DDR von A-Z, Band 1975

Produktionsfondsabgabe (1975)

 

 

Siehe auch:


 

Im Rahmen des NÖS wurde der Verbesserung des Kapitaleinsatzes größeres Gewicht gegeben; anstelle der zinslosen Finanzierung der Anlagen aus dem Staatshaushalt trat die betriebliche Eigenerwirtschaftung der Mittel und Kreditfinanzierung bei Zinszahlung (Investitionsplanung, Investitionsfinanzierung). Zur besseren Ausnutzung des vorhandenen Brutto-Anlagevermögens wurde mit Wirkung vom 1. 1. 1967 — nach experimenteller Erprobung — die P. für die volkseigene Industrie eingeführt (GBl. II, 1967, S. 115 ff.). Mit dieser zinsähnlichen Abgabe auf das gesamte Brutto-Anlagevermögen und das Umlaufkapital von grundsätzlich 6 v. H. sollen die Betriebe veranlaßt werden, ihre Anlagen möglichst rationell einzusetzen: Stillgelegte Anlagen und unverwertete Materialien kosten nunmehr Zinsen. Ziel der Maßnahme ist es, die Betriebe zu bewegen, sowohl ungenutzte oder schlecht genutzte Grundmittel an Betriebe mit besseren Einsatzmöglichkeiten zu verkaufen und übermäßige Bestände an Rohstoffen, Halb- und Fertigerzeugnissen abzubauen, als auch eine höhere Auslastung ihrer bestehenden Kapazitäten durch mehrschichtigen Einsatz zu erreichen.

 

Bemessungsgrundlagen der P. sind das Anlagevermögen zu den mit der Grundmittelumbewertung von 1963 festgesetzten Werten sowie das vorhandene Umlaufkapital, bewertet zu Anschaffungspreisen.

 

Die P. wird nicht als Kostenfaktor verrechnet, sondern ist aus dem Gewinn zu finanzieren. Die aus dem Zins resultierenden Kapitalkosten rechnen somit nicht zu den Verarbeitungskosten und sind damit auch nicht Bestandteil der Bezugsbasis des im Preis kalkulierten Gewinns (Preissystem und Preispolitik). D. h., mit der Industriepreisreform sind zwar kostengerechtere Preise, als sie vor 1964 bestanden haben, geschaffen worden, bei ihnen ist aber als wesentlichster Mangel noch immer der volkswirtschaftlich erforderliche Kapitalaufwand, unberücksichtigt geblieben. Deshalb ergab sich vor Einführung des fondsbezogenen Preises ein wesentlicher Nachteil: Solange mit dem damaligen Preistyp der Industriepreisreform der volkswirtschaftlich notwendige Kapitalaufwand im Gewinnanteil des Preises noch nicht berücksichtigt war, mußten deutliche Differenzen der rechnerischen Fondsrentabilität (Gewinn je Einheit Grund- und Umlaufmittel) zwischen den Industriezweigen auftreten, je nachdem wie kapitalintensiv sie waren. Diese Rentabilitätsunterschiede lagen nach offiziellen Angaben aus der DDR bei 88 untersuchten VVB zwischen weniger als 5 und mehr als 50 v. H., so daß 1967 15 VVB nicht in der Lage waren, eine P. in der grundsätzlich vorgesehenen Höhe von 6 v. H. zu bezahlen: 22 VVB hätten über 60 v. H. ihres Bruttogewinns dafür ausgeben müssen. Die Einführung eines einheitlichen Satzes von 6 v. H. erschien in dieser Situation unangebracht. Als Übergangslösung bis zur Einführung des fondsbezogenen Preises hat man deshalb zunächst zwischen 1,4 und 6 v. H. differenzierte Raten festgesetzt, wobei vor allem die kapitalintensiveren Zweige Ermäßigungen erhielten und für arbeitsintensivere Branchen — z. B. der Leichtindustrie — die volle Rate von 6 v. H. angesetzt wurde.

 

Nach der schrittweisen Einführung fondsbezogener Preise für eine Reihe von Erzeugnissen wurde 1971 (GBl. II, 1971, S. 33 ff.) die P. einheitlich auf 6 v. H. festgelegt (Ausnahme: Landwirtschaft). Davon sind auch die industriemäßig produzierenden privaten, genossenschaftlich oder mit staatlicher Beteiligung geführten Handwerksbetriebe erfaßt worden, allerdings hat man bei diesen die P. zur Vereinfachung der Erhebungsmethode als Produktionsfondssteuer in Relation zum Umsatz festgelegt (Neues Deutschland vom 17. 12. 1970, S. 4). Das Problem starker Unterschiede der Fondsrentabilitäten ist jedoch auch heute noch nicht überwunden, denn wegen des 1971 zunächst bis auf weiteres abgebrochenen Übergangs zu fondsbezogenen Preisen ist bei einer Reihe von Erzeugnisgruppen der Kapitalaufwand im Preis noch immer unberücksichtigt. Die Betriebe der betroffenen Branchen können die volle P. nur unter Beeinträchtigung ihrer Fondsbildung (Fonds) zahlen. Deshalb ist 1972 auch die Einführung differenzierter — für kapitalintensive Betriebe niedrigerer — P.-Koeffizienten diskutiert worden. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht akzeptiert; vielmehr scheint man bei bestimmten Betrieben mit verminderten Nettogewinnabführungsbeträgen bzw. Subventionen zu operieren.

 

Generell kann die P. durchaus als ein Instrument zur Förderung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität, wie es in der Marktwirtschaft Zins und Dividende sind, anerkannt werden. Jedoch ist ihre Funktion bisher noch durch bestehende Unvollkommenheiten der Preisbildung beeinträchtigt.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 679


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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