DDR von A-Z, Band 1975

Finanzschulden (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1966 1969


 

Als. F. werden in der DDR diejenigen Verpflichtungen der Staatsbetriebe (VEB), Kombinate und VVB bezeichnet, welche diese dem Staat gegenüber bei der Nettogewinnabführung am Ende des Wirtschaftsjahres schuldig geblieben sind. Diese dritte große Abgabe unter den „Unternehmenssteuern“ ergibt sich bei 100prozentiger Erfüllung des betrieblichen Gewinnplanes in folgender Höhe: Verbindliche Planauflage Bruttogewinn minus Produktionsfondsabgabe = Beauflagte staatliche Plankennziffer Nettogewinn minus „Nettogewinnabführung“, erhoben als fester Anteil in Mark vom geplanten Nettogewinn = verfügbarer „eigener“ Gewinnanteil des Betriebes. In dem hier unterstellten Fall entspricht die geplante Nettogewinnabführung der tatsächlich an den Staat abgeführten Summe.

 

Anlässe für das Entstehen von F. sind fast immer unterplanmäßige Gewinne oder außerplanmäßige Verluste, welche selbst wiederum die verschiedensten Ursachen haben können (so z. B. Produktion am Bedarf vorbei; Fehlleistungen des Managements, witterungsbedingte Betriebsstörungen; Eingriffe übergeordneter Planbehörden in den laufenden Produktionsprozeß).

 

Seit Ende der 50er Jahre haben das Feststellungsverfahren und die Eintreibungsmethoden der F. ständig gewechselt. Dabei kehren in einem bestimmten Turnus von einigen Jahren immer die gleichen Regelungen wieder, welche die Wirtschaftsführung noch ein paar Jahre zuvor zum Zeitpunkt ihrer damaligen Ablösung als wirtschaftspolitisch unzweckmäßig verworfen hatte.

 

Die neuesten gesetzlichen Bestimmungen über die Feststellung und Begleichung von F. enthalten folgende Regelung (Finanzierungsrichtlinie vom 3. 7. 1972, GBl. II, S. 469 ff.): Sie gilt für Betriebe, die z. B. nicht den vollen Gewinn erwirtschaftet haben, welcher ihnen als Auflage im staatlichen Betriebsplan vorgegeben wurde. Geraten sie infolge dieser Mindergewinne zeitweise in Liquiditätsschwierigkeiten und können ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, so wie sie sich aufgrund des effektiv erwirtschafteten Gewinnes und der hierdurch begründeten Abführungsverpflichtungen ergeben, so entsteht in Höhe der unbeglichen gebliebenen Abgabenforderungen eine F.

 

Entgegen dem Eintreibungsmodus, wie er von 1968 bis 1972 galt, hat die Forderung des Staates aus der Nettogewinnabführung ab 1. 1. 1973 keinen absoluten Vorrang mehr bei der Gewinnverteilung in den Betrieben, so daß diese nicht mehr gezwungen sind, stets zuerst den Anspruch des Staates auf Gewinnabführung vor allen anderen Gewinnverwendungszwecken zu berücksichtigen.

 

Allerdings hat man daran festgehalten, den Produktionseinheiten feste Abführungssummen vom Nettogewinn bereits im Jahresbetriebsplan vorzuschreiben, wobei die Abgabeschuld in Höhe desjenigen Betrages festgesetzt wird, welcher sich bei voller Verwirklichung des Gewinnplanes und der Einhaltung der Kostensenkungsauflage ergibt (s. Abschnitt IV, Ziff. 1, 2, 3 und 6 der Anordnung über die Finanzplanung in den volkseigenen Betrieben und Kombinaten vom 26. 1. 1973, GBl. I, Nr. 6, S. 73–75).

 

Mit der bis 1972 praktizierten Zwangseintreibung des staatlichen Anteils am Gewinn hoffte die Wirtschaftsführung seinerzeit zu verhindern, daß die Betriebe bei Liquiditätsengpässen ihren Steuerverpflichtungen nicht nachkamen und F. machten. Diese Regelung führte jedoch vor allem bei denjenigen Betrieben, deren Ertragslage bei gegebenen Preisen ungünstig war, dazu, daß dafür an anderen Stellen Finanzierungslücken entstanden, welche wiederum die Planerfüllung gefährdeten.

 

Sofern heute die staatlichen Produktionseinheiten mit ihren Zahlungen aus der Nettogewinnabführung im Rückstand sind, müssen sie diese unbeglichenen Steuerforderungen in der Jahresabschlußbilanz als F. ausweisen. Sie bleiben demnach auch über das jeweilige Planjahr, in dem sie entstanden sind, als Forderung des Staates gegen seine Betriebe bestehen. Die betrieblichen F. sind zugunsten des Gläubigers mit 5 v. H. im Jahr zu verzinsen.

 

Die Tilgung der F. soll in der Regel aus denjenigen Nettogewinnen vorgenommen werden, welche die Betriebe in den Folgejahren überplanmäßig erwirtschaften und über die sie eigenständig verfügen dürfen. Im Gegensatz zur Zeit bis 1972 ist es ihnen auch jetzt wieder erlaubt, ihre F. gegen diejenigen an den Staat abgeführten Nettogewinne aufzurechnen, welche von ihnen über den Plan hinaus erzielt wurden. In der DDR partizipiert der Staat an den Überplangewinnen seiner Betriebe zu 50 v. H. (vgl. Kapitel V, Ziff. 7, und Kapitel III, Ziff. 2, der „Finanzierungsrichtlinie“ a. a. O.). Finanzplanung und Finanzberichterstattung; Finanzsystem; Staatshaushalt; Steuern; Planung; Wirtschaft; Betriebsformen und Kooperation.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 305


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.