DDR von A-Z, Band 1975

Kritik und Selbstkritik (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985


 

Auf dem sog. Gesetz von den Widersprüchen als der Triebkraft der Bewegung beruhende Methode zur Aufdeckung und Lösung „nicht-antagonistischer“ gesellschaftlicher Widersprüche.

 

K. im Sozialismus meint nicht die vermeintlich von Positionen des Nihilismus, Skeptizismus etc. betriebene „destruktive“ K., sondern ausschließlich jene, die sich die Beseitigung von den gesellschaftlichen Fortschritt beeinträchtigenden Faktoren (und zwar in der Form von Ideen, Verhaltens- und Arbeitsweisen, Organisationsformen) zum Ziel setzt. Die Legitimität der K. bemißt sich an deren positiven Beitrag zur Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung.

 

K. und S. gehören zu den wichtigsten Verhaltensnormen der marxistisch-leninistischen Partei; sie sollen als Mittel der Parteierziehung und der Stärkung der Kampfkraft der Partei (Erhöhung der „revolutionären Wachsamkeit“) dienen; sie gelten als Grundlage und wesentlicher Bestandteil der innerparteilichen Demokratie. Das Statut der SED verpflichtet die Parteimitglieder zum Kampf gegen jede Unterdrückung von K. und zur Förderung der K. und S. von unten. Die Entfaltung der K. und S. und die Erziehung der Mitglieder zur „Unversöhnlichkeit“ gegenüber Mängeln werden sogar ausdrücklich zu Pflichten der Parteimitglieder erklärt. Feste Regeln über Formen der K. und S. sowie Abgrenzungen kritikfähiger Gegenstände von solchen, die der K. entzogen sind, existieren nicht; die bisherige Praxis gibt jedoch Hinweise auf die Existenz tabuisierter Bereiche ideologischer, institutioneller und personeller Art, zumindest soweit es sich um veröffentlichte K. handelt. Danach können Grundfragen der Lehre des Marxismus-Leninismus und der Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR, das Bündnis mit den sozialistischen Staaten, insbesondere mit der UdSSR, die jeweils amtierende Partei- und Staatsführung nicht Gegenstand der K. sein.

 

Die S. erfolgt zumeist in der Weise, daß der Beschuldigte öffentlich die Berechtigung der K. anerkennt und mit der Analyse der sein Fehlverhalten begünstigenden Umstände bereits den ersten Schritt zur Beseitigung jener Mängel leistet, die als Hemmnisse der gesellschaftlichen Entwicklung als kritikbedürftig erachtet werden. Die Formen, in denen seit Anfang der 60er Jahre K. und S. geübt werden, haben sich entkrampft und den Charakter von Verurteilungen, bzw. Selbstanklagen — zur Vermeidung von beruflichen oder gesellschaftlichen Nachteilen — teilweise verloren. Dadurch konnten der in K. und S. liegende produktive Aspekt stärker genutzt und — vor allem auch im künstlerischen Bereich — ernsthafte Diskussionen und schöpferische Auseinandersetzungen gefördert werden.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 484


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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