DDR von A-Z, Band 1975

Nationale Volksarmee (NVA) (1975)

 

 

Siehe auch:

 

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Die NVA ist die Armee der DDR und wichtigster Teil der von der Militärpolitik der SED konzipierten Landesverteidigung.

 

Die Kennzeichnung als „sozialistische Armee“ wird im Selbstverständnis mit mehreren Kriterien begründet: Sie ist das Klassen- und Machtinstrument der Arbeiter-und-Bauern-Macht, die das sozialistische Vaterland gegen alle Feinde des Sozialismus schützt; sie ist Teil des kollektiven Verteidigungsbündnisses der sozialistischen Staaten im Warschauer Pakt; sie arbeitet vor allem eng mit der Sowjetarmee zusammen; sie erfüllt ihren revolutionären Klassenauftrag unter Führung der SED und ist innerlich gefestigt und stets bereit, nach deren Beschlüssen zu handeln; schließlich liegt ihrer Aufgabenstellung und ihrem Selbstverständnis eine einheitliche Militärdoktrin zugrunde.

 

I. Gründung und Entwicklung der NVA

 

 

Die Gründung der NVA begann mit dem Beitritt der DDR zum Warschauer Pakt im Mai 1955 und endete mit der offiziellen Aufnahme der Tätigkeit des Ministeriums für Nationale Verteidigung und der Aufstellung der ersten Einheiten der NVA aus den Bereitschaften der Kasernierten Volkspolizei (KVP) am 1. 3. 1956 (Tag der NVA). Die gesetzliche Grundlage schuf die Volkskammer mit dem Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung am 18. 1. 1956, das u. a. zur Umbenennung der KVP-Einheiten führte.

 

Die Gründung der NVA war der vorläufige Schlußpunkt einer Entwicklung, die 1952 mit der Proklamation der nationalen Streitkräfte begonnen und in deren Verlauf vor allem die KVP sowie die Grundstrukturen der künftigen Militärorganisation auf- und ausgebaut worden waren. Der Aufbau der NVA ist nur bedingt als Fortsetzung dieser Politik zu verstehen; neu war vor allem, daß der Aufbau sich im Rahmen des Warschauer Vertrages unter wesentlicher Anleitung der Sowjetunion vollzog.

 

II. NVA und Warschauer Pakt

 

 

Am 28. 1. 1956 beschloß der Politische Beratende Ausschuß (PBA) des Warschauer Vertrages, die Kontingente der NVA in die Vereinten Streitkräfte einzubeziehen und dem Vereinigten Oberkommando zu unterstellen; der Minister für Nationale Verteidigung der DDR wurde einer der Stellvertreter des Oberkommandierenden. Im Mai 1958 bestätigte dann der PBA den Beschluß zur Einbeziehung der Truppen der NVA in die Warschauer Vertragsstreitkräfte.

 

Aufbau, Ausrüstung (ab 1957 mit sowjetischen Waffen und sonstigem militärischem Gerät) und Führung der Truppen der NVA geschahen nach den Richtlinien des Oberkommandos, was u. a. zur raschen Überwindung bestimmter Anlaufschwierigkeiten in strukturellen Fragen führte. Die Angleichung an die sowjetischen Prinzipien wurde durch bereits 1957 durchgeführte Kommandostabs- und Truppenübungen mit sowjetischen Stäben und Einheiten beschleunigt; in den Stäben und Einheiten der NVA waren sowjetische Militärspezialisten als Berater tätig.

 

Seit 1961 wurden auch mit anderen Vertragsstaaten gemeinsame Manöver durchgeführt, z. B. 1961 mit polnischen Verbänden, 1962 auf dem Gebiet der ČSSR mit Verbänden der Sowjetarmee und der Tschechoslowakischen Volksarmee, 1963 das Manöver „Quartett“ in Thüringen mit Verbänden der NVA, der polnischen, tschechoslowakischen und Sowjetarmee, 1965 die Manöver „Berlin“ und „Oktobersturm“ ebenfalls in der DDR mit den gleichen Beteiligten, 1966 das Manöver „Moldau“ in der ČSSR, an dem zusätzlich ungarische Verbände beteiligt waren, 1967 das Manöver „Dnjepr“, das in der Sowjetunion unter Beteiligung von Kommandostäben der NVA stattfand, 1969 das Manöver „Oder-Neiße“ (Sowjetarmee, NVA, poln. Armee), 1970 das Manöver „Waffenbrüderschaft“, das auch Kampfgruppen und VP-Bereitschaften einbezog und an dem erstmalig rumänische Verbände beteiligt waren, sowie das Manöver „Schild“, das im Herbst 1972 auf den Territorien der DDR, der VRP und der UdSSR stattfand und an dem ca. 80.000 Mann beteiligt waren. Unabhängig von diesen gemeinsamen Manövern führte die NVA Manöver, Truppenübungen und Stabsübungen auf verschiedenen Ebenen mit Einheiten der sowjetischen Armee in der DDR durch. Die Luftstreitkräfte sind im Rahmen des Diensthabenden Systems an Luftverteidigungsmanövern und die Volksmarine an Flottenmanövern mit sowjetischen und polnischen Einheiten und Verbänden beteiligt.

 

Die im März 1969 vom PBA getroffene Entscheidung zum Aufbau gemeinsamer Verbände der Land-, Luft- und Seestreitkräfte hat zur Integration der mobilen Verbände und Truppenteile der NVA in eine neue Kommandostruktur geführt.

 

Die Entwicklung der NVA ist nicht nur von der Tatsache ihrer Unterstellung unter das Oberkommando des Warschauer Vertrages und ihrer Einbindung in das östliche Militärbündnis geprägt. Wesentlichen Einfluß hatten innenpolitische Voraussetzungen, unter denen sich ihr Aufbau vollzog.

 

Im Unterschied zu den anderen Vertragsarmeen war die NVA bis 1962 eine Freiwilligenarmee. Die Schwierigkeit, den Aufbau einer Armee vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen des deutschen Volkes zu begründen, wurde durch die Auf[S. 588]stellung der Bundeswehr kaum erleichtert. Das Freiwilligenprinzip, als Ausweg aus dem Dilemma gewählt, bedingte das Risiko, den personellen Ausbau der NVA nicht planmäßig gestalten zu können. Von der SED, den Gewerkschaften und vor allem der FDJ betriebene Kampagnen zum Eintritt in die NVA führten nicht zum gewünschten Ergebnis, da es weder genug Freiwillige gab, noch ihre militärische Vorbildung einen schnellen und effektiven Einsatz gestattete. In den Augen der SED war daran jedoch positiv zu werten, daß auf diese Weise die „klassenmäßige Basis“ der NVA gestärkt wurde, was als Kompensation mancher Nachteile des Freiwilligenprinzips angesehen wurde. Mit der Einführung der Wehrpflicht im Januar 1962 wurde, nachdem das Verteidigungsgesetz im September 1961 die Voraussetzungen für die Neuregelung des Wehrdienstes geschaffen hatte, das Personalproblem der NVA beseitigt, da nun genügend Soldaten rekrutiert werden konnten.

 

III. Ausbildung

 

 

Die Notwendigkeit, genügend politisch, militärisch und fachlich geschultes Personal zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte und zur Führungstätigkeit zu benötigen, bestimmte seit 1958 die Ausbildungspolitik in der NVA. 1958/1959 wurde in der NVA mit der Durchführung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen begonnen. Die 1956 gegründeten und in Offiziersschulen umgewandelten Bildungseinrichtungen der NVA wurden zu Fachschulen erklärt. Auf ihnen wurden vor allem Offiziere bis zur Führungsebene Regiment ausgebildet. Der Umwandlungsbeschluß des Präsidiums des Ministerrates von November 1958 führte nur zur Gleichstellung mit Fachschulen; die neuen Lehrprogramme wurden auf einer Schulkonferenz 1959 beraten. Als Aufgabe wurde den Offiziersschulen die Heranbildung von Offizieren mit Kommandeureigenschaften, ausreichenden politischen, taktischen, technischen und methodischen sowie allgemeinen Kenntnissen gestellt. Diese Aufgabenstellung wurde 1963 auf einer Kaderkonferenz verändert. Nunmehr wurde ein noch höheres Niveau an politischer, militärischer, militärtechnischer, naturwissenschaftlicher und pädagogischer Ausbildung für die Offiziere der NVA gefordert. Im Herbst 1963 wurde für die 3 Teilstreitkräfte sowie für die Grenztruppen eine Offiziersschule durch Zusammenlegung der bisherigen gegründet.

 

Am 1. 12. 1963 trat für die NVA ein einheitliches Bildungssystem in Kraft, das u. a. eine wesentliche Verbesserung der gesellschaftswissenschaftlichen Ausbildung vorsah. Die im September 1965 erlassene AO des Ministers für Nationale Verteidigung „Über die Grundlagen für die Organisation der Ausbildung an den Offiziersschulen der NVA“ bestimmte, daß die 4jährige Ausbildung auf 3 Jahre reduziert und die technischen Ausbildungszweige mit der Ingenieurqualifikation abgeschlossen werden sollten. Auf der 1. Bildungskonferenz der NVA im Dezember 1968 wurden die neuen Ausbildungsforderungen an die Offiziersschulen begründet, die im Februar 1971 zu Offiziershochschulen aufgewertet wurden.

 

Die Aufgabe, Offiziere für Führungsfunktionen in hohen Kommandopositionen und für Spezialbereiche auszubilden, wird seit Gründung der NVA auch von sowjetischen Schulen und Militärakademien erfüllt.

 

Die 1959 gegründete Militärakademie „Friedrich Engels“ in Dresden, an der Offiziere für Führungsaufgaben von der Regimentsebene (Truppenteil) aufwärts ausgebildet werden, erhielt bereits 1962 den Status einer Hochschule. Sie verleiht die Grade Dipl.-Militärwissenschaftler, Dipl.-Gesellschaftswissenschaftler, Dipl.-Ingenieur; seit 1965 besitzt sie das Promotionsrecht. An ihr werden Offiziere aller Teilstreitkräfte je nach Fachrichtung — in drei bis vierjährigen Kursen — ausgebildet; jährlich etwa 240 Offiziere, die für einen Generals- bzw. Admiralsrang vorgesehen sind, erhalten eine Ausbildung in der Sowjetunion. Spezialausbildungen für Offiziere finden zusätzlich statt u. a. an der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“ (Ausbildung von Polit-Offizieren), an der Militärärztlichen Akademie der NVA in Greifswald, an der Sektion militärisches Transport- und Nachrichtenwesen an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden und dem Militärgeschichtlichen Institut der DDR. Unteroffiziere werden an einer Technischen und drei anderen Unteroffiziersschulen sowie an zwei Flottenschulen aus- und weitergebildet. Die Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung werden begründet mit den steigenden Bildungsanforderungen an die militärischen Führungskader, der komplizierten Militärtechnik und -Wissenschaft, den gestiegenen Qualifikationen der Wehrpflichtigen, aber auch mit den erhöhten Anforderungen an die politisch-ideologische Arbeit, die sich aus der politischen Lage und der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus nach Ansicht der SED ergeben.

 

Die Entwicklung der NVA zu einer auch nach westlichen Maßstäben modern ausgerüsteten und kampfkräftigen Armee ist nicht ohne Schwierigkeiten und Komplikationen verlaufen. Die Militärpolitik der SED und die Gestaltung des Verhältnisses von Partei und NVA hat unter Überwindung mancher Schwierigkeiten stets die politische Führung der NVA durch die Partei aufrechterhalten können. Dies und die enge Anbindung an die Sowjetarmee im Rahmen des Warschauer Vertrages werden von der SED als Voraussetzungen der erfolgreichen Entwicklung der NVA zu einer sozialistischen Armee genannt.[S. 589]

 

IV. Gliederung

 

 

Die NVA gliedert sich in Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte/Luftverteidigung und die Volksmarine als Teilstreitkräfte sowie die Grenztruppen der DDR, die dem Minister für Nationale Verteidigung unterstellt sind.

 

Oberste Führungsinstanz ist das Ministerium für Nationale Verteidigung. Es bildet den Militärbezirk I. Der Hauptstab des Ministeriums führt die Landstreitkräfte. Diese sind in die Militärbezirke III (Leipzig) und V (Neubrandenburg) untergliedert. Jeder Militärbezirk hat ein eigenes Kommando und besteht aus 2 Mot. Schützen- und einer Panzer-Division, dazu kommen noch unmittelbar unterstellte Verbände. Die Aus- und Weiterbildung der Offiziere erfolgt im Bereich der Landstreitkräfte an der Offiziershochschule „Emst Thälmann“ in Löbau/Zittau. Die Landstreitkräfte zählten (1973) 90.000 Mann. Die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung bilden den Militärbezirk II; dem Kommando unterstehen 2 Jagdfliegerdivisionen, 1 Jagdfliegerausbildungsdivision, 1 Transport- und 1 Hubschraubergeschwader sowie Funktechnische Regimenter und Fliegertechnische Bataillone und Versorgungseinheiten. Die Offiziere werden an der Offiziershochschule „Franz Mehring“ in Kamenz ausgebildet; es existieren 3 Flugzeugführerschulen. Die Luftverteidigung besteht aus 1 Luftverteidigungsdivision und ist u. a. mit Boden-Luft-Fla-Raketen ausgerüstet. Die LSK/LV umfaßten 1973 ca. 25.000 Mann. Sie ist in das Diensthabende System, einem ständiger Bereitschaft unterliegendem Luftverteidigungssystem des Warschauer Vertrages, integriert.

 

Die Volksmarine bildet den Militärbezirk IV. Als Seestreitkräfte der NVA besteht ihre Aufgabe im Schutz der Seegrenzen der DDR, Polens und der Sowjetunion. Die Bezeichnung „Volksmarine“ wurde am 3. 11. 1960 (Tag des Matrosenaufstandes von Kiel 1918) verliehen. Sie gliedert sich in 3 Flottillen, 1 Torpedoschnellbootbrigade und sonstige Einheiten und Abteilungen. Die Personalstärke betrug 1973 ca. 17.000 Mann; unter den Schiffen befinden sich Flugkörperschnellboote mit Seeziel-Raketen. Ausbildungsstätten sind die Offiziershochschule „Karl Liebknecht“ in Stralsund und 2 Flottenschulen.

 

Als Grenztruppen der DDR, wie sie seit Januar 1974 genannt werden, gelten die durch Eingliederung (1961) der Deutschen Grenzpolizei in die NVA, dem NVA-Kommando Grenze unterstehenden Verbände. Sie gliedern sich in 4 Kommandos (Nord, Mitte, Süd und Küste), 2 Regimenter an der Grenze zur ČSSR und zur VR Polen, sowie andere Verbände, zu denen ferner 3 Ausbildungsregimenter gehören. Ihre Offiziere werden an der Offiziershochschule „Rosa Luxemburg“ in Plauen ausgebildet. Die Stärke der Grenztruppen soll 1973 40.000 Mann betragen haben.

 

Die Angehörigen der NVA unterscheiden sich nach dem Dienstverhältnis in: Soldaten im Grundwehrdienst, Soldaten auf Zeit, Unteroffiziere auf Zeit, Offiziere auf Zeit, Berufsunteroffiziere, Fähnriche, Berufsoffiziere;

 

nach dem Dienstgrad in: Soldaten, Unteroffiziersschüler, Offiziersschüler, Unteroffiziere, Fähnriche, Offiziere,

 

nach der Dienststellung in: Vorgesetzte, Unterstellte. Sie führen folgende Dienstgradbezeichnungen:

 

 

Die Armeeangehörigen leisten folgenden Fahneneid:

 

„Ich schwöre: Der Deutschen Demokratischen Republik, meinem Vaterland, allzeit treu zu dienen und sie auf Befehl der Arbeiter-und-Bauern-Regierung gegen jeden Feind zu schützen.

 

Ich schwöre: An der Seite der Sowjetarmee und der Armeen der mit uns verbündeten sozialistischen Länder als Soldat der Nationalen Volksarmee jederzeit bereit zu sein, den Sozialismus gegen alle Feinde zu verteidigen und mein Leben zur Erringung des Sieges einzusetzen.

 

Ich schwöre: Ein ehrlicher, tapferer, disziplinierter und wachsamer Soldat zu sein, den militärischen Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten, die Befehle mit aller Entschlossenheit zu erfüllen und die militärischen und staatlichen Geheimnisse immer streng zu wahren.

 

[S. 590]Ich schwöre: Die militärischen Kenntnisse gewissenhaft zu erwerben, die militärischen Vorschriften zu erfüllen und immer und überall die Ehre unserer Republik und ihrer Nationalen Volksarmee zu wahren. Sollte ich jemals diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen, so möge mich die harte Strafe der Gesetze unserer Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.“

 

(Quelle: Anlage zur AO des Nationalen Verteidigungsrates der DDR über den aktiven Wehrdienst in der NVA vom 10. 12. 1973; GBl. I, S. 561.)

 

V. SED und NVA

 

 

Die führende Rolle der SED in der NVA wird als das ausschlaggebende Kriterium für ihren Klassencharakter bezeichnet. Die Verwirklichung geschieht durch verschiedene Mechanismen und Organisationen.

 

Die in der NVA tätigen Parteimitglieder sind verpflichtet, die Beschlüsse der SED zu verwirklichen. Diese Beschlüsse sind die Grundlage der gesamten Tätigkeit der NVA, d. h. sie bestimmen nicht nur die politisch-ideologische, sondern auch die militärfachliche Seite. Die Verwirklichung der Beschlüsse wird unmittelbar von der Parteiführung — dem Politbüro mit der Kommission für Nationale Sicherheit — angeleitet. Im zentralen Parteiapparat ist die Abteilung Sicherheit für die NVA zuständig. Als leitende Organe gelten in den Streitkräften die Politorgane; Grundlage ihrer Tätigkeit sind die vom Politbüro des ZK erlassenen Instruktionen für die Arbeit der Parteiorganisationen und Politorgane in der NVA, Beschlüsse der Parteitage und des ZK sowie Anweisungen der Politischen Hauptverwaltung der NVA. Sie erstreckt sich auf die Bereiche: ideologische und politische Arbeit, Organisationspolitik und Personalpolitik.

 

Wichtigstes Arbeitsgebiet ist die politische Arbeit in der NVA, die als Komplex vielfältiger politischer Maßnahmen und Handlungen der Kommandeure, Politorgane, Funktionäre der Partei- und Massenorganisationen mit dem Ziel der Durchführung der Politik der SED in der NVA betrieben wird. Zu ihr gehören die politische Massenarbeit, die politische Schulung, die gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung, die militärische Traditionspflege und die kulturelle Arbeit. Die Leiter und Mitarbeiter der Politorgane sind wie hauptamtliche Sekretäre der SED- und FDJ-Organisationen und der gesellschaftswissenschaftlichen Lehrkräfte als Politarbeiter Parteifunktionäre und, entsprechend ihren Aufgaben und Tätigkeitsmerkmalen, auch militärische Vorgesetzte. Der Leiter eines Politorgans untersteht als leitender Parteifunktionär dem Leiter des nächsthöheren Politorgans. Gleichzeitig ist er als Stellvertreter des Kommandeurs für politische Arbeit dem Kommandeur unmittelbar unterstellt.

 

Oberstes Organ ist die Politische Hauptverwaltung der NVA. Sie hat den Status einer SED-Bezirksleitung und ist den Abteilungen des ZK der SED gleichgestellt. Ihr unterstehen die Politorgane auf der Ebene der Militärbezirke, im Kommando der LSK/LV, im Kommando Volksmarine und im Kommando der Grenztruppen der DDR (politische Verwaltung); die Politischen Abteilungen in den Divisionen, deren Leiter zugleich erste Sekretäre der Parteiorganisation der Division sind; die vom Politstellvertreter geleiteten Polit-Gruppen in den Regimentern; die Stellvertreter des Bataillonskommandeurs für politische Arbeit; die Stellvertreter des Kompaniechefs für politische Arbeit. Die Politarbeiter, die als Offiziere tätig sind, erhalten eine Sonderausbildung an der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“. Diese Schule, 1956 als Politoffiziersschule von der KVP übernommen und 1962 aufgelöst, wurde im Februar 1968 als „Schule des Ministeriums für Nationale Verteidigung zur Heran- und Weiterbildung von Polit- und Parteikadern“ neu gegründet und im März 1970 als Hochschule konstituiert. Im Oktober 1972 erhielt sie ihren jetzigen Namen.

 

Der Politischen Hauptverwaltung der NVA obliegt die Leitung der Parteiorganisation der SED in der NVA. Diese wird von allen Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten, die Mitglieder der SED sind, gebildet. Sie hat den Rang einer Bezirksparteiorganisation, die Politische Hauptverwaltung den einer Bezirksleitung. Der Leiter der PHV ist somit Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung sowie 1. Sekretär der PO der SED in der NVA. Auf der Ebene der Militärbezirke und Divisionen existieren Parteikreise mit dem Status einer SED-Kreisleitung; sie werden von einem Sekretariat unter Leitung des 1. Sekretärs und Leiters der Politischen Verwaltung angeleitet. Ihnen unterstehen die Regimentsparteiorganisationen, in denen Bataillone mit Parteigrundorganisationen vorhanden sind. Die kleinste Einheit ist die von einem ehrenamtlich tätigen Sekretär geleitete Parteigruppe in den Kompanien.

 

Die Arbeit der Parteiorganisationen erstreckt sich vorwiegend auf den Bereich der politisch-ideologischen Schulung, auf die Durchsetzung der Parteibeschlüsse in der militärischen Praxis und auf die Initiierung und Führung des Wettbewerbs, den es seit 1959 als „Bestenbewegung“ und seit 1961, begründet durch den Wettbewerbsbefehl des Ministers für Nationale Verteidigung, als ständige Mobilisierung, als Kampagne zur Ausnützung aller persönlichen und materiellen Reserven zwecks Erfüllung der Aufgaben im Militärbereich gibt.

 

Besonderes Augenmerk richtete die SED auf die klassenmäßige Zusammensetzung des Offizierskorps, die ihr als Garantie der Zuverlässigkeit der NVA gilt. Während 1956 bereits 79,5 v. H. der Offi[S. 591]ziere Mitglieder der SED waren, wird ihr Anteil seit 1969/1970 konstant mit 98 v. H. angegeben. Als Grundpfeiler sozialistischer Staatsordnung sichert die SED mit dieser Kaderpolitik ihre führende Rolle auch in der Armee, die damit einer strikten politischen Kontrolle unterworfen ist.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 587–591


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.