DDR von A-Z, Band 1979

 

Einheitliches sozialistisches Bildungssystem (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1975 1985

 

I. Ziele und Grundsätze

 

 

Nach Auffassung der marxistisch-leninistischen Pädagogik (Pädagogische Wissenschaft und Forschung), wie sie gegenwärtig in der DDR ― darin vor allem der sowjetischen Pädagogik und Bildungspolitik folgend ― offiziell vertreten wird, ist die sozialistisch-kommunistische Bildung und Erziehung und darin besonders die Herausbildung eines sozialistischen Bewußtseins (Politisch-Ideologische bzw. Staatsbürgerliche ➝Erziehung) bei allen Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen eine notwendige Voraussetzung für die Errichtung und Sicherung der sozialistischen bzw. kommunistischen Gesellschaftsordnung.

 

[S. 293]Für die sozialistische Bildungskonzeption wird aus der Sicht des Marxismus-Leninismus, d. h. aus der marxistisch-leninistischen Persönlichkeitstheorie, vor allem gefolgert, daß alle Bildungs- und Erziehungsprozesse (Sozialisationsprozesse) unlösbar in lebendige geschichtliche Prozesse eingebettet sind und von den materiellen Lebensprozessen, den politischen Kämpfen der Klassen und ihren ideologischen Reflexionen in bezug auf Ziele, Inhalte und Methoden entscheidend bestimmt werden. Sie können nur im Rahmen revolutionärer gesellschaftlicher Veränderungen unter der Führung der SED voll wirksam und zu einem bedeutenden Faktor des gesellschaftlichen Fortschritts werden. Dabei müsse aufgrund der Dialektik der äußeren und inneren Entwicklungsbedingungen und -Ursachen die Entwicklung des Menschen als ein „ununterbrochener Prozeß der aktiven Aneignung und Verinnerlichung der historisch-konkreten Umwelt“, der menschlichen Kultur in ihrer Gesamtheit, in der Arbeit, im Lernen und in weiteren „kulturschöpferischen Tätigkeiten“ verstanden und verwirklicht werden. Nach dem Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. 2. 1965 (GBl. I, 1965, S. 83) i. d. F. des Beschlusses vom 30. 6. 1966 (GBl. II, 1965, S. 571), das die bildungspolitischen Beschlüsse des Parteiprogramms der SED von 1963 rechtlich regelte und das auch nach Verabschiedung des neuen Parteiprogramms (1976) weiter Geltung hat, ist es das Hauptziel des B., alle Bürger zu „allseitig und harmonisch entwickelten sozialistischen Persönlichkeiten, die bewußt das gesellschaftliche Leben gestalten, die Natur verändern und ein erfülltes, glückliches, menschenwürdiges Leben führen“, zu bilden und zu erziehen. Insbesondere sollen sie befähigt werden, „die technische Revolution zu meistern und an der Entwicklung der sozialistischen Demokratie mitzuwirken“. Dazu sollen sie eine moderne Allgemeinbildung und eine hohe Spezialbildung sowie „Charakterzüge im Sinne der sozialistischen Moral“ erwerben. Durch die gemeinsame, einheitliche Bildungs- und Erziehungsarbeit des sozialistischen Staates und aller gesellschaftlichen Kräfte sollen die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen befähigt werden, „als gute Staatsbürger wertvolle Arbeit zu leisten, ständig weiter zu lernen, sich gesellschaftlich zu betätigen, mitzuplanen und Verantwortung zu übernehmen, gesund zu leben, die Freizeit sinnvoll zu nutzen, Sport zu treiben und die Künste zu pflegen“. Dazu sichern Verfassung und Bildungsgesetz allen Bürgern das gleiche Recht auf Bildung zu, das gleichermaßen die gesellschaftliche Pflicht zur Bildung einschließt.

 

Diese programmatischen Forderungen und gesetzlichen Bestimmungen sagen allerdings noch nichts über die individuelle Möglichkeit der Verwirklichung des Rechtes auf Bildung für alle aus.

 

Maßgeblich für den Aufbau des Bildungssystems und für die inhaltliche Gestaltung der Bildung und Erziehung sind die Grundsätze der Einheit von Bildung und Erziehung, der Verbindung von Bildung und Erziehung mit dem „Leben“, der Verbindung von Theorie und Praxis, der Verbindung von Lernen und produktiver Arbeit sowie der Allseitigkeit und Permanenz der Bildung und Erziehung.

 

In der DDR wird in der Regel der komplexe Begriff „Bildung und Erziehung“ für die Gesamtheit sowohl der pädagogischen Prozesse als auch ihrer Ergebnisse verwendet, um damit das Grundprinzip der Einheit von Bildung und Erziehung (im engeren Sinne) zum Ausdruck zu bringen. Dabei sollen wohl auch die Schwierigkeiten einer der Praxis standhaltenden definitorischen Abgrenzung beider pädagogischer Grundbegriffe vermieden werden. Unter Berücksichtigung der Einheit, also der praktischen Untrennbarkeit von Bildung und Erziehung, wird unter „Bildung“ jene Komponente der Gesamtheit der pädagogischen Prozesse und ihrer Ergebnisse verstanden, in der die Aneignung des vor allem in den Lehrplänen und anderen curricularen Materialien aufbereiteten Bildungsgutes unter dem Gesichtspunkt der Kenntnisse, Erkenntnisse, Fähigkeiten. Fertigkeiten usw., akzentuiert wird.

 

Der Begriff „Erziehung“ (im engeren Sinne) meint jene Seite aller pädagogischen Prozesse und ihrer Ergebnisse, die sich auf die Herausbildung ideologischer (politischer, weltanschaulicher, ethischer und ästhetischer) Wertmaßstäbe, Normen und Einstellungen und auf die Entwicklung von Überzeugungen, Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen beziehen.

 

Der jeweilige Gebrauch der Begriffe „Bildung“ oder „Erziehung“ (im engeren Sinne) meint jedoch nicht immer die dargestellte Differenzierung, sondern stellt häufiger nur eine Abkürzung des Gesamtbegriffes dar. Wenn beispielsweise von „Polytechnischer Bildung“ oder von „Politisch-ideologischer Erziehung“ gesprochen wird, so ist in der Regel damit „Polytechnische Bildung und Erziehung“ bzw. „Politisch-ideologische Bildung und Erziehung“ als untrennbare Einheit, nicht jedoch in der jeweiligen Akzentuierung gemeint.

 

Der Grundsatz der Einheit von hoher wissenschaftlicher Bildung und „klassenmäßiger sozialistischer“ Erziehung beruht einmal auf der Erkenntnis der Unteilbarkeit der pädagogischen Prozesse, zum anderen aber auf dem marxistisch-leninistischen Grundaxiom der Einheit bzw. Identität von Wissenschaft und sozialistischer Ideologie und von Wissenschaftlichkeit und Parteilichkeit auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus; er findet seinen inhaltlichen Niederschlag in allen Bereichen der Bildung und Erziehung, sei es nun in der politisch-ideologischen bzw. staatsbürgerlichen, der polytechnischen oder der ästhetischen Bildung und Erziehung, in der Körper-, Wehr-, Arbeits- oder Kollektiverziehung.

 

[S. 294]

 

 

Dies gilt aber auch für die damit eng verbundenen Grundsätze der Verbindung von Theorie und Praxis in der Bildung und Erziehung sowie der Verbindung von Lernen und produktiver Arbeit.

 

Der Grundsatz der Allseitigkeit und Permanenz von Bildung und Erziehung schließlich ist vor allem bezogen auf die Realisierung eines ihrer wichtigsten Ziele, nämlich auf die Herbeiführung und langfristige Sicherung der beruflichen Disponibilität möglichst aller Bürger unter Berücksichtigung sowohl ihrer Befähigungen und Neigungen als auch der jeweiligen wechselnden volkswirtschaftlichen Erfordernisse. Eine möglichst weitgehende Übereinstimmung zwischen individuellen Neigungen und gesellschaftlichen bzw. volkswirtschaftlichen Erfordernissen zu erreichen, ist eine zentrale Aufgabe aller Bildungseinrichtungen, speziell aber der umfassend angelegten Berufsberatung und Berufslenkung. Dazu wird eine „moderne sozialistische Allgemeinbildung“ angestrebt, deren Bestandteile „die mathematische, naturwissenschaftliche und polytechnische, die staatsbürgerliche, gesellschaftswissenschaftliche und moralische, die muttersprachliche, fremdsprachliche, ästhetische und körperliche Bildung und Erziehung“ sind und die auch auf den oberen Stufen des Bildungssystems fortgeführt werden soll. Auf diese Allgemeinbildung soll jede Spezialbildung zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit aufbauen und immer wieder zurückgreifen können. Damit wiederum eng verbunden ist die Befähigung zu selbständigem Lernen und zur Selbsterziehung. Umfassende sozialistische Bildung und Erziehung, verstanden und gestaltet als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, läßt kaum bildungs- und erziehungslose Freiräume zu und versucht darüber hinaus, auch die Familienerziehung und die außerschulische und außerunterrichtliche Bildung und Erziehung intentional-inhaltlich und organisatorisch-institutionell möglichst genau zu reglementieren und zu kontrollieren. Auf diese weitgreifende gesellschaftspolitische Zielstellung läßt sich partiell zurückführen, wenn heute in der DDR die Merkmale einer ausgeprägten Lern- und Leistungsgesellschaft zu beobachten sind.

 

II. Aufbau und Gliederung

 

 

Wird das B. vor allem unterintentional-inhaltlichem Gesichtspunkt als „sozialistisch“ bezeichnet, so erfolgt die Bezeichnung als „einheitlich“ besonders im Hinblick auf die Struktur und Gliederung in vertikaler Sicht. Das B. ist in aufeinander folgenden Stufen aufgebaut; in horizontaler Sicht ist das B. gegliedert in

 

 

[S. 295]Dem Grundatz der Einheitlichkeit und Differenzierung (bei Dominanz der Einheitlichkeit) teils entsprechend, teils widersprechend, ist das B. zugleich vertikal gegliedert, und zwar auch so, daß unterschiedliche, voneinander deutlich geschiedene und undurchlässige Bildungswege entstehen, die qualitativ unterschiedliche Bildungschancen und soziale Aufstiegsmöglichkeiten bieten; in vertikaler Sicht ist das B. gegliedert in

 

A. Normal- bzw. Regel-Bildungseinrichtungen (Normalkindergärten, Normalschulen),

 

B. Spezialschulen und Spezialklassen,

 

C. Sonderschulen und andere sonderpädagogische Einrichtungen,

 

D. Sorbische Oberschulen und Klassen,

 

E. Einrichtungen der Jugendhilfe und Heimerziehung,

 

F. Einrichtungen der ganztägigen Bildung und Erziehung,

 

G. Kulturelle Einrichtungen.

 

Die „Einheitlichkeit“ wird in diesen speziellen bzw. komplementären Bildungseinrichtungen zumindest dadurch angestrebt, daß auch hier die verbindlich festgelegten Ziele der politisch-ideologischen Erziehung verwirklicht werden sollen.

 

Wenn es im Bildungsgesetz heißt, das B. sei so aufgebaut, daß jedem Bürger der Übergang zur jeweils nächsthöheren Stufe bis zu den höchsten Bildungsstätten, den Universitäten und Hochschulen, möglich sei, so wird diese Möglichkeit im unmittelbaren Anschluß daran wieder durch die Bestimmung ― und zwar, wie die Praxis deutlich zeigt, erheblich ― eingeschränkt, daß nämlich für die höheren Bildungseinrichtungen nur die Besten und Befähigtesten unter Berücksichtigung der sozialen Struktur der Bevölkerung, d. h. möglichst unter Bevorzugung der Arbeiter- und Bauernkinder und damit Benachteiligung anderer sozialer Schichten, ausgewählt werden. Das Schema für die Gliederung des B. auf Seite 294, in dem die oben unter C. aufgeführten Einrichtungen nicht enthalten sind, kann deshalb nur einen Überblick über die verschiedenen Bildungswege als prinzipielle Möglichkeiten vermitteln, erlaubt also keine quantitative Aussage über ihre tatsächliche Nutzung.

 

III. Planung und Leitung

 

 

Planung und Leitung aller zwecks Realisierung der gestellten Bildungs- und Erziehungsaufgaben durchzuführenden Maßnahmen einschließlich der Weiterentwicklung des B. obliegen den zentralistisch-hierarchisch organisierten Volksbildungsorganen, die ihrerseits der Weisung und Kontrolle durch die oberste Staatsführung sowie durch die entsprechenden Abteilungen des Zentralkomitees der SED unterliegen. Zu den Volksbildungsorganen im weiteren Sinne zählen der Ministerrat der DDR, das Staatssekretariat für Berufsbildung, das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, die Industrieministerien, das Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, das Ministerium für Gesundheitswesen, das Ministerium für Kultur, das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport und das Ministerium für Nationale Verteidigung sowie die ihnen unter- und zugeordneten Organe und Institutionen auf den verschiedenen Ebenen. Als Volksbildungsorgane (im engeren Sinne) fungieren vor allem das Ministerium für Volksbildung und die Abteilungen Volksbildung der Räte der Bezirke und der Kreise einschließlich der Bezirks- bzw. der Kreis-Schulräte und -Inspektoren.

 

Das Ministerium für Volksbildung hat insbesondere die Aufgabe, diejenigen grundsätzlichen Aufgaben des Bildungsgesetzes zu erfüllen, die wegen ihrer Bedeutung einer zentralen Koordination über den Verantwortungsbereich der unter- und zugeordneten Organe und Institutionen hinausgehen. Es hat zwecks Sicherung des erwünschten „Bildungsvorlaufes“ durch rechtzeitige Entscheidung der wesentlichen Grundfragen der Volksbildung den nachgeordneten Organen und Institutionen die Erfüllung der jeweils gestellten Aufgaben zu ermöglichen und mit Unterstützung der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften die Organisation sowie die (speziellen) Lernziele und Lerninhalte der Einrichtungen der Vorschulerziehung (Kindergärten usw.), der allgemeinbildenden Oberschulen, der zur Hochschulreife führenden Einrichtungen, der Spezialschulen und Spezialklassen, der Sonderschulen, der Einrichtungen und Veranstaltungen der außerschulischen und außerunterrichtlichen Bildung und Erziehung einschließlich der Feriengestaltung und der Einrichtungen der Jugendhilfe und Heimerziehung zu bestimmen. Es soll ferner die Erarbeitung entsprechender Vorschriften (Bildungsgesetz, Schulordnung usw.) sowie Lehrpläne, Lehrbücher und anderer Unterrichtsmittel gewährleisten. Ihm obliegen die Planung, Leitung und Kontrolle der pädagogischen Wissenschaft und Forschung — mit Ausnahme der Forschungen auf dem Gebiet der Berufsbildung und des Fach- und Hochschulwesens — unter Konzentration auf die im Bildungsgesetz gestellten Aufgaben. Ziele und Inhalte der Aus- und Weiterbildung der Lehrer und Erzieher sowie der Schulfunktionäre sind von ihm zu bestimmen, die entsprechenden Studienpläne zu bestätigen sowie die Arbeitsbedingungen und Vergütungen der Lehrer und Erzieher festzulegen. Durch Einbeziehung vor allem der Volkseigenen Betriebe, der gesellschaftlichen Organisationen, der Jugendorganisationen und der Eltern hat es eine einheitliche sozialistische Bildungs- und besonders Schulpolitik durchzusetzen sowie auf der Grundlage des Perspektivplans zur Entwicklung der Volkswirtschaft die proportionale Entwicklung der Bildungseinrichtungen und die [S. 296]ökonomische Verwendung der zur Verfügung stehenden personellen und materiellen Mittel zu garantieren.

 

Im Jahr 1976 beliefen sich die Ausgaben für das Bildungswesen im Rahmen des Staatshaushaltes auf 8,9 Mrd. Mark, davon 6,3 Mrd. für die Volksbildung (Kindergärten und allgemeinbildende Schulen), 0,74 Mrd. für die Berufsausbildung Jugendlicher und für die Aus- und Weiterbildung der Werktätigen (die hauptsächlich von den Betrieben finanziert werden) sowie 1,8 Mrd. Mark für das Fach- und Hochschulwesen, was 7,6 v. H. des gesamten Staatshaushaltes entspricht.

 

Grundlage für die Planung im Bildungssystem bilden die für die gesamte Volkswirtschaft geltenden mehr- und einjährigen Volkswirtschaftspläne. Im Gesetz über den Fünfjahrplan 1976–1980 werden als wichtigste Ziele festgelegt:

  • in der Volksbildung die 10klassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule als Kernstück des ESB. inhaltlich weiter auszugestalten mit dem Ziel, das Niveau der Oberschulbildung als Einheit von Bildung und kommunistischer Erziehung stetig zu erhöhen und alle Kinder bis zum Abschluß der 10jährigen Oberschulbildung weiterzuführen,
  • den polytechnischen Charakter der Oberschulen weiter auszuprägen,
  • ein hohes Niveau fachlichen und pädagogischen Wissens und Könnens aller Lehrer zu sichern,
  • es jedem Schüler zu ermöglichen, die aus unterschiedlichen Gründen die Oberschule vor dem Abschluß verlassen, ihre Allgemeinbildung im Rahmen der Berufsausbildung zu vervollkommnen,
  • die Qualität der Betreuung und Erziehung in den Kindergärten und Schulhorten weiter zu verbessern,
  • schrittweise Möglichkeiten zu schaffen, daß alle Kinder der entsprechenden Altersgruppen in Kindergärten erzogen, betreut und gut auf die Schule vorbereitet werden können,
  • die Plätze in den Schulhorten zu erhöhen, daß alle Kinder der Klassen 1–4, deren Eltern es wünschen, aufgenommen werden können,
  • die materiell-technischen Bedingungen der Einrichtung der Volksbildung kontinuierlich weiter zu entwickeln,
  • entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen die Berufsberatung weiter zu vervollkommnen und dazu das Netz der Berufsberatungszentren weiter auszugestalten,
  • in der Berufsbildung die Ausbildung und Erziehung von etwa 1 Mill. Schulabgängern zu Facharbeitern in hoher Qualität zu sichern und dabei den Inhalt der Ausbildung stärker auf die Erfordernisse der Intensivierung und Rationalisierung der gesellschaftlichen Produktion zu richten und so zu vervollkommnen, daß sich das Leistungsniveau der ausgebildeten Facharbeiter erhöht sowie die Investitionen vor allem für den erforderlichen Ausbau der Einrichtungen für die theoretische und praktische Berufsausbildung sowie für die internatsmäßige Unterbringung der bis 1980 wachsenden Zahl von Jugendlichen einzusetzen (und dazu 41.390 Plätze in Lehrlingswohnheimen zu schaffen) und schließlich
  • die Zulassungen zum Hoch- und Fachschulstudium und deren Struktur nach Fachrichtungen entsprechend den langfristigen Erfordernissen des gesellschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Fortschritts und in Übereinstimmung mit der planmäßigen Entwicklung der Qualifikationsstruktur des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens festzulegen, d. h. relativ gering zu halten.

 

Diese wie alle übrigen Bestimmungen für das Bildungswesen sollen die Erfüllung der Hauptaufgaben des Fünfjahrplans sichern helfen.

 

IV. Vorschulerziehung

 

 

Die Vorschulerziehung umfaßt die Bildung und Erziehung der Kinder in gesellschaftlichen Einrichtungen und in den Familien bis zu ihrem Eintritt in die allgemeinbildende Schule, d. h. bis zum beginnenden 7. Lebensjahr. Die wichtigsten Kindereinrichtungen der Vorschulerziehung, deren Besuch nicht obligatorisch ist, sind Kinderkrippen und Kindergarten; sie repräsentieren zugleich die beiden zeitlich aufeinanderfolgenden Etappen der Vorschulerziehung.

 

Die erste Etappe der Vorschulerziehung (Elementarstufe I), die Pflege und Erziehung der Kinder von den ersten Lebenswochen bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres vor allem in den Kinderkrippen, aber auch in den Saisonkrippen und Dauerheimen, soll in engem Zusammenwirken mit der Familie erfolgen.

 

Die Einrichtungen der ersten Etappe der Vorschulerziehung unterliegen der Aufsicht durch das Ministerium für Gesundheitswesen, das einheitliche Grundsätze insbesondere für die Arbeit in den kommunalen, betrieblichen, genossenschaftlichen, aber auch kirchlichen Kinderkrippen erläßt.

 

Dagegen ist die zweite Etappe der Vorschulerziehung (Elementarstufe II), die vorschulische Bildung und Erziehung der Kinder vom 3. Lebensjahr bis zum Beginn der Schulpflicht, also der 3- bis 5 jährigen, grundlegender Bestandteil des ESB. und untersteht deshalb auch der Anleitung und Aufsicht durch das Ministerium für Volksbildung; daher gelten die generellen Ziele und Grundsätze der sozialistischen Bildung und Erziehung der Jugend in der DDR auch für die vorschulische Bildung und Erziehung der 3- bis 5jährigen. Sie werden jedoch durch spezielle Ziele, Inhalte und Realisationsformen, die sich vor allem aus der Altersspezifik der 3- bis 5jährigen ergeben, präzisiert, komplettiert und auch modifiziert. Durch eine entsprechende vorschulische Bildung und Erziehung, wie sie insbesondere in der Kinder[S. 297]gartenordnung (1968) festgelegt ist, sollen die 3- bis 5jährigen — vor allem in den (kommunalen, betrieblichen, genossenschaftlichen, aber auch kirchlichen) Kindergärten und Wohnkindergärten sowie in den Ernte- und anderen Saisonkindergärten — auf das gesellschaftliche Leben in der DDR und auf das Lernen in der Schule bzw. im Klassenverband vorbereitet werden.

 

Neben dieser Bildungs- und Erziehungsfunktion hat die Vorschulerziehung in beiden Etappen auch eine sozio-ökonomische Funktion zu erfüllen. Sie hat die berufstätigen Mütter und auch Väter von der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder im vorschulischen Alter zu entlasten. Diese Funktion gewinnt um so größere Bedeutung, je stärker Staat und Wirtschaft bestrebt sind, das Arbeitskräftepotential maximal auszuschöpfen. Deshalb werden auch Kinder alleinstehender Mütter oder Väter bzw. berufstätiger und auch studierender Mütter laut VO über Kindereinrichtungen (1976) bevorzugt in die Vorschuleinrichtungen aufgenommen.

 

Für die Kinder im letzten vorschulischen Jahr, also für die 5jährigen, besteht im Rahmen der Vorschulerziehung ein dreiteiliges System der systematischen Schulvorbereitung; es umfaßt die Schulvorbereitung der älteren Gruppe des Kindergartens nach dem Bildungs- und Erziehungsplan für den Kindergarten (der auch für die jüngere und mittlere Gruppe gilt), ferner Spiel- und Lernnachmittage und die Vorbereitung in der Familie nach dem Buch „Bald bin ich ein Schulkind“ (1967).

 

Die Vorschulerziehung und besonders die Schulvorbereitung erfolgen — entsprechend den Festlegungen des „Bildungs- und Erziehungsplans für den Kindergarten“ (1967) — in den „Beschäftigungen“ (unterrichtliche Sachgebiete) Muttersprache, Bekanntmachen mit der Kinderliteratur, Malen, Zeichnen, Formen, Basteln und Bauen, Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben, mit der Natur, mit Mengen (Vergleich von Längen, Breiten und Höhen), Turnen und Musik. Zum Zweck der Kollektiv- und Arbeitserziehung werden im Kindergarten verschiedene Arbeitsarten geübt. Neben der Hinführung zum verantwortlichen Handeln in der Gemeinschaft durch Übernahme entsprechender Arbeitsaufgaben hat die Arbeitserziehung der Vorschulkinder insofern propädeutischen Charakter, als mit der Anleitung zur Herstellung von Gegenständen für das Spiel und den täglichen Gebrauch die Kinder erste Fertigkeiten und Fähigkeiten erwerben sollen, die später im polytechnischen Unterricht der Schule als Grundlage für den Erwerb weiterer, komplexerer Arbeitsfähigkeiten dienen können bzw. sollen. Zunehmende Bedeutung wird der Wehrerziehung der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Vorschulerziehung beigemessen.

 

Die Kindergartenkinder werden in 3 Alters- bzw. Jahrgangsgruppen zusammgengefaßt: die jüngere Gruppe umfaßt die 3jährigen, die mittlere Gruppe die 4jährigen und die ältere Gruppe die 5jährigen Kinder; daneben gibt es auch gemischte Gruppen. Die Gruppenstärke beträgt in der Regel 18–20 Kinder. Im Kindergarten arbeiten Kindergärtnerinnen mit staatlicher Abschlußprüfung, Erziehungshelferinnen mit pädagogischer Kurz- oder Teilausbildung und — meist nur stundenweise eingesetzte — Helferinnen ohne Ausbildung, und zwar in den Funktionen als Leiterin des Kindergartens, als stellvertretende Leiterin, als Gruppenleiterin und als Helferin.

 

Die Spiel- und Lernnachmittage sind vorschulische, insbesondere schulvorbereitende Veranstaltungen der Abteilungen Volksbildung der Räte der Kreise, die vorwiegend an den Oberschulen für diejenigen Kinder im letzten vorschulischen Jahr durchgeführt werden, die keinen Kindergarten besuchen. In 20 14täglich stattfindenden und ca. 90 Minuten dauernden Spiel- und Lernnachmittagen werden die Vorschulkinder anhand des Planes für die Spiel- und Lernnachmittage (1968) und der darin vorgesehenen Beschäftigungsthemen systematisch auf das gemeinsame Lernen in der Schule vorbereitet, und zwar vorwiegend von Lehrern der unteren Klassen, aber auch von Kindergärtnerinnen und Horterzieherinnen.

 

V. Zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule

 

 

Die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule, Oberschule (OS) genannt, ist die staatliche Regel- bzw. Normal-Pflichtschule der DDR, die jedoch keineswegs von allen Kindern bis zu ihrem Abschluß besucht wird. Mit der Bezeichnung „Oberschule“ wird zum Ausdruck gebracht, daß in ihr eine relativ hohe Allgemeinbildung als Grundlage für jede weiterführende Bildung und Berufsbildung vermittelt werden soll; die Bezeichnung „polytechnisch“ weist auf die besondere Bedeutung hin, die im Rahmen der schulischen Allgemeinbildung der Polytechnischen Bildung und dem polytechnischen Unterricht beigemessen wird.

 

Obligatorische Unterrichtsfächer (mit Angabe der Gesamtwochenstunden, in denen das jeweilige Fach in den betreffenden Schuljahren unterrichtet wird) sind Deutsch (78), Russisch (23), Geschichte (11), Staatsbürgerkunde (5), Geographie (11), Mathematik (54), Physik (13), Chemie (10), Biologie (11), Astronomie (1), Werkunterricht (9), Schulgartenunterricht (4), Polytechnischer Unterricht (18), Zeichnen (10), Musik (11) und Sport (23); fakultative Unterrichtsfächer sind Nadelarbeit (2) und der Unterricht in Englisch oder Französisch als 2. Fremdsprache (11).

 

Der Unterricht erfolgt ausschließlich anhand verbindlicher Lehrpläne (Lehrplanreform) und Unterrichtsmittel einschließlich Schulbücher, die vom Ministerium für Volksbildung herausgegeben [S. 298]bzw. bestätigt werden. Der im Bildungsgesetz festgelegten organisatorischen Gliederung der Oberschule in Unterstufe (Kl. 1–3), Mittelstufe (Kl. 4–6) und Oberstufe (Kl. 7–10), die zuzüglich der Abiturstufe (Kl. 11 und 12) das System 3 + 3 + 4 + + 2 bildet, steht bei Zugrundelegung der inhaltlichen Gliederung nach der Einführung der Unterrichtsfächer sowie der Übergangsmöglichkeiten in Spezialschulen und -klassen ein tatsächliches Zweijahresblock-System 2 + 2 + 2 + 2 + + 2 + + 2 gegenüber, bei dem besonders die Übergänge zu den Klassen 9 und 11 selektiv wirken.

 

Die Unterstufe, die offiziell die Klassen 1–3 sowie faktisch auch noch die als Übergangsklasse bezeichnete Klasse 4 umfaßt, hat die Aufgabe, ein Fundament für den weiterführenden Unterricht und für die Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt zu legen und die Schüler vor allem an beharrliches und fleißiges Lernen zu gewöhnen, und zwar in einem nach dem eingeschränkten Fachlehrerprinzip erteilten und bereits gefächerten Unterricht mit Deutsch einschließlich Heimatkunde und Mathematik als tragenden Fächern und den Fächern Werk- und Schulgartenunterricht, Sport, Musik und Zeichnen.

 

Der Anfangsunterricht in der 1. Klasse stellt an die betreffenden Lehrer insofern besondere Anforderungen, als die Schulanfänger zum größeren Teil eine systematische Schulvorbereitung zumindest im letzten vorschulischen Jahr erhalten haben, ein kleiner Teil jedoch noch an systematisches Lernen gewöhnt werden muß. Im Deutschunterricht der Klasse 1 steht der Erwerb der Grundfertigkeiten im Lesen und Schreiben im Vordergrund, wobei die analytisch-synthetische Leselernmethode und eine aus der Antiqua abgeleitete Schulausgangsschrift verbindlich sind. Der Mathematikunterricht zielt ― als Bestandteil einer von Klasse 1 bis 10 bzw. 12 reichenden Gesamtkonzeption ― auf die Vermittlung grundlegenden mathematischen Wissens sowie auf die Entwicklung des mathematischen Denkens und der Rechenfertigkeiten, und zwar anhand traditioneller Lehrstoffe, ist also nicht an Begriffen und Inhalten der Mengenlehre orientiert. Die polytechnische Bildung wird vor allem im Werkunterricht und die Politisch-Ideologische bzw. Staatsbürgerliche ➝Erziehung besonders im Heimatkundeunterricht (innerhalb des Faches Deutsch) vermittelt. Nach Abschluß der Klasse 2 besteht die erste Möglichkeit zum Übergang in Spezialklassen, nämlich in die Klassen 3 mit erweitertem Russischunterricht. Auf der Unterstufe stehen Schulunterricht und Schulhortarbeit in besonders engem Zusammenhang.

 

Die Mittelstufe (Kl. 4 bzw. 5 und 6) ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß in ihr der Unterricht in den Fächern Russisch, Geschichte, Geographie, Biologie und Physik sowie die systematische Berufsberatung beginnen. Nach Abschluß der 5. Klasse besteht die Möglichkeit zum Übergang in weitere Spezialschulen und -klassen. Die polytechnische Bildung wird vor allem im Werkunterricht vermittelt.

 

Die Oberstufe (Kl. 7–10) untergliedert sich in eine untere Oberstufe (Kl. 7 und 8) und eine obere Oberstufe (Kl. 9 und 10); denn mit Abschluß der Klasse 8 endet die eigentliche Einheitsschule und beginnt eine Verstärkung der Differenzierung in qualitativ unterschiedliche Bildungswege, wenn auch die Mehrzahl der Schüler die 9. und 10. Klassen der Normal-Oberschule besucht. Die Oberstufe wird dadurch differenziert, daß ab Klasse 7 der fakultative Unterricht in einer 2. Fremdsprache (Englisch oder Französisch mit 3 Wochenstunden) einsetzt und im Rahmen des polytechnischen Unterrichts auch die produktive Arbeit der Schüler in den beiden Varianten „Industrie“ und „Landwirtschaft“ durchgeführt wird. Eine noch stärkere Differenzierung erfährt der Unterricht in den Klassen 9 und 10 (obere Oberstufe) durch die zwar als außerunterrichtlich bezeichneten, jedoch eng mit dem Unterricht verbundenen jeweils wöchentlich 2stündigen Arbeitsgemeinschaften, für die 26 Rahmenprogramme vorliegen, sowie durch die polytechnischen Disziplinen Grundlagen der Produktion des sozialistischen Betriebes und produktive Arbeit der Schüler (seit 1974) in 10 Varianten. Auch mit dieser Differenzierung werden bereits verschiedene Bildungsgänge mit unterschiedlichen Aufstiegsmöglichkeiten angebahnt.

 

Die zum 1. 9. 1978 erfolgte „Einführung des Wehrunterrichts als obligatorischer Bestandteil der Allgemeinbildung in den Klassen 9 und 10 der sozialistischen Oberschule“ stellt international eine bezeichnende didaktische bzw. intentional-inhaltliche Rarität dar.

 

Der Wehrunterricht umfaßt für die Klasse 9: 4 Doppelstunden zu Fragen der sozialistischen Landesverteidigung für alle Schüler, die Wehrausbildung im Lager für Jungen (freiwillig; 12 Ausbildungstage zu je 8 Stunden) und den Lehrgang „Zivilverteidigung“ für alle Mädchen und den Teil der Jungen, der nicht an der Wehrausbildung im Lager teilnimmt (12 Lehrgangstage zu je 6 Stunden);

 

für die Klasse 10: 4 Doppelstunden zu Fragen der sozialistischen Landesverteidigung für alle Schüler und 3 Tage Wehrbereitschaft mit insgesamt 18 Stunden für alle Schüler.

 

Auf die Stundentafel bezogen, bedeutet dies für die 9. Klasse 3 und für die 10. Klasse 1 Wochenstunde.

 

Die Vorbereitungsklassen 9 und 10 stellen eine besondere Form der oberen Oberstufe insofern dar, als sie unmittelbar bzw. speziell auf den Unterricht in der Abiturstufe, insbesondere in der Erweiterten Oberschule, vorbereiten. Organisatorisch sind sie teilweise der 10klassigen Oberschule, hauptsächlich aber der Erweiterten Oberschule zugeordnet; sie [S. 299]stellen ein Relikt der vormals die Klassen 9–12 umfassenden Erweiterten Oberschule und „eine Übergangslösung, die lange Zeit Gültigkeit haben wird“, dar. Für die Aufnahme von Schülern in die Vorbereitungsklassen 9 und 10 gelten im wesentlichen die gleichen Grundsätze und Bedingungen wie für die Aufnahme in die Abiturstufe, insbesondere in die Erweiterte Oberschule. Zu einer Oberschule gehören in der Regel noch der Schulhort, unter Umständen auch das Schulinternat.

 

Mit Ausnahme der 1. Klasse erfolgt am Ende jeder Klasse die Versetzung oder Nichtversetzung der Schülerin die nächsthöhere Klasse; probeweise Versetzung oder Rückversetzung sind nicht vorgesehen. Zum Abschluß der 10. Klasse wird von den Schülern der betreffenden Klassen in den verschiedenen Schulen die Abschlußprüfung (schriftliche Prüfung in Deutsch, Mathematik und Russisch sowie in Physik oder Chemie oder Biologie, mündliche Prüfung in 2 auszuwählenden Fächern und Sportprüfung) abgelegt und bei Bestehen das Abschlußzeugnis mit einem Gesamtprädikat erteilt. An den Abschlußprüfungen nehmen auch Lehrlinge, die bereits nach der 8. Klasse in die Berufsausbildung eingetreten sind und dort einen entsprechenden nachholenden allgemeinbildenden Unterricht erhalten haben, sowie Teilnehmer entsprechender Lehrgänge der Volkshochschulen teil.

 

Für sämtliche Zeugnisse gilt eine einheitliche fünfgradige Zensurenskala: sehr gut (1), gut (2), befriedigend (3), genügend (4), ungenügend (5). Für besonders gute Leistungen bei der Abschlußprüfung werden Auszeichnungen verliehen (Schüler und Lehrlinge).

 

Nach der Schulordnung (1967) sind alle Direktoren, Lehrer und Erzieher verpflichtet, ihre Leitungstätigkeit sowie ihre Bildungs- und Erziehungsarbeit ausschließlich auf der Grundlage der verbindlichen staatlichen Lehrpläne, Stundentafeln, Lehrbücher und anderer Dokumente zu leisten und durch gewissenhafte Erfüllung der in diesen Dokumenten festgelegten Aufgaben die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß alle Schüler das Ziel der Klasse und der Schule erreichen können.

 

Die politische, pädagogische und schulorganisatorische Leitung der Schule einschließlich des Schulhortes und des Schulinternates erfolgt nach dem Prinzip der Einzelleitung durch den Direktor sowie unter Teilnahme der Lehrer und Erzieher an der Arbeit des Pädagogischen Rates und der Schulleitung. Der Schulleitung, die vom Direktor ernannt wird, gehören an voll ausgebauten Oberschulen mindestens der Stellvertr. des Direktors, der Stellvertr. des Direktors für außerunterrichtliche Arbeit, der Leiter des Schulhortes, eventuell der Leiter des Schulinternats, der Lehrer für Berufsberatung (und polytechnischen Unterricht) sowie der Beauftragte des Patenbetriebes für den polytechnischen Unterricht an. Den Pädagogischen Rat, die Vollversammlung aller Lehrer und Erzieher einer Oberschule und beratendes Organ des Direktors, bilden die Schulleitung, alle Lehrer und Erzieher sowie der Freundschaftspionierleiter und der Vorsitzende des Elternbeirates. Die Ergebnisse der Beratungen des Pädagogischen Rates werden in Beschlüssen zusammengefaßt, die jedoch der Bestätigung durch den Direktor bedürfen und durch die die persönliche Verantwortung und damit auch die Entscheidung des Direktors nicht aufgehoben werden. Als Pläne für die Bildungs- und Erziehungsarbeit der Oberschule sind jährlich der Arbeitsplan der Schule, die Klassenleiterpläne, der Stundenplan und der Zeitplan für die außerunterrichtliche Bildungs- und Erziehungsarbeit auszuarbeiten. Der Unterricht durch Privatschulen ist in der DDR grundsätzlich ausgeschlossen; Unterricht durch Privatpersonen an einzelne Schüler oder Schülergruppen außerhalb des obligatorischen Schulunterrichts in den schulischen Fächern darf nur mit Genehmigung des für die betreffenden Schüler zuständigen Schuldirektors erteilt werden.

 

VI. Abiturstufe

 

 

Die zur Hochschulreife führenden Bildungseinrichtungen, die Abiturstufe bzw. Abiturklassen, umfassen hauptsächlich die Erweiterte Oberschule mit den Klassen 11 und 12, aber auch die verschiedenen Spezialschul- und Sonderschul-Klassen 11 und 12, die Abiturklassen der Berufsausbildung (Jugendlicher), die Abiturlehrgänge (Gesamtlehrgänge) und die Sonderreifelehrgänge der Volkshochschulen sowie die (noch bestehenden) Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten der Bergakademie Freiberg und der Universität Halle-Wittenberg. Die fachgebundene Hochschulreife kann außerhalb dieses Systems auch in einer Sonderreifeprüfung an den Universitäten und Hochschulen erworben werden. An den Ingenieur- und Fachschulen erwerben die Studierenden die fachgebundene Hochschulreife mit der Abschlußprüfung. Die Hochschulreife bzw. das Abitur bezeugt lediglich den erfolgreichen Erwerb der für ein Hochschulstudium erforderlichen Allgemeinbildung und berechtigt nur zur Bewerbung, nicht jedoch zum Hochschulstudium, schon gar nicht in einem Fach eigener Wahl; denn der Zugang zum Hochschulstudium ist darüber hinaus von einem strengen Auswahl- und Zulassungsverfahren der Universitäten und Hochschulen abhängig, das jedoch praktisch immer mehr auf die 10. Klasse vorverlagert wird.

 

Die Erweiterte Oberschule (EOS) bereitet unmittelbar und ausschließlich auf die Hochschulreife vor, auch wenn zahlreiche Abiturienten anschließend eine Berufsausbildung zum Facharbeiter im Rahmen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen erwerben müssen; eine Ausbildung zum Facharbeiter ne[S. 300]ben der Vorbereitung auf den Erwerb der Hochschulreife, wie sie das Bildungsgesetz von 1965 noch vorsieht, erfolgt seit 1967/68 in den EOS nicht mehr. Obligatorische Unterrichtsfächer (mit Angabe der Gesamtwochenstundenzahl für beide Schuljahre) der EOS sind Deutsch (6), Russisch (6), 2. Fremdsprache (5), Staatsbürgerkunde (3), Geschichte (3), Geographie (2), Sport (4), Mathematik (10), Physik (6), Chemie (5) und Biologie (5); wahlweise-obligatorische Unterrichtsfächer sind Kunsterziehung oder Musik (2) sowie die wissenschaftlich-praktische Arbeit (8), die als Fortsetzung der Polytechnischen Bildung und des polytechnischen Unterrichts der Oberschule nach 9 verschiedenen Rahmenprogrammen durchgeführt werden kann. Für fakultative 25- und 50stündige Lehrgänge stehen insgesamt 6 Wochenstunden für beide Schuljahre sowie z. Z. 20 zusätzliche Lehrgangspläne unterschiedlicher Thematik zur Verfügung.

 

Den EOS — wie auch den zur Hochschulreife führenden Spezial- und Sonderschul-Klassen — sind in der Regel Vorbereitungsklassen, deren Schüler nach den Lehrplänen für die Normalklassen 9 und 10 unterrichtet werden und die am Ende der 10. Klasse die Abschlußprüfung der Oberschule ablegen, sowie in den größeren Städten der ländlichen Bezirke häufig Schulinternate zur Aufnahme von Schülern aus den verschiedenen weiter entfernten Orten angegliedert. Die Reifeprüfung erfolgt als schriftliche Prüfung in den Fächern Deutsch. Russisch und Mathematik sowie in Physik oder Chemie oder Biologie, als mündliche Prüfung in 2 aus bestimmten Fächergruppen auszuwählenden Fächern und als Sportprüfung. Die Zahl der Fächer der mündlichen Prüfung kann bis auf 5 erhöht werden. Bei bestandenen Prüfungen wird das Reifezeugnis mit einem Gesamtprädikat ausgehändigt; für besonders gute Leistungen bei der Reifeprüfung werden Auszeichnungen verliehen (Schüler und Lehrlinge).

 

In den Abiturlehrgängen (Gesamtlehrgängen) der Volkshochschulen werden Berufstätige mit abgeschlossener Oberschulbildung (10. Klasse) oder mit einer Bildung, die dem Niveau der Oberschulbildung entspricht, in 2 Jahren zum Abitur geführt, und zwar in den obligatorischen Fächern Deutsch (4), Russisch (4), Mathematik (8,5), Physik (5), Staatsbürgerkunde (2) und Geographie (1) sowie in den wahlweise-obligatorischen Fächern Chemie oder Biologie (4). Daneben werden an den Volkshochschulen auch Sonderreifelehrgänge zum Erwerb einer fachgebundenen Hochschulreife durchgeführt. Die Reifeprüfungen werden nach den Bestimmungen der Reifeprüfung für die EOS abgelegt und bewertet.

 

In den Abiturklassen der Berufsausbildung werden Abgänger der Klasse 10 der Oberschule in einer in der Regel 3jährigen Lehrzeit zur Reife- und zur Facharbeiterprüfung geführt und vor allem auf ein Studium an Technischen und Ingenieur-Hochschulen vorbereitet; sie sollen deshalb auch vorrangig in solchen Berufen ausgebildet werden, die für den festgelegten Bedarf an Studienbewerbern in den technischen und ökonomischen Hauptfachrichtungen der Technischen und Ingenieur-Hochschulen die besten Voraussetzungen bieten. In den Abiturklassen der Berufsausbildung z. B. technischer und ökonomischer Richtung sind die obligatorischen allgemeinbildenden Fächer Deutsch (6), Russisch (6), 2. Fremdsprache (10), Staatsbürgerkunde (3), Geschichte (3), Geographie (2), Sport (6), Mathematik (10), Physik (6) und Chemie (5); dazu kommt noch der gegenüber der regulären Facharbeiterausbildung etwas gekürzte berufstheoretische (18) und berufspraktische Unterricht (22). Die Reifeprüfung wird nach den Bestimmungen für die Reifeprüfung an den EOS, die Facharbeiterprüfung nach den Bestimmungen der Facharbeiterprüfungsordnung durchgeführt; sind beide Prüfungen bestanden, so wird ein Reife- und Facharbeiterzeugnis mit zwei Gesamtprädikaten ausgehändigt; für besonders gute Prüfungsleistungen werden Auszeichnungen verliehen.

 

Zur Aufnahme in die Abiturstufe, insbesondere in die EOS und dazu zuvor in die Vorbereitungsklassen 9 und 10, werden „die besten und befähigtesten Schüler unter Berücksichtigung der sozialen Struktur der Bevölkerung“ ausgewählt. Zu diesem Zweck schlagen die Direktoren der Oberschulen dem Kreisschulrat mit Zustimmung der Eltern die besten Schüler der 8. Klasse zur Vorbereitung auf den Besuch der EOS vor. Die vorgeschlagenen Schüler sollen sich sowohl durch gute Leistungen im Unterricht als auch durch einwandfreies Verhalten auszeichnen und „ihre Verbundenheit mit der DDR durch ihre Haltung und ihre gesellschaftliche Tätigkeit bewiesen haben“. Ferner werden bei den Vorschlägen Kinder von „Angehörigen der Arbeiterklasse“ besonders berücksichtigt. Aber auch Eltern von Schülern der 8. Klasse können beim Direktor der Oberschule einen Antrag auf Aufnahme ihrer Kinder in die Vorbereitungsklassen stellen. Der Direktor berät seine Vorschläge und die Anträge der Eltern zur Vorbereitung auf den Besuch der EOS mit den Klassenleitern und Fachlehrern der 8. Klasse unter Teilnahme des Elternbeiratvorsitzenden und des Freundschaftspionierleiters der Schule und reicht die von ihm übernommenen Vorschläge und Anträge an den Kreisschulrat weiter; dieser entscheidet in Zusammenarbeit mit den Direktoren der delegierenden Oberschulen und der EOS über die Aufnahme. Die in die Vorbereitungsklassen 9 und 10 aufgenommenen Schüler gelten als für den Besuch der EOS voraussichtlich geeignet und bleiben formal Schüler der Oberschule — auch wenn die Vorbereitungsklassen, wie es hauptsächlich der Fall ist, der EOS angegliedert sind — und legen am Ende des [S. 301]10. Schuljahres die Abschlußprüfung der Oberschule ab.

 

Zur (endgültigen) Aufnahme in die EOS schlagen die Direktoren der EOS mit Vorbereitungsklassen die für geeignet befundenen Schüler der Klasse 10 vor. Darüber hinaus können aber auch Eltern von Schülern der Vorbereitungsklassen 10 die endgültige Aufnahme in die EOS beantragen. Aber auch von allen Schülern der 10. Normalklassen der Oberschule mit sehr guten Leistungen in den wissenschaftlichen Fächern, im fakultativen Unterricht einer zweiten Fremdsprache und in den außerunterrichtlichen Arbeitsgemeinschaften bzw. von deren Eltern können entsprechende Anträge gestellt werden. Zur (endgültigen) Aufnahme in die EOS bilden die Kreisschulräte Aufnahmekommissionen, die über jeden einzelnen Antrag entscheiden. Da die Aufnahmekommissionen in der Regel vor den Abschlußprüfungen tagen, erfolgt bei positiver Entscheidung die Aufnahme unter dem Vorbehalt, daß die Eignung durch die Leistungen und das Gesamtverhalten bis zur Abschlußprüfung der Oberschule und durch die Abschlußprüfung selbst bestätigt wird. Für die Aufnahme in die Berufsausbildung mit Abitur, d. h. in die Abiturklassen in den Einrichtungen der Berufsausbildung Jugendlicher, für die im Prinzip die gleichen Grundsätze wie für die Aufnahme in die EOS gelten, kommen vor allem solche Schulabgänger in Frage, die ein Studium an Ingenieurhochschulen, Technischen Hochschulen und Offiziershochschulen (mit technischer Fachrichtung) anstreben. Die Vorschläge und die Aufnahmeverfahren (Aufnahmekommission) werden jedoch in Zusammenarbeit mit den Kombinaten, Betrieben und Genossenschaften auf der Grundlage des zahlenmäßig eng begrenzten „Plans zur Neueinstellung von Schulabgängern für die Ausbildung in Abiturklassen“ durchgeführt, die auch die entsprechenden Lehrverträge abschließen. Die Aufnahmeverfahren werden zum Teil bereits im Laufe des 9. Schuljahres für die betreffenden Schüler durchgeführt. Auch bei der Aufnahme in die Abiturklassen der Berufsausbildung sollen Arbeiter- und Bauernkinder sowie Mädchen besonders berücksichtigt werden. Für den Besuch der Abiturlehrgänge (Gesamtlehrgänge) für Berufstätige an den Volkshochschulen ist eine Beurteilung durch den Betrieb, in dem der betreffende Berufstätige arbeitet, notwendig; Lehrlingen, sofern sie nicht in der Berufsausbildung mit Abitur lernen, ist seit kurzem die Teilnahme an den Abiturlehrgängen der Volkshochschulen (und Betriebsakademien) verboten; zeitweilig nicht berufstätige Frauen können dagegen aufgenommen werden.

 

Nach dem VIII. Parteitag der SED (1971) wurde das auch heute noch anhaltende Bestreben deutlich, die Zahl der jährlichen Abiturienten und dazu die Schülerplätze an den zur Hochschulreife führenden Bildungseinrichtungen so niedrig zu halten, daß ihre Zahl möglichst weitgehend der in den Volkswirtschaftsplänen festgelegten Zahl der Hochschulstudienplätze entspricht. Dies bedeutet nichts anderes, als den „Numerus clausus“ vom Hochschuleingang auf den Abiturstufeneingang vorzuverlagern.

 

VII. Sonderschulen und sonderpädagogische Einrichtungen

 

 

Zum Sonderschulwesen gehören als Einrichtungen für wesentlich physisch oder psychisch geschädigte, jedoch schulbildungsfähige Kinder und Jugendliche Schulen für Schwachsinnige, Gehörlose, Schwerhörige, Sprachgestörte, Blinde, Sehschwache und Körperbehinderte sowie Schulen und Klassen für langfristig stationär Behandlungsbedürftige bzw. chronisch Erkrankte in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, und auch die sonderpädagogischen Beratungsstellen. Vorschul- und Berufsschulteile sowie zum Abitur führende Klassen sind jeweils organisatorische Bestandteile der betreffenden Sonderschulen. Darüber hinaus gibt es aber auch eigenständige Sonderkindergärten und Sonderberufsschulen, z. B. Sprachheilkindergarten, Gehörlosen-Berufsschule, Berufshilfsschule. Sonderschulen, die Kinder und Jugendliche eines oder mehrerer Kreise oder Bezirke aufnehmen, sind in der Regel Internatsschulen.

 

Hilfsschulen sind 8klassige Schulen, denen zum Teil Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sind. Die schulbildungsfähigen schwachsinnigen Kinder und Jugendlichen werden entsprechend dem Grad ihrer Schädigung in einem A-, B- oder C-Zug nach differenzierten Lehrplänen unterrichtet.

 

Die Gehörlosen-Schulen und die Gehörlosen-Hilfsschulen, denen Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sein können, betreuen Kinder und Jugendliche, die auch bei Einsatz elektro-akustischer Hilfsmittel die Lautsprache auf natürlichem (akustischem) Wege nicht erlernen können. Die Gehörlosen-Schulen sind 10klassig, die Gehörlosen-Hilfsschulen 5klassig.

 

Die 10- bzw. 12klassigen Schwerhörigen-Schulen und die 8klassigen Schwerhörigen-Hilfsschulen nehmen Kinder und Jugendliche auf, die durch eine Hörminderung dem Unterricht außerhalb dieser Einrichtungen nicht folgen können, die Sprache jedoch über das Ohr ― in der Regel mit Hörhilfen ― erlernen oder dem Unterricht über das Absehen vom Munde zu folgen vermögen; auch diesen Schulen können Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sein.

 

In den Sprachheilschulen oder durch ihre ambulant tätigen Sprach- und Stimmheilpädagogen werden Kinder und Jugendliche sonderpädagogisch gebildet und behandelt, die an einem totalen oder partiellen Unvermögen leiden, die normale Umgangssprache zu erlernen, so daß Erkenntnisfähigkeit und Kommunikation beeinträchtigt sind. Die sonderpädago[S. 302]gische Behandlung Sprach- und Stimmgeschädigter erfolgt in der Regel durch ambulant tätige Pädagogen in sonderpädagogischen Beratungsstellen; nur Kinder mit solchen Sprachstörungen, für deren Behandlung die Bedingungen der Beratungsstelle nicht genügen, werden in Vorschulgruppen und Sprachheilschulen eingewiesen. Die Sprachheilschulen sind 3- bzw. 6klassige Oberschulen, denen Vorschulgruppen angegliedert sind. Ziel der Sprachheilschulen ist es, die erfaßten Kinder sprachlich so zu fördern, daß die Mehrzahl von ihnen nach dem 3. Schuljahr in die Normalschule umgeschult werden kann.

 

In den in der Regel 10klassigen Blindenschulen, denen Vorschulgruppen, Berufsschulklassen, zum Abitur führende Klassen für Sehgeschädigte sowie Hilfsschulklassen angegliedert sein können, werden Kinder und Jugendliche betreut, die infolge hochgradiger Sehschädigung auch mit Spezialsehhilfen Flachschrift nicht lesen und schreiben können und deren vollwertige Bildung und Erziehung außerhalb dieser Einrichtungen nicht gewährleistet ist. Abgänger der Blindenschule erhalten ihre Berufsausbildung im Rehabilitationszentrum für Blinde. Befähigte Schüler können in Klassen für Sehgeschädigte (Blinde und Sehschwache) zum Abitur geführt werden. Schulbildungsfähige schwachsinnige Blinde besuchen Hilfsschulklassen in den Blindenschulen.

 

Die 10klassige Sehschwachen-Schule hat die Aufgabe, die Schüler auf der Grundlage der Lehrpläne der Normalschule mit Hilfe sonderpädagogischer Maßnahmen zum Oberschulabschluß zu führen. Befähigte Schüler können in den zum Abitur führenden Klassen für Sehgeschädigte die Hochschulreife erlangen. Abgänger aus der Sehschwachenschule, deren berufliche Ausbildung unter allgemeinen Bedingungen nicht gesichert werden kann, werden ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechend in speziellen Berufsschulklassen und gegebenenfalls Ausbildungsgruppen beruflich ausgebildet.

 

Schulbildungsfähige schwachsinnige Sehschwache besuchen die 8klassigen Sehschwachen-Hilfsschulen. Ihre Berufsausbildung bzw. berufliche Eingliederung erfolgt nach den Rechtsvorschriften für Hilfsschulabgänger. Den Sehschwachen-Schulen und den Sehschwachen-Hilfsschulen können Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sein.

 

In Körperbehinderten-Schulen werden Kinder und Jugendliche aufgenommen, die in einer anderen Schule keine vollwertige Bildung und Erziehung erhalten können bzw. der Gefahr weiterer gesundheitlicher Schädigung oder psychischer Fehlentwicklung ausgesetzt sind; sie sind in der Regel 10klassig. Befähigte Schüler können in den zum Abitur führenden Klassen für Körperbehinderte die Hochschulreife erlangen. Abgänger aus den Körperbehindertenschulen, deren Berufsausbildung in den allgemeinen Ausbildungsstätten nicht gesichert werden kann, werden in Rehabilitationsstätten auf eine berufliche Tätigkeit vorbereitet.

 

Schulbildungsfähige schwachsinnige Körperbehinderte besuchen die 8klassigen Körperbehinderten-Hilfsschulen; den Körperbehinderten-Schulen und den Körperbehinderten-Hilfsschulen können Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sein.

 

Für Kinder und Jugendliche, die auch in Sonderschulen nicht betreut werden können, gibt es sonderpädagogische Einrichtungen, die auf allen Stufen die schul- und unterrichtsorganisatorischen Bedingungen, Methoden, Arbeitstechniken und pädagogischen Hilfen sowohl den Auswirkungen der Erkrankung als auch den Anforderungen der gültigen Lehrpläne anpassen und den altersgemäßen Übergang zur entsprechenden Bildungsstufe einer Sonder- oder örtlichen Oberschule ermöglichen sollen. Kinder und Jugendliche mit wesentlichen physischen und psychischen Schädigungen unterliegen der Meldepflicht; meldepflichtig sind die Jugendärzte, alle anderen Mitarbeiter des Gesundheits- und Sozialwesens, Lehrer, Erzieher, Kindergärtnerinnen sowie die Eltern der geschädigten Kinder; die Meldung erfolgt an die zuständige Abteilung Volksbildung des Rates des Kreises.

 

VIII. Sorbische Schulen und Klassen

 

 

Auf der Grundlage zunächst des Gesetzes des Landes Sachsen zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung (1948), später der Verfassung der DDR und des Bildungsgesetzes wurden in dem sog. 2sprachigen Gebiet der heutigen Bezirke Cottbus und Dresden sorbische Schulen und Klassen bzw. sorbischer Sprachunterricht eingeführt. Darüber hinaus wird aber auch an anderen Bildungseinrichtungen, so in Kindergärten, an Berufsschulen, Betriebsakademien und Volkshochschulen der Gebrauch der sorbischen Sprache ermöglicht.

 

Die Ausbildung entsprechend sprachlich befähigter Kindergärtnerinnen, Erzieher und Lehrer der unteren Klassen erfolgt am Sorbischen Institut für Lehrerbildung in Bautzen, die der Fachlehrer für das Fach Sorbisch in der Oberstufe erfolgt an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Die schulischen und anderen Möglichkeiten zur Pflege der sorbischen Sprache und Kultur sind offensichtlich größer als das tatsächliche Verlangen dieser Bevölkerungs- bzw. Sprachgruppe, insbesondere ihrer jüngeren Mitglieder, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Sorben (Minderheitenpolitik).

 

IX. Spezialschulen und Spezialklassen

 

 

Spezialschulen und Spezialklassen sind elitäre Bildungseinrichtungen im Rahmen des allgemeinbildenden Schulwesens, zum Teil auch in Verbindung [S. 303]mit dem Hochschulwesen, die „besonderen Erfordernissen der Nachwuchsentwicklung für die Wirtschaft, die Wissenschaft, den Sport und die Kultur dienen“ und nur „Schüler mit hohen Leistungen und besonderen Begabungen aufnehmen“; sie führen in der Regel zum Abitur und werden nur in begrenztem Umfang errichtet, dafür aber personell und materiell bevorzugt ausgestattet. Spezialschulen sind selbständige schulorganisatorische Einheiten, während Spezialklassen relativ selbständige Bestandteile von Normalschulen, meist von EOS, aber auch anderen Bildungseinrichtungen, wie Universitäten, Technischen Hochschulen usw., darstellen.

 

Zur Zeit werden folgende Arten von Spezialschulen und Spezialklassen betrieben: 1. (Spezial-)Klassen mit erweitertem Russischunterricht ab Klasse 3; 2. Spezialschulen und Spezialklassen für Musik, Bühnentanz und Artistik vorwiegend ab Klasse 5; 3. Spezialschulen für Sport (Kinder- und Jugendsportschulen) vorwiegend ab Klasse 5; 4. Spezialschulen und Spezialklassen für Russisch ab Klasse 9; 5. Spezialklassen mit verstärktem neusprachlichem Unterricht ab Klasse 9; 6. Spezialklassen mit verstärktem altsprachlichem Unterricht ab Klasse 9; 7. Spezialschulen und Spezialklassen für Mathematik ab Klasse 9 oder 11; 8. Spezialschulen und Spezialklassen physikalisch-technischer Richtung ab Klasse 9 oder 11; 9. Spezialklassen biologisch-technischer Richtung ab Klasse 9 oder 11.

 

In dem Beschluß über die Bildung von Spezialschulen und Spezialklassen (1963) wurde die Einrichtung von mathematisch-naturwissenschaftlichen Spezialschulen und -klassen bestimmt, in denen Schüler in solchen speziellen Berufen der führenden Wirtschaftszweige und der Landwirtschaft ausgebildet und auf ein Studium der entsprechenden Fachrichtungen vorbereitet werden, die für die Durchsetzung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts in diesen Bereichen und in der gesamten Volkswirtschaft von grundlegender Bedeutung sind und besonders hohe mathematisch-naturwissenschaftliche Kenntnisse verlangen. Jedoch schon vor diesem Spezialschulen-Beschluß (1963) bestanden verschiedene Spezialschulen bzw. Spezialklassen, so die Spezialschulen für Sport (Kinder- und Jugendsportschulen) und die Klassen mit erweitertem Russischunterricht (seit 1952).

 

In den Jahren 1964–1968 wurden zahlreiche Aktivitäten zur Einrichtung von Spezialschulen und Spezialklassen verschiedener Art entwickelt, so daß sich Margot Honecker, der Minister für Volksbildung, 1968 genötigt sah, die Forcierung dieser ― die Einheitsschule aufzulösen drohenden ― Entwicklung zu kritisieren. Da die Spezialschulen und Spezialklassen, deren elitärer Charakter nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, daß in sie nur 3–5 v. H. der Schüler der betreffenden Jahrgänge Aufnahme finden, offensichtlich der Idee der Einheitsschule bzw. dem Prinzip der „Einheit von Einheitlichkeit und Differenzierung bei Prädominanz der Einheitlichkeit“ widersprechen, finden sich in allgemein zugänglichen Veröffentlichungen über das Bildungswesen der DDR nur spärliche Angaben über diese Einrichtungen.

 

Bezüglich des Fächerkanons und der Stundentafel unterscheiden sich die Spezialschulen und Spezialklassen durch ihre spezielle Fächerprofilierung. Zum Unterschied von der Stundentafel der Normalschulen werden die „profilierenden“ Fächer mit besonders hoher Stundenzahl unterrichtet, und zwar zu Lasten der Verminderung der Stunden für andere Fächer, so für den polytechnischen Unterricht.

 

Den größten Anteil an den Spezialschulen und -klassen haben die Klassen mit erweitertem Russischunterricht, die bereits ab Klasse 3 einsetzen. Schüler der Spezialklassen 10 mit erweitertem Russischunterricht haben die Möglichkeit, das Abitur im Fach Russisch nach den Bedingungen der Klasse 12 des regulären Russischunterrichts abzulegen; Schüler der Spezialklassen 12 mit erweitertem Russischunterricht können zusammen mit dem Abitur die Sprachkundigen-Prüfung Ia oder sogar IIa ablegen. Nicht zu verwechseln mit den Spezialklassen mit erweitertem Russischunterricht sind die Spezialschulen für Russisch mit den Klassen 9–12 in Wiesenburg und in Wickersdorf, an denen Schüler speziell auf ein Studium als Russischlehrer vorbereitet werden.

 

Nach der Vereinheitlichung der EOS, die bis 1967/68 in einen neusprachlichen A-Zweig, einen mathematisch-naturwissenschaftlichen B-Zweig und einen altsprachlichen C-Zweig gegliedert war, wurden Spezialklassen 11 und 12 mit verstärktem Fremdsprachenunterricht, d. h. mit verstärktem neusprachlichem und mit verstärktem altsprachlichem Unterricht einschließlich entsprechender Vorbereitungsklassen 9 und 10 eingerichtet. Die Verstärkung des Fremdsprachenunterrichts kommt sowohl in seinem größeren Umfang — es werden mindestens 3 obligatorische Fremdsprachen gelehrt — als auch in seinem höheren Niveau zum Ausdruck, das vor allem dadurch erreicht wird, daß der Fremdsprachenunterricht in kleinen Gruppen erteilt wird. Eine sehr niedrige Klassenfrequenz ist überhaupt ein wesentliches Kennzeichen und Privileg der Spezialschulen und -klassen.

 

Zu den fremdsprachlichen Spezialschulen und -klassen ist auch das Institut zur Vorbereitung auf das Auslandsstudium der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät der Universität Halle-Wittenberg zu rechnen, an dem besonders ausgewählte Schüler, die die Klasse 11 absolviert haben, in einem besonderen 12. Schuljahr auf ein Studium in den RGW-Ländern, vor allem in der Sowjetunion, vorbereitet werden und dafür eine entsprechend verstärkte fremdsprachliche Ausbildung, vorzugsweise in der russischen Sprache, erhalten.

 

[S. 304]Neben den mathematischen Spezialklassen 9 und 12 an EOS gibt es auch eine Spezialschule für Mathematik, die Heinrich-Hertz-Schule in Berlin-Friedrichshain. Physikalisch-technische Spezialschulen bestehen in Dresden, Frankfurt/Oder, Jena, Merkers und Riesa. Darüber hinaus bestehen an (normalen) EOS physikalisch-technische und biologisch-technische Spezialklassen, so z. B. in Kleinmachnow, Hermsdorf/Thüringen und Güstrow. Außerdem wurden (bereits 1964) an den damaligen mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten einiger Universitäten und Hochschulen Spezialklassen „zur Förderung mathematisch-naturwissenschaftlich besonders begabter Jugendlicher“ eingerichtet. In diesen Spezialklassen 11 und 12 sollen die Jugendlichen, die durch die Universitäten und Hochschulen im Zusammenwirken mit den Schulbehörden, insbesondere aufgrund der Ergebnisse der Mathematik-Olympiaden und anderer naturwissenschaftlich-technischer Leistungswettbewerbe, ausgewählt werden, vor allem auf ein Studium in mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Fachrichtungen vorbereitet werden. Der Unterricht in diesen Spezialklassen erfolgt durch Wissenschaftler nach speziellen Lehrplänen sowie in kleinen Gruppen.

 

Nach der kurz nach dem IX. Parteitag der SED (1976) erlassenen „Anweisung über Spezialklassen an Sektionen für Mathematik und Naturwissenschaft der Universitäten und Hochschulen“ (VuM d. Min. f. Hoch- u. Fachschulwesen, 1976, Nr. 7, S. 42 f.) bestehen diese Arten von Spezialklassen an den Universitäten Berlin (Ost), Halle und Rostock sowie an den Technischen Hochschulen Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) und Leuna-Merseburg. Die in diesen Spezialklassen auf ein Studium vorbereiteten Schüler überspringen z. T. das erste Studienjahr. Die Delegierung dieser Schüler und ihre Zulassung seitens der jeweiligen Universität oder Technischen Hochschule erfolgt im Zusammenhang mit dem Verfahren der Aufnahme von Schülern in die Abiturstufe im 10. Schuljahr.

 

Abgesehen von der Spezialschule für Musik in Berlin-Friedrichshain und den Spezialklassen für Musikerziehung in Wernigerode, die wie die Mehrzahl der übrigen Spezialschulen und -klassen dem Ministerium für Volksbildung unterstehen, sind die verschiedenen Spezialschulen und -klassen für Musik, Bühnentanz und Artistik dem Ministerium für Kultur unterstellt, die in ihrer Mehrzahl auch nicht zum Abitur führen, dafür aber eine Berufsausbildung, z. B. zum Bühnentänzer und Artisten, vermitteln.

 

Die in den letzten Jahren zahlenmäßig eingeschränkten Spezialschulen für Sport, die seit 1952 bestehenden Kinder- und Jugendsportschulen, sind — neben der Vermittlung einer (pro Schuljahr eingeschränkten) allgemeinen Oberschulbildung — auf die möglichst frühzeitige Heranbildung von Spitzensportlern ausgerichtet und erteilen einen auf einige wenige Sportarten begrenzten, äußerst intensiven Sportunterricht; wegen der hohen Trainingsanforderungen wird nur ein Teil der Schüler zum Abitur geführt, und zwar in einem um ein oder sogar zwei Jahre verlängerten Bildungsgang (13. oder 14. Schuljahr).

 

Für die Aufnahme von Schülern in die Spezialschulen und -klassen, insbesondere in die Spezialklassen 9, gelten die gleichen Grundsätze wie für die Aufnahme in die Vorbereitungsklassen 9, jedoch andere und wesentlich strengere Maßstäbe. In der Regel schlagen die Direktoren der allgemeinbildenden Normalschulen ― mit Zustimmung, meistens aber auf Antrag der Eltern ― dem Kreisschulrat die für geeignet befundenen Schüler zur Aufnahme in die betreffenden Spezialschulen bzw. Spezialklassen vor. Die Entscheidungskriterien sind einmal die volkswirtschaftlichen Bedürfnisse bzw. die verfügbaren Kapazitäten, zum anderen aber die besonderen Leistungen der Schüler sowohl in den betreffenden, d. h. den „profilierenden“ Fächern als auch in allen übrigen wissenschaftlichen Fächern, das einwandfreie Verhalten der Schüler, „ihre durch ihre Haltung und ihre gesellschaftliche Tätigkeit bewiesene Verbundenheit mit der DDR“ sowie ihre festgelegte Zugehörigkeit zur Gruppe der besonders zu fördernden „Arbeiter- und Bauernkinder“ (Schüler und Lehrlinge). Offensichtlich gelingt es Angehörigen höherer sozialer Schichten, insbesondere leitenden Funktionären in Partei, Staat, Wissenschaft und Wirtschaft in besonders hohem Maße, ihre Kinder gerade in den Spezialschulen und Spezialklassen unterzubringen. Dies wird zwar offiziell ab und zu kritisiert, jedoch keineswegs verhindert. Ist es die generelle Aufgabe aller Spezialschulen und -klassen, unter Ausnutzung spezieller Befähigungen der Schüler besonders hohen und differenzierten bzw. speziellen Kader-Erfordernissen von Wissenschaft, Technik, Volkswirtschaft, Staat, Kultur und Sport zu genügen, so sollen die mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Spezialschulen und -klassen insbesondere „die wissenschaftlich-technische Revolution meistern helfen“; dagegen stellen die fremdsprachlichen Spezialschulen und -klassen einschließlich der Veranstaltungen zur fremdsprachlichen Intensivausbildung vor allem eine notwendige Reaktion auf die in jüngster Zeit verstärkten internationalen Beziehungen und Verpflichtungen dar. Der starke Andrang zu diesen Spezialschulen und -klassen bzw. die aktiven und einfallsreichen Bemühungen interessierter Schüler und vor allem Eltern, einen der wenigen Plätze in diesen Schulen und Klassen für sich bzw. für ihre Kinder zu erlangen, ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die Absolventen dieser zum Abitur führenden Schulen bezüglich der Zuteilung eines ― aufgrund der jüngsten Beschränkungen noch mehr begehrten ― Hochschulstudienplatzes erhebliche Vorteile besitzen.[S. 305]

 

X. Einheitlichkeit und Differenzierung

 

 

Das B. in der DDR wird in bezug auf Zielstellung und Inhalt als „sozialistisch“ sowie hinsichtlich Aufbau und Gliederung als „einheitlich“ bezeichnet. Das bedeutet, daß die Grundsätze der Einheitlichkeit der Bildung und Erziehung und der Gleichheit der Bildungsmöglichkeiten von entscheidender Bedeutung sein sollen. Der Grundsatz der Einheitlichkeit wird jedoch auch im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Differenzierung der Bildungsgänge gesehen.

 

Daß es keineswegs die Aufgabe des B. in der DDR sein kann bzw. soll, jedem Bürger den Übergang zu den höchsten Bildungsstätten zu ermöglichen, kam bereits in der Direktive des VIII. Parteitages der SED (1971) zum Fünfjahrplan 1971–1975, insbesondere in den Formulierungen „Die weitere Entwicklung der Hoch- und Fachschulen hat entsprechend den volkswirtschaftlichen Erfordernissen zu erfolgen“ und „Die Anzahl der auszubildenden Abiturienten ist in Übereinstimmung mit der Entwicklung des Hochschulstudiums festzulegen“ zum Ausdruck. Dies unterstrich der Minister für Volksbildung, Margot Honecker, noch mit der Feststellung, daß die Schulen in erster Linie den hochqualifizierten Facharbeiternachwuchs vorzubereiten haben. Wenn danach die Hochschulstudienplätze und in noch stärkerem Maß die Abiturstufenplätze vermindert wurden, so bedeutete dies eine ganz erhebliche Einschränkung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Bildung und insbesondere des Zugangs aller dazu Befähigten zum Abitur und zum Hochschulstudium. Diese restriktive Zulassungspraxis für Abiturstufe und Hochschule wurde auch durch den IX. Parteitag der SED (1976) und durch den Fünfjahrplan 1976–1980 bestätigt und danach fortgeführt. Der Grundsatz der „Einheit von Einheitlichkeit und Differenzierung bei Prädominanz der Einheitlichkeit“ entspricht ― bezogen auf die allgemeinbildenden Schulen ― der Idee der Einheitsschule. Die klassische Definition der sozialistisch-kommunistischen Einheitsschule, die von Nadeshda Krupskaja, der Lebensgefährtin Lenins, in der „Deklaration über die Einheits-Arbeitsschule“ vom 16. 10. 1918 formuliert wurde, besagt aber, daß der Begriff „Einheitsschule“ zwar nicht deren Einförmigkeit bedeutet und daß die Einheitsschule durchaus horizontal differenziert sein kann, jedoch in vertikaler Richtung unbedingt einheitlich sein muß. Wenn es also heute die Pädagogik und die Schulpolitik der DDR als wesentliches Merkmal der Einheitsschule und als eine Mindestforderung an die Einheitlichkeit eines Schulsystems erachtet, die allgemeinbildende Pflichtschule als „eine für alle Kinder gemeinsame Schule mit im wesentlichen gleichartiger Bildung, als einheitlichen Grundschultyp“ zu gestalten, die alle Absolventen auf das Leben und die Berufsbildung sowie auf die nichtobligatorische weitere Allgemeinbildung vorbereitet, so schließt das nach Meinung der offiziellen Pädagogik und Bildungspolitik der DDR „zwar unterschiedliche nichtobligatorische Beschäftigungen und Kurse nicht aus, macht aber zur Bedingung, daß diese das hohe Abschlußniveau für alle nicht gefährden, keine Vorentscheidungen über die weitere Bildung darstellen, sondern alle weiteren Bildungswege für alle offenhalten“. Gerade wenn man diese Maßstäbe der offiziellen Pädagogik und Schulpolitik der DDR der Beurteilung zugrunde legt, kann der Tatbestand eines vertikal mehrfach gegliederten allgemeinbildenden Schulsystems für die DDR nicht geleugnet werden: Neben dem Normalschulsystem für die große Masse der Schüler existiert u. a. ein System von Spezialschulen und Spezialklassen mit äußerst beschränkten Zugangsmöglichkeiten, also für eine elitäre Minderheit von Schülern, für deren Auslese ein umstrittener Begabungsbegriff angewendet wird.

 

Einerseits betonen zwar die Pädagogen und Schulpolitiker in der DDR, daß „der Abschluß der Spezialschulen keine besonderen Berechtigungen außerhalb des allgemeinen Leistungsprinzips und der speziellen Vorbereitung auf bestimmten Gebieten gibt“, es sich also „nicht um einen besonderen Bildungsweg handelt“; andererseits wird aber ausdrücklich festgestellt: „Der erfolgreiche Abschluß an Spezialschulen und -klassen sichert in höherem Maße den Übergang zum Hochschulstudium in der entsprechenden Studienrichtung als der Abschluß an Normalschulen.“ Außerdem wird betont, daß durch die praktizierten Auswahlprinzipien und Auswahlverfahren neben den jeweiligen speziellen Begabungen auch die allgemeinen Begabungen der Schüler berücksichtigt werden und daß in den Spezialschulen und -klassen oft ein höheres Leistungsniveau in fast allen Bereichen der Allgemeinbildung als an normalen Schulen erreicht wird. Auch wird eingeräumt, daß „die Möglichkeit einer von der sozialen Gesamtstruktur abweichenden Rekrutierungsbasis dieser Einrichtungen, besonders aufgrund territorialer Zugangseinschränkungen und hinsichtlich vorhandener ausgeprägter Ambitionen in bestimmten Sozialschichten für diesen oder jenen Spezialschultyp“ gegeben ist.

 

Kann die Oberschule mit den Normalklassen 1–8 vielleicht noch als differenzierte Einheitsschule charakterisiert werden, so bietet sich das allgemeinbildende Schulsystem besonders oberhalb der 8. Klassen als ein ausgeprägtes, vertikal mehrfach gegliedertes Schulsystem mit all seinen Problemen dar, dessen unüberschreitbare Bildungsweggrenzen qualitativ unterschiedliche Ausgangslagen und Chancen für weiterführende Bildungsgänge und sozialen Aufstieg schaffen. Aber auch für die 10klassige Oberschule, also für die als „differenzierte Einheitsschule“ charakterisierte Normalschule, stellen die ge[S. 306]gebenen Differenzierungen zumindest Ansätze zur Errichtung solcher vertikaler Bildungsbarrieren dar. Die in der 10klassigen Oberschule in den letzten Jahren eingeführten Differenzierungen sind als qualitative Veränderungen der Einheitsschule zu bewerten. Die offiziell gültige Charakterisierung des allgemeinbildenden Schulsystems als Einheitsschule muß daher als sachlich nicht gerechtfertigt und als Versuch angesehen werden, die tatsächlichen Gegebenheiten aus politisch-ideologischen und agitatorischen Gründen zu verschleiern.

 

Ein Blick auf die 9. Jahrgangsstufe verdeutlicht die tatsächlichen Gegebenheiten der vertikalen Differenzierung; denn bezüglich der äußeren Differenzierung befinden sich in der DDR Jugendliche dieser Jahrgangsstufe 1. im ersten Lehrjahr der (in diesem Fall um ein Jahr verlängerten) Berufsausbildung, in die sie nach Abschluß der 8. Klasse, zum Teil aber auch einer früheren Klasse, jedoch nach mindestens 8 Schuljahren, eingetreten sind, oder 2. in einer 9. Klasse der Normalschule, d. h. der 10klassigen Oberschule, oder 3. in einer Vorbereitungsklasse 9, in der sie unmittelbar bzw. speziell auf den Eintritt in die EOS (Abiturstufe) vorbereitet werden, oder 4. in einer 9. Sonderschulklasse oder 5. in einer Spezial(vorbereitungs)klasse 9 oder 6. in einer 9. Spezialschulklasse.

 

XI. Berufsausbildung Jugendlicher

 

 

Berufsbildung im umfassenden Sinne meint die berufliche Aus- und Weiterbildung auf allen Ebenen, d. h. von der Qualifizierung Anzulernender bis zur Weiterbildung der Hochschullehrer und Wissenschaftler. Berufsbildung im engeren Sinne dagegen umfaßt nur die Veranstaltungen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung bis zur Ebene der Meister, vor allem aber bis zum Facharbeiterabschluß; sie gliedert sich in „Berufsausbildung Jugendlicher“ und „Aus- und Weiterbildung der Werktätigen“. Nach der Verfassung haben alle Jugendlichen nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, nach Verlassen der Schule ― aus welcher Klasse auch immer ― eine Berufsausbildung, zumindest eine berufliche Teilausbildung, zu absolvieren. Sie erfolgt in den in der „Systematik der Ausbildungsberufe“ aufgeführten Ausbildungsberufen ― das sind z. Z. 315 Ausbildungsberufe, davon 28 Grundberufe ― sowie anhand der vom Staatssekretariat für Berufsbildung herausgegebenen verbindlichen Rahmenausbildungsunterlagen mit ihren Berufsbildern. Stundentafeln und Lehrplänen. Die Zahl der Ausbildungsberufe wurde von 972 im Jahr 1957 über 658 im Jahr 1964, 455 im Jahr 1967 und 355 im Jahr 1969 systematisch verringert, vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung der Grundberufe (1967: 4; 1968: 8; 1969: 21; 1970: 26).

 

Die Rahmenausbildungsunterlagen und die darin enthaltenen Berufsbilder und Lehrpläne werden auf der Grundlage von Berufsanalysen und zentralen Richtlinien von den Berufsfachkommissionen teildezentralisiert erarbeitet, und zwar mit Unterstützung bzw. unter Anleitung durch beauftragte Leitbetriebe, das Staatssekretariat für Berufsbildung (vormals Staatliches Amt für Berufsausbildung, Leiter: Bodo Weidemann) in Berlin (Ost) und das Zentralinstitut für Berufsbildung der DDR (vormals Deutsches Institut für Berufsbildung, Amt. Direktor: Kurt Heinze) in Berlin (Ost), die auch die entsprechende Bestätigung und Verbindlichkeitserklärung abgeben und die Ausbildungsberufe in die Systematik der Ausbildungsberufe aufnehmen.

 

Die Rahmenausbildungsunterlagen (Lehrpläne, Berufsbilder) für die meisten Ausbildungsberufe wurden in den Jahren 1977/78 gründlich überarbeitet. Die nun vorliegenden, recht detaillierten Berufsbilder enthalten Angaben über die beruflichen Spezialisierungen, über die Bedeutung und Entwicklung des Berufes im Rahmen der Volkswirtschaft, über die Charakteristik der beruflichen Tätigkeit einschließlich der beruflich-fachlichen Anforderungen mit Angabe der wesentlichen Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstände, Arbeitstätigkeiten und Anforderungen an die Arbeitsausführung, über die schulischen, psychischen und physischen Voraussetzungen für die Berufsausübung, über die Ausbildungsdauer sowie über die Einsatz- und weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der in den betreffenden Berufen ausgebildeten Facharbeiter.

 

Die Ausbildungsdauer liegt für Absolventen der 10. Klasse zwischen 1½ Jahren (z. B. Metallurge für Formgebung, Fotolaborant) und 4 Jahren (Porzellanmaler), beträgt in der Regel jedoch 2 Jahre. Für Absolventen der 8. Klasse und für die Berufsausbildung mit Abitur dauert die jeweilige Ausbildung 1 Jahr länger.

 

Von den derzeit 315 Ausbildungsberufen sind 224 Ausbildungsberufe für Absolventen der 10. Klasse, 66 Ausbildungsberufe für Absolventen der 8. Klasse, 90 Ausbildungsberufe auch für die Berufsausbildung mit Abitur sowie 25 Ausbildungsberufe für die Aus- und Weiterbildung der Werktätigen vorgesehen (Dritte Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Systematik der Ausbildungsberufe vom 9. 8. 1976, GBl. SDr., Nr. 883).

 

Die Facharbeiterausbildung in einem Ausbildungsberuf gliedert sich einerseits in die Grundlagenbildung und in die Spezialisierung (für den jeweiligen betrieblichen Einsatz), andererseits in den allgemeinbildenden Unterricht (zumindest Staatsbürgerkunde und Sport), den berufstheoretischen Unterricht einschließlich der Grundlagenfächer Grundlagen der Elektronik, der BMSR-Technik, der Datenverarbeitung, Betriebsökonomik und Sozialistisches Recht sowie in den berufspraktischen Unterricht (einschließlich der Vermittlung spezieller theoretischer Lehrstoffe). Der berufstheoretische und der [S. 307]berufspraktische Unterricht sind in der Regel in Lehrgänge gegliedert.

 

Jugendliche, die keine volle Facharbeiterausbildung mit Aussicht auf Erfolg absolvieren können, erhalten eine 1- bis 2jährige berufliche Teilausbildung, d. h. eine berufliche Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes (den auch Schulabgänger aus der 8. Klasse in 3 Jahren erlernen dürfen); zu diesen Jugendlichen gehören insbesondere Abgänger aus Hilfs- und einigen Sonderschulen. Solche Teilausbildungen sind z. B. „Putzen“ (als Teil des Ausbildungsberufes Maurer), „Bewehrungsarbeiten“ (Betonbauer), „Glasreiniger“ (Gebäude- und Fahrzeugreiniger), „Postzusteller“ (Facharbeiter für Betrieb und Verkehr des Post- und Zeitungswesens) und „Wirtschaftsgehilfin“ (Wirtschaftspflegerin). Abgänger aus Hilfsschulen, die auch nicht über die Voraussetzungen für eine Teilausbildung verfügen, erhalten eine 1jährige Ausbildung für eine einfache Arbeitstätigkeit als Produktionshilfsarbeiter.

 

Ausgehend von der Erkenntnis, daß die Gestaltung der Berufsausbildung mit der Dynamik Schritt halten müsse, welche die wissenschaftlich-technische Revolution in der Volkswirtschaft bewirkt, wurde in den Grundsätzen für die Weiterentwicklung der Berufsausbildung (1968) festgestellt, daß für die dazu erforderliche Erhöhung des Niveaus der Berufsausbildung und die vielseitigere Einsetzbarkeit der Facharbeiter vor allem die Einführung von Grundlagenfächern und Grundberufen, die Veränderung des Inhalts der herkömmlichen Ausbildungsberufe sowie die Weiterentwicklung der Formen und Methoden der Berufsausbildung dringend erforderlich sind. Insbesondere sei im Prozeß der wissenschaftlich-technischen Revolution und der damit verbundenen weiteren Arbeitsteilung ein neuer Typ der Ausbildungsberufe zwingend notwendig: der Grundberuf, in dem die mathematisch-naturwissenschaftlichen, technischen, produktionsorganisatorischen und ökonomischen Grundlagen verwandter Produktions- und Arbeitsprozesse einschließlich neuer Technologien und Arbeitsverfahren vermittelt werden. Grundberufe sind also breit profilierte Ausbildungsberufe, die den erforderlichen Bildungsvorlauf und die notwendige berufliche Disponibilität der Arbeitskräfte gewährleisten sollen, die berufliche Aus- und Weiterbildung organisch miteinander verbinden, die Organisation des Ausbildungssystems und die Ausarbeitung von Lehrplänen usw. vereinfachen sowie die materiellen und personellen Aufwendungen für die Berufsausbildung senken sollen, sowie volkswirtschaftlich bedeutsame Querschnitts- und Massenberufe für Absolventen mindestens der 10. Klasse.

 

Die derzeit 28 Grundberufe sind: Facharbeiter für automatisierte Produktionssysteme, für BMSR-Technik (Betriebs-, Meß-, Steuerungs- und Regelungstechnik), für Datenverarbeitung, Wartungsmechaniker für Datenverarbeitungs- und Büromaschinen, Elektronikfacharbeiter, Elektromonteur. Facharbeiter für Fertigungsmittel, Maschinen- und Anlagenmonteur, Zerspanungsfacharbeiter, Instandhaltungsmechaniker, Maschinist, Facharbeiter für chemische Produktion, Laborant, Metallurge für Erzeugung. Metallurge für Formgebung, Facharbeiter für Anlagentechnik, Facharbeiter für Nachrichtentechnik, Fahrzeugschlosser, Baufacharbeiter, Agrotechniker, Zootechniker, Facharbeiter für die Be- und Verarbeitung pflanzlicher Produkte, Meliorationstechniker, Facharbeiter für Umschlagprozesse und Lagerwirtschaft, Wirtschaftskaufmann, Finanzkaufmann, Landmaschinenschlosser und Motorenschlosser (Landwirtschaft) mit jeweils verschiedenen Spezialisierungen, deren Anzahl zwischen 2 und 21 beträgt.

 

Die Ausbildung in einem Grundberuf umfaßt die Grundlagenbildung und die Ausbildung in einer von mehreren möglichen Spezialisierungen. So umfaßt beispielsweise der Grundberuf Elektromonteur die berufliche Grundlagenbildung sowie die 7 beruflichen Spezialisierungen Installation, Kabel, Schalt- und Verteilungsanlagen, Fahrleitungen, Freileitungen, Wartung und Instandhaltung sowie Stationsbau; die berufliche Grundlagenbildung umfaßt 2.120 Stunden und jede der 7 Spezialisierungen 1.600 Stunden; in einer anderen Aufteilung bedeutet dies 1½ Jahre berufliche Grundlagenbildung und ein ½ Jahr Spezialisierung. Demgegenüber gliedert sich der Grundberuf Elektronikfacharbeiter in die ebenfalls 1½ Jahre dauernde berufliche Grundlagenbildung und 10 Spezialisierungen, wobei 4 Spezialisierungen 6 Monate Ausbildung und die übrigen 6 Spezialisierungen 12 Monate Ausbildung beanspruchen.

 

Die berufliche Grundlagenbildung für die Grundberufe, aber auch für breit profilierte Ausbildungsberufe gliedert sich in den allgemeinbildenden und den berufstheoretischen Unterricht einschließlich des Unterrichts in den beruflichen Grundlagenfächern und in den berufspraktischen Unterricht. Aufgabe der Grundlagenfächer „Grundlagen der Elektronik“, „Grundlagen der BMSR-Technik“ und „Grundlagen der Datenverarbeitung“ ist es, die Lehrlinge für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt zu interessieren und seine Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung zu erläutern sowie sie mit den wichtigsten allgemeinen Grundzügen des Zwecks, der Wirkungsweise und der Anwendung der Automatisierungstechnik und Datenverarbeitung und dazu mit den naturwissenschaftlich-technischen Wirkungsprinzipien vertraut zu machen.

 

Aufgabe des Grundlagenfaches „Betriebsökonomik“ ist es, den Lehrlingen sichere und anwendungsfähige ökonomische Kenntnisse zu vermitteln, damit sie den Zusammenhang zwischen eigener Tätigkeit und betrieblichen Aufgaben erkennen, daraus die [S. 308]erforderlichen persönlichen Verhaltensweisen ableiten und das richtige Verhältnis von Aufwand und Nutzen beim Einsatz und bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und -gegenständen bestimmen.

 

Aufgabe des Grundlagenfaches „Sozialistisches Recht“ ist es, den Lehrlingen Kenntnisse des sozialistischen Rechts zu vermitteln, ihr sozialistisches Rechtsbewußtsein und Rechtsverhalten weiter auszuprägen und sie zu befähigen, ihre Handlungen entsprechend den in der DDR geltenden Rechtsnormen zu gestalten.

 

Die spezielle berufliche Ausbildung, d. h. die Vermittlung einer Spezialisierung, untergliedert sich ebenfalls in die berufstheoretische und die berufspraktische Ausbildung.

 

Der berufstheoretische Unterricht ist bestimmender Bestandteil der beruflichen Grundlagenbildung und umfaßt außer den beruflichen Grundlagenfächern die für den betreffenden Beruf jeweils erforderlichen fachlich-theoretischen Disziplinen einschließlich solcher für mehrere Grund- bzw. Ausbildungsberufe relevanten Disziplinen wie Maschinen- und Anlagenkunde, Werkstoffkunde, Gütesicherung, Qualitätskontrolle usw., aber auch berufsspezifisch-allgemeinbildende Fächer wie z. B. berufsbezogene Mathematik; er wird vorwiegend in Klassenräumen und in speziell ausgestatteten Unterrichtskabinetten der Berufsschulen von Berufsschullehrern, darunter zunehmend von Diplom-Ingenieurpädagogen usw. erteilt (Lehrer und Erzieher). Der tendenziell steigende Anteil des berufstheoretischen Unterrichts ist von Ausbildungsberuf zu Ausbildungsberuf unterschiedlich und bei den Grundberufen am höchsten; er wird in der Regel in der ersten Hälfte der Ausbildungszeit abgeschlossen.

 

Der allgemeinbildende Unterricht in der (in der Regel 2jährigen) Berufsausbildung von Absolventen der 10klassigen Oberschule umfaßt die Fächer Staatsbürgerkunde (74 Stunden) und Sport (74 Stunden); der allgemeinbildende Unterricht im Rahmen der (um 1 Jahr, in der Regel also auf 3 Jahre) verlängerten Berufsausbildung für Abgänger aus der Klasse 8 der Oberschule umfaßt die Fächer Deutsche Sprache und Literatur (284 Stunden), Mathematik (321 Stunden), Geschichte (142 Stunden) sowie Staatsbürgerkunde (105 Stunden) und Sport (148 Stunden); bei Jugendlichen, die die Oberschule verlassen, ohne das Ziel der Klasse 8 erreicht zu haben und einen Lehrvertrag für die Ausbildung auf Teilgebieten eines Berufes (Teilausbildung) oder für einen engprofilierten Beruf abschließen, wird der allgemeinbildende Unterricht in den Fächern Deutsche Sprache und Literatur, Mathematik, Staatsbürgerkunde und Sport weitergeführt.

 

Berufstheoretischer und allgemeinbildender Unterricht der Berufsausbildung Jugendlicher werden in der Regel in Betriebs- oder in Kommunalen Berufsschulen erteilt.

 

Betriebsberufsschulen sind staatliche Bildungseinrichtungen in Volkseigenen Betrieben und vergleichbaren Institutionen des Staates, die Einrichtungen für den allgemeinbildenden und den berufstheoretischen Unterricht wie Fachklassen, Unterrichtskabinette, Turnhallen, aber auch für den berufspraktischen Unterricht (Lehrwerkstatt, Trainingskabinett usw.) sowie das Lehrlingswohnheim umfassen; sie werden von einem Direktor geleitet, der dem Leiter des Betriebes bzw. Kombinates unterstellt ist und zur Werkleitung gehört.

 

Kommunale Berufsschulen sind staatliche Bildungseinrichtungen, die den Abteilungen Berufsausbildung und Berufsberatung der Räte der Kreise unterstehen und in denen Lehrlinge sowie Jugendliche im berufsschulpflichtigen Alter theoretischen, d. h. allgemeinbildenden und berufstheoretischen Unterricht erhalten; an ihnen bestehen nach Ausbildungsberufen und Lehrjahren gegliederte Fachklassen. Je nach den Hauptrichtungen der Ausbildungsberufe gibt es Gewerbliche, Kaufmännische, Landwirtschaftliche und (mehrere Hauptrichtungen umfassende) Allgemeine Berufsschulen.

 

Die Zentralberufsschulen sind staatliche Bildungseinrichtungen für Lehrlinge, für die in den Betriebsberufsschulen oder Kommunalen Berufsschulen keine nach Fachrichtungen und Abgangsklassen gegliederte, ökonomisch vertretbare Klassenbildung möglich ist; an ihnen erhalten die Lehrlinge den berufstheoretischen Unterricht nach einem Kurssystem (mehrmals 4–8 Wochen pro Lehrjahr); den allgemeinbildenden Unterricht und den übrigen theoretischen Unterricht (berufliche Grundlagenfächer) erhalten sie in den Berufsschulen ihres Heimatkreises. Zu den Zentralberufsschulen sind auch die Bezirksfachklassen sowie die Berufsschulen mit Zentralberufsschulteil zu rechnen, an denen ebenfalls berufstheoretischer Unterricht zentralisiert erteilt wird. Charakteristisch für die Kommunalen Berufsschulen und die Zentralberufsschulen ist, daß an ihnen nur der theoretische Unterricht erteilt wird, während die Lehrlinge dieser Schulen ihre berufspraktische Ausbildung in mittleren und kleineren Volkseigenen Betrieben, in Produktionsgenossenschaften der Landwirtschaft und des Handwerks sowie in Privatbetrieben erhalten.

 

Der berufspraktische Unterricht wird in Lehrwerkstätten und ähnlichen Einrichtungen wie Lehrbaustellen, Lehrschächten usw., aber auch in Ausbildungskabinetten, Trainingskabinetten, Labors usw., der Betriebsberufsschulen sowie in den Produktionsabteilungen der Betriebe durchgeführt. Zwecks gemeinsamer Nutzung und rationeller Ausnutzung ihrer Ausbildungsstätten bilden verschiedene Betriebe Ausbildungsgemeinschaften, wobei die Lehrlinge in denjenigen Ausbildungsstätten konzentriert werden, in denen die besten Bedingungen für die jeweilige Ausbildung gegeben sind.

 

[S. 309]Für die Leitung, Planung und Organisation des berufspraktischen Unterrichts der Lehrlinge in den Lehrwerkstätten usw. wie auch in den Produktionsabteilungen der Betriebe sind die Lehrkräfte ― das sind in zunehmendem Maße je nach der Betriebsart Ingenieurpädagogen, Ökonompädagogen oder Medizinpädagogen bzw. Lehrobermeister ― in Zusammenarbeit mit den Lehrfacharbeitern verantwortlich; sie erteilen auf der Grundlage der verbindlichen Lehrpläne und der Ausbildungsbedingungen im Arbeitsbereich ausgearbeitete Lehraufträge an die Lehrfacharbeiter und Lernaufträge an die Lehrlinge. Ferner haben sie dafür Sorge zu tragen, daß eine sowohl ausbildungsgerechte als auch volkswirtschaftlich bedeutsame Lehrproduktion von Geräten, Maschinen oder Anlagen bzw. von Baugruppen oder Teilaggregaten oder von Massenbedarfsgütern eingerichtet wird; zu diesem Zweck sollen Kooperationsbeziehungen zwischen den Lehrwerkstätten und den anderen Betriebsabteilungen, insbesondere den Produktionsabteilungen hergestellt werden.

 

Die Lehrlinge werden vom ersten Tag ihrer Ausbildung an zu rationeller und effektiver Arbeit erzogen. Die Ausbildung erfolgt vor allem an jenen Arbeitsplätzen, an denen die Lehrlinge nach erfolgreichem Abschluß ihrer Lehrzeit als Facharbeiter arbeiten werden; dieses Ziel soll mindestens 8 Wochen vor Abschluß der Lehre erreicht werden. Für Leistungssteigerung und Entwicklung des ökonomischen Denkens und Handelns führen die Lehrlinge ein Haushaltsbuch, in dem die Erfüllung der produktiven Lehrlingsleistungen, die Senkung der beeinflußbaren Kosten und des Ausfalls an produktiven Stunden sowie ihre Beteiligung am Neuererwesen, am Berufswettbewerb und ihre Wettbewerbsverpflichtungen im Rahmen der Bewegung der Messe der Meister von Morgen eingetragen werden (Schüler und Lehrlinge). Für in Einzelausbildung stehende Lehrlinge werden überbetriebliche Leistungsvergleiche veranstaltet. Pünktlichkeit, Fleiß, Ordnung am Arbeitsplatz, die volle Nutzung der Arbeitszeit, das Leisten von Qualitätsarbeit und der „Kampf um die allseitige Planerfüllung“ sind wesentliche Erziehungsziele, die durch möglichst frühzeitige Mitarbeit der Lehrlinge in den Arbeitskollektiven der Produktionsabteilungen erreicht werden sollen; dazu gehört auch das möglichst frühzeitige Erreichen der Facharbeiterleistung.

 

Die Organisationsform für die praktische Ausbildung mit ähnlicher Bedeutung wie die Fachklassen für den berufstheoretischen Unterricht ist das Lernaktiv, das in der Regel 14 Lehrlinge umfaßt und von einer Lehrkraft (Ingenieurpädagogen usw.) geleitet wird.

 

Berufspraktischer und berufstheoretischer Unterricht wechseln in der Regel innerhalb einer Woche; unter besonderen Bedingungen, z. B. bei zusammenhängenden Tätigkeiten zur Lösung komplexer Arbeitsaufgaben bei der Ausbildung unter den Bedingungen der Schichtarbeit und des Bau- und Montagebetriebes, kann auch ein anderer Turnus festgelegt werden.

 

Nach der Facharbeiter-Prüfungsordnung (1973) umfaßt die Facharbeiterprüfung, die vor einer Prüfungskommission abgelegt wird, die Abschlußprüfung in den Grundlagenfächern Grundlagen der Elektronik, der BMSR-Technik, der Datenverarbeitung und Betriebsökonomik, die Abschlußprüfungen in den weiteren theoretischen und praktischen Fächern, Lehrgängen und Stoffgebieten der beruflichen Grundlagenbildung und der beruflichen Spezialisierung, die in der jeweiligen Rahmenausbildungsunterlage geforderten zusätzlichen besonderen Prüfungen, z. B. Fahrerlaubnis-Prüfung, Sprachkundigen-Prüfung usw., die Abschlußprüfungen in den Fächern des allgemeinbildenden Unterrichts Staatsbürgerkunde und Sport sowie die schriftliche Hausarbeit und ihre „Verteidigung“. In dem Facharbeiterzeugnis werden die einzelnen Abschlußzensuren sowie eine Gesamtzensur ausgewiesen. Für die Zensierung gilt die gleiche Zensurenskala wie für die allgemeinbildenden Schulen.

 

Gemäß der Anordnung über die Finanzierung der Berufsausbildung (1969) werden die Kosten der Betriebe für die praktische Berufsausbildung, die sich als Differenz zwischen den Gesamtkosten und den Erlösen aus der praktischen Berufsausbildung ergeben, in die Selbstkosten der Betriebe einbezogen; bei Einrichtungen, die aus dem Staatshaushalt finanziert werden, sind diese Ausgaben auch in dem Haushaltsplan enthalten. Die Finanzierung der Ausgaben für die allgemeinbildende und theoretische Berufsausbildung sowie für die Lehrlingswohnheime der betrieblichen Einrichtungen erfolgt (abzüglich der Einnahmen) aus Mitteln des Staatshaushaltes; die Finanzierung der kommunalen Berufsschulen und Lehrlingswohnheime erfolgt entsprechend den Rechtsvorschriften und Prinzipien der Haushaltswirtschaft für staatliche Einrichtungen. Die Finanzierung der Grundmittel für die Berufsausbildung erfolgt aus den betrieblichen Fonds für Investitionen. Einrichtungen, die voll oder teilweise nach dem Prinzip der Haushaltsfinanzierung abgerechnet werden, erhalten die notwendigen Mittel aus dem Staatshaushalt; das gleiche gilt für die kommunalen Einrichtungen der Berufsausbildung.

 

XII. Aus- und Weiterbildung der Werktätigen (Erwachsenenqualifizierung)

 

 

In der Erkenntnis des Zusammenhanges von Ausbildungsstand und Arbeitsproduktivität sowie zur Verwirklichung des Grundsatzes der „Permanenz der Bildung und Erziehung“ und zur Sicherung des steigenden Bedarfes an qualifizierten Arbeitskräften wird nicht nur der Berufsausbildung Jugendlicher, [S. 310]sondern auch der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen bzw. der Erwachsenenqualifizierung hohe Bedeutung beigemessen; sie dient der Erlangung und Vervollkommnung der Fachausbildung und der Allgemeinbildung der Berufstätigen entsprechend den volkswirtschaftlichen Erfordernissen. Im weiteren Sinn umfaßt das System der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen

 

1. die hauptsächlich in den Bildungseinrichtungen der Betriebe, Kombinate und LPG durchgeführte berufliche Aus- und Weiterbildung der ungelernten und angelernten Arbeitskräfte sowie der Facharbeiter, Genossenschaftsbauern, Brigadiere und Meister,

 

2. die systematische allgemeinbildende Vorbereitung geeigneter Facharbeiter, Genossenschaftsbauern, Brigadiere und Meister auf ein Fach- oder Hochschulstudium in Kooperation der betrieblichen Bildungseinrichtungen mit den Volkshochschulen sowie den Fach- und Hochschulen,

 

3. die berufliche und politisch-ideologische Weiterbildung der Fach- und Hochschulkader sowie der mittleren Leitungskader in den betrieblichen Bildungseinrichtungen sowie an der Kammer der Technik, den Industriezweigakademien, den Fach- und Hochschulen und den Instituten für sozialistische Wirtschaftsführung.

 

4. die Vermittlung der neuesten Erkenntnisse aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Technik an die Berufstätigen durch die Urania (Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse), die Kammer der Technik, wissenschaftliche Gesellschaften und spezielle wissenschaftliche Institutionen und Akademien sowie

 

5. die Qualifizierung aller an der Durchführung der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen beteiligten Kader an betrieblichen und zweiglichen Bildungseinrichtungen, an Volkshochschulen, Kreislandwirtschaftsschulen, Fach- und Hochschulen sowie an speziellen Bildungseinrichtungen.

 

Im engeren Sinn umfaßt das System der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen nur die systematische Vervollständigung der schulischen Allgemeinbildung bis zum Abschluß der 10. Klasse der Oberschule und die systematische berufliche Qualifizierung bis zum Meister einschließlich der Weiterbildung der Meister.

 

Die Erwachsenenqualifizierung erfolgt in einem durch verschiedene Pläne, Verträge usw. festgelegten Verbund von betrieblichen, staatlich-kommunalen und gesellschaftlichen Bildungseinrichtungen mit deutlicher Schwerpunktbildung für die unterschiedlichen Aufgabenbereiche, vor allem in den in den „einheitlichen betrieblichen Bildungseinrichtungen“, auch Betriebsschulen genannt, und darin besonders in den Betriebsakademien. Die Betriebsschulen umfassen außerdem noch die betrieblichen Einrichtungen für die Berufsausbildung Jugendlicher, insbesondere die Betriebsberufsschule und die Lehrwerkstatt, und als Einrichtungen für den polytechnischen Unterricht der Schüler der Oberschulen die Polytechnischen Kabinette bzw. Polytechnischen Zentren (Polytechnische Bildung und polytechnischer Unterricht).

 

Die Betriebsakademie ist eine staatliche Bildungseinrichtung der Erwachsenenqualifizierung in Volkseigenen Betrieben sowie in vergleichbaren Einrichtungen des Staatsapparates; sie wird von einem Direktor geleitet, den der Werkleiter bzw. Leiter des staatlichen Organs einsetzt. Arbeitsgrundlage der Betriebsakademie ist der Qualifizierungsplan des Betriebes. Auf dem Lande übernehmen diese Aufgaben ebenfalls Betriebsakademien (und auch die Volkshochschulen), die früher Dorf- bzw. Kooperationsakademien hießen; sie sind zwischenbetriebliche, zentrale Einrichtungen der LPG und VEG einer Kooperationsgemeinschaft zur gemeinsamen Durchführung der den neuen Produktionsbedingungen entsprechenden Bildungs- und Erziehungsaufgaben und der Entwicklung des geistig-kulturellen Lebens der gesamten Landbevölkerung.

 

Die Bildungseinrichtungen der Großbetriebe und besonders der Kombinate übernehmen auch die genannten Aufgaben der beruflichen Aus- und Weiterbildung der Werktätigen aus kleineren und mittleren Betrieben sowie von Angehörigen der bewaffneten Organe der DDR. Besonders entwickelte betriebliche Bildungseinrichtungen des Stammbetriebes eines Kombinates fungieren als Konsultationszentrum für die betrieblichen Bildungseinrichtungen der anderen Betriebe des betreffenden Kombinates. Die systematische Weiterbildung in den allgemein- bildenden Unterrichtsfächern erfolgt vor allem in den Volkshochschulen, die als staatliche Bildungseinrichtungen in den Städten und Kreisen Teil- und Gesamt-Lehrgänge zum Abschluß der 10. und der 12. Klasse, Vorbereitungslehrgänge für das Fach- und das Hochschulstudium, Fremdsprachenlehrgänge sowie Vortragsreihen und Kurse zu verschiedenen Themen und Lernbereichen veranstalten.

 

Kurse und Vorträge zur Vermittlung und Verbreitung neuester Erkenntnisse aus Politik. Gesellschaft, Naturwissenschaft und Technik werden vor allem von den (populär)wissenschaftlichen Gesellschaften, so der Urania (vormals Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse), der Kammer der Technik und speziellen wissenschaftlichen Instituten und Akademien durchgeführt, die ihrerseits wiederum in vertraglichen Beziehungen zu den betrieblichen Bildungseinrichtungen und den Volkshochschulen stehen, wie auch einige Volkshochschulen bestimmte, allerdings sehr eng begrenzte berufliche Qualifizierungsmaßnahmen im Auftrage der betrieblichen Bildungseinrichtungen durchführen.

 

Die Anforderungen an die Berufstätigen bzw. Be[S. 311]triebsangehörigen bezüglich ihrer Aus- und Weiterbildung werden in die jeweiligen Betriebskollektivverträge, Betriebsvereinbarungen, Frauenförderungspläne und Pläne zur Förderung der Initiative der Jugend aufgenommen und sind Bestandteile des sozialistischen Wettbewerbs in den Betrieben, Kombinaten und Genossenschaften. Auf dieser Grundlage nehmen die Brigaden kontrollfähige Verpflichtungen ihrer Mitglieder in ihre Kultur- und Bildungspläne auf. Zur Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen zur Aus- und Weiterbildung der Werktätigen werden einheitliche Qualifizierungsnachweise geführt.

 

Eine wesentliche (ursprünglich zentrale) Aufgabe der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen ist die abschnitts- bzw. stufenweise Qualifizierung ungelernter und angelernter Arbeitskräfte zu voll ausgebildeten Facharbeitern in Betriebsakademien, aber auch in überbetrieblichen Lehrgängen usw.; Stufen bzw. Abschnitte einer solchen Qualifizierung sind Produktionshilfsarbeiter — Produktionsgrundarbeiter ― Produktionsfacharbeiter ― Facharbeiter; oder aber Angelernter ― Spezialarbeiter ― Facharbeiter. Im Rahmen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen werden auch Facharbeiter, die aus volkswirtschaftlichen Gründen eine andere berufliche Tätigkeit aufnehmen müssen, relativ kurzfristig auf eine neue berufliche Tätigkeit vorbereitet, und zwar anhand von speziellen Programmen, die von den Betrieben ausgearbeitet werden.

 

Ein besonders wichtiges Aufgabenfeld im Rahmen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen bzw. der Erwachsenenqualifizierung stellt die Qualifizierung von Mädchen und Frauen zu Produktionsfacharbeiterinnen, für technische Berufe und für den Einsatz in leitenden Tätigkeiten dar. Da nur 28 v. H. der im Bereich der materiellen Produktion beschäftigten Frauen und Mädchen einen Facharbeiterabschluß für ihre derzeitige Tätigkeit besitzen, werden seitens der Betriebe erhebliche Anstrengungen unternommen, damit sich diese Frauen zu Produktionsfacharbeiterinnen qualifizieren und dazu entsprechende Qualifizierungsverträge abschließen. Die erforderliche berufstheoretische Ausbildung erfolgt auf der Grundlage der staatlichen Lehrpläne in einer Kombination von Unterricht, Selbststudium, Konsultationen und theoretischen Unterweisungen am Arbeitsplatz; die berufspraktische Ausbildung erfolgt grundsätzlich im Arbeitsbereich. Zur Absolvierung berufstheoretischer Lehrgänge werden die betreffenden Frauen zeitweilig von der Arbeit freigestellt; in dieser Zeit wird ein finanzieller Ausgleich in Höhe des Durchschnittsverdienstes gezahlt.

 

Darüber hinaus werden im Zusammenwirken von allgemeinbildender Schule, FDJ. Berufsberatung und Betrieben verschiedene Maßnahmen bzw. Möglichkeiten geschaffen, damit mehr Mädchen und junge Frauen für die Berufsausbildung in technischen Berufen gewonnen und bereits ausgebildete Frauen für leitende Tätigkeiten qualifiziert und auch dementsprechend eingesetzt werden. Dazu wird ein spezielles System der abschnittweisen Qualifizierung in Lehrgängen oder Stufen sowie im Prozeß der Arbeit entwickelt bzw. genutzt. Der Erfolg dieser Bemühungen ist recht unterschiedlich und hängt im wesentlichen davon ab, ob die erforderlichen Maßnahmen zur Minderung der außerberuflichen Belastung dieser Frauen, so z. B. die Versorgung durch die Handels- und Dienstleistungseinrichtungen, die teilweise Durchführung der beruflichen Aus- und Weiterbildung während der Arbeitszeit usw. gewährleistet sind. Den besonderen Bedingungen der Frauenqualifizierung tragen Frauenklassen, die Durchführung von ganzen Unterrichtstagen, Externats- bzw. Internatslehrgänge und ähnliches Rechnung. Besondere Maßnahmen werden dabei für diejenigen zu qualifizierenden Frauen getroffen, die Mütter von mehreren vorschul- und schulpflichtigen Kindern sind.

 

Im Zusammenhang mit der seit 1971 erfolgten Verminderung der Hochschulstudienplätze gewinnt in der DDR das Problem der beruflichen Qualifizierung von Abiturienten, d. h. von Absolventen der Erweiterten Oberschule (EOS), die kein Hoch-, aber auch kein Fachschulstudium aufnehmen können (zu letzterem fehlt ihnen die vorgeschriebene abgeschlossene Facharbeiterausbildung), zunehmend an Bedeutung. Diese Absolventen der 12. Klasse der EOS werden grundsätzlich im Rahmen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen zu Facharbeitern ausgebildet, wobei die Ausbildungsdauer durch den Inhalt des jeweiligen Ausbildungsberufes und durch die Vorkenntnisse bzw. Erfahrungen der Abiturienten aus der wissenschaftlich-praktischen Arbeit in der EOS bestimmt wird, jedoch nicht mehr als 172 Jahre beträgt. Diese Abiturienten werden nach Möglichkeit in eine solche Facharbeiterausbildung übernommen, die mit der Fachrichtung der Hochschule übereinstimmt, für die sie sich beworben hatten. So werden beispielsweise Abiturienten, die sich für die Handelshochschule Leipzig beworben hatten und für dieses Studium auch für geeignet befunden, jedoch aus Kapazitätsgründen nicht zugelassen wurden, im Konsumgüter-Binnenhandel ausgebildet, und zwar vorwiegend in den Grundberufen Facharbeiter für Umschlagsprozesse und Lagerwirtschaft, Wirtschaftskaufmann und Facharbeiter für Datenverarbeitung.

 

Die Facharbeiterausbildung der Abiturienten erfolgt in einer Kombination von Lehrgängen der Betriebsakademie, angeleitetem Selbststudium und Qualifizierung am Arbeitsplatz. Die Ausbildung ist so angelegt, daß der Abiturient in kurzer Zeit die Kenntnisse eines Fachschulabsolventen erwirbt. Entsprechend der von ihm erzielten Leistung in der praktischen Tätigkeit wird er dann bei entsprechen[S. 312]der Eignung mit einer mittleren leitenden Funktion betraut. Aus diesem Personenkreis können dann besonders Leistungsfähige eventuell zum Hochschulfernstudium delegiert werden, zumindest wird ihnen diese Möglichkeit als Anreiz in Aussicht gestellt.

 

Einen weiteren Schwerpunkt der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen bilden die Ausbildung von Facharbeitern zu Meistern und die Weiterbildung der Meister. Nach der Verordnung über die Aus- und Weiterbildung der Meister (1973) erfolgt die Ausbildung der Meister in Volkseigenen Betrieben und anderen staatlichen Einrichtungen und schließt mit der staatlich anerkannten Qualifikation als Meister ab. Die Meisterausbildung gliedert sich in die Grundlagenbildung, in die nach Wirtschaftszweigen und technologischen Erfordernissen differenzierte Fachbildung und in die auf den Einsatz als Meister orientierende Spezialisierung als Meisterpraktikum. Die Dauer der gesamten Ausbildung zum Meister beträgt durchschnittlich 2 Jahre.

 

Die Weiterbildung der Meister erfolgt in den Volkseigenen Betrieben und deren Bildungseinrichtungen als Bestandteil der systematischen Qualifizierung der leitenden Kader der Wirtschaft und der betrieblichen Erwachsenenqualifizierung. Im Rahmen der Weiterbildung der Meister sollen vor allem die marxistisch-leninistischen Kenntnisse vertieft, das betriebswirtschaftliche, arbeitswissenschaftliche und arbeitsrechtliche sowie das pädagogisch-psychologische Wissen und Können entsprechend den neuesten Erkenntnissen vervollkommnet sowie die den zweiglichen und betrieblichen Besonderheiten und Erfordernissen entsprechenden technischen und technologischen und im Zusammenhang damit nötigen mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse vermittelt werden. Die Weiterbildung der Meister in den Volkseigenen Betrieben und staatlichen Einrichtungen erfolgt nach Rahmenprogrammen in besonderen Kursen der Betriebsakademien und anderen betrieblichen Bildungseinrichtungen sowie während des monatlichen „Tags des Meisters“. An diesen Kursen nehmen auch Meister aus Klein- und Mittelbetrieben teil, die keine eigenen Bildungseinrichtungen besitzen.

 

XIII. Kulturelle Einrichtungen

 

 

Die kulturellen Einrichtungen, das sind vor allem die Klubs und die Kulturhäuser, aber auch die allgemeinbildenden und wissenschaftlichen Bibliotheken. Museen und Gedenkstätten, Ausstellungen, Zoologische und Botanische Gärten, Planetarien und Observatorien, Theater, Konzerte und Filmdarbietungen sowie Fernsehen und Rundfunk, gehören insofern zum ESB., als auch sie nach dem Bildungsgesetz den Gesamtprozeß der sozialistischen Bildung und Erziehung der Kinder. Jugendlichen und Erwachsenen unterstützen sollen. Als Einrichtungen der kulturellen Massenarbeit unterstehen sie, wie auch andere Bildungseinrichtungen, z. B. die Musikschulen, die Spezialschulen für Musik und die Künstlerischen Hochschulen, dem Ministerium für Kultur. Zwischen den kulturellen Einrichtungen, den Einrichtungen der außerunterrichtlichen und außerschulischen Bildung und Erziehung und den Einrichtungen der Erwachsenenqualifizierung bestehen zahlreiche enge Verbindungen.

 

Als kulturelle Einrichtungen und als „Zentren des geistig-kulturellen Lebens in den Städten und auf dem Lande“ gelten die Klubs und Kulturhäuser. Nach den Bestimmungen des Ministeriums für Kultur sollen die Klubs und Kulturhäuser als „Stätten der Bildung, Erziehung und Erholung, der Geselligkeit und Unterhaltung, der Begegnungen, des Gedanken- und Erfahrungsaustausches“ sowie als „Anleitungs- und Konsultationszentren für das geistig-kulturelle Leben in den Betrieben, Wohngebieten und Familien“ wirken und dabei insbesondere auch zur staatsbürgerlichen Erziehung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen beitragen. Zu diesem Zweck arbeiten die Klubs und Kulturhäuser eng mit den Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen, insbesondere mit der Urania zusammen und unterstützten die außerschulische Bildung und Erziehung und die Feriengestaltung der Schüler; sie führen verschiedenartige Jugendstunden durch und bilden zusammen mit der FDJ und der Pionierorganisation Kinder- und Jugendsektionen (VuM d. Min. f. Kultur, 1971, Nr. 5, S. 36) Kulturstätten).

 

In speziellen Jugendklubhäusern und Jugendklubs, in den Betrieben, in den kulturellen Einrichtungen und in den Wohngebieten soll die „kontinuierliche Teilnahme am sozialistischen kulturellen Leben vom Kinder- bis zum Erwachsenenalter“ gewährleistet werden. Im Zentrum der Tätigkeit der kulturellen Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene stehen die Vermittlung des Marxismus-Leninismus und die Festigung der Verteidigungsbereitschaft; dafür wurden in allen Kreisen wehrpolitische und militärtechnische Kabinette eingerichtet (Wehrerziehung der Kinder und Jugendlichen). Darüber hinaus unterstützen die Klubs und Kulturhäuser die Werktätigen durch Wissensvermittlung über die sozialistische Wirtschaftspolitik sowie die Rationalisierung, Automatisierung und Wissenschaftsorganisation und führen die Werkstattage und Leistungsvergleiche der Volkskunstschaffenden entsprechend dem Perspektivplan des künstlerischen Volksschaffens, z. B. anläßlich von Betriebsfestspielen, durch.

 

XIV. Ganztägige Bildung und Erziehung

 

 

Die ganztägige Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen gilt aus der Sicht der sozialistisch-kommunistischen Pädagogik deshalb als besonders [S. 313]wichtig und notwendig, weil mit ihr der Anteil der gesellschaftlichen, d. h. außerhalb der Familie erfolgenden Bildung und Erziehung am gesamten Erziehungs- und Sozialisationsgeschehen wesentlich erhöht wird. Zugleich sollen die berufstätigen Eltern, besonders die berufstätigen Mütter, zugunsten ihrer beruflichen Tätigkeit sowie ihrer Qualifikation von der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder entlastet werden. Offenbar soll aber auch der Erziehungseinfluß der Eltern, soweit er den Zielen einer „sozialistischen“ Erziehung möglicherweise nicht oder nicht voll entspricht, wenigstens teilweise neutralisiert werden. Im weiteren Sinne umfaßt sie sowohl alle (in der Regel halbtägigen) schulisch-unterrichtlichen als auch alle außerunterrichtlichen und außerschulischen Einrichtungen und Veranstaltungen der Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen; im engeren und häufig verwandten Sinne umfaßt sie nur die außerschulischen und außerunterrichtlichen Einrichtungen und Veranstaltungen der Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen im schul- und berufsschulpflichtigen Alter.

 

Die weitestgehende und ausgeprägte Form der ganztägigen Bildung und Erziehung stellen die Tagesschulen (Ganztagsschulen) dar, die „entsprechend den ökonomischen Möglichkeiten schrittweise“ eingerichtet werden sollen, was bisher jedoch nur in sehr bescheidenem Maße verwirklicht wurde. Diese Lücke im System der ganztägigen gesellschaftlichen Erziehung sollen die den Schulunterricht ergänzenden und verstärkenden Einrichtungen und Veranstaltungen der Tageserziehung und der außerunterrichtlichen Bildung und Erziehung ausfüllen. Das hat in engem Zusammenwirken sowohl mit den Schulen als auch mit den Einrichtungen und Veranstaltungen der außerschulischen Bildung und Erziehung einschließlich der Feriengestaltung zu geschehen.

 

Auf der Unter- und auch Mittelstufe stellen die Schulhorte (als Bestandteile der Oberschulen) und die (nicht einer Schule unmittelbar angeschlossenen) Kinderhorte die häufigsten Einrichtungen der Tageserziehung dar. In den Hortklassen und Hortgruppen, auch als Tagesklassen und Tagesgruppen bezeichnet, wird in engem Zusammenwirken mit der Pionierorganisation der Anfertigung der Hausaufgaben, dem (didaktischen) Spiel, der Arbeit in Arbeits- und Interessengemeinschaften sowie der den Schulunterricht der Klassen 1–4 ergänzenden Bildung und Erziehung nach dem „Rahmenplan für die Bildung und Erziehung im Schulhort“ (1972) besondere Bedeutung beigemessen. Dieser Plan enthält Vorschriften für die Lern- und Betätigungsbereiche „Einführung in das gesellschaftlich-politische Leben“, „Gesellschaftlich nützliche Betätigung“, „Naturwissenschaftlich-technische Betätigung“, „Sportlich-touristische Betätigung“ und „Kulturell-künstlerische Betätigung“, die von Horterziehern und -erzieherinnen, aber auch von Lehrern (der Unterstufe) durchgeführt bzw. beaufsichtigt werden.

 

Für Schüler der oberen Klassen (9 und 10) werden außerunterrichtliche Arbeitsgemeinschaften nach den bisher 26 dafür vom Ministerium für Volksbildung herausgegebenen verbindlichen Rahmenprogrammen und den für den regulären (obligatorischen und fakultativen) Unterricht geltenden Bestimmungen in verschiedenen gesellschaftswissenschaftlichen, naturwissenschaftlich-technischen und kulturell-künstlerischen Lernbereichen durchgeführt. Der besonderen Bedeutung der außerunterrichtlichen Bildung und Erziehung wird u. a. dadurch Rechnung getragen, daß zur Schulleitung einer jeden vollausgebauten Oberschule ein Stellvertreter (des Direktors) für außerunterrichtliche Arbeit gehört und daß zur Sicherung einer ziel- und sachgerechten Durchführung der außerunterrichtlichen Arbeit bei den Abteilungen Volksbildung der Räte der Bezirke besondere Bezirkskabinette für außerunterrichtliche Tätigkeit eingerichtet wurden.

 

Die außerschulische Bildung und Erziehung umfaßt entsprechende Veranstaltungen der Schule (als Hauptträgerin), der Jugendorganisationen und der außerschulischen Einrichtungen einschließlich der Feriengestaltung. Die außerschulischen Einrichtungen sind staatliche Bildungs- und Erziehungseinrichtungen des einheitlichen B., die unter Aufsicht und Anleitung durch das Ministerium für Volksbildung und den Zentralrat der FDJ bzw. durch die nachgeordneten Organe in den Bezirken und vor allem in den Kreisen (durch die Kreisschulräte und die Kreisleitungen der FDJ) als pädagogisch-methodische Zentren wirken. Zu ihnen gehören die Häuser der Jungen Pioniere, die Pionierparks und die Stationen Junger Naturforscher, Techniker und Touristen, in denen sowohl alle Kräfte der Volksbildung und der Jugendorganisationen pädagogisch-methodisch angeleitet als auch verschiedene außerschulische bzw. außerunterrichtliche Veranstaltungen wie Arbeitsgemeinschaften, Interessengemeinschaften, Zirkel. Wettbewerbe usw. zwecks Ergänzung und Vertiefung der schulischen Bildung und Erziehung, sinnvoller Freizeitgestaltung und Förderung spezieller Neigungen und Talente durchgeführt werden.

 

Die Häuser der Jungen Pioniere, darunter besonders das Zentrale Haus der Jungen Pioniere in Berlin-Lichtenberg und der Pionierpalast in Dresden, führen verschiedene Veranstaltungen in den Bereichen „Organisationsleben der FDJ und der Pionierorganisation“, „Gesellschaftswissenschaft“, „Naturwissenschaft und Technik“, „Kunsterziehung“ sowie „Sport und Touristik“ durch. Dazu verfügen sie über Bibliotheken. Theater-, Vortrags-, Spiel-, Fernseh-, Film-, Werk- und andere Räume.

 

Die Pionierparks, insbesondere der Pionierpark „Ernst Thälmann“ in Berlin-Wuhlheide, nehmen im [S. 314]wesentlichen die gleichen Aufgaben wahr, jedoch mit Schwergewicht auf Spiel, Sport und Erholung.

 

Die Stationen Junger Naturforscher, angeleitet durch die Zentralstation Junger Naturforscher in Berlin-Blankenfelde, sowie die Stationen Junger Techniker, angeleitet durch die Zentralstation Junger Techniker in Berlin-Treptow, dienen der außerschulischen Bildung und Erziehung speziell auf naturwissenschaftlich-technischem Gebiet und führen Leistungsvergleiche, z. B. örtliche Messen der Meister von Morgen, Spezialisten treffen, vor allem aber spezialisierte Arbeitsgemeinschaften durch. Sie fungieren aber auch als pädagogisch-methodische Leitungs- und Beratungsstellen für die außerschulische Bildung und Erziehung in anderen Einrichtungen.

 

Die Stationen Junger Touristen dienen der Förderung einer ― ebenso naturwissenschaftlich wie wehrsportlich orientierten ― Kindertouristik und verfügen über entsprechende Veranstaltungs- und Unterbringungsmöglichkeiten. Der außerunterrichtlichen bzw. außerschulischen Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen dienen auch die Jugendklubs der Kulturhäuser und die Jugendklubhäuser, die jedoch zu den dem Ministerium für Kultur unterstehenden kulturellen Einrichtungen zählen, sowie die Einrichtungen des Kinder- und Jugendsports (Körpererziehung/Kinder- und Jugendsport).

 

Die Feriengestaltung der Schüler ist ebenfalls fester Bestandteil des ESB. und vor allem des außerschulischen Erziehungssystems und soll in verstärktem Maße sowohl für die politisch-ideologische und Wehrerziehung als auch für gesellschaftlich nützliche Arbeit genutzt werden. Dies geschieht in zentralen Pionierlagern, Betriebsferienlagern. Spezialistenlagern (z. B. für Mathematik. Naturwissenschaften, Sprachen usw.), bei den Ferienspielen am Ort (für Schüler der Klassen 1–4), auf mehrtägigen Fahrten und Wanderungen mit anschließendem Schullager (für Schüler der Klassen 5–12), in den „Lagern der Erholung und Arbeit“ (für Schüler ab Klasse 9) sowie in den kulturellen Einrichtungen des Heimatortes. Auch die Urlaubsgestaltung der Lehrlinge soll nicht nur der Erholung und Gesunderhaltung, sondern vor allem der sozialistischen Erziehung dienen. Zu diesem Zweck werden sportliche Wettkämpfe, touristische Übungen. Geländespiele, Sternwanderungen, wehrpolitische Massenaktionen usw. in Lehrlingsurlaubslagern der Betriebe, Kombinate und VVB veranstaltet und ferner Wanderungen, Fahrten und Exkursionen mit Unterbringung in Jugendherbergen. Wanderquartieren, Zeltlagern. Zeltplätzen und Behelfsunterkünften, aber auch in Ferienheimen des FDGB und bei der ― besonders beliebten, aber eng begrenzten — Auslandstouristik in die Länder des RGW organisiert.

 

Zu den dem Ministerium für Kultur unterstehenden staatlichen außerunterrichtlichen Einrichtungen der Räte der Kreise oder Stadtkreise gehören auch die Musikschulen mit ihren Haupt- und Außenstellen sowie Stützpunkten. Sie gelten als die wichtigsten Einrichtungen der außerunterrichtlichen instrumentalen und vokalen Musikerziehung und haben die Aufgabe, musikalisch besonders begabte und interessierte Kinder frühzeitig auszuwählen und in einer langfristigen systematischen Ausbildung zu hoher künstlerischer Ausdrucksfähigkeit zu führen, durch Ausbildung und Förderung von besonderen Talenten die Auswahl und Vorbereitung des musikalischen Berufsnachwuchses zu sichern und diese den Oberschulen und EOS zur Delegierung an eine Spezialschule für Musik, eine Hochschule für Musik, an die Universitäten oder an andere musikbezogene Ausbildungseinrichtungen vorzuschlagen. Die Musikschulen arbeiten eng mit den Oberschulen und EOS. der Pionierorganisation und der FDJ, aber auch mit den Betrieben und anderen gesellschaftlichen Organisationen zusammen und wenden die einschlägigen Richtlinien der Oberschulen sinngemäß an. Vom Ministerium für Kultur wurde ergänzend eine besondere Schulordnung für Musikschulen (1973) erlassen.

 

Zu den weiteren Aufgaben der Musikschulen gehört die Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen in der Tanz- und Unterhaltungsmusik, die in Zusammenarbeit mit den kulturellen Einrichtungen, den Kreiskabinetten für Kulturarbeit und den gesellschaftlichen Organisationen erfolgt, sowie die instrumentale Ausbildung von Lehrern aller betroffenen Institutionen unter der Aufsicht der Abteilungen Kultur der Räte der Kreise bzw. Stadtkreise. Alle Schüler der Musikschulen werden angehalten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv an der Kulturarbeit, an Veranstaltungen der Schulen und Volkskunstgruppen sowie an Volkskunstwettbewerben mitzuwirken. Die Auswahl der Schüler zum Besuch der Musikschulen erfolgt vor allem als Delegierung aus den Kindergärten und Schulen, aber auch aus Betrieben. Die Lehrkräfte der Musikschulen sind verpflichtet, ständigen Kontakt mit den Klassenleitern der Oberschulen und EOS zu halten, aus denen sie Schüler unterrichten.

 

Der Unterricht erfolgt in Vorbereitungsklassen für Kinder im Vorschulalter, in der Grundstufe, in der Oberstufe und in besonderen Lehrgängen. Eine wichtige Aufgabe der Grundstufe ist es, geeignete Schüler systematisch auf den Übergang in eine Spezialschule für Musik vorzubereiten. Spezielle Lehrgänge werden z. B. zur Weiterbildung von Jugendlichen und Erwachsenen zu Laientanzmusikern, Singegruppen- und Chorleitern, Leitern von Instrumentalgruppen, Vorschulerziehern usw. durchgeführt. Der Unterricht an den Musikschulen erfolgt nach den vom Ministerium für Kultur herausgegebenen verbindlichen Stundentafeln und Lehrplänen. Der Lehrkörper setzt sich aus haupt- und nebenamtlichen Lehrkräften zusammen. Für den Besuch der [S. 315]Musikschule einschließlich der Vorbereitungsklassen für Kinder im Vorschulalter sowie für die Ausleihe von schuleigenen Instrumenten werden von den Schülern bzw. deren Erziehungsberechtigten Gebühren erhoben, die nach dem Einkommen der Schüler bzw. deren Eltern gestaffelt sind.

 

In allen Bezirken wurden Bezirksmusikschulen als Einrichtungen der Räte der Bezirke eingerichtet. Sie fungieren als Leiteinrichtungen für die Leitung und Planung der instrumentalen und vokalen Musikerziehung im Bereich des betreffenden Bezirkes. Zu ihren Aufgaben gehören die Anleitung der Musikschulen des Bezirkes sowie die Übernahme spezifischer Ausbildungsformen, z. B. die Durchführung von Lehrgängen und der Aufbau von Förderklassen, die nicht von allen Musikschulen des Bezirkes realisiert werden können.

 

XV. Entwicklung des Bildungssystems in Zahlen

 

 

Wenn es in der Präambel des Bildungsgesetzes von 1965 heißt, daß „die Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik auf dem Gebiet des Bildungswesens und ihr weiterer systematischer Ausbau eine nationale Leistung sind, die für ganz Deutschland beispielhaft ist“, so wird damit deutlich gemacht, daß das Bildungswesen bzw. die darüber veröffentlichten statistischen Angaben über das Bildungswesen auch eine propagandistische Funktion haben. Angaben werden nur für solche Bereiche gemacht, die sich propagandistisch auswerten lassen. Deshalb fehlen in den Statistischen Jahrbüchern der DDR auch zahlreiche wesentliche Angaben über die tatsächliche Entwicklung des Bildungssystems, z. B. Angaben über die Anzahl der Schüler, die bereits nach der 8. Klasse in die Berufsausbildung eintreten, über die Anzahl der Spezialschulen und Spezialklassen und der sie besuchenden Schüler, über die Gesamtzahl der Jugendlichen, die jeweils die Reifeprüfung bestanden haben und nicht zum Hochschulstudium zugelassen wurden, sowie über die Anzahl der Mitglieder der FDJ (die vermutlich mit zunehmendem Alter, vor allem nach der 10. Klasse, stark abnimmt).

 

Dennoch können die in der folgenden Übersicht enthaltenen Zahlen, die den Statistischen Jahrbüchern entnommen bzw. auf ihrer Grundlage berechnet worden sind, einige Aufschlüsse über die Entwicklung im Bildungswesen der DDR vermitteln.

 

[S. 316]

 

 

Im Hinblick auf die vorstehende Zahlenübersicht und die daraus ersichtliche Entwicklung im Bildungswesen soll als besonders bemerkenswert hervorgehoben werden, daß

 

1. die Anzahl der Plätze und vor allem der (ständig) betreuten Kinder in den Kindergärten einschließlich der Kinderwochenheime kontinuierlich erhöht wurde und gegenwärtig (1978) rund 87 v. H. der Kinder der betreffenden Jahrgänge vorschulpädagogisch betreut werden,

 

2. die durchschnittliche Klassenstärke in der 10klassigen Oberschule (Normalschule) mit 25,6 und in der EOS mit 20,8 Schülern je Klasse international keinen besonders guten Durchschnitt darstellt,

 

3. der Anteil von 8,9 v. H. Abiturienten an der Gesamtzahl der 18jährigen kein Bildungsergebnis zeigt, das sich im internationalen Vergleich und auch im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland positiv heraushebt,

 

4. die Anzahl der Betriebsberufsschulen besuchenden Lehrlinge sich ständig zu Lasten des Besuchs der übrigen Berufsschulen erhöht hat und die zunehmende Konzentration der Berufsausbildung Jugendlicher in volkseigenen Großbetrieben anzeigt.

 

5. die Zahl der Neuzulassungen zum Hochschulstudium bis 1971 gestiegen ist und danach wieder deutlich gesenkt wurde und

 

6. die quantitative Entwicklung im Bildungswesen der DDR im allgemeinen als positiv, wenn auch im internationalen Vergleich nicht als besonders hervorstechend anzusehen ist.

 

Hartmut Vogt


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 292–316


 

Einheitliches Betriebsergebnis A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Einheitliches System von Rechnungsführung und Statistik

 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.