Technologie (1975)
Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1966 1969 1979 1985
Der Begriff T. wird mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Er bezeichnet a) eine Wissenschaft und b) bestimmte Betriebsabteilungen. Gelegentlich wird unter T. auch c) die Fertigungsorganisation der Industriebetriebe (Rationalisierung) und d) die technische Ausrüstung der Betriebe verstanden. 7. Technologie als Wissenschaft. Der Gegenstand der T. als Wissenschaft konnte bisher in der DDR nicht ein[S. 859]deutig bestimmt werden. Nebeneinander bestehen verschiedene Auffassungen, die sich in erster Linie in der Weite der Gegenstandsdefinition unterscheiden. Unstrittig ist seit Mitte der 50er Jahre, daß der allgemeine Untersuchungsgegenstand der T. der Fertigungsprozeß ist. Nach der gegenwärtig engsten Definition beschränkt sich die T. auf den Fertigungsprozeß als einem rein materiell-technischen Vorgang mit bestimmten technischen Regelmäßigkeiten. Am weitesten geht demgegenüber die Richtung, die neben dem materiell-technischen Vorgang auch die „geistigen Prozesse“ der Fertigung, d. h. ihre wirtschaftlichen und organisatorischen Aspekte, mit zum Gegenstand der T. zählt. Hiernach ist T. eine multidisziplinäre Wissenschaft, die neben einem naturwissenschaftlich-technischen Grundlagenbereich (Chemie, Physik), auch Teilbereiche der Wirtschaftswissenschaften sowie die Organisations- und Leitungswissenschaft umfaßt. Unterschiede in der Gegenstandsbestimmung bestehen auch dort, wo die T. einerseits ausschließlich den Fertigungsprozeß untersuchen soll, andererseits jedoch zusätzlich auch die Produktionsvorbereitung.
Seit 1969 haben die Auffassungen, die mit einer weiten Definition T. als die Wissenschaft von den naturwissenschaftlichen, technischen, wirtschaftswissenschaftlichen und organisatorischen Regelmäßigkeiten der Fertigung und Fertigungsvorbereitung als einer Einheit aus Verfahren, Ausrüstungen und Ablaufprozessen bestimmen, an Bedeutung gewonnen.
Ziel der T. ist die optimale Gestaltung des Produktionsprozesses unter Einschluß solcher Hilfsprozesse wie Transport, Lagerung und Qualitätskontrolle.
Die T. wird unterteilt in erzeugnisbezogene T. und allgemeine T. Die allgemeine T. gliedert sich in: a) Verfahrenstechnik, b) Fertigungstechnik, c) Energietechnik, d) Förder- und Hebetechnik.
Entsprechend den von Branche zu Branche abweichenden Sortimenten und Fertigungsbedingungen wurden Branchen-T. („Zweig-T.“) vor allem auf der Grundlage von speziellen Produktionserfahrungen entwickelt. Die allgemein-theoretische Fundierung ist weniger stark ausgeprägt, so daß die gegenseitige Zuordnung der verschiedenen Branchen-T. erschwert ist. Die starke Spezialisierung der Branchen-T. wie die allgemeine Unsicherheit über den Gegenstand der T. sind Gründe dafür, daß die T. bisher in Forschung und Lehre immer wieder vernachlässigt wurde, obwohl ihre praktische Bedeutung für die Umsetzung wissenschaftlicher Resultate in die Fertigungsabläufe und damit im weiteren Sinne für das wirtschaftliche Wachstum seit langem offenkundig ist.
Im Mittelpunkt der T. in Anwendung, Forschung und Ausbildung stehen a) die Verfahrenstechnik und b) die Fertigungstechnik, wenngleich seit den jüngsten Engpässen in der Energieversorgung in den Jahren 1970/71 auch die moderne Energietechnik größeres Gewicht erhalten hat. Die Verfahrenstechnik beschäftigt sich mit der technischen Durchführung von Verfahren zur chemischen und physikalischen Umwandlung natürlicher Stoffe in Erzeugnisse mit neuen verwendungsorientierten Eigenschaften. Sie wird vor allem in der chemischen Industrie, aber auch in der Lebensmittelindustrie, in der Baustoffindustrie und im Hüttenwesen angewendet. Die Verfahrenstechnik enthält auch die bisher entwickelten Verfahren und Methoden zur industriellen Abfallbeseitigung und zum Umweltschutz (Müllverwertung und Reinhaltung von Luft und Wasser). Aufgabe demgegenüber der Fertigungstechnik ist die Herstellung bzw. Bearbeitung mechanisch nutzbarer Gegenstände aus festen Stoffen. Ihre Anwendung ist mithin typisch für die metallverarbeitende Industrie. Der Entwicklungsstand der eingesetzten Verfahren, Maschinen und Werkzeuge bestimmen das Niveau der Fertigungstechnik. Der rationelle und effiziente Einsatz moderner Verfahren setzt hohe Fertigungsstückzahlen voraus, die in der metallverarbeitenden Industrie der DDR aufgrund des breiten Produktionssortiments, der kleineren Absatzmärkte und der noch im Ausbau befindlichen internationalen Fertigungsspezialisierung vielfach nicht erreicht werden. Die Veränderungen in der Verbreitung der einzelnen Hauptverfahrensgruppen der Fertigungstechnik seit 1968 zeigt jedoch, daß der Anteil der modernen Verfahren erhöht werden konnte (vgl. Tabelle „Struktur und Entwicklung der Fertigungstechnik“). Zu den modernen Verfahren zählen die Urformung durch Gießen und die Umformung, deren Anteile zwischen 1968 und 1970 von 5,5 auf 6,5 v. H. bzw. von 4,1 auf 6,1 v. H. anstiegen, während der Anteil der spanabhebenden Bearbeitungsverfahren von 31,3 auf 27 v. H. zurückging.
Die Ausbildung im Hochschulfach Verfahrenstechnik erfolgt seit 1968 (3. Hochschulreform) im Rahmen einer eigenen Grundrichtung „Verfahrensingenieurwesen“. In den Jahren davor war die Verfahrenstechnik eine Fachrichtung des Maschinenbaus. Das Studium [S. 860]gliedert sich in ein 2jähriges Grundstudium und ein jeweils 1jähriges Fach- und Spezialstudium und wird mit einem Diplom abgeschlossen. Das Lehrangebot der Hochschulen ist schwerpunktartig auf die Anwendungsfälle der einzelnen Branchen (Branchentechnologien) ausgerichtet. An folgenden Hochschulen ist Verfahrenstechnik als Fach vertreten: Technische Hochschule für Chemie „Carl Schorlemmer“, Leuna-Merseburg (Sektion Verfahrenstechnik); Bergakademie Freiberg (Sektion Verfahrenstechnik und Silikattechnik); Technische Universität Dresden (Sektion für Verarbeitungstechnik und Verfahrenstechnik); Technische Hochschule „Otto von Guericke“, Magdeburg (Sektion für Apparate- und Anlagenbau); Hochschule für Architektur und Bauwesen, Weimar (Sektion Baustoffverfahrenstechnik). Ingenieurtechnisches Personal für Verfahrenstechnik wird ferner an Ingenieurschulen und Betriebsakademien ausgebildet. Zur Beratung von Ausbildungsfragen auf der zentralen Leitungsebene besteht beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen ein „Wissenschaftlicher Beirat für Verfahrensingenieurwesen“. Die Zahl der Hochschulstudenten in der Fachrichtung Verfahrensingenieurwesen stieg zwischen 1968 und 1973 von 1811 auf 3.925 Studenten. Die Absolventenzahl verdoppelte sich von 1972 bis 1973 von 497 auf 1014 Absolventen. Zwischen 1965 und 1973 absolvierten insgesamt 3.433 Studenten ein verfahrenstechnisches Studium.
Neben den Sektionen der Hochschulen widmet sich hauptsächlich eine Reihe gut ausgestatteter Zentralinstitute der Akademie der Wissenschaften der DDR — wie die Zentralinstitute für Verfahren der organischen Chemie, für technische Chemie, für Biophysik der Forschung auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik. Forschungsstätten sind ferner die Forschungs- und Entwicklungsstellen des Maschinen- und Apparatebaus und des Chemieanlagenbaus. Zu den Schwerpunkten der verfahrenstechnischen Forschung rechnet die Petrochemie („Petrolchemie“).
2. Technologie als Betriebsabteilung. Der betriebliche Organisationsbereich T. befaßt sich mit der Planung, Analyse sowie mit der unmittelbaren Festlegung der Fertigungsabläufe. Da analog zur unscharfen Bestimmung der T. als Wissenschaft auch über die praktischen Aufgabenfelder der T. bisher keine allgemeine Übereinstimmung besteht, wird die institutionelle und funktionelle Einordnung der T. in die Industriebetriebe unterschiedlich vorgenommen. Erhebliche Differenzen bestehen sowohl bei der organisatorischen Einbettung der T.-Abteilungen in die Industriebetriebe, ihrem internen Organisationsaufbau wie bei der Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals („Technologen“). Im Maschinenbau gliedert sich die T.-Abteilung in der Regel in folgende Unterbereiche: Planung (einschl. Kapazitätsberechnungen und Betriebsvergleiche), Erprobung (von Forschungsresultaten und Verbesserungsvorschlägen), Fertigungsvorbereitung, Arbeitsstudium und -normung, Fertigungsmittel (Werkzeuge, Vorrichtungen). Werkstattprinzip; Erzeugnisprinzip; Automatisierung.
Fundstelle: DDR Handbuch. Köln 1975: S. 858–860
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