DDR von A-Z, Band 1979

Berliner Konferenz katholischer Christen aus europäischen Staaten (BK) (1979)

 

 

Siehe auch:

  • Berliner Konferenz europäischer Katholiken (BK): 1985
  • Berliner Konferenz Katholischer Christen (BK): 1975

 

Die BK wurde 1964 in der DDR ins Leben gerufen. Die Initiative ging von katholischen Funktionären der CDU der DDR, vor allem dem 1950 aus der Bundesrepublik Deutschland in die DDR übergesiedelten Publizisten Otto Hartmut Fuchs sowie dem inzwischen verstorbenen ehemaligen Zentrumsabgeordneten Karl Grobbel aus.

 

Etwa 140 Katholiken aus 12 europäischen Staaten trafen sich zur I. Tagung der BK im November 1964 in Berlin (Ost). Das Thema lautete: „Dauerhafte Friedensordnung durch Vertrauen und Verträge“. Neben führenden Mitgliedern der CDU, Funktionären der polnischen PAX- sowie der Christlich-Sozialen Bewegung, Friedenspriestern aus Ungarn und der ČSSR. litauischen Priestern nahm ferner eine größere Anzahl von Linkskatholiken und Pazifisten aus mehreren westeuropäischen Ländern teil. In einer „Berliner Erklärung“ bekannte sich die BK unter Berufung auf die 1963 veröffentlichte Enzyklika Papst Johannes' XXIII. „Pacem in terris“ zu den „Friedensprinzipien der Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit“. Sie wandte sich gegen Wettrüsten, vor allem gegen die in Westeuropa unter Beteiligung der USA geplante multilaterale Atomstreitmacht (MLF).

 

Seither fanden in etwa 2jährlichem Turnus weitere Vollversammlungen jeweils in Berlin (Ost) mit bis zu 300 Teilnehmern statt; die letzte (VI.) fand im November 1977 unter dem Motto „Europa — Abrüstung — Solidarität“ statt. Bei dieser Veranstaltung wurde u. a. auch das Thema „Eurokommunismus“ lebhaft diskutiert.

 

Neben den Plenarversammlungen tritt ein sog. „Internationaler Fortsetzungsausschuß“ (IFA), der seinen Sitz ebenfalls in Berlin (Ost) hat, mehrmals jährlich zusammen. Außerdem werden in regelmäßigen Abständen Regionalkonferenzen in verschiedenen europäischen Ländern und zu unterschiedlichen Themen durchgeführt (z. B. Frauen- und Jugendtreffen).

 

Seit der II. Plenarversammlung 1966 versteht sich die BK als „Forum katholischer Friedenskräfte aus ganz Europa zur Beratung und Aktivierung des Friedensdienstes auf der Grundlage der Lehre der Kirche“. Als gleichgesinnte Partner erwiesen sich nicht nur die mehr protestantisch ausgerichtete Christliche Friedenskonferenz (CFK), sondern auch die vornehmlich in Westeuropa aktive und von der Kirche offiziell unterstützte katholische Friedensbewegung „Pax Christi“ Wegen der politischen Festlegung dieser Gruppierung auf die Politik der kommunistisch regierten Staaten und wegen des Widerstandes vor allem der katholischen Bischöfe in der DDR gegen die „Pax“-Bewegung haben sich Priester aus beiden Teilen Deutschlands bisher von den BK-Veranstaltungen nahezu ausnahmslos ferngehalten.

 

Auch der Vatikan, um dessen Gunst sich der Vorsitzende des Präsidiums der BK, Fuchs, und seine Freunde seit Jahren bemühen, blieb bisher auf Distanz. Dennoch ist es BK-Präsidiumsmitgliedern in einigen Fällen gelungen, vom päpstlichen Prälaten empfangen zu werden. Bischöfe wie der ehemalige Utrechter Erzbischof Kardinal Alfrink, und der Wiener Kardinal König, päpstlicher Beauftragter für den Kontakt mit den Nichtglaubenden, bekundeten zeitweilig ihr Interesse an der Arbeit der BK. An den beiden letzten Plenarversammlungen in Berlin (Ost) nahmen auch einige ungarische Bischöfe teil.

 

In eine Krise geriet die BK im Herbst 1968 durch dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR. Im IFA kam es damals zu scharfen Auseinandersetzungen über die Invasion und ihre Folgen für die Friedenspropaganda, in deren Verlauf eine Reihe von Mitgliedern aus dem Westen den IFA verließ.

 

Weitgespannt sind die internationalen Aktivitäten der BK: Führende Funktionäre bereisten erst kürzlich u. a, auch Litauen und Lettland, während Treffen in anderen osteuropäischen Ländern längst selbstverständlich geworden sind. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gab es einige kleinere Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit örtlichen oder regionalen Pax-Christi-Gruppen. Der Tübinger Politologe Dr. W. Kralewski wurde inzwischen in das BK-Präsidium gewählt. Seit kurzem strebt die BK die Errichtung von festen Stützpunkten in Spanien und Portugal an. Zur chilenischen Unidad Popular im Exil werden enge Beziehungen unterhalten. Die BK genießt in der DDR aktive Unterstützung seitens des Staates, der ihr die Funktion eines Werbeträgers für die Politik der SED im katholischen Volksteil zugedacht hat. Darüber hinaus ist ihr die Aufgabe ge[S. 163]stellt, Verbindungen zu kooperationswilligen Gruppen von Katholiken in Ost- und Westeuropa herzustellen bzw. auszubauen. Die Finanzierung der verschiedenen Aktivitäten dürfte über die Nationale Front der DDR erfolgen. Das Auftreten größerer Sympathisanten-Gruppen aus dem Westen soll der Masse der katholischen Bevölkerung in der DDR den Eindruck vermitteln. als unterstütze das katholische Europa die BK und die von ihr vertretenen Ziele. Auf diese Weise will die SED-Führung offensichtlich die Reserve der Mehrheit der Katholiken und die Ablehnung der Bischöfe gegenüber der BK überwinden.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 162–163


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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