
Binnenhandel (1979)
I. Grundlagen
Der B. ist derjenige Teil des Handels, der als Hauptträger der Warenzirkulation Produktion und Konsumtion miteinander verbindet und aktiv auf beide einwirkt. In der DDR wird das Hotel- und Gaststättenwesen auch zum B. gerechnet. Die ungenügende ideologische Fundierung des B., dem im Sozialismus nur eine zeitliche Bedeutung zukommt, bis der Kommunismus und damit die Verteilung nach den Bedürfnissen erreicht ist, führte dazu, daß der B. als Instrument der Verteilung der Güter der Abteilung II lange Zeit „Stiefkind des wirtschaftlichen Aufschwungs“ (Honecker) war. Zwar wurden bereits 1953 zur Zeit des Neuen Kurses nach Stalins Tod unter dem damaligen sowjetischen Handelsminister Mikojan, der die bisherige Unterbewertung und Vernachlässigung der Rolle des B. kritisierte, zögernde Anläufe auch in der DDR gemacht; aber die entscheidende Erkenntnis, daß der Konsumgütermarkt und die Konsumgüterverteilung volkswirtschaftliche Wachstumsfaktoren sind, setzte sich erst während des NÖS vor allem nach dem VII. Parteitag der SED 1967 durch.
Im Gesetz über den Fünfjahrplan 1971–1975 wurde schließlich die Forderung aufgestellt: „Auf dem Gebiet des Handels sind alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren, daß in den Verkaufsstellen, Kaufhallen und Warenhäusern sowie in den Gaststätten sichtbare Veränderungen bei der Versorgung der Bevölkerung erreicht werden.“ Dennoch sind bis in die Gegenwart ― kaum erkennbar ― Verbesserungen zu verzeichnen. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die zu niedrigen Investitionen, die bis 1976 ständig unter dem Stand von 1969 lagen; erst 1977 zeichnete sich eine Wende ab. Bei weitgehend unveränderter Beschäftigtenzahl wurde trotz ständig steigenden Warenangebots bis 1974 weder die Verkaufsraumfläche ausgedehnt noch die notwendige technische Modernisierung in Groß- und Einzelhandel vorgenommen. Diese Mängel in der Distributionssphäre potenzierten in der Vergangenheit die vorhandenen Schwierigkeiten, die bei der Versorgung der Bevölkerung durch zu niedrige oder fehlgeplante Warenfonds auftraten. Zusätzlich ergaben sich regionale Verschlechterungen der Einkaufsbedingungen durch den Konzentrationsprozeß (Großraumverkaufsstellen) sowie den ständigen Rückgang der privaten und Kommissionshandelsverkaufsstellen.
Entsprechend den von Honecker auf dem IX. Parteitag der SED (1976) aufgestellten Forderungen sollte durch erhöhte Investitionen die notwendige Modernisierung in Groß- und Einzelhandel vorgenommen und durch den Ausbau der Direktbeziehungen der Umschlagprozeß der Waren beschleunigt werden. Auf der Grundlage des unveröffentlichten Polit- und Ministerratsbeschlusses vom 12. 2. 1976 „Zur Förderung privater Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten und Handwerksbetriebe für Dienstleistungen im Interesse der weiteren Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung“ werden nun wieder Gewerbegenehmigungen zur Eröffnung privater Geschäfte erteilt, Kredite als Starthilfen vergeben und der berufliche Nachwuchs gefördert.
Die Umgestaltung der einzelnen Binnenhandelszweige vollzog sich seit 1945 unterschiedlich schnell. Gegenwärtig ist der Binnenhandel in erster Linie Konsumgüterhandel, gegliedert in Groß- und Einzelhandel; der Produktionsmittelhandel spielt dagegen eine untergeordnete Rolle.
II. Der Produktionsmittelhandel
Der Produktionsmittelhandel umfaßt denjenigen Teil der Produktionsmittelzirkulation, der nicht im [S. 224]Direktverkehr (Direktbezug), d. h. ohne Zwischenlagerung vom Produzenten zum Bedarfsträger geht. Er ist das Bindeglied zwischen Produktion und produktiver Konsumtion. Sein Anteil an der gesamten Produktionsmittelzirkulation beträgt nur etwa 35 v. H. Die Stellung des Produktionsmittelhandels war aufgrund der marxistisch-leninistischen Theorie längere Zeit umstritten. Noch 1955 galt die sowjetische Auffassung auch in der DDR, daß Produktionsmittel keinen Warencharakter hätten. Unmittelbar nach dem Kriege bildete er jedoch aufgrund des beschränkten Konsumgüterumsatzes den Schwerpunkt im Großhandel.
1958–1966 waren für den Produktionsmittelhandel die Absatzabteilungen der Produktionsministerien und die von der Deutschen Handelszentrale (DHZ) gebildeten Staatlichen Kontore zuständig. Diese wurden 1966 den neugegründeten Industrieministerien und dem Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie unterstellt. Die 13 Staatlichen Kontore sind zentrale Leitungsorgane, die branchenmäßig (z. B. staatliches Holzkontor, staatliches Kohlenkontor) gegliedert sind. Den Staatlichen Kontoren sind Versorgungskontore nachgeordnet, die als Sortimentsgroßhandelsbetriebe für die planmäßige Versorgung ihrer Abnehmer verantwortlich sind.
Neben dem industriellen Produktionsmittelhandel entstanden der Versorgungs- und Erfassungsgroßhandel der Landwirtschaft und der Vermittlungsgroßhandel; hier ist von besonderer Bedeutung das Staatliche Vermittlungskontor für Maschinen und Materialreserven. Es hat Lenkungsfunktionen bei der Erfassung und Verteilung von wertgeminderten Maschinen, Produktionsmaterial und nichtmetallischen Altstoffen; dazu gehörte bis Ende 1974 auch der Gebrauchtwagenhandel.
III. Handel
A. Der Großhandel gilt als verselbständigte Handelsstufe und umfaßt heute in erster Linie den Konsumgütergroßhandel, der die Funktion eines Bindegliedes von Produktion und Konsumtion hat. Auf „Vorschlag“ von Ulbricht auf der 1. Parteikonferenz im März 1946 wurden Ende 1946 Handelskontore geschaffen, an denen zu 51 v. H. staatliches und zu 49 v. H. privates Kapital beteiligt war (an denen Konsumgenossenschaften und Großhandel beteiligt waren). Ihnen oblag die Fertigwarenbewegung, den gleichzeitig entstandenen Industriekontoren die Rohstoffbewegung.
1948 wurde als Dachorganisation für den Großhandel die Deutsche Handelsgesellschaft (DHG-Berlin) geschaffen, die bereits 1949 in die Deutsche Handelszentrale (DHZ) übergeleitet wurde. Sie unterstand zunächst der Deutschen Wirtschaftskommission und später den Fachministerien; neben reinen Verteilungsfunktionen hatte sie auch echte Handelsfunktionen. Die noch im erheblichen Umfange bestehenden privaten Firmen mußten ihre Produktionsmittel über die eigens dafür gegründeten Vertragskontore beziehen. Ihre Handelsspannen waren extrem niedrig (6–15 v. H.) und mußten teilweise mit dem staatlichen Großhandel geteilt werden. Der private landwirtschaftliche Großhandel wurde zunächst auf die Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BGH) verlagert.
1953 wurden die Großhandelskontore gebildet und direkt dem Ministerium für Handel und Versorgung unterstellt.
Im Jahr 1955 war die Sozialisierung des Großhandels als einer „Kommandohöhe der Volkswirtschaft“ (Lenin) weitgehend abgeschlossen, nur noch 10 v. H. des Umsatzes wurden vom privaten und halbstaatlichen Großhandel getätigt. Gegenwärtig beträgt der Anteil rd. 2 v. H. des Umsatzes; die halbstaatlichen Großhandelsbetriebe sind 1972 nicht wie die Mehrzahl der übrigen halbstaatlichen Betriebe in Volkseigentum umgewandelt worden.
Im Jahr 1960 sind die volkseigenen Großhandelskontore mit den konsumgenossenschaftlichen Großhandelsbetrieben zu volkseigenen Großhandelsgesellschaften (GHG) zusammengeschlossen worden (GBl. I, 1960, Nr. 20). Nach Branchengruppen gegliedert, unterstanden sie bis 1968 den Räten der Bezirke bzw. der Kreise. Ebenfalls 1960 wurden als wirtschaftsleitende Organe 6 Zentrale Warenkontore (ZWK) für die Warenversorgung mit Industriewaren und Nahrungsmitteln gegründet. Seit 1968 obliegt ihnen, und nicht mehr den Räten der Bezirke, die Gründung der als GHG organisierten sozialistischen Großhandelsbetriebe.
Seit dem 1. 1. 1974 ist die bis dahin dem Verband der Konsumgenossenschaften unterstellte „Zentrale Wirtschaftsvereinigung Obst, Gemüse, Speisekartoffeln“ (OGS) auch volkseigenes Großhandelsorgan. Von den rd. 200 sozialistischen Großhandelsbetrieben sind diejenigen der zentralen Wirtschaftsvereinigung OGS jedoch nicht als GHG organisiert. Ebenfalls nicht als Gesellschaft organisiert sind der VE Handelsbetrieb Exquisit, der den gesamten Einzelhandel mit Exquisiterzeugnissen zu versorgen hat, sowie das Zentrale Handelsunternehmen Delikat (Exquisit- und Delikatläden).
Die Betriebe des Großhandels „Waren des täglichen Bedarfs“ (WtB) und OGS müssen die gleiche Umsatzleistung erbringen wie alle Betriebe des Industriewarengroßhandels zusammen, zugleich beliefern sie annähernd doppelt so viele Verkaufseinrichtungen.
B. Der Einzelhandel ist das letzte Glied in der Warenzirkulation; auch in diesem Bereich überwiegt die sozialistische Eigentumsform in der Form des volkseigenen Einzelhandels (HO) sowie des genossenschaftlichen Einzelhandels (KG), die 1977 einen Anteil von 87 v. H. am Einzelhandelsumsatz (ein[S. 225]schließlich Gaststättenumsatz) erzielen konnten. Der Rest entfällt zu annähernd gleichen Teilen auf Kommissions- und Privathändler.
1. Der volkseigene Einzelhandel (HO). Die Handelsorganisation HO wurde auf Beschluß Nr. 257 der Deutschen Wirtschaftskommission vom 20. 10. 1948 als zweiter sozialistischer, heute wichtigster Träger des Einzelhandels gegründet. Die HO-Verkaufsstellen hatten zunächst allein die Genehmigung, rationierte Lebensmittel und Gebrauchsgüter frei zu verkaufen. Ihnen fiel die Aufgabe zu, durch stark überhöhte Preise die Kaufkraft offiziell abzuschöpfen und die abgeschöpften Beträge an den Staatshaushalt abzuführen (Preissystem und Preispolitik). 1950 hatte die HO bereits einen Umsatzanteil von über 30 v. H. erreicht, ihr Anteil blieb aber aufgrund des gespaltenen Preisniveaus bis zur Aufhebung der Rationierung 1958 preislich verzerrt.
Die rd. 300 volkseigenen Einzelhandelsbetriebe erbringen über 50 v. H. des gesamten Einzelhandelsumsatzes. Neben den volkseigenen Einzelhandelsbetrieben HO bestehen als wichtige sozialistische Einzelhandelsbetriebe das Warenhaus und das Interhotel.
Weitere Betriebsformen der HO sind die teilweise regional zusammengefaßten Kaufhallen und Kaufhausverbände.
Spezifische sozialistische Einzelhandelsbetriebsformen sind: die Betriebe des Wismuthandels zur Versorgung der Beschäftigten der deutsch-sowjetischen Wismut-AG, der Spezial- und Militärhandel zur Versorgung der sowjetischen Streitkräfte, der NVA und der Grenztruppen der DDR sowie, seit 1975, der dem Ministerium für Außenhandel unterstellte Versorgungsbetrieb VERSINA für die Angehörigen des Diplomatischen Corps.
2. Die Konsumgenossenschaften (KG) spielten bei der Umgestaltung des B. eine wichtige Rolle. Mit SMAD-Befehl Nr. 176 vom 18. 12. 1945 erhielten die während der Nazizeit aufgelösten und unmittelbar nach Kriegsende wiedererrichteten KG ihre Rechtsgrundlage. Zu ihrer früheren Funktion als reine Verbraucherorganisation trat ihre Rolle als politisches Instrument. „Sie verkörpern die Einheit von gesellschaftlicher Massenorganisation und sozialistischem Handelsorgan“ (Wörterbuch der Ökonomie — Sozialismus, Berlin [Ost] 1973, S. 484). Mit 4,1 Mill. Mitgliedern entwickelten sie sich zur zweitgrößten Massenorganisation nach dem FDGB. Seit 1953 mußten die KG zugunsten der staatlichen Einzelhandelsorgane ihren traditionellen Schwerpunkt aus den Städten auf das flache Land verlegen, wo mit den Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG) eine Arbeitsteilung herbeigeführt wurde, indem die KG alle Waren außer den bäuerlichen Bedarfsartikeln führen. Ihnen fiel die wichtige Rolle zu. die Kollektivierung der Landwirtschaft vorzubereiten.
Die KG sind in dem 1949 gegründeten und nach den Prinzipien des Demokratischen Zentralismus aufgebauten Verband Deutscher KG (VDK) organisiert. 1970–1972 wurden die bis dahin bestehenden über 900 KG zu knapp 200 KG auf der Kreisebene zusammengeschlossen. Die KG erzielen etwa ein Drittel des gesamten Einzelhandelsverkaufsumsatzes. Der Hauptanteil von 64 v. H. entfällt dabei auf Nahrungs- und Genußmittel.
Daneben besitzen die KG ca. 250 Produktionsbetriebe, in denen 1971 Konsumgüter im Werte von 4,5 Mrd. Mark produziert wurden.
3. Der Kommissionshandel bildet die dritte Eigentumsform im Einzelhandel. Er besteht seit 1956 (GBl. I. Nr. 6) als besondere Form der Einbeziehung der privaten Einzelhändler in den Sozialismus in Anlehnung an die Betriebe mit staatlicher Beteiligung in der Industrie. Der Kommissionshändler führt seine Geschäfte nicht mehr auf eigene Rechnung, für die Waren hat er eine Kaution von 33⅓ v. H. des Warenwertes zu stellen. Er unterliegt einer den Sätzen der Lohnsteuer ähnlichen Belastung und ist von Umsatz- und Gewerbesteuer befreit. Die Kommissionsverträge werden seit 1959 nur noch mit der HO und KG abgeschlossen. Die gesetzliche Grundlage für den Kommissionshandel wurde erst 1966 mit der „Kommissionshandelsverordnung“ geschaffen (GBl. II, Nr. 68). 1971 wurden für den Kommissionshandel Steuererhöhungen eingeführt (GBl. II, 1970, Nr. 97), die Beschäftigtenzahl wurde bis auf Ausnahmefälle auf 3 begrenzt.
4. Der private Einzelhandel verlor aufgrund der massiven Förderung der KG und der Errichtung der HO seit 1950 immer stärker an Bedeutung. Ungünstige Steuerregelungen, extrem niedrige Handelsspannen, die Benachteiligung der Warenzuteilung und die Propagierung des Kommissionshandels bewirkten. daß sein Anteil am Gesamtumsatz 1977 nur noch reichlich 5 v. H. auswies. Davon betrug bis 1966 der Anteil des Handwerks mit Einzelhandel fast 50 v. H., seitdem fehlt ein getrennter statistischer Ausweis. Ebenso wie die Kommissionshändler gehört der private Einzelhandel den Industrie- und Handelskammern (IHK) an.
IV. Beschäftigte, Verkaufsstellen, Umsatz
Im Jahr 1977 gab es rd. 700.000 Berufstätige im Handel einschließlich der Hotels und Gaststätten. Auf den volkseigenen Großhandel entfielen davon 100.800, auf den volkseigenen Einzelhandel 295.500 Beschäftigte. Im konsumgenossenschaftlichen Einzelhandel sind 207.600 Personen beschäftigt gewesen. Im Kommissionsgroß- und -einzelhandel gab es 51.300 und im priva[S. 226]ten Groß- und Einzelhandel 44.200 Berufstätige, davon waren in beiden Eigentumsformen zusammen 56.000 Arbeiter und Angestellte.
Von den ca. 100.000 Verkaufsstellen (1978) mit 4,8 Mill. m² Verkaufsraumfläche entfielen auf den sozialistischen Einzelhandel 80 v. H., während der Rest private und Kommissionshandelseinrichtungen sind, deren Anteil an der Verkaufsfläche nur 20 v. H. betrug.
Die sog. Großraumverkaufsstellen (Kaufhallen. Warenhäuser und Kaufhäuser) sind ausschließlich volkseigen oder konsumgenossenschaftlich. Ihr Anteil an der gesamten Verkaufsraumfläche ist jedoch mit rd. 15 v. H. noch recht niedrig.
Vom größten Verkaufsstellentyp, dem Warenhaus (Mindestverkaufsraum 2.500 m²), gibt es erst mehr als 30, zwei Drittel davon entfallen auf den Typ VE CENTRUM, und ein Drittel gehört zu den KG Warenhäusern „konsument“.
Daneben gibt es etwa 90 Kaufhäuser (Mindestverkaufsraum 1000 m²); ebenfalls zwei Drittel sind HO-Kaufhäuser mit dem Schwerpunkt Textil- und Bekleidungserzeugnisse.
Als wichtigste Vertriebsform für WtB hat sich in den letzten Jahren die Kaufhalle (Mindestverkaufsraum 200 m²) entwickelt (1978: 900). Davon entfallen ebenfalls zwei Drittel auf HO-Kaufhallen.
Für die Versorgung auf dem flachen Land spielen die von den KG betriebenen, rd. 300 ländlichen Einkaufszentren eine zunehmende Rolle.
Als letzte Vertriebsform ist der Versandhandel zu erwähnen, der mit einem Anteil von weniger als 1 v. H. niemals eine nennenswerte Rolle gespielt hat. 1974 wurde er ohne offizielle Bekanntgabe einge[S. 227]stellt. Seit 1956 bestand lediglich ein Versandhaus der HO in Leipzig und seit Ende der 60er Jahre eines der KG in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).
V. Leitungsstruktur, Planung, Rationalisierung und Kooperation
A. Die Leitungsstruktur war in der Vergangenheit ständigen Umorganisationen unterworfen. Ihre Kompliziertheit trägt zur geringen Flexibilität im B. bei.
Zentrales staatliches Leitungsorgan für den Handel ist das Ministerium für Handel und Versorgung, örtliche Leitungsorgane sind die Räte der Bezirke. Nach dem VII. Parteitag der SED (1967) wuchs zunächst die Selbständigkeit der Handelsbetriebe, seit der Rezentralisierung Ende 1970 (GBl. II. Nr. 100) ist dagegen die Befugnis der Räte der Bezirke wieder erweitert worden. Ihre Rechte sind im Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen (GBl. I, 1973, Nr. 32) niedergelegt. Danach sind sie für die Grundlinie der Entwicklung des gesamten Handelsnetzes in ihren Territorien verantwortlich.
Als zentrale wirtschaftsleitende Organe fungieren die 4 Zentralen Warenkontore (ZWK) für den Industriewarengroßhandel, die Großhandelsdirektion Textil- und Kurzwaren (bis 1965 ZWK), die Hauptdirektionen Wismut- und Spezialhandel sowie die Vereinigung Interhotel und die Vereinigung Volkseigener Warenhäuser CENTRUM. Daneben bestehen die zentralgeleiteten Betriebe und Einrichtungen des Ministeriums für Handel und Versorgung. Das ZWK Großhandel WtB, die zentrale Wirtschaftsvereinigung OGS sowie die Hauptdirektion [S. 228]HO sind lediglich zentrale Koordinationsorgane, während die bezirklichen Organe die wirtschaftsleitende Funktion im Rahmen der örtlichen staatlichen Leitung, d. h. der Abteilung Handel und Versorgung bei den Räten der Bezirke, wahrnehmen.
Im Bereich des VDK gibt es als zentrale wirtschaftsleitende Organe die zentralen Produktionsbetriebe und das Zentrale Unternehmen „konsument“, das im Gegensatz zur VVW CENTRUM nach dem Kombinatsprinzip (Betriebsformen und Kooperation, III.) aufgebaut ist.
B. Die Planung im B. ist derjenige Faktor, der von den Mängeln in der Distributionssphäre und der Leitungsstruktur Hauptursache für Versorgungsschwierigkeiten ist. Sowohl modischen als auch saisonalen Schwankungen wurde das starre Planungssystem bisher nicht gerecht. Die bedarfsgerechte Versorgung ist daher seit dem VIII. Parteitag der SED (1971) immer stärker in den Vordergrund gerückt worden.
Als „bestimmende Größe“ der Planung des B. soll daher der Bedarf gelten. Laut Planungsordnung (GBl., SDr., Nr. 775 a, S. 379) hat die Planung auf der Grundlage von Markt und Marktforschung zu erfolgen; dieses wichtige Instrumentarium ist jedoch immer noch wenig entwickelt.
Unabhängig von den unbefriedigenden Ergebnissen der Bedarfsforschung sind nach wie vor die Ursachen für die z. T. nicht bedarfsgerechte Produktion im Mechanismus der zentralen Planung zu suchen. Bis 1976 galten zudem unterschiedliche methodische Regelungen für die Planung der wirtschaftsleitenden Organe einerseits und die staatlichen Organe andererseits. Erst im Rahmen der Planungsordnung aus dem Jahr 1974 (GBl., SDr., Nr. 775) wurden einheitliche Regelungen ausgearbeitet. Aber auch eine stärker vereinheitlichte Planungsordnung ist nicht in der Lage, den bisher zu geringen Einfluß des Handels auf die Produktion zu stärken. Zwar bildet die Planung des Handels die Grundlage für die Planung der Konsumgüterproduzenten, sie erfolgt jedoch lange vor dem Verbrauchszeitraum. In der Praxis schließen die Großhandelsbetriebe auf den Konsumgütermessen im Herbst Verträge für die jeweils nächste Planperiode ab. für welche die Planauflagen noch nicht bekannt sind. Auch mit entsprechenden Regelungen, wie Planungstoleranzen sowie Kapazitäts- und Dispositionsreserven, konnte man dieses Problem bisher nicht lösen. Im Rahmen der betrieblichen Planung hat sich in der Vergangenheit die Hauptkennziffer Warenumsatz zu Einzelhandelspreisen als Hindernis für die bedarfsgerechte Versorgung erwiesen, da sie ausschließlich den Verkauf teuerer Waren stimuliert. Auch die 1968 eingeführte Kennziffer Handelsfondsabgabe hatte negative Auswirkungen auf die Versorgung, weil der Einzelhandel seine Lagerhaltung auf das plangebundene Minimum reduzierte, um die Abgabe so gering wie möglich zu halten. Daneben bestehen staatliche Plankennziffern wie: Warenfonds, Bilanzteile für zentral bilanzierte Konsumgüter, Lohnfonds. Nettogewinn und Nettogewinnabführung.
C. Rationalisierung und Kooperation gelten als wichtigste Faktoren, um den B. effizienter zu gestalten. In der Zeit nach dem VII. Parteitag der SED (1967) standen dem B. zwar höhere, jedoch keineswegs ausreichende Investitionen zur Modernisierung und Rationalisierung zur Verfügung. Ab 1971 galt dagegen die Devise, ohne Erhöhung der Investitionen zu rationalisieren. Schrittmacher war und ist dabei auf dem Gebiet des Verkaufsstellennetzes die Stadt Bergen auf Rügen. Das „Bergener Modell“ wird hinsichtlich seiner Umorganisation und Zusammenfassung von bestehenden Verkaufsstellen unterschiedlicher Eigentumsformen nach Sortimentskomplexen propagiert. Erfolge hat es vor allem in kleineren Städten gebracht.
In der Fünfjahrplanperiode bis 1980 stehen wieder höhere Investitionsmittel zur Verfügung, mit denen 40 v. H. des Verkaufsstellennetzes umgestaltet und 25 v. H. der Lagerfläche rationalisiert bzw. neu geschaffen werden sollen. Der Anteil des Handels am Nationaleinkommen von bisher konstant knapp 15 v. H. soll bis 1980 erhöht werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Ausbau des Direktbezuges, um Lagerflächen bei Einzel- und Großhandel einzusparen.
Weitere Anstrengungen werden gegenwärtig beim Ausbau der vertikalen und horizontalen Kooperation innerhalb des Handels gemacht. Groß- und Einzelhandelsbetriebe arbeiten zwecks besserer Arbeitsteilung z. B. mit Dienstleistungsbetrieben zusammen. Im Rahmen des Technikhandels wurde in [S. 229]diesem Sektor das „Kontaktringsystem“ aufgebaut. Auch die vertikale Kooperation zwischen Handel und Industrie, die überhaupt erst Ende der 60er Jahre einsetzte, wird allmählich intensiviert. Vorreiter bei der Durchführung dieser Maßnahmen war der Wirtschaftsverband Bekleidung, in dem auf der Grundlage gemeinsamer Sortimentskonzeptionen zwischen Konsumgüterindustrie und Handel die Zusammenarbeit vertraglich geregelt ist.
Ebenso kann der Ausbau der Konsumgütermessen, die ursprünglich nur im Textil- und Bekleidungsbereich stattfanden, als ein Fortschritt angesehen werden.
Auf dem Nahrungsmittelsektor gewinnt in der letzten Zeit, insbesondere seit dem Jahr 1976, die sog. vertikale Kooperation in der „Mundproduktion“ an Bedeutung. Auf der Grundlage von Kooperationsvereinbarungen werden volkseigene und genossenschaftliche Verkaufseinrichtungen von den Nahrungsgüterproduzenten direkt beliefert. Im Jahr 1977 bestanden rd. 650 derartiger Kooperationsverkaufsstellen.
Maria Haendcke-Hoppe
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 223–229
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