DDR von A-Z, Band 1975

Funktionalismus (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985


 

Ein gegen den Historismus des späten 19. Jahrhunderts (Klassizismus, Neugotik u. a.) gerichtetes Gestaltungsprinzip der Architektur, das die ausschließliche Berücksichtigung des Zwecks bei der Gestaltung von Gebäuden und den Verzicht auf jede zweckfremde Formung verlangt („form follows function“, L. H. Sullivan). Die Schönheit eines Gegenstandes liegt danach in der Gestaltung seiner Zweckmäßigkeit.

 

In der DDR wird der F. einerseits als Fortschritt gegenüber der historisierenden Architektur angesehen, besonders was das Bemühen um die Anwendung neuer Bautechnologien, Baumaterialien und industriemäßiger Produktionsweisen anbetrifft. Kritisiert wird der F. wegen seiner Tendenz zum Technizismus und zur Reduzierung der gestalterischen Mittel auf bloße Nützlichkeit (Utilitarismus). Die Funktion eines Gebäudes werde überbetont, hierdurch die Form vom Gebrauchsprozeß getrennt, bzw. der Gebrauchswert von der gesellschaftlichen Lebensweise der Menschen.

 

Die Architektur der DDR bemüht sich um einen F., der zwar davon ausgeht, daß die Funktion der primäre Aspekt bei der Gestaltung sein muß, der neue Techniken und Materialien möglichst rationell einsetzt, der jedoch darüber hinaus die Funktion in einem umfassenderen (gesellschaftlichen) Sinn realisieren will: nicht mehr nur in der Organisation eines Bauwerkes auf seinen Zweck hin, sondern in der Integration des Zwecks in das Leben der Gesellschaft.

 

Die Einschätzung des F. war in der DDR einem Wandel unterworfen und ist auch heute nicht einheitlich. Die anfangs nahezu ausschließlich negative Bewertung des F. (unhistorisch, kosmopolitisch, mechanistisch, inhuman) hat sich im Verlauf der Zeit modifiziert. Die Neubesinnung der DDR-Architekten um die Mitte der 60er Jahre war selbst vom F. geprägt, wenngleich ständig vor einer Verabsolutierung funktionellen Bauens gewarnt wird. Das liegt nicht zuletzt daran, daß durch die Typenprojektierung des industriellen Bauens in der DDR der F. der Architekten nicht selten in Monotonie abgleitet. Als Gegenbewegung hierzu gibt es in der Architektur-Praxis der DDR immer wieder Beispiele für nicht-funktionales Bauen (vom Zuckerbäcker-Stil bis zur Zeichen-Architektur). Städtebau.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 339


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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