Betriebskollektivvertrag (BKV) (1975)
Siehe auch:
- Musterkollektivvertrag: 1954
Das GBA (Gesetzbuch der Arbeit) definiert den jährlich abzuschließenden BKV als „Vereinbarung zwischen Betriebsleiter und Betriebsgewerkschaftsleitung zur allseitigen Erfüllung der Betriebspläne“ (§ 13,1). Er begründet darüber hinaus — bestätigt durch eine Belegschafts- oder Vertrauensleutevollversammlung — auch die moralischen Verpflichtungen der Belegschaft bzw. bestimmter Belegschaftsgruppen (Abteilung, Brigade) eines volkseigenen oder diesem gleichgestellten Betriebes für die Planerfüllung. Für Betriebsabteilungen können gesonderte Abteilungskollektivverträge abgeschlossen werden (§ 13,3 GBA). In Kombinaten schließen die einzelnen Betriebe und in den VEB räumlich getrennte Betriebsteile mit eigener Betriebsgewerkschaftsorganisation eigene BKV ab. Behörden und staatliche Einrichtungen erarbeiten einen ihren spezifischen Bedingungen angepaßten BKV.
Während im Betriebsplan die staatlichen Ziele festgelegt sind, werden mit dem BKV — bei völliger Ausklammerung aller Lohnfragen — in umfassender Weise Formen, Wege und Methoden zur Realisierung des Plans vorgegeben, zu deren Einsatz und Anwendung sich Betriebsleiter, BGO und Belegschaft mit gleichgerichtetem Ziel verpflichten. Insofern dient der BKV ebenso als wichtiges Instrument zur Förderung der Masseninitiative und des Sozialistischen Wettbewerbs (§ 13,2 BAG) wie als entscheidendes Mittel einer straffen Ordnung und Arbeitsdisziplin. (Bewegung für vorbildliche Ordnung und Sicherheit; GBl. I, 1974, S. 314.)
Alle gegenwärtig geltenden grundsätzlichen Bestimmungen des BKV sind durch eine gemeinsame Direktive des Ministerrates der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB — von 1973 — festgelegt, in der vor allem sozialpolitische Fragen vergleichsweise stärker berücksichtigt und eine bessere Koordination mit den örtlichen Staatsorganen (Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen …) erreicht werden soll (Richtlinie für die jährliche Ausarbeitung der Betriebskollektivverträge, GBl. I, 1973, S. 213 ff.).
Der Abschluß des BKV hat jeweils bis zum Jahresende vor dem neuen Planjahr zu erfolgen. Eine Richtlinie von 1970 (GBl. II, S. 431), die eine neue Geltungsdauer des BKV von 5 Jahren vorsah (1971–1975) wurde 1971 wieder zugunsten der jährlichen Regelung geändert. Der BKV weicht in Wesen und Ausgestaltung erheblich von der Betriebsvereinbarung nach dem Betriebsverfassungsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland ab, deren vertragliche Ordnung im Rahmen der tariflichen Bestimmungen auch weitgehend Raum für autonome Regelungen läßt.
Der Ursprung des BKV ist seit 1922 im sowjetischen Arbeitsrecht begründet, er wurde seit 1947 zur Regel in der UdSSR. In der DDR entwickelte sich aus dem Betriebsvertrag gemäß Gesetz der Arbeit vom April 1950 (GBl., S. 349) mit der VO über Kollektivverträge vom 8. 6. 1950 (GBl. I, S. 493) für das Planjahr 1951 der Vorläufer des heutigen BKV.
Die inhaltliche Ausgestaltung der zentral vorgegebenen Rahmenbedingungen des BKV richtet sich nach den Hauptaufgaben des laufenden Fünfjahrplanes und des jeweiligen Jahresplans sowie der wichtigsten spezifischen Anforderungen der einzelnen Wirtschaftszweige. Gemäß Richtlinie für die Ausarbeitung der BKV von 1973 sind für den BKV inhaltlich 3 Hauptteile und eine Reihe von Anlagen vorgegeben.
Die Hauptteile umfassen:
1. einen ausführlichen Katalog von Verpachtungen (Werkleiter und BGL) zur Gestaltung des Sozialistischen Wettbewerbs (z. B. Aufschlüsselung des Plans, Vorgabe differenzierter und abrechenbarer Wettbewerbsziele, Förderung und Durchsetzung einer Anzahl als besonders wirksam erachteter Wettbewerbsformen, Erschließung von Materialreserven, Qualitätssteigerung usw.),
[S. 145]2. die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Belegschaft (u. a. Durchsetzung des sozialistischen Leistungsprinzips und der WAO nach dem Grundsatz „Neue Technik — Neue Normen“, optimale Verwendung des Lohnfonds, Festlegung über Prämienformen, Verpflichtungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie Bestimmungen zur sozialen und gesundheitlichen Betreuung) und
3. „Entwicklung eines hohen Kultur- und Bildungsniveaus der Werktätigen“ (u. a. Qualifizierung, politische Schulung, Feriengestaltung, Organisation von Betriebsfestspielen).
Die Anlagen enthalten Details zum Frauen- und Jugendförderungsplan, zur betrieblichen Ordnung der Bewegung „sozialistisch arbeiten, lernen und leben“, zur Verwendung des Prämienfonds, des Kultur- und Sozialfonds und des Leistungsfonds. Vereinbarungen zum Urlaub entsprechend der Rechtsvorschrift und des Rahmenkollektivvertrags sowie eine Liste der Arbeitserschwernisse.
Eine dem BKV vorangestellte Präambel umreißt in der Regel die Erfüllung oder Höhe der Übererfüllung wesentlicher Hauptkennziffern, wie industrielle Warenproduktion oder Arbeitsproduktivität sowie entscheidende verbal gefaßte Planverpflichtungen (z. B. „Sortiments-, termin- und qualitätsgerechte Erfüllung des Produktions-, Absatz- und Exportplans“).
Über die Erfüllung der Verpflichtungen des BKV soll durch Betriebsleiter und BGL mindestens halbjährlich auf einer Belegschaftsversammlung und „durch alle anderen Leiter monatlich“ im jeweiligen Bereich Rechenschaft abgelegt werden. Die Gewerkschaft hat das Recht der Kontrolle.
Selbstkritische Äußerungen in der DDR richten sich gegen eine in der Vergangenheit oft nur sehr formale Handhabung; heute werden konkret abrechenbare und terminierte Verpflichtungen für den BKV gefordert. Für einen Privatbetrieb ist analog eine Betriebsvereinbarung, für einen Betrieb mit staatlicher Beteiligung ein entsprechender Betriebsvertrag vorgeschrieben.
In den LPG regeln anstelle des BKV innerbetriebliche Verträge die entsprechenden arbeitsökonomischen Belange. Planung; Betriebsformen und Kooperation.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 144–145
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