DDR von A-Z, Band 1979

Eigentum (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985

 

I. Die Eigentumsordnung in der DDR

 

 

Die E.-Ordnung in der DDR hat nach 1945 durch Bodenreform, Enteignung der Schlüsselindustrien, Banken, Versicherungsunternehmen, Enteignung der als Kriegsverbrecher und aktive Nationalsozialisten angesehenen Personen, Treuhandverwaltung von Flüchtlingsvermögen, individuelle Enteignungen mit Mitteln der Wirtschafts- und Steuerpolitik, Einführung staatlicher Beteiligung an Privatbetrieben, Vergenossenschaftung der Landwirtschaft und des Handwerks usw. eine grundlegende Umgestaltung erfahren. Die eigentumsrechtlichen Bestimmungen der Verfassung von 1949 und des BGB, die bis 1968 bzw. 1975 galten, entsprachen nicht mehr der wirklichen Rechtslage. Eine generelle Rechtsgrundlage hat die E.-Ordnung durch die Art. 9–16 der Verfassung vom 6. 4. 1968 i. d. F. vom 7. 10. 1974 (GBl. I, S. 432) erhalten. Die konkreten Regelungen zur E.-Ordnung sind nunmehr im Zivilgesetzbuch (ZGB) (Zivilrecht) vom 19. 6. 1975 (GBl. I, S. 465), insbesondere in dessen 2. Teil, zu finden.

 

II. Eigentumsformen

 

 

Kennzeichnend für die E.-Ordnung der DDR ist die Überwindung des monistischen E.-Begriffs des bürgerlichen Rechts und seine Aufspaltung in mehrere E.-Formen unter dem Gesichtspunkt ihrer sozialen und wirtschaftlichen Funktion sowie ihrer Zweckbindung.

 

Grundlage der Volkswirtschaft in der DDR ist das sozialistische E., das seinerseits in 3 Erscheinungsformen vorkommt: als gesamtgesellschaftliches Volks-E., als genossenschaftliches Gemein-E. werktätiger Kollektive und als E. gesellschaftlicher Organisationen der Bürger (Art. 10 Abs. 1 Verf.). Hiervon werden als weitere Formen des E. das persönliche E. und das Privat-E. unterschieden, wobei letzteres als eigenständige rechtliche Kategorie nicht mehr behandelt wird. Die E.-Ordnung wird im Verständnis des Marxismus-Leninismus als entscheidendes Element der gesamten politischen wie gesellschaftlichen Ordnung begriffen. Mit ihr werden sowohl der sozialistische Charakter der Gesellschaft als auch z. B. die für sie spezifischen Formen der Mitwirkungsrechte begründet.

 

A. Das sozialistische Eigentum

 

 

1. Das gesamtgesellschaftliche Volkseigentum gilt als die höchstentwickelte Form des sozialistischen E., da es fast völlig vergesellschaftet ist. Im Hinblick auf den Gegenstand des gesamtgesellschaftlichen Volks-E. gelten keine Begrenzungen. Für bestimmte Objekte ist die Form des Volks-E. zwingend, so für die Bodenschätze, die Bergwerke, Kraftwerke, Talsperren, großen Gewässer, die Naturreichtümer des Festlandsockels, Banken und Versicherungseinrichtungen, die volkseigenen Güter, die Verkehrswege, die Transportmittel der Eisenbahn, Seeschiffahrt und Luftfahrt, die Post- und Fernmeldeanlagen sowie ― seit der Verfassungsänderung vom 7. 10. 1974 ― für alle Industriebetriebe. An diesen Objekten ist Privat-E. unzulässig (Art. 12 Abs. 1 Verf.).

 

Als Subjekt gelten der Staat und das Volk, wobei in rechtlicher Hinsicht Subjekt letztlich der Staat als „politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land“ ist (Art. 1 Abs. 1 Verf.). Die Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse des Eigentümers übt der Staat durch seine Wirtschaftsverwaltungsorgane und durch die von diesen eingesetzten Leiter der Volkseigenen Betriebe, volkseigenen Güter und sonstigen staatlichen Einrichtungen aus. Das Fehlen einer privaten Verfügungsmacht über Produktionsmittel in den genannten Bereichen wird zugleich als Voraussetzung dafür bezeichnet, daß der Staat seinen Charakter grundlegend geändert habe und zu einer alle Gesellschaftsmitglieder gleichberechtigt beteiligenden Organisationsform geworden sei.

 

Die Volkseigenen Betriebe wirtschaften im Rahmen ihrer Aufgaben eigenverantwortlich. In der Art der Nutzung des ihnen anvertrauten Volks-E. sind sie jedoch an die Prinzipien der Planwirtschaft, an die dem Betrieb übertragenen Aufgaben sowie an das Gebot, das Volks-E. zu mehren, gebunden. Über Gegenstände, die Grundlage der wirtschaftlichen Tätigkeit der Betriebe sind, dürfen sie in der Regel nicht verfügen, wohl aber über Gegenstände der Umlaufmittel. Grundsätzlich dürfen auch nur die letzteren in andere Formen des E. überführt werden (z. B. Verkauf von Produkten), während für das Anlagevermögen der Grundsatz der Unantastbarkeit des Volks-E., d. h. das Verbot, die Substanz und den Bestand des Volks-E. planwidrig zu verringern, gilt. Diesem Grundsatz entspricht auch ein erhöhter Bestandschutz des Volks-E. So darf Volks-E. weder verpfändet, gepfändet noch belastet werden und eine Aufrechnung persönlicher Forderungen gegenüber Forderungen von Rechtsträgern von Volks-E. ist verboten. Volks-E. kann auch auf der Basis von Nutzungsverhältnissen individuell oder kollektiv[S. 291]den Bürgern zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden (etwa zu Wohnzwecken).

 

2. Das genossenschaftliche Gemeineigentum gilt als niedere Entwicklungsstufe des sozialistischen E., da das Subjekt dieses E. ein kleineres Kollektiv und nicht das gesamte Volk ist. Eigentümer sind die Genossenschaften als juristische Personen in Gestalt der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (Landwirtschaftliche Betriebsformen), der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaften, der Produktionsgenossenschaften des Handwerks, der Produktionsgenossenschaften werktätiger Fischer (Fischwirtschaft), der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften und der Konsumgenossenschaften. Das genossenschaftliche E. erstreckt sich, entsprechend den unterschiedlichen Einbringungspflichten bei den einzelnen Genossenschaftstypen, auf einen unterschiedlich großen Bereich von Produktionsmitteln und sonstigen Gegenständen.

 

Art. 13 Verf. nennt als genossenschaftliches E. Geräte, Maschinen, Anlagen, Bauten, Tierbestände und das aus genossenschaftlicher Nutzung des Bodens sowie genossenschaftlicher Produktionsmittel erzielte Ergebnis. Dieser Katalog ist nicht abschließend, jedoch gilt für das genossenschaftliche E. der Grundsatz der Zweckbindung, wonach der Erwerb von Gegenständen, die nicht der Durchführung der satzungsmäßigen Aufgaben der Genossenschaften dienen, verboten ist. Auch genossenschaftliches E. genießt einen verstärkten Schutz. Produktionsmittel sind unpfändbar, eine Zwangsvollstreckung ist nur in solche finanziellen Mittel und Sachen zulässig, die nicht Grundlage der wirtschaftlichen Tätigkeit der Genossenschaft sind.

 

3. Für das E. der gesellschaftlichen Organisationen der Bürger gilt Entsprechendes wie für das genossenschaftliche E. Seine Träger sind die Massenorganisationen und Parteien. Objekte sind insbesondere Verlagsbetriebe sowie soziale und kulturelle Einrichtungen.

 

B. Das persönliche Eigentum

 

 

Das persönliche E. ist grundsätzlich kein Produktionsmittel-E. Es erfährt durch die Bestimmung, daß es der Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger dient und sein Gebrauch nicht den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen darf, eine soziale Zweckbestimmung und rechtliche Begrenzung. Quelle des persönlichen E. ist in erster Linie das Arbeitseinkommen, aber auch andere Erwerbsgründe, wie Schenkung, Erbschaft, Auszeichnung, Lotteriegewinn usw., sind zulässig. Objekte des persönlichen E. sind vorwiegend Arbeitseinkünfte und Ersparnisse, die Ausstattung der Wohnung und des Haushalts, Gegenstände des persönlichen Bedarfs, die für die Berufsausbildung, Weiterbildung und Freizeitgestaltung erworbenen Sachen sowie Grundstücke und Gebäude zur Befriedigung der Wohn- und Erholungsbedürfnisse des Bürgers und seiner Familie, ferner die dem Wesen des persönlichen E. entsprechenden Rechte, einschließlich vermögensrechtlicher Ansprüche aus Urheber-, Neuerer- und Erfinderrechten (§ 23 Abs. 1 ZGB). Zur Erfüllung des in Art. 15 Verf. erteilten Auftrages, auf Schutz des Bodens und zur Verhinderung von Spekulation und arbeitslosem Einkommen bedarf die Übertragung von E.-Rechten an Grundstücken der staatlichen Genehmigung (VO vom 15. 12. 1977, GB. II, 1978, S. 73, § 297 ZGB). Aber auch andere Rechtsgrundlagen für Nutzungsbefugnisse (bis hin zur Miete) unterliegen der staatlichen Kontrolle und sind genehmigungspflichtig.

 

C. Privates Eigentum

 

 

Unter der Voraussetzung der Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse und der Erhöhung des Volkswohlstandes sowie der Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums war in der DDR bis zur Änderung der Verfassung vom 7. 10. 1974 als Übergangserscheinung noch privates Produktionsmittel-E. zugelassen (Art. 14 Abs. 1 Verf. von 1968). An vielen Privatbetrieben bestanden jedoch bereits staatliche Beteiligungen (sog. halbstaatliche Betriebe). Die Rechtsform war die einer Kommanditgesellschaft mit dem Staat als Kommanditisten und dem früheren Alleineigentümer als unbeschränkt haftendem Gesellschafter. Im Jahr 1972 sind die halbstaatlichen Betriebe sowie die verbliebenen größeren Privatbetriebe fast vollständig in Volkseigene Betriebe umgewandelt worden. Nach der Verfassungsänderung vom 7. 10. 1974 sind nur noch die auf überwiegend persönlicher Arbeit beruhenden kleinen Handwerks- und anderen Gewerbebetriebe erlaubt und werden vom Staat gefördert (Art. 14 Abs. 2 Verf. N. F.). Obwohl es sich auch in diesem beschränkten Rahmen nach wie vor um Produktionsmittel-E. handelt, wird es nach den Bestimmungen für das persönliche E. behandelt (§ 23 Abs. 2 ZGB). Dies gilt ebenso für andere Relikte von Privat-E. (z. B. für das individuelle E. an Miethäusern), da es für sie sonst keine Rechtsgrundlagen mehr gibt (§ 3 EGZGB vom 19. 6. 1975, GBl. I, S. 517). Entsprechendes gilt für kirchliches E.

 

Die Verfassung sieht in Art. 16 die Möglichkeit der Enteignung für gemeinnützige Zwecke auf der Grundlage eines Gesetzes und gegen angemessene Entschädigung vor. Enteignungen dürfen nur erfolgen, wenn der angestrebte Zweck nicht durch Bereitstellung von Volks.-E. erreicht werden kann. Zulässige Enteignungen regeln z. B. das Aufbaugesetz, das Wassergesetz, das Atomenergiegesetz und das Verteidigungsgesetz. Der Rechtsweg zu den Gerichten ist jedoch ausgeschlossen.

 

Die allgemeinen Regelungen zum E. enthält das ZGB, soweit sie für das sozialistische E. überhaupt [S. 292]einschlägig werden können. Bei der Übertragung von E. hat das ZGB das Abstraktionsprinzip des BGB verlassen und knüpft den E.-Übergang an den Vertrag und die Übergabe (§ 26 ZGB). Ein gutgläubiger Erwerb ist nur an im Einzelhandel gekauften Sachen, an Geld und Inhaberpapieren möglich (§§ 27, 28 ZGB). Das ZGB enthält daneben Bestimmungen über Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, über die Aneignung, über die Ansprüche des Eigentümers sowie über das gemeinschaftliche E., das in Mit-E. und Gesamt-E. unterschieden wird.

 

Handwerk; Betriebsformen und Kooperation; Landwirtschaftliche Betriebsformen; Genossenschaften; Genossenschaften, Ländliche; Landwirtschaft; Fischwirtschaft.

 

Klaus Westen


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 290–292


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.