
Erziehung, Politisch-ideologische bzw. Staatsbürgerliche (1979)
Siehe auch die Jahre 1975 1985
Die PStE. — die Begriffe „politisch-ideologisch“ und „staatsbürgerlich“ werden synonym gebraucht — gelten als das Kernstück der gesamten sozialistischen Bildung und Erziehung in der DDR. und zwar auf allen Stufen und in allen Bereichen des Bildungswesens; ihre Realisierung erfolgt einmal und vor allem als bereich- und fachübergreifendes, alle Ziele und Inhalte determinierendes Prinzip; zum anderen in einem speziellen Unterrichtsfach, dem Staatsbürgerkundeunterricht, und zwar in besonders enger Beziehung zur Kollektiv- und Arbeitserziehung, zur Wehrerziehung. zur Erziehung zu bewußter Disziplin und zur Polytechnischen Bildung. Die Aufgaben und Ziele der PStE. wurden im Parteiprogramm der SED (1963) festgelegt, im Bildungsgesetz (1965) kodifiziert sowie in den „Aufgabenstellungen für die staatsbürgerliche Erziehung“ (1966 und 1969) und in den Beschlüssen des VII. Pädagogischen Kongresses (1970). des VIII. und IX. Parteitages der SED (1971 u. 1976) weiter aktualisiert. Als Grundlage, Gesamtzielstellung und oberstes Kriterium aller anderen Bildungs- und Erziehungsmomente hat sie die generelle Aufgabe, durch die Vermittlung der Ideologie des Marxismus-Leninismus und in enger Verbindung mit einer entsprechenden Charakter- und Verhaltenserziehung den entscheidenden Beitrag zur Formung „sozialistischer Persönlichkeiten“ zu leisten. Die theoretische Grundlage für die Zielstellung der PStE. bildet das langfristig gültige „sozialistische Menschenbild“ der marxistisch-leninistischen Philosophie, das Stellung, Standort, Wirkungsfeld und Entfaltungsmöglichkeiten des Menschen in der sozialistischen Gesellschaft und die damit verbundenen gesellschaftlichen Anforderungen an ihn sowie die wesentlichen Merkmale, Eigenschaften und Verhaltensweisen der angestrebten sozialistischen Persönlichkeiten umreißt und zugleich die Orientierungsgrundlage für die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft darstellt.
Die auf dem „sozialistischen Menschenbild“ gründende „sozialistische Persönlichkeit“ wird durch 4 wesentliche Merkmale gekennzeichnet: durch vielseitiges Wissen und Können, durch sozialistisches Bewußtsein, durch sozialistisches moralisches Verhalten sowie eine optimistische Lebensauffassung. Das Sozialistische Bewußtsein wird durch 7 sozialistische Grundüberzeugungen definiert, die das Handeln und Verhalten der sozialistischen Persönlichkeit bestimmen, als Maßstäbe für die Bewertung von Situationen und Verhaltensweisen dienen sollen und denen entsprechende Kenntnisse, Erkenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen sowie entsprechende Gefühle, Erfahrungen und Verhaltensweisen zugeordnet sind; in der Formulierung der „Aufgabenstellung des Ministeriums für Volksbildung und des Zentralrates der FDJ zur weiteren Entwicklung der staatsbürgerlichen Erziehung der Schuljugend der DDR“ (1969) sind dies:
- „die Überzeugung von der historischen Mission der Arbeiterklasse …“
- „die Überzeugung vom objektiven Charakter der Entwicklung in Natur und Gesellschaft …“
- „die Überzeugung von der Gewißheit, daß die Zukunft der ganzen Menschheit der Sozialismus ist…“
- „die Überzeugung von der historischen Aufgabe der DDR und der Verantwortung der Jugend bei der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus …“
- „die Überzeugung von der entscheidenden Rolle der ruhmreichen Sowjetunion und der sozialistischen Staatengemeinschaft in der weltweiten Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus“;
- „die Überzeugung, daß Demokratie, Freiheit und Menschlichkeit nur dort gesichert sind, wo das werktätige Volk unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei die politische Macht ausübt“;[S. 338]
- „die Überzeugung, daß die Jugend ihres eigenen Glückes Schmied ist, indem sie die Rechte und Pflichten gegenüber der sozialistischen Gesellschaft bewußt wahrnimmt…“.
Durch die Internalisierung dieser ideologischen Grundsätze als eines nicht in Frage zu stellenden Glaubenskanons soll „die Erziehung der jungen Menschen zum sozialistischen Patriotismus und zum proletarischen Internationalismus …“ bewirkt werden.
Um diese Ziele zu erreichen, sollen einerseits alle Bereiche des Lebens der Kinder und Jugendlichen mit der sozialistischen Ideologie durchdrungen werden, alle staatlichen und gesellschaftlichen Erziehungseinflüsse auf die Verfolgung der einheitlichen Erziehungsziele orientiert und zum Zweck einer höheren Effektivität koordiniert sowie andererseits die politisch-ideologische bzw. staatsbürgerliche Erziehung weiter verstärkt werden.
Die PStE. ist vor allem darauf gerichtet, „daß sich alle Mädchen und Jungen einen festen Klassenstandpunkt aneignen und rückhaltslos für die allseitige Stärkung und Verteidigung der sozialistischen DDR und Staatengemeinschaft einsetzen“ und daß dazu vor allem die Schuljugend mit dem Marxismus-Leninismus und „den revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterklasse“ vertraut gemacht wird.
Sind die Ziele der PStE. von grundlegend-prägender Bedeutung für Ziele und Inhalte der Bildung und Erziehung in allen gesellschaftlichen Bereichen und auf allen Stufen des Bildungssystems der DDR einschließlich der außerschulischen Einrichtungen und Veranstaltungen und bestimmen sie insbesondere als politisch-ideologische Leitlinien Ziele und Inhalte der seit 1965 neugestalteten Lehrpläne aller Fächer und Klassen (Lehrplanreform). so hat der Unterricht in dem Fach Staatsbürgerkunde, der in den Klassen 7–10 (mit 5 Gesamtwochenstunden), 11 und 12 (mit 3 Gesamtwochenstunden) und in der Berufsausbildung (mit insgesamt mindestens 74 Stunden) erteilt wird, speziell die Aufgabe, durch die systematische Vermittlung „sicherer und anwendungsbereiter politischer, ökonomischer und philosophischer Kenntnisse des Marxismus-Leninismus“ die Schüler und Lehrlinge „zu verallgemeinerten Erkenntnissen über die historische Mission der Arbeiterklasse und die Sieghaftigkeit des Sozialismus zu führen, ihren Klassenstandpunkt wissenschaftlich zu fundieren“ und sie zu befähigen, „nach den sozialistischen Normen und Grundüberzeugungen zu entscheiden und zu handeln“. Die ständig wiederholte und zunehmend forcierte Forderung nach ― dringend notwendiger ― Intensivierung und Verstärkung der PStE. der Schüler und Lehrlinge macht deutlich, daß ihre Ergebnisse erheblich hinter den gesteckten Zielen zurückbleiben; gerade bei dem „Kernstück der gesamten sozialistischen Bildung und Erziehung“ besteht offensichtlich eine Diskrepanz zwischen Bedeutung und Aufwand einerseits sowie Breiten- und Tiefenwirkung andererseits. Angesichts der fundamentalen Bedeutung, die der PStE. für die gesamte Bildung und Erziehung, vor allem aber für die besonders dringend geforderte politisch-ideologische Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland beigemessen wird, bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung. Einheitliches sozialistisches Bildungssystem.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 337–338
Erzeugnis- und Leistungsnomenklatur | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Erziehung zu bewußter Disziplin |