DDR von A-Z, Band 1975

Bau- und Wohnungswesen (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1979 1985

 

I. Bauwirtschaft

 

 

Die B. ist der Wirtschaftsbereich für Hoch- und Tiefbau sowie Bauinstandsetzungen, der grundsätzlich jene Betriebe umfaßt, die am Prozeß der Bauvorbereitung und Baudurchführung teilhaben. Seit 1960 hat sich der Anteil der Bauwirtschaft am Nettoprodukt der DDR (Nationaleinkommen) von 7 v. H. (1960) auf 8 v. H. (1973) und ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung von 6 auf 7 v. H. erhöht.

 

Die bauwirtschaftliche Gesamtleistung, im Bauvolumen erfaßt, wird in der DDR zu 68 v. H. von der Bauindustrie, zu 13 v. H. vom Bauhandwerk, zu rund 7 v. H. von den Baueinrichtungen der Landwirtschaft (Zwischengenossenschaftliche Bauorganisationen der Landwirtschaft und Meliorationsgenossenschaften) sowie zu 12 v. H. von den übrigen Betrieben außerhalb der Bauwirtschaft (z. B. landwirtschaftliche Baubrigaden [1973: 3 v. H.] sowie Betrieben anderer Wirtschaftsbereiche) erzeugt.

 

II. Entwicklung des Bauvolumens

 

 

Das Bauvolumen der DDR entwickelte sich ähnlich wie die Brutto-Anlageinvestitionen (Investitionen) und zeigt seit 1960 deutliche Wachstumsschwankungen. Eine schwache Entwicklung trat während der Wachstumskrise zu Anfang der 60er Jahre, im Jahre 1966 — damals ergaben sich Anpassungsschwierigkeiten an die Reformen (NÖS) — sowie Anfang der 70er Jahre auf. Systemimmanente Schwächen der Bauwirtschaft wurden sichtbar: Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Baumaterialien, die nicht bedarfsgerechte regionale Verteilung der Baukapazitäten, eine Zersplitterung der Bauleistungen der Betriebe auf zu viele gleichzeitig begonnene Baustellen sowie Probleme bei der Einführung neuer Technologien. Mit der Rezentralisierung sollten auch diese Probleme überwunden werden. Im Gefolge mit der zunächst planmäßig in den Jahren 1971 und 1972 stagnierenden Investitionstätigkeit wurde die Bauwirtschaft tatsächlich entlastet, eine Minderung der erheblichen Produktivitätsunterschiede zwischen den Baubetrieben blieb jedoch weitgehend aus. Während das Bauvolumen 1971 und 1972 um jährlich 6 v. H. expandierte, wurde 1973 nur noch ein Wachstum von 4 v. H. erreicht. Charakteristisch für die DDR ist der relativ hohe Anteil der Baureparaturen, die — nach der in der DDR üblichen Abgrenzung — zu einem Viertel bis zu einem Drittel auch die Generalreparaturen enthalten. Von der gesamten Bauproduktion sind seit 1960 21–28 v. H. auf Baureparaturen entfallen, von denen wiederum ein Drittel die Instandhaltung der stark veralteten und lange Zeit vernachlässigten Wohngebäude des Altbaus betraf. Dabei haben seit einigen Jahren Versuche an Bedeutung gewonnen, mit industriellen Reparaturmethoden — bei zeitweiliger Umsiedlung der Mieter — ganze Straßenzüge rationell zu überholen und zu modernisieren.

 

Die sonstigen Bauleistungen — zu ihnen rechnen Abbruch- und Enttrümmerungsleistungen, Architektenleistungen für die reine Baudurchführung, Bodennutzungsgebühren, Aufwendungen für Erschließungsarbeiten u. ä. — haben in den letzten Jahren mit den Großvorhaben und der damit verbundenen Intensivierung der Vorarbeiten stark zugenommen.

 

III. Die Bauinvestitionen

 

 

Genauso wie bei den Brutto-Anlageinvestitionen (Investitionen) vereinigen in der DDR die „produktiven“ Bereiche auch den größten Teil der Bauinvestitionen; seit 1960 stieg deren Anteil von knapp [S. 106]60 auf fast 70 v. H. aller Bauinvestitionen. Allein die Industrie hat 1965 wie auch seit 1970 40 v. H. der gesamten Bauinvestitionen durchgeführt. Auf die Land- und Forstwirtschaft entfielen knapp 20 v. H., auf den Bereich Verkehr, Post- und Fernmeldewesen knapp 4 v. H. und auf die Bauwirtschaft selbst schließlich 2–3 v. H.

 

 

Bei den „nichtproduzierenden“ Zweigen konzentrierte sich die Neubautätigkeit vor allem auf den Wohnungsbau, dessen Anteil an den Bauinvestitionen von 1960 bis 1970 von 30 auf 20 v. H. zurückfiel, seitdem aber wieder 24 v. H. erreichte. Auf kulturelle und soziale Einrichtungen (Bildungswesen, Kunst, Gesundheits- und Sozialwesen sowie Sport und Touristik) entfielen 3–7 v. H. der Bauinvestitionen. Die übrigen nichtproduzierenden Bereiche (Staatliche Verwaltung, Bank- und Versicherungswesen) erhielten in der Regel nur 1–3 v. H. aller Bauinvestitionen.

 

IV. Die Wohnungsbauleistungen

 

 

Die Wohnungsversorgung war, gemessen an der Zahl der Wohnungen, im Gebiet der heutigen DDR schon immer besser als in der Bundesrepublik Deutschland. Die Wohndichte betrug 1939 im Gebiet der heutigen DDR 3,35 Personen je Wohnung, in Westdeutschland dagegen 3,7 Personen (vgl. Klaus Dieter Arndt: Wohnverhältnisse und Wohnungsbedarf in der sowjetischen Besatzungszone, Sonderheft des DIW, Nr. 50, Berlin 1960, S. 36). Hinzu kamen geringere Kriegszerstörungen in der DDR und eine stagnierende Bevölkerung, während in der Bundesrepublik durch starke Zuwanderungen eine beträchtliche Bevölkerungszunahme auftrat. So betrug die Wohndichte (Zahl der Personen je Wohnung) in der DDR 1950 und 19.613,6 und 3,1 Personen gegenüber 4,9 bzw. 3,4 Personen in der Bundesrepublik.

 

Aus dieser geringeren Dringlichkeit zum Wohnungsneubau erklärt sich auch der vergleichsweise niedrigere Anteil des Wohnungsbauvolumens der DDR am gesamten Bauvolumen: In den 50er Jahren waren es bei insgesamt nur geringem Bauvolumen 35–40 v. H. (Bundesrepublik Deutschland: über 50 v. H.), heute sind es 28 v. H. (Bundesrepublik: 43 v. H.). Je Einwohner gerechnet wurden 1950 weniger als ein Viertel, gegenwärtig bereits etwas mehr als die Hälfte der westdeutschen Pro-Kopf-Produktion von Wohnbauten erstellt. Obwohl bei dieser Berechnung das Wohnungsbauvolumen zu jeweiliger Preisbasis beider deutscher Staaten von 1967 zugrundegelegt worden ist, dürften die Ergebnisse den realen Niveauunterschied widerspiegeln, da 1967 die Baukosten im Wohnungsbau in beiden Gebieten einander etwa entsprochen haben.

 

In der Zeit von 1960 bis 1973 wurden knapp 1,1 Mill. Wohnungen neugeschaffen, in der Bundesrepublik Deutschland waren es im gleichen Zeitraum 7,9 Mill. Wohnungen. Von den seit 1960 in der DDR neugeschaffenen Wohnungen sind 14 v. H. durch Um- oder Ausbau vorhandener Wohngebäude gewonnen worden. Damit beziffert sich der reine Neubau auf insgesamt rund 940.000 Wohnungen. Davon sind 77 v. H. in Montagebauweise errichtet worden. Zusätzlich zu diesen Leistungen sind seit 1971 71.000 Wohnungen in Altbauten modernisiert worden.

 

Der Ausstattungsgrad der neugebauten Wohnungen ist seit 1960 merklich gestiegen: Beinahe alle der 1972 gebauten Wohnungen sind mit Warmwasser (1960: 17 v. H.) und Einbauküchen (1960: 26 v. H.) [S. 107]ausgestattet, 93 v. H. weisen Zentralheizung auf (1960: 9 v. H).

 

 

Die durchschnittliche Wohnungsgröße der neugebauten Wohnungen betrug Anfang der 60er Jahre 55 bzw. 56 qm, sie verringerte sich bis 1967 auf 51 qm; gegenwärtig erreicht sie jedoch 58 qm.

 

V. Der Wohnungsbestand

 

 

Am 1. 1. 1971 gab es gemäß der Ergebnisse der Wohnraum- und Gebäudezählung ca. 6 Mill. Wohnungen in der DDR. Der Bestand hat sich somit gegenüber März 1961 um 550.000 Wohnungen erhöht. Bei Berücksichtigung des Nettozugangs von 205.000 Wohnungen seit Anfang 1971 läßt sich der Wohnungsbestand für das Jahresende 1973 auf 6,3 Mill. Wohnungen beziffern. Damit standen bei einer Wohnbevölkerung von 17 Mill. Personen 369 Wohnungen je 1000 Einwohner zur Verfügung, 1961 waren es 327 Wohnungen. Die Durchschnittsgröße beträgt 58 qm. In der DDR stehen je Einwohner durchschnittlich nur 21 qm Wohnfläche (1961: 17 qm) zur Verfügung.

 

Die Wohnungen mit einem oder zwei Wohnräumen machen in der DDR 48 v. H. des Gesamtbestandes aus. Die Zweiraumwohnung ist mit einem Anteil von 37 v. H. aller Wohnungen die häufigste Wohnungsgröße. In der DDR entfallen auf Dreiraumwohnungen auch 33 v. H., dafür auf Wohnungen mit vier und mehr Wohnräumen lediglich 19 v. H.

 

Wegen der im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland erheblich niedrigeren Wohnungsbauleistung besteht in der DDR eine weitaus ungünstigere Altersstruktur der Wohnungen: Anfang 1971 entfiel nur knapp ein Fünftel des Gesamtbestandes auf nach 1945 gebaute Wohnungen — in der Bundesrepublik dagegen über die Hälfte. 56 v. H. aller Wohnungen der DDR sind vor 1919 errichtet worden und damit über 50 Jahre alt, 22 v. H. sind in den Jahren von 1919 bis 1945 gebaute Wohnungen.

 

VI. Wohnungswesen

 

 

Bei den staatlichen Organen (Räte der Kreise, der Bezirke und Gemeinden) bestehen Wohnungskommissionen, die über die Wohnraumverwendung entscheiden.

 

In der Regel müssen Wohnungssuchende — insbesondere für Neubauwohnungen — lange Wartezeiten hinnehmen. Mit Vorrang werden Personen behandelt, die besondere Leistungen für den Aufbau der DDR geleistet haben, oder aber auch Familien von Arbeitern neuer, erweiterter bzw. besonders wichtiger Industriebetriebe. Deshalb nehmen die Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) Einfluß auf die Verteilung fertiggestellter Wohnungen, aber auch auf die Verteilung des Altwohnraums.

 

Seit März 1958 bestehen in den meisten Städten „Volkseigene kommunale Wohnungsverwaltungen“, deren Aufgabe es ist, neben den vormals schon staatlichen Wohnbauten auch die in den Nachkriegsjahren auf Grund der Sowjet. Befehle enteigneten Grundstücke (Eigentum; Enteignung) zu verwalten, ebenso Grundstücke ausländischer oder westdeutscher Eigentümer, ferner Grundbesitz von Personen, die nach dem 17. 6. 1953 die DDR „illegal“ verlassen haben. Erträge aus Grundstücken bzw. Wohnungen, deren Eigentümer bereits vor 1945 im Ausland oder im Gebiet der heutigen Bundesrepublik lebten, werden nach Abzug der Instandhal[S. 108]tungs- und Verwaltungskosten einem Sperrkonto bei der Staatsbank der DDR überwiesen. Grundstücke bzw. Wohnungen von nach dem 17. 6. 1953 nach der Bundesrepublik Deutschland abgewanderten Eigentümern wurden von den „Kommunalen Wohnungsverwaltungen“ in Treuhänderschaft übernommen. Die Eigentümer haben kein Recht auf die Erteilung von Auskünften oder auf Zahlung von Erträgen aus der Vermietung. Die „Volkseigenen kommunalen Wohnungsverwaltungen“ sind auch die Träger des „Volkseigenen Wohnungsbaus“. Daneben gibt es die seit 1953 existierenden Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG), die den sog. Arbeiterwohnungsbau (1961: 59 v. H., 1967: 25 v. H., 1973/74: 38 v. H. der errichteten Neubauwohnungen) durchführen und die entstandenen Wohnungen verwalten.

 

 

Seit Ende 1963 sind die „Volkseigenen Kommunalen Wohnungsverwaltungen“ auch zuständig für die Organisierung der Reparaturarbeiten an in privatem Besitz befindlichen Wohnungen. Über die Mietermitverwaltung wird angestrebt, die Mieter zu teilweise kostenlosen Reparaturarbeiten an den von ihnen bewohnten Wohnhäusern zu veranlassen. Anders als im Westen konnte in der DDR das — nur durch hohe staatliche Subventionen aufrechterhaltene — äußerst niedrige Mietenniveau weder die Kommunalen Wohnungsverwaltungen und die Wohnungsgenossenschaften noch den privaten Hausbesitz, dem heute immer noch 60 v. H. aller Wohngebäude gehören, zu nachhaltigen Modernisierungsmaßnahmen veranlassen. Dies erklärt den weitgehend baufälligen Zustand eines großen Teils der Miethäuser. Die Altbaumieten befinden sich noch auf dem Stand von 1938. Wie niedrig das Mietenniveau für Neubauten ist, wird an der Anfang 1972 für einen bestimmten Personenkreis durchgeführten Mietpreissenkung der seit 1967 fertiggestellten Wohnungen deutlich: So zahlen gegenwärtig Arbeiter- und Angestelltenfamilien mit einem Monatseinkommen bis 2.000 Mark in Ost-Berlin 1,– bis 1,25 Mark und in den Bezirken der DDR 0,80 bis 0,90 Mark je qm Wohnfläche, Personen mit höherem Einkommen bis zu einem Drittel mehr.

 

VII. Die Wohnungsbauprogramme bis 1990

 

 

Das Wohnungsbauprogramm des gegenwärtigen Fünfjahrplans sieht für die Jahre 1971–1975 vor, 525.000 Wohnungen neu zu bauen bzw. durch Generalüberholung zu verbessern. 408.500 Wohnungen (einschl. 50.000 Eigenheime) sind als Neubauten geplant, 116.500 Wohnungen in bereits vorhandenen Wohngebäuden sollen modernisiert werden. Unter Berücksichtigung der erreichten Neubauleistung von 304.000 Wohnungen der Jahre 1971–1974, verbliebe für das Jahr 1975 noch ein Planziel von 104.500 Wohnungen. Dieses Ziel erfordert in den meisten Bezirken der DDR erhebliche Leistungsanstrengungen.

 

Beim Um- und Ausbau sowie der Modernisierung ist die Situation hingegen sehr günstig, da bis 1974 bereits 164.000 derartige Wohnungen geschaffen worden sind. Abgesehen von einem regionalen Zurückbleiben im Bezirk Dresden, ist damit das Fünfjahrplansoll von 116.500 Wohnungen mehr als erreicht. Somit dürfte am Ende des Jahres 1975 eine starke Übererfüllung an um- und ausgebauten Wohnungen zu erwarten sein, beim Wohnungsneubau hingegen eine leichte Untererfüllung.

 

Seit 1971 wird der Bau von Eigenheimen für Familien von Arbeitern und Genossenschaftsbauern, für kinderreiche Familien sowie für junge Ehepaare — bei Übernahme größerer Eigenleistungen — insbesondere in kleinen und mittleren Städten und Dörfern gefördert. Insgesamt sind bis 1975 50.000 Eigenheime geplant, eine Zahl, die nur etwa zur Hälfte erreicht werden wird.

 

Da auch bei einer Übererfüllung des Wohnungsbauprogramms des Fünfjahrplanes sowohl wegen der starken Überalterung als auch wegen der recht erheblichen Ausstattungsmängel der Wohnungen die Wohnbedingungen noch weit hinter den Erfordernissen zurückbleiben werden, hat die Wirtschaftsführung der DDR ein weiteres, recht umfassendes Wohnungsbauprogramm bis 1990 konzipiert. Danach ist für den Zeitraum von 1976 bis 1990 der Bau bzw. die Modernisierung von 2,8 bis 3 Mill. Wohnungen vorgesehen, wovon bis zum Jahre 1980 750.000 Wohnungen neu gebaut bzw. modernisiert werden sollen (Neubau: 550.000 bis 570.000 Wohnungen). Damit soll die Voraussetzung für einen in den 80er Jahren vermehrten Abriß nicht mehr modernisierungswürdiger Wohnungen geschaffen werden.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 105–108


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.