Außenhandels- in Binnenpreise erfolgt beim Warenimport nach festgelegten Umrechnungskursen: Die Kurse richten sich nach dem Umfang des Warenexports, der notwendig ist, um die zur Einfuhr benötigten Devisen zu beschaffen. Bei Exportwaren werden die Differenzen zwischen Außenhandels- und Binnenpreisen, die auch durch die Richtungskoeffizienten beeinflußt werden, in die finanziellen Ergebnisse der Produzenten eingerechnet. Die Preisbildung anhand der Weltmarktpreise erfolgt sowohl im Handel mit westlichen kapitalistischen Ländern als auch mit den RGW-Mitgliedsländern und anderen sozialistischen Volkswirtschaften.
Innerhalb des RGW stellt die Preisgestaltung im Intrablockhandel ein viel diskutiertes Problem dar, das vor allem aufgrund der Besonderheiten des sozialistischen Systems bis heute keiner Lösung zugeführt werden konnte. Im Komplexprogramm von 1971 ist vorgesehen, von den gegenwärtig gültigen Preisbildungsprinzipien im gegenseitigen Handel auszugehen, d. h. die Preise auf der Basis der Weltmarktpreise „vom schädlichen Einfluß der konjunkturellen Faktoren des kapitalistischen Marktes bereinigt“ festzulegen, gleichzeitig aber „das Problem der Vervollkommnung des Außenhandelspreissystems gründlich zu analysieren“.
Die Basispreise im RGW für den Zeitraum 1971–1975 errechnen sich z. B. aus den durchschnittlichen Weltmarktpreisen — das sind Preise, die sich auf den von westlichen Ländern beeinflußten Hauptwarenmärkten bilden — der Jahre 1965–1969. Von ihnen wird angenommen, daß sie im wesentlichen den internationalen Wert der Waren widerspiegeln. Jedoch wurden im Zuge der in der Regel bilateralen Preisverhandlungen zwischen den Ländern oft Preiskorrekturen aufgrund von Preisunterschieden für gleiche Waren innerhalb der RGW-Länder oder geänderten Weltmarktpreisen notwendig. Um ein durch diese Praxis bedingtes ständiges Hinterherhinken hinter den Weltmarktpreisen zu vermeiden, ist deshalb immer wieder vorgeschlagen worden (J. Arojo, M. Sawow), eine eigene — weltmarktpreisunabhängige — Preisbasis für die sozialistischen Länder zu schaffen. Dieses scheiterte jedoch bisher in Ermangelung brauchbarer, theoretisch fundierter Preisbildungskriterien. So kann ein Preissystem, das von den Kostenstrukturen der RGW-Länder ausgeht, deshalb keine Alternative sein, da diese Strukturen als Ausdruck staatlicher Politik ein viel zu weitreichendes Spektrum der Abweichung vom tatsächlichen Wert dieser Güter aufweisen. Eine Modifizierung des bestehenden Preissystems wird jedoch für notwendig erachtet, da sich herausstellte, daß die mengen- und wertmäßige Abstimmung der Pläne innerhalb des RGW häufig unabhängig voneinander erfolgte, die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit (gemeinsame Investitionen, Betriebe, Austausch wissenschaftlicher Leistungen etc.) es vielfach nicht mehr möglich machte, vergleichbare Preise der Hauptwarenmärkte zu ermitteln und die Langfristigkeit der Planung neue Anforderungen an Stabilität und Anpassungsfähigkeit der RGW- (Plan-)Preise stellte.
So sollen zur Förderung von Kooperation und Spezialisierung „wissenschaftlich begründete Preisprognosen“ erarbeitet werden, für die nicht nur der nationale Ist-Aufwand, sondern vor allem „internationale Wertgrößen“ (einschließlich der Berücksichtigung der Währungskurse; Währung) die Basis bilden sollen.
Neben den Preisbildungsschwierigkeiten bildet die Frage des internationalen Verrechnungsverkehrs einen weiteren entwicklungsbedürftigen Komplex. Gegenüber westlichen bzw. nichtsozialistischen Ländern werden bislang die gegenseitigen Forderungen sowohl im Rahmen von bilateralen Handels- und Zahlungsabkommen, d. h. auf dem Clearingwege, über Kompensationen oder Switchoperationen als auch zum Teil durch Zahlungen in konvertibler Währung beglichen. Auch mit den RGW-Ländern entwickelten sich die Zahlungstransaktionen vorwiegend und bis 1964 nur auf bilateraler Ebene. Mit der Gründung der Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (IBWZ) als internationale Verrechnungsinstanz und der Einführung des „transferablen Rubels“ (1964), der keinesfalls mit westlichen konvertiblen Währungen vergleichbar, sondern lediglich als Verrechnungsgröße anzusehen ist, haben im RGW die Bestrebungen begonnen, zu einer mehrseitigen Verrechnung überzugehen. Daß diese bislang nicht funktionierte, lag nicht zuletzt in der Schwierigkeit und dem fehlenden Interesse der Mitgliedsländer begründet, die langfristigen, bilateral abgestimmten Außenhandelspläne und Handelsabkommen so auszurichten, daß entstehende Guthaben (bei der IBWZ) multilateral verwendet werden können.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 77–85
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