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Richter (1975)
Siehe auch:
1. Richterwahl. Die R. des Obersten Gerichts (Gerichtsverfassung) werden auf Vorschlag des Staatsrats durch die Volkskammer, die R. der Kreis- und Bezirksgerichte auf Vorschlag des Justizministers durch die örtlichen Volksvertretungen gewählt, und zwar jeweils innerhalb von drei Monaten nach der Neuwahl und für die Dauer der Wahlperiode der entsprechenden Volksvertretung. Zuletzt wurden ca. 900 Direktoren und R. an den Kreisgerichten im. Anschluß an die Kreis- und Gemeindewahlen vom 19. 5. 1974 gewählt. Einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Dienstverhältnis der R. und dem der übrigen Staatsfunktionäre gibt es nicht. Der Direktor des Bezirksgerichts ernennt aus dem Kreis der gewählten R. die stellvertretenden Direktoren der Kreisgerichte, der Präsident des Obersten Gerichts beruft die Ober-R. des OG. Wie ein R. Ober-R. oder stellvertretender Direktor am Bezirksgericht wird, ist im neuen GVG (vom 27. 9. 1974) nicht mehr bestimmt.
2. Voraussetzungen für das Richteramt. Nach Art. 94 der Verf. kann R. nur sein, „wer dem Volk und seinem sozialistischen Staat treu ergeben ist und über ein hohes Maß an Wissen und Lebenserfahrung, an menschlicher Reife und Charakterfestigkeit verfügt“. Denselben Wortlaut hat nunmehr auch § 44 GVG. Weitere Voraussetzungen, um zur R.-Wahl vorgeschlagen zu werden, sind der Erwerb einer juristischen Ausbildung auf einer dazu bestimmten Ausbildungsstätte und der Besitz des Wahlrechts. Ein Mindestalter ist nicht mehr vorgeschrieben. Nach ihrer Wahl werden die R. auf Einhaltung ihrer Pflichten durch die sie wählende Volksvertretung verpflichtet. Die Verpflichtung der Militär-R. der Militärgerichte und Militärobergerichte erfolgt durch den Nationalen Verteidigungsrat.
Zu den Grundpflichten des R. gehört es, die sozialistische Gesetzlichkeit zu verwirklichen, eng mit den Werktätigen zusammenzuarbeiten, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und die Staatsdisziplin zu wahren (§ 45 GVG). Weil die Aufgabe des R. als politische Funktion verstanden wird, müssen alle R. sich mit den grundlegenden Beschlüssen der SED beschäftigen und diese für ihre richterliche Tätigkeit auswerten. Sie sind verpflichtet, sich ausreichendes Grundwissen in Fragen des Marxismus-Leninismus und der politischen Ökonomie anzueignen und müssen einen festen Klassenstandpunkt haben (Neue Justiz, H. 8, 1974, S. 223). Die politische Integration der R. erfolgt über die SED, in der mehr als 90 v. H. aller R. Mitglieder sind und damit von den Grundorganisationen der Partei in den Justizorganen erfaßt werden.
3. Verantwortlichkeit und Abberufung. Alle R. sind gegenüber den sie wählenden Volksvertretungen verantwortlich, rechenschafts- und berichtspflichtig (Art. 95 Verf., § 17 GVG). Sie sind zu Stellungnahmen und Auskünften gegenüber den Volksvertretungen verpflichtet und unterliegen ggf. deren Kritikbeschlüssen. In dieser „Kontrolle der Wähler gegenüber den gewählten R. und der Rechenschaftspflicht der Gewählten gegenüber den Wählern“ werden „wichtige Formen sozialistischer Demokratie und Machtverwirklichung“ gesehen (Neue Justiz, 1974, H. 8, S. 222).
Ein R. kann vor Ablauf seiner Amtsperiode aus verschiedenen Gründen vorzeitig abberufen werden, u. a. wegen Verstoßes gegen die Verfassung oder Gesetze, wegen gröblicher Verletzung der Grundpflichten oder anderer Disziplinarvergehen (Art. 95 Verf., § 53 GVG). Das Abberufungsverfahren wird von der Volksvertretung durchgeführt, die den R. gewählt hat; ihm muß ein auf Abberufung lautender Vorschlag des Ministers der Justiz vorausgehen. Die R. am Obersten Gericht können auf Vorschlag des Staatsrats von der Volkskammer abberufen werden. Pflichtverletzungen, die ein Abberufungsverfahren nicht rechtfertigen, sollen zu einem Disziplinarverfahren führen, das nach den Vorschriften der Disziplinarordnung für R. vom 9. 11. 1963 (GBl. II, S. 777) vor einem richterlichen Disziplinarausschuß [S. 731]durchgeführt wird. Abberufungen sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 730–731