DDR von A-Z, Band 1979

Feriengestaltung (1979)

 

 

Siehe auch:


 

In der DDR haben Partei und Staat mit Hilfe der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“, der Betriebe, des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) sowie der örtlichen Verwaltungen eine organisierte F. aufgebaut. Im 3. Jugendgesetz der DDR vom 28. 1. 1974 heißt es: „Die sozialistische Gesellschaft ermöglicht der Jugend die erlebnisreiche und sinnvolle Gestaltung der Ferien, des Urlaubs und der Touristik. Anliegen der Jugend ist es, sich bei vielfältiger kultureller, sportlicher und touristischer Betätigung zu erholen und zu bilden, ihrer Lebensfreude Ausdruck zu geben und ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen“ (GBl. I, 1974, S. 45). Ferner wird darin eine Verstärkung der „kollektiven Formen“ der F. gefördert; besonderer Wert wird dabei auf Urlaubsreisen in die „Länder der sozialistischen Staatengemeinschaft“ gelegt, vor allem in bezug auf den Austausch in „Freundschaftszügen“ der FDJ. Die organisierte F. wird zentral gelenkt und koordiniert. Auf staatlicher Seite besteht ein Zentraler Ausschuß für F. Er untersteht dem Amt für Jugendfragen beim Ministerrat. Dieser Ausschuß arbeitet eng mit den verschiedenen Abteilungen für Volksbildung der Räte der Bezirke. Kreise und Gemeinden zusammen. Auch die [S. 371]FDJ wirkt an der Organisation der F. mit. Im 3. Jugendgesetz wird das Engagement der Jugendorganisation in diesem Bereich noch verstärkt.

 

Für die Aufgaben der F. stellt die DDR jedes Jahr erhebliche finanzielle Mittel bereit. Im Jahr 1978 wurden rd. 300 Mill. Mark aus staatlichen Fonds (Staatshaushalt). aus betrieblichen Fonds (Sozial- und Kulturfonds der Betriebe) und aus Mitteln des FDGB zur Verfügung gestellt, wovon der größte Teil — rd. 200 Mill. Mark ― in die Einrichtung der Ferienlager fließt. Die gesamten Mittel betrugen 1978 100 Mill. Mark mehr als noch 1971. 73 Mill. Mark sind allein für die Gestaltung der Ferientage an Oberschulen („Ferienspiele“ zu Hause) und 25 Mill. Mark an staatlichen Mitteln für die Zentralen Pionierlager vorgesehen. Das Aufkommen der Mittel teilt sich zwischen Betrieben, Staatshaushalt und FDGB im Verhältnis von 3:2:1 auf.

 

In den großen Sommerferien Juli/August 1977 waren in der DDR von insgesamt ca. 2,7 Mill. Schülern der Klassen 1–12 rd. 2 Mill. durchschnittlich 3 Wochen „unterwegs“, davon in Ferienlagern allein rd. 1 Mill. Kinder; in Ferieneinrichtungen des FDGB verbrachten rd. 600.000 Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern zusammen die Ferien. Der Rest der Schüler verbrachte seine Ferien zu Hause im Rahmen der Veranstaltungen und Einrichtungen der örtlichen F.

 

Organisierte F. wird seit über 20 Jahren vor allem in Form der Ferienlager betrieben: sie sind der wichtigste Teil staatlicher F. Schwerpunkt der Ferienlager sind die Betriebsferienlager, wovon 1978 insgesamt 3.800 mit ca. 730.000 Plätzen zur Verfügung standen. Die Lager liegen zumeist in landschaftlich reizvollen Gegenden. Für den Unterhalt kommen die Großbetriebe auf. Dadurch entstanden z. T. enge Patenschaftsbeziehungen zwischen den Ferienlagern und den Beschäftigten des Trägerbetriebes. Viele Betriebe haben ihr eigenes Ferienlager. Betriebsangehörige kümmern sich in ihrer Freizeit um die Instandhaltung und den Ausbau „ihres“ Lagers, sind als Lagerbetreuer tätig und leiten „Ferienexpeditionen“ in benachbarte Betriebe. In der Nähe dieser Lager werden gelegentlich sog. Touristenstationen für Erwachsene unterhalten. Je nach Lagertyp stehen Spiel, Sport, Erholung, Unterricht oder Ferienarbeit im Vordergrund des Tagesablaufs. Ein 3wöchiger Aufenthalt in einem Betriebsferienlager kostet die Eltern pro Kind lediglich 12 Mark.

 

Darüber hinaus existieren Schwerpunktlager bzw. „Spezialistenlager“. Hier werden in 8–10tägigen Kursen Grundkenntnisse und Fertigkeiten in verschiedenen Grundberufen, in Verkehrs- und Brandschutz und im Sanitätswesen vermittelt.

 

Zu den Spezialistenlagern zählen auch „Sprachlager“, in denen z. B. im Umgang mit Kindern aus anderen Ländern russische und französische Sprachkenntnisse vermittelt werden. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich in diesem Zusammenhang auch die Schwimmlager.

 

Seit 1966/67, mit Gründung der ersten Studenten- und Schülerbrigaden, gibt es als Sondertyp der F. die „Lager der Erholung und Arbeit“. 1978 wurden in 1200 solcher Lager Plätze für 70.000 Jugendliche (FDJ-Mitglieder) im Alter zwischen 14 und 18 Jahren bereitgehalten. In solchen, vor allem durch die FDJ organisierten Lagern wird an Jugendobjekten gearbeitet, vorwiegend im Bereich der Landwirtschaft (Ernte, Meliorationen) und der Bauwirtschaft (z. B. Bau einer Ferngasleitung). Die Jugendlichen werden für ihre Arbeit bezahlt, die Vergütung entspricht der für diese Arbeit vorgesehenen Lohngruppe und ist grundsätzlich steuerfrei. Sozialversicherungsabgaben werden ebenfalls nicht erhoben. Vor Aufnahme der Arbeit ist eine ärztliche Eignungsuntersuchung obligatorisch. Ferner muß die Genehmigung der Eltern und des Schuldirektors vorliegen. In den Lagern der Erholung und Arbeit wird 6 Stunden am Tag gearbeitet, die übrige Zeit dient der Erholung.

 

In den im Jahr 1978 vorhandenen 48 „Zentralen Pionierlagern“ (z. B. „Pionierrepublik Wilhelm Pieck“) wird das Lagerleben von paramilitärischen Übungen bestimmt. Sie sind Bestandteil der sozialistischen Wehrerziehung. Neben sportlichem Zeitvertreib, wie Spartakiadewettkämpfen, werden Orientierungsläufe, Nachtmärsche, Schießübungen, militärische Gelände- und Manöverspiele durchgeführt. Die großen jährlichen Pioniermanöver finden in der Regel in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) und mit Pateneinheiten der Nationalen Volksarmee (NVA) statt. Die Kinderhaben außerdem Gelegenheit, in Arbeitsgemeinschaften (z. B. „Junge Brandschutzhelfer“ oder „Junge Sanitäter“) besondere Kenntnisse zu erwerben, das Schwimmabzeichen oder andere sportliche Auszeichnungen zu erringen. Das „Fest des Tanzes und des Liedes“ ist Abschluß und Höhepunkt jedes Lageraufenthaltes in den Pionierlagern.

 

Neben Arbeit, Spiel und Sport haben die sog. „Ferienexpeditionen“ große Bedeutung, in deren Verlauf Wanderungen, Märsche oder Fahrten zur Erforschung der näheren Umgebung und deren Heimatgeschichte unternommen werden. Die Durchführung einer Ferienexpedition orientiert sich am sog. „Expeditionsauftrag“. Dieser wiederum ist durch vorgegebene umfassende Rahmenthemen bestimmt: 1978 lautete das Motto des Feriensommers: „Meine Heimat DDR“. Weitere Themenschwerpunkte der lagermäßigen F. sind: 30. Jahrestag der Gründung der DDR, XI. Weltjugendfestspiele in Kuba, „Kleines Festival der Freundschaft“, „Ferienunternehmen Roter Stern — Oktoberrevolution“ (1977). Fast immer ist mit dem Expeditionsprogramm der Besuch oder die Pflege von Mahn- und Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus oder der deutschen Arbeiterbewegung verbunden.

 

Neben den Ferienlagern bestehen weitere Möglichkeiten der F. Mehrere 100.000 Kinder, vor allem die Jüngeren, verbringen ihre Ferien in Erholungsgebieten innerhalb oder am Rande der Gemeinden. Zum Zwecke dieser örtlichen F. bestehen: sog. Jugenderholungszentren, davon u. a. 139 Pionierhäuser, 195 „Stationen junger Naturforscher und Techniker“, 47 „Stationen junger Touristen“, Klub- und Kulturhäuser. Theater, Kinos, Naherholungszentren, Bibliotheken, Sportstätten und Museen, die alle in die örtliche F. einbezogen sind. Durch die „Ferienspiele“ der Schüler der Klassen 1–4 [S. 372]werden für diese Altersgruppen vielfältige, den individuellen Interessen entsprechende Möglichkeiten geboten. Das 3. Jugendgesetz (1974) fördert diese Einrichtungen und Programme in besonderem Maß.

 

Schließlich gibt es in der DDR 58 Ferieneinrichtungen für gesundheitlich gefährdete Kinder.

 

Vor allem im Zusammenhang mit der Urlaubs- und F. der Lehrlinge und Berufsschüler sowie für wandernde Familien mit Kindern bestehen die Einrichtungen von Wanderquartieren, Jugendherbergen, Jugendtouristenhotels und Campingplätzen. 1977 bestanden etwa 600 Camping- und Zeltplätze in der DDR mit rd. 2,5 Mill. Übernachtungen, 252 Jugendherbergen mit 23.000 Plätzen täglich, 47 ständige Wanderquartiere mit 1.200 Plätzen. Die Kapazität dieser Quartiere ist jedoch in den Ferien sehr stark ausgelastet; ein strenges Voranmeldesystem regelt die Benutzung.

 

Für die älteren Jugendlichen (Studenten) standen im Jahr 1978 bereits 12 Jugendtouristenhotels zur Verfügung, die auch für ausländische Jugendliche geöffnet sind. Bis 1980 sind 30 neue jugendtouristische Einrichtungen dieser Art mit einem finanziellen Aufwand von über 100 Mill. Mark geplant.

 

Außerhalb der speziell für die Schüler organisierten F. bestehen vielfältige Möglichkeiten der F. über Familienreisen. Ihre Organisation obliegt in erster Linie dem FDGB. 1978 fuhren Kinder (mit ihren Eltern) mit 120.000 sog. „Ferienschecks“ des FDGB in die Ferien. Der FDGB verfügt zu diesem Zweck über Urlaubseinrichtungen an 360 Orten der DDR. 1977 nahmen 1,5 Mill. Familien mit rd. 300.000 Kindern am Feriendienst des FDGB teil. Ein derartiger Ferienplatz (bis zu 3 Wochen Aufenthalt) kostet für Kinder bis zu 16 Jahren nur 30 Mark (15 v. H. der Kosten).

 

Schüler, die nicht über einen Platz in den Lagern der Erholung und Arbeit verfügen, jedoch ebenfalls in den Ferien gegen Bezahlung arbeiten wollen, haben die Möglichkeit, über die „Schülerbrigaden“ am Heimatort oder in einem Betrieb ihrer Wahl zu arbeiten. Unter dem Stichwort „Gesellschaftlich nützliche Arbeit“ können die Schüler unter den gleichen Voraussetzungen wie in den o. a. Lagern in Betrieben, Genossenschaften, im Gesundheitswesen, Feriendienst, Handel, bei der Post oder Reichsbahn oder in der Forstwirtschaft etwas Geld verdienen. Geregelt ist diese Möglichkeit durch die AO über die freiwillige produktive Tätigkeit von Schülern ab vollendetem 14. Lebensjahr während der Ferien vom 15. 10. 1973 (GBl. 1, 1973, Nr. 52). Die individuelle Ferienarbeit erfreut sich bei den Schülern zunehmender Beliebtheit.

 

Schließlich bieten sich den Schülern und Jugendlichen über die internationale F. manche Möglichkeiten, internationale Kontakte zu pflegen und entsprechende Reisen durchzuführen. In „Internationalen Sommerlagern“ oder „Freundschaftslagern“ können im Austauschverfahren Beziehungen mit Jugendlichen zumeist aus sozialistischen Staaten angeknüpft werden. In solchen Lagern verbringen Kinder und Jugendliche aus der DDR gemeinsam mit ausländischen oder auch Kindern aus der Bundesrepublik Deutschland (Pioniere und SDAJ) ihre Ferien, wobei zweifellos von den Organisatoren der DDR auch propagandistische Zwecke verfolgt werden. Es werden „Delegationen“ ausgetauscht; 1977 reisten Pionierdelegationen aus der DDR in 17 Länder, umgekehrt besuchten „Kinderdelegationen“ aus 40 Ländern die DDR.

 

Der reine Jugendtourismus im In- und Ausland wird durch das FDJ-eigene Jugendreisebüro „Jugendtourist“ geregelt. 1978 wurden 3–5tägige Exkursionsreisen für 108.000 Jugendliche mit 100 Einzelrouten innerhalb der DDR angeboten. Der Preis bewegt sich zwischen 22 und 45 Mark (bei 50 v. H. staatlicher Unterstützung). Für 1978 waren vom Jugendreisebüro rd. 140.000 Auslandsreisen (12–14tägig) geplant, mit über 220 Einzelrouten. Die Reisen führen ausschließlich in sozialistische Staaten, 1977 z. B. fuhren in die UdSSR 50.000, nach Bulgarien 20.000 und nach Polen 14.000 junge Reisende.

 

Für diese Reisen nimmt „Jugendtourist“ eine Monopolstellung ein (gegründet 1. 1. 1975). Zweigstellen der Zentrale in Berlin (Ost) befinden sich in jeder Bezirksstadt. Das Reisebüro nimmt entsprechend den zentral ausgearbeiteten Reiseprogrammen für Jugendliche in den Bezirken (in den Kreisen über ehrenamtliche Mitarbeiter der FDJ) Anmeldungen von FDJ- und Jugendgruppen für In- und Auslandsreisen entgegen. Jeder Jugendliche (auch der Nichtorganisierte) kann sich — jedoch nur bei den FDJ-Grundorganisationen — um eine Reise aus dem gesamten Jugendtourist-Reiseprogramm bewerben. Die begehrten Auslandsreisen werden in der Praxis von der FDJ häufig als „Belohnung“ für besondere Leistungen vergeben.

 

Das Reisebüro stellt Reisefunktionäre, Wanderleiter und Dolmetscher zur Verfügung. Es arbeitet mit 95 Reisebüros bzw. Jugend- und Studentenorganisationen in 61 Staaten — in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Hamburger Reisebüro „Hansa-Tourist“ — zusammen.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 370–372


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.