DDR von A-Z, Band 1975

Landwirtschaft (1975)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985

 

I. Die Landwirtschaft in der volkswirtschaftlichen Zielsetzung

 

 

Die L. nimmt in der Volkswirtschaft der DDR einen hohen Stellenwert ein. Im Durchschnitt der Jahre 1969–1973 trug sie mit 11,7 v. H. aller Berufstätigen und 13,5 v. H. der Grundmittel (Produktionskapital ohne lebendes Inventar) zu 11,6 v. H. an der Erstellung des Nettoproduktes bei. Ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen der Volkswirtschaft betrug in der selben Zeit ca. 13,0 v. H. Infolge der Rohstoffknappheit der DDR ist der Anteil der L. am Rohstoffaufkommen mit rd. 67 v. H. erheblich.

 

Die Agrarprodukte dienen zu 15 v. H. dem Direktverzehr, während 85 v. H. in ca. 50 Erzeugnisgruppen der Industrie, insbesondere der Lebensmittelindustrie, weiter be- oder verarbeitet werden. Der Selbstversorgungsgrad mit Nahrungsmitteln betrug 1973 nach Angaben der DDR 80 v. H.

 

Auf dem VIII. Parteitag der SED 1971 wurden die Landwirtschaftsbetriebe der DDR beauftragt, durch Intensivierung und veränderte Betriebsgestaltung (Landwirtschaftliche Betriebsformen) bis 1975 folgende Produktionssteigerungen zu realisieren:

 

 

Grundsätzlich hält sich die DDR auf dem Ernährungssektor — von Südfrüchten abgesehen — für autarkiebegabt. Die außenwirtschaftliche Verflechtung soll auf den zunehmenden Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse und auf den ebenfalls wachsenden Handel mit Produktionsmitteln beschränkt werden.

 

Die Realisierung der weitgehenden Selbstversorgung ist abhängig von der zur Verfügung stehenden Nahrungsfläche je Einwohner, der Nutzung der Flächen, dem Einsatz ertragssteigender Produktionsmittel, dem Viehbestand und der Verfügbarkeit von Futtermitteln.

 

II. Produktionsgrundlagen

 

 

Vom Staatsgebiet der DDR sind ca. 58 v. H. landwirtschaftlich genutzte Fläche (LN) (Bundesrepublik Deutschland 54 v. H.). Da zugleich die Bevölkerungsdichte der DDR um ca. 37 v. H. unter der der Bundesrepublik liegt, steht in der DDR die 1,7fache Nahrungsfläche je Einwohner zur Verfügung.

 

 

Durch außerlandwirtschaftliche Inanspruchnahme hat die DDR zwischen 1950 und 1970 ca. 240.000 ha LN verloren. Zur Vermeidung unnötiger Bodenverluste wurde 1967 eine Bodennutzungsgebühr (bis zu 400.000 Mark/ha LN) eingeführt (Bodennutzung).

 

Gleichzeitig wurde ein umfangreiches Wiederurbarmachungs- und Rekultivierungsprogramm für Berg[S. 500]bauflächen entwickelt, das bis 1980 insgesamt 35.000 ha umfassen soll. Hiervon waren 1974 bereits 16.000 ha rekultiviert. Infolgedessen ist der Umfang der LN seit 1971 konstant geblieben.

 

 

Von der landwirtschaftlichen Nutzfläche entfallen in der DDR ca. 74 v. H. auf Ackerflächen und 23 v. H. auf Grünland (Bundesrepublik 56 v. H. Acker, 40 v. H. Grünland). Die ständige zu Lasten des Ackerlandes und vor allem in den Südbezirken feststellbare Ausdehnung des Grünlandes wurde nach dem VIII. Parteitag der SED gestoppt. Seitdem werden Grünflächen für Getreide und Feldfutterbau umgebrochen.

 

In den Ackerflächen des Jahres 1973 sind neben ca. 52.100 ha Freilandgemüse und 10.800 ha Saatgutflächen zahlreiche Sonderkulturen enthalten. Weitere Sonderkulturen sind gemeinsam mit 40.000 ha Haus- und Kleingärten unter „Sonstige“ zusammengefaßt (Gartenbau).

 

Ebenso wie im Nutzflächenverhältnis haben sich im Ackerflächenverhältnis Veränderungen ergeben.

 

 

Der Getreideanbau wurde von ca. 3,2 Mill. ha in der Vorkriegszeit auf ca. 2,4 Mill. ha eingeschränkt. Von dem Rückgang waren vor allem Roggen (um 47 v. H.) und Hafer (um 67 v. H.) betroffen, während der Weizenanbau um 10 v. H. und der Anbau von Gerste um ca. 50 v. H. ausgedehnt wurden. Innerhalb der Hackfrüchte erfolgten Einschränkungen im Kartoffelbau und bei Futterhackfrüchten, während der Zuckerrübenanbau im Verhältnis zur Vorkriegszeit um mehr als 20 v. H. ausgedehnt wurde. Da die Selbstversorgung mit Zucker in der DDR seit langem gesichert ist, erfolgt die Ausdehnung des Zuckerrübenanbaus als Ersatz für den rückläufigen Anbau von Futterhackfrüchten. Die relativ wie absolut stärkste Zunahme ist bei den Feldfutterpflanzen festzustellen, von deren Anbaufläche rd. 40 v. H. auf Grün- und Silomais entfallen (Kleearten 21 v. H., Luzerne 18 v. H.).

 

Zur Sicherung der in den Perspektivplänen vorausgesetzten Steigerung der tierischen Produktion besteht die Absicht, den einjährigen Ackerfutterbau und den Anbau von Futterhackfrüchten weiter einzuschränken sowie den Anbau eiweißreicher Getreidesorten und Futterhülsenfrüchte auszudehnen. Allein bei Ackerbohnen soll die Anbaufläche von 10.000 auf ca. 200.000 ha erhöht werden, um Soja- und Fischmehlimporte zu verringern. Der Anteil der Ackerflächen soll künftig auf Kosten des Grünlandes weiter ausgedehnt werden.

 

III. Die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte (AK) und die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktionsbetriebe

 

 

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte hat ständig abgenommen. Je nach Betriebsform sind die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte Mitglieder der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) oder sie sind Arbeiter bzw. Angestellte, die sowohl in den LPG als auch in den staatlichen Landwirtschaftsbetrieben (VEG, KIM) arbeiten können (Landwirtschaftliche Betriebsformen).

 

Darüber hinaus bestehen noch einige wenige selbständige L.-Betriebe. Insgesamt hat sich die Anzahl der Berufstätigen von 1961–1973 um 28,6 v. H. verringert.

 

 

Während die Arbeiter und Angestellten in der Regel vollbeschäftigt sind, gilt nur ein Teil der Genossenschaftsmitglieder als ständig beschäftigt. Auch diese können nicht als Voll-AK mit durchschnittlich 2.100 [S. 501]Arbeitsstunden pro Jahr angesehen werden. Rechnet man die im Jahre 1972 beschäftigten 936.257 Berufstätigen, die insgesamt in der L. tätig waren, auf Vollbeschäftigte um, so ergibt sich, daß 890.000 Voll-AK in der L. tätig waren. Dies entspricht bei ca. 6,3 Mill. ha LN einem Arbeitskräftebesatz von 14,2 AK/100 ha LN.

 

Die Durchführung der Produktion erfolgte bisher fast ausschließlich in Volkseigenen Gütern (VEG) und Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Die Zahl dieser Betriebe hat seit 1960 stark abgenommen.

 

 

Infolge der ab 1967 eingeführten horizontalen Kooperation werden seit 1970 zunehmend Spezialbetriebe entwickelt, die sich entweder ausschließlich mit der Pflanzenproduktion oder aber mit der Erzeugung eines bestimmten tierischen Produktes befassen.

 

Anfang 1974 bestanden: 1173 Kooperative Abteilungen Pflanzenproduktion (KAP) mit 4,4 Mill. ha LN, 134 Kooperative Einrichtungen (KOE) mit über 1000 Plätzen für Jungrinder, 55 KOE mit über 6.000 Plätzen für Mastschweine, 42 KOE mit über 1000 Sauenplätzen und 27 KOE mit über 1000 Kuhständen.

 

Bisher konnte durch die Vergrößerung der Betriebe weder die Flächenproduktivität noch die Arbeitsproduktivität der DDR an die der Bundesrepublik Deutschland angenähert werden. 1974 wurden in den 1173 KAP der DDR mit einer Durchschnittsgröße von ca. 3.750 ha LN ca. 275.000 Arbeitskräfte beschäftigt. Dies entspricht einem AK-Besatz von 6,25 AK/100 ha LN, der in Anbetracht der fast vollständigen Mechanisierung der Feldwirtschaft unvertretbar hoch erscheint (in den L.-Betrieben der Bundesrepublik betrug 1971/72 der Arbeitsaufwand der Betriebe mit einer Größe von mehr als 50 ha 4,4 AK/100 ha LN einschließlich Viehhaltung).

 

IV. Die Bereitstellung von ertragssteigernden und arbeitssparenden Produktionsmitteln

 

 

Der Aufwand ertragssteigernder bzw. verlustmindernder Produktionsmittel ist in der DDR ständig erhöht worden. Während jedoch der Aufwand von Mineraldüngern quantitativ über dem der Bundesrepublik liegt, besteht in der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ein erheblicher Rückstand.

 

 

Der Aufwand an Pflanzenschutzmitteln wurde in der DDR zwischen 1965 und 1973 von 8.219 kg Wirkstoff um 267 v. H. auf 21.957 kg erhöht. Der Anteil der Herbizide sank trotz verdoppelter Aufwandsmenge von 75 auf 55 v. H. ab. Damit konnten bei den wichtigsten Kulturarten folgende Anteile behandelt werden:

 

 

 

[S. 502]Während die stalltechnischen Ausrüstungen relativ gering sind und in unterschiedlichem Ausmaß den heutigen Anforderungen entsprechen, erreichte die Mechanisierung der Feldarbeiten in der DDR 1973 bei den Bestellungsarbeiten 100, in der Ernte des Getreides 99,7 v. H., der Kartoffeln 89,3 v. H. und der Zuckerrüben 99,1 v. H. Die Arbeitskräfte erhalten für die Bedienung der Maschinen und Geräte eine intensive Berufsausbildung (Landwirtschaftliche ➝Berufsausbildung).

 

Die Übersicht auf S. 501 unten zeigt die Entwicklung der landwirtschaftlichen Ausrüstungen und der Arbeitskräfte in den sozialistischen L.-Betrieben der DDR.

 

Der seit 1970 zu beobachtende Rückgang des Maschinenbestandes erklärt sich aus der zunehmenden Leistungsfähigkeit der Maschinen und Geräte. Insgesamt genügt der Maschinenbestand quantitativ nicht den Anforderungen. Die Reparatur- und Instandsetzungskosten betrugen 1972 ca. 18 v. H. des gesamten Maschinenkapitals (ca. 1800 Mark/ha LN).

 

V. Die landwirtschaftliche Produktionsleistung

 

 

Ungeachtet der erheblichen Zunahme des ertragssteigernden Aufwandes bleiben die Erträge der DDR bisher hinter denen der Bundesrepublik Deutschland zurück.

 

 

Von den Erzeugnissen des Pflanzenbaus (Brutto-Bodenproduktion) gelangen ca. 76 v. H. in der Tierproduktion zum Einsatz.

 

Im Verhältnis zur Vorkriegszeit wurden die Viehbestände der DDR kontinuierlich aufgestockt, wobei vor allem die flächenunabhängige Veredelungsproduktion (Schweine- und Geflügelhaltung) im Vordergrund stand. Die Ausdehnung der Viehhaltung hat zur Folge, daß der Viehbesatz der DDR — gemessen in GV (= 500 kg Lebendgewicht) je 100 ha LN — sich weitgehend dem der Bundesrepublik angenähert hat. Die Viehbestände der DDR entwickelten sich wie folgt (in 1 000):

 

 

Berücksichtigt man, daß in der DDR pro Einwohner die 1,7fache Nutzfläche zur Verfügung steht, so ergibt sich, daß die Viehdichte (GV je Einwohner) mit 0,3 GV/E um ca. 50 v. H. höher ist als in der Bundesrepublik.

 

 

Hochkonzentrierte Eiweißfuttermittel stehen in der DDR nur in ungenügender Menge zur Verfügung; Fischmehl und Sojaschrot müssen z. T. auf dem Weltmarkt eingekauft werden. Darüber hinaus hat der Mangel an Futtereiweiß eine schlechtere Verwertung der übrigen Futtermittel zur Folge, so daß der Futteraufwand zur Erzeugung von 1 kg Fleisch, Milch oder Eier in der DDR noch immer verhältnismäßig hoch ist.

 

Addiert man die Summen aller pflanzlichen und der tierischen Produktionsleistungen, so ergibt sich — über die Getreideeinheit (GE-Schlüssel) berechnet — die gesamte Nahrungsmittelproduktion (gemessen in Mill. t GE). Bringt man hiervon die auf Importfuttermitteln basierende tierische Produktion in Abzug, so verbleibt als Ergebnis die Netto-Nahrungsmittelproduktion. Diese weist infolgedessen die Summe [S. 503]aller in der DDR auf der dort zur Verfügung stehenden Nutzfläche erzeugten Agrarprodukte aus.

 

 

Die Produktionsleistung der Landwirtschaft in der DDR

 

Aus der Tabelle ergibt sich, daß die DDR sowohl die pflanzlichen als auch die tierischen Produktionsleistungen zu steigern vermochte, daß jedoch die Zunahme der tierischen Produktion überwiegend auf die Futtermitteleinfuhr zurückzuführen ist. Die Flächenproduktivität der DDR hat insgesamt (gemessen an der Netto-Nahrungsmittelproduktion in dz GE/ha LN) nur 70–75 v. H. der Flächenproduktivität in der Bundesrepublik erreicht.

 

VI. Zusammenfassung

 

 

Auf die Jahre 1965 und 1972 bezogen läßt sich die Entwicklung der L. der DDR wie folgt darstellen:

 

 

Bei Senkung des Arbeitsaufwandes um 17,4 v. H. wurde die landwirtschaftliche Produktion um 12 bzw. 13 v. H. gesteigert. Die Arbeitsproduktivität nahm infolgedessen um ca. 36 v. H. zu. Voraussetzung dieses Erfolges war die Erhöhung des Kapitals um 46 v. H. und die Steigerung des Düngeraufwandes um 64 v. H.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 499–503


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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