Eigentum (1975)
I. Die Eigentumsordnung in der DDR
Die E.-Ordnung in der DDR beruht nach ihrer grundlegenden Umgestaltung nach 1945 durch Bodenreform, Enteignung der Schlüsselindustrien, [S. 222]Banken, Versicherungsunternehmen, Enteignung der als Kriegsverbrecher und aktive Nationalsozialisten angesehenen Personen, Treuhandverwaltung von Flüchtlingsvermögen, individuelle Enteignungen mit Mitteln der Wirtschafts- und Steuerpolitik, Einführung staatlicher Beteiligung an Privatbetrieben, Vergenossenschaftung der Landwirtschaft und des Handwerks usw., unmittelbar auf Verfassungsrecht (Art. 9–16 Verf.). Eigentumsrechtliche Bestimmungen anderer Gesetze, wie das Sachenrecht des noch geltenden Bürgerlichen Gesetzbuches (Zivilrecht), sind nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum E. anzuwenden.
II. Eigentumsformen
Kennzeichnend für die E.-Ordnung der DDR ist die Überwindung des monistischen Eigentumsbegriffs des bürgerlichen Rechts und seine Aufspaltung in mehrere E.-Formen unter dem Gesichtspunkt ihrer sozialen und wirtschaftlichen Funktion.
A. Das sozialistische Eigentum
Grundlage der Volkswirtschaft in der DDR ist das sozialistische E., das seinerseits in drei Erscheinungsformen vorkommt: als gesamtgesellschaftliches Volkseigentum, als genossenschaftliches Gemeineigentum werktätiger Kollektive und als Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger (Art. 10 Abs. 1 Verf.). Hiervon werden als weitere Formen des E. das persönliche E. und das Privat-E. unterschieden. Die E.-Ordnung wird im Verständnis des Marxismus-Leninismus nur als entscheidendes Element der gesamten politischen wie gesellschaftlichen Ordnung begriffen. Mit ihr werden sowohl der sozialistische Charakter der Gesellschaft als auch z. B. die für sie spezifischen Formen der Mitwirkungsrechte begründet.
1. Das gesamtgesellschaftliche Volkseigentum gilt als die höchstentwickelte Form des sozialistischen E., da es im weitestgehenden Grade vergesellschaftet ist. Im Hinblick auf den Gegenstand des gesamtgesellschaftlichen Volks-E. gelten keine Begrenzungen. Für bestimmte Objekte ist die Form des Volks-E. zwingend, so für die Bodenschätze, die Bergwerke, Kraftwerke, Talsperren, großen Gewässer, die Naturreichtümer des Festlandsockels, Banken und Versicherungseinrichtungen, die volkseigenen Güter, die Verkehrswege, die Transportmittel der Eisenbahn, Seeschiffahrt und Luftfahrt, die Post- und Fernmeldeanlagen sowie — seit der Verfassungsänderung vom 7. 10. 1974 — für alle Industriebetriebe. An diesen Objekten ist Privat-E. unzulässig (Art. 12 Abs. 1 Verf.).
Als Subjekt gelten der Staat und das Volk, wobei in rechtlicher Hinsicht Subjekt letztlich der Staat als „politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land“ ist (Art. 1. Abs. 1 Verf.). Die Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse des Eigentümers übt der Staat durch seine Wirtschaftsverwaltungsorgane und durch die von diesen eingesetzten Leiter der volkseigenen Betriebe, volkseigenen Güter und sonstigen staatlichen Einrichtungen aus. Das Fehlen einer privaten Verfügungsmacht über Produktionsmittel in den genannten Bereichen wird zugleich als Voraussetzung dafür bezeichnet, daß der Staat seinen Charakter grundlegend geändert habe und zu einer alle Gesellschaftsmitglieder gleichberechtigt beteiligenden Organisationsform geworden sei.
Die volkseigenen Betriebe wirtschaften im Rahmen ihrer Aufgaben eigenverantwortlich. In der Art der Nutzung des ihnen anvertrauten Volks-E. sind sie jedoch an die dem Betrieb übertragenen Aufgaben gebunden. Über Gegenstände des Anlagevermögens dürfen sie in der Regel nicht verfügen, wohl aber über Gegenstände der Umlaufmittel. Grundsätzlich dürfen auch nur die letzteren in andere Formen des E. überführt werden (z. B. Verkauf von Produkten), während für das Anlagevermögen der Grundsatz der Unantastbarkeit des Volks-E., d. h. das Verbot, die Substanz und den Bestand des Volks-E. planwidrig zu verringern, gilt. Diesem Grundsatz entspricht auch ein erhöhter Bestandsschutz des Volks-E. So ist ein gutgläubiger Erwerb von Volks-E. ausgeschlossen, eine Aufrechnung persönlicher Forderungen gegenüber Forderungen von Rechtsträgern von Volks-E. ist verboten, das gleiche gilt für das Zurückbehaltungsrecht. Das Volks-E. unterliegt auch nicht der Zwangsvollstreckung, und im Konkurs sind volkseigene Forderungen bevorrechtigt.
2. Das genossenschaftliche Gemeineigentum gilt als niedere Entwicklungsstufe des sozialistischen E., da das Subjekt dieses E. ein kleineres Kollektiv und nicht das gesamte Volk ist. Eigentümer sind die Genossenschaften als juristische Personen in Gestalt der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), der gärtnerischen Produktionsgenossenschaften, der Produktionsgenossenschaften des Handwerks, der Produktionsgenossenschaften werktätiger Fischer (Fischerei), der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften und der Konsumgenossenschaften. Das genossenschaftliche E. erstreckt sich, entsprechend den unterschiedlichen Einbringungspflichten bei den einzelnen Genossenschaftstypen, auf einen unterschiedlich großen Bereich von Produktionsmitteln und sonstigen Gegenständen.
Art. 13 Verf. nennt als genossenschaftliches E. Geräte, Maschinen, Anlagen, Bauten, Tierbestände und das aus genossenschaftlicher Nutzung des Bodens sowie genossenschaftlicher Produktionsmittel erzielte Ergebnis. Dieser Katalog ist nicht abschließend, jedoch gilt für das genossenschaftliche E. der Grundsatz der Zweckbindung, wonach der Erwerb von Gegenständen, die nicht der Durchführung der satzungsmäßigen Aufgaben der Genossenschaften dienen, verboten ist. Auch genossenschaftliches E. kann nicht gutgläubig erworben werden, Produk[S. 223]tionsmittel sind unpfändbar, eine Zwangsvollstreckung in Geldmittel ist nur wegen solcher Forderungen zulässig, die aus dem genossenschaftlichen Fonds im Rahmen der Zweckbestimmung der Genossenschaft bezahlt werden müssen.
3. Für das E. der gesellschaftlichen Organisationen der Bürger gilt entsprechendes wie für das genossenschaftliche E. Seine Träger sind die Massenorganisationen und Parteien. Objekte sind insbesondere Verlagsbetriebe sowie soziale und kulturelle Einrichtungen.
B. Das persönliche Eigentum
Das persönliche E. ist grundsätzlich kein Produktionsmittel-E. Es erfährt durch die Bestimmung, daß es der Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger dient und sein Gebrauch nicht den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen darf, eine soziale Zweckbestimmung und rechtliche Begrenzung. Quelle des persönlichen E. ist in erster Linie das Arbeitseinkommen, aber auch andere Erwerbsgründe, wie Schenkung, Erbschaft, Auszeichnung, Lotteriegewinn usw., sind zulässig. Objekte des persönlichen E. sind vorwiegend Konsumgüter, vor allem Haushalts- und Einrichtungsgegenstände, Gegenstände des persönlichen Bedarfs und Komforts sowie Geld. Hierunter fallen auch Grundstücke und Gebäude, sofern sie der Befriedigung der Wohnbedürfnisse des Eigentümers und seiner Familienangehörigen dienen.
Zur Erfüllung des in Art. 15 Verf. erteilten Auftrages auf Schutz des Bodens und zur Verhinderung von Spekulation und arbeitslosen Einkommens bedarf die Übertragung von E.-Rechten an Grundstücken der staatlichen Genehmigung (VO vom 11. 1. 1963, GBl. II, S. 159). Persönliches E. ist auch die „persönliche Hauswirtschaft“ des Genossenschaftsbauern, obwohl es sich hier großenteils um Produktionsmittel handelt.
C. Privates Eigentum
Unter der Voraussetzung, daß es gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigt und der Erhöhung des Volkswohlstandes sowie der Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums dient, war in der DDR bis zur Änderung der Verfassung vom 7. 10. 1974 als Übergangserscheinung noch privates Produktionsmittel-E. zugelassen (Art. 14, Abs. 1 Verf.). Seitdem sind nur noch die „auf überwiegend persönlicher Arbeit beruhenden kleinen Handwerks- und anderen Gewerbebetriebe“ existenzberechtigt (Art. 14, Abs. 2 der Verf. vom 7. 10. 1974). Privatwirtschaftliche Vereinigungen zur Begründung wirtschaftlicher Macht sind verboten. Soweit im Bereich des Einzelhandels und des Gaststättengewerbes noch private Betriebe existieren, sollen sie auf der Basis staatlicher Förderung mit den sozialistischen Betrieben zusammenwirken. Dies geschieht in der Form staatlicher Beteiligung und durch Abschluß von Kommissionsverträgen.
Die bis 1972 noch existierenden halbstaatlichen Betriebe besaßen meist die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft mit dem Staat als Kommanditisten und dem früheren Alleineigentümer als unbeschränkt haftendem Gesellschafter. Seitdem sind sie fast vollständig in volkseigene Betriebe umgewandelt worden.
Die Verfassung sieht in Art. 16 die Möglichkeit der Enteignung für gemeinnützige Zwecke auf der Grundlage eines Gesetzes und gegen angemessene Entschädigung vor. Enteignungen dürfen nur erfolgen, wenn der angestrebte Zweck nicht durch Bereitstellung von Volks.-E. erreicht werden kann. Zulässige Enteignungen regeln z. B. das Aufbaugesetz, das Wassergesetz, das Atomenergiegesetz und das Verteidigungsgesetz. Der Rechtsweg zu den Gerichten ist jedoch ausgeschlossen.
Handwerk; Betriebsformen und Kooperation; Landwirtschaftliche Betriebsformen; Genossenschaften; Genossenschaften, ländliche; Landwirtschaft; Fischwirtschaft.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 221–223