DDR von A-Z, Band 1979

Finanzkontrolle und Finanzrevision (1979)

 

 

Siehe auch:

  • Finanzkontrolle: 1969
  • Finanzkontrolle und Finanzrevision: 1975 1985

 

Um ihre Regierungsaufgaben zu erfüllen, werden den zentralen Staatsorganen und den Gebietsverwaltungen auf Bezirks-, Kreis- und Gemeindeebene Etatmittel zur Verfügung gestellt. Diese Verteilung von Geldkapital erfolgt nach Maßgabe der Haushaltspläne.

 

Auch die im Staatseigentum befindlichen Betriebe und Betriebsvereinigungen erhalten für die Erfüllung ausgewählter Wirtschaftsaufgaben (Erweiterungsinvestitionen, Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten) Geld aus der Staatskasse. Hinzu kommen, weiterhin, Subventionszahlungen bei besonderen Anlässen. Dazu gehören z. B. Zuschüsse zum Ausgleich von Verlusten oder produktgebundene Preisstützungen. Aufgrund dieser Umverteilung von Teilen des im Staatshaushalt konzentrierten Volkseinkommens ergibt sich für die Regierung der DDR die Verpflichtung, nachzuforschen, ob die Empfänger des Geldkapitals dieses plankonform, sparsam und zweckmäßig verwenden.

 

Die durch Regierungsorgane durchgeführte „staatliche Finanzkontrolle“ (Fk.) umfaßt alle Überprüfungen, die feststellen sollen, ob zentrale und regionale Verwaltungsstellen sowie die Wirtschaftsbetriebe in ihrem Finanzgebaren das Staatsinteresse wahren und die zentralen Anweisungen befolgen. Neben der Fremdkontrolle, die durch externe Prüfungsorgane erfolgt, organisiert jeder Leiter einer Verwaltungsstelle und eines Wirtschaftsbetriebes zusätzlich noch eine Eigenkontrolle über den Umgang mit Finanzmitteln in seinem Verantwortungsbereich. Diese haus- oder betriebsinternen Kontrollen bedürfen meist keiner Anstöße von außen. Sie erfolgen aus Eigeninteresse der Leitungskader, denn bei diesen Kontrollaktionen geht es stets vorrangig darum festzustellen, ob die verfügbaren Finanzmittel zweckmäßig genutzt werden, um die dezentralen Sonderinteressen (insbesondere die Einkommensinteressen) von Verwaltungsinstanzen und Einzelbetrieben zu verwirklichen.

 

Aufgabe der Fk. ist es,

 

a) laufend das Finanzwesen und die Finanzdisziplin der „Haushaltsorgane“ und „Haushaltsorganisationen“ zu überprüfen (dazu gehören u. a. die Ministerien, Zentralen Ämter, die örtlichen Räte samt Verwaltungsunterbau, die Einrichtungen der „gesellschaftlichen Konsumtion“ im Bereich des Gesundheitswesens, der Kultur und des Sports und die Massenorganisationen).

 

Außerdem ist der Fk. b) die fortwährende Überwachung der Finanzwirtschaft der produzierenden Wirtschaftseinheiten übertragen (VEB, Kombinate, VVB, Produktionsgenossenschaften).

 

Letztlich erstreckt sich der Aufgabenbereich der Zentralen Fk. c) auch auf die Geschäftspolitik der Banken, Sparkassen und Versicherungen.

 

In der Verwaltungspraxis und der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre wird von „staatlicher Finanzkontrolle“ hauptsächlich dann gesprochen, wenn es sich um die folgenden beiden Kontrollmaßnahmen handelt:

 

a) die „Vorkontrolle“ der Qualität der gerade ausgearbeiteten Finanzpläne und b) die „kontinuierliche, mit[S. 380]laufende Kontrolle über das Maß der Erfüllung der Finanzpläne“.

 

Finanzwirtschaftliche Pläne sind die Haushalts-, Kredit-, Valuta- und Kassenpläne sowie die globalen und einzelwirtschaftlichen Planbilanzen von Wirtschaftsgruppen (z. B. Staat, Banken, Industrie) und einzelnen Kombinaten sowie Betrieben. Die „nachträgliche Kontrolle“ der Finanzgebarung der Verwaltungen, Banken und Versicherungen nach Ablauf des Haushalts- und Geschäftsjahres sowie die rückblickende Überprüfung der Erfüllung der Finanzpläne der Produktionseinheiten ist Aufgabe der „Finanzrevision“ (Fr.).

 

Die bei der Fk. angewendeten Analyse- und Prüfungsverfahren unterscheiden sich danach, ob die Überwachungsmaßnahmen „reinen“ Verwaltungsorganen gelten oder ob die Finanzen von selbständigen Betrieben und/oder überbetrieblichen Produktionsorganisationen überprüft werden sollen. Beide Arten von Institutionen verfolgen voneinander abweichende (Betriebs-)Zwecke. Die Unterschiedlichkeit der Aufgaben bestimmt jedoch nicht nur die Art der angewendeten Kontrollmethoden. Sie ist auch dafür verantwortlich, daß sich der staatliche Kontrollapparat der DDR selbst spezialisiert hat, je nachdem, ob haushaltswirtschaftliche Kontrollen gegenüber Etatmittelverwendern und Zuwendungsempfängern durchgeführt werden müssen oder ob die Aufgabe darin besteht, die Finanzwirtschaft von erwerbswirtschaftlich tätigen Betrieben zu überprüfen. Gegenüber den erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Organisationen (VEB; Kombinate; VVB) verfolgen die Fk. zunächst vor allem das Ziel, „ungeschminkt“ zu erfahren, welche Ergebnisse bei der a) vom Plan vorgeschriebenen und bei der b) auf Eigeninitiative der Produktionsorganisationen vorgenommenen Verwertung von Finanzkapital erzielt worden sind. Diese Erkundungen erfolgen durch gezielte Einholung von Informationen, periodisch angeforderte Rechenschaftsberichte und durch überraschend anberaumte Prüfungen der Buchhaltung und des betrieblichen Rechnungswesens. Werden durch die Kontrollen Leistungsmängel aufgedeckt, sind die Kontrollorgane verpflichtet. Maßnahmen vorzubereiten, mit denen die Effektivität der überprüften Wirtschaftsorganisationen verbessert werden kann.

 

Die VEB, Kombinate und VVB der volkseigenen Wirtschaft sind verpflichtet, ihre Geschäftspolitik nach dem „Rentabilitätsprinzip“ (Prinzip der Wirtschaftlichen Rechnungsführung) auszurichten. Diese Handlungsmaxime verlangt von ihnen, ihre Produktionskosten aus dem Erlös verkaufter Erzeugnisse, also durch eigene Leistungen, zu decken. Der Normalfall soll jedoch sein, daß die Betriebe und Betriebsvereinigungen einen Gewinn erwirtschaften. Das „Rentabilitätsprinzip“ verpflichtet somit die Produktionsorganisationen zu einer möglichst effizienten, flexiblen Kombination der Produktionsfaktoren im Rahmen der für sie verbindlichen Betriebspläne. Diese Forderung nach Rentabilitätssteigerung durch flexible Unternehmenspolitik läßt sich natürlich von Seiten der Wirtschaftskader in den Produktionsbereichen nur in dem Maße erfüllen, wie ihnen die Daten der Betriebspläne hierfür Entscheidungsspielraum lassen.

 

Im Gegensatz zu den Wirtschaftsbetrieben richtet sich das Verwaltungshandeln der Staatsorgane nicht unmittelbar auf erwerbswirtschaftliche Ziele. Sie sind vielmehr z. B. damit beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen und die administrativen Hilfen zu gewähren, damit die Produktionsorganisationen ihre staatlichen Planaufgaben termingerecht erhalten und in die Lage versetzt werden, diese zu erfüllen. Das Handeln der Verwaltungsorgane wird durch Anweisungen und Regeln in Form von Gesetzen, Anordnungen und Durchführungsbestimmungen gelenkt und zusätzlich durch operative Verfügungen vorgesetzter Regierungsstellen gesteuert. Bei der Aufteilung der von ihnen verwalteten Haushaltsmittel (Einzeletats) auf die ihnen zur Erledigung zugewiesenen Aufgaben sind die Verwaltungsinstanzen verpflichtet, weisungsgetreu zu verfahren und sachgemäß zu handeln. Daraus folgt, daß je nach der Art der Institutionen und der diesen übertragenen spezifischen Aufgaben sich auch die Ziele, die Methoden und die Beurteilungsmaßstäbe der Fk. ändern.

 

Im Bereich der staatlich gelenkten Produktion. Zirkulation und Distribution lautet der Überwachungsauftrag, den erreichten Grad der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität der Produktionseinheiten kritisch zu prüfen. Dagegen steht bei der Kontrolle des Verwaltungsbereiches die Einhaltung der Haushaltsdisziplin durch die einzelnen Haushaltsorganisationen im Mittelpunkt der Kontrolltätigkeit.

 

Seit 1966 befassen sich in der DDR vor allem 4 Finanzorgane mit der Fk. der Staatswirtschaft.: 1. Das Ministerium der Finanzen, 2. die Banken. 3. die staatliche Finanzrevision und 4. die Abteilungen Finanzen der örtlichen Räte. Ergänzende Kontrollanalysen werden von den Industrieministerien, den Abteilungen Finanzen der VVB, den Versicherungen und den ständigen Ausschüssen der Volksvertretungen verlangt. Bei dieser Vielzahl der sich bereichsweise überschneidenden Kontrollen seitens verschiedener Instanzen ist es unumgänglich, daß diese ihre Tätigkeit in der Sache und im Termin aufeinander abstimmen. Aus diesem Grunde erfolgen vor allem die üblichen Kontrollen und Revisionen zum Abschluß des Wirtschaftsjahres häufig gemeinsam.

 

In den Betrieben und Betriebsvereinigungen ist der Hauptbuchhalter der verantwortliche Ansprechpartner der staatlichen Kontrollorgane für Finanzfragen. Er ist der vom Staat beauftragte und von der Wirtschaftsverwaltung eingesetzte Inspektor, der sicherzustellen hat, daß bei den Planträgern an der Produktionsbasis die Staatsinteressen vorrangig berücksichtigt werden. Er hat dafür zu sorgen, daß das betriebliche Rechnungswesen ordnungsgemäß geführt wird, damit die Kontrolleure des Staatsapparats jederzeit Einsicht in die Buchhaltung und Erfolgsrechnung des Betriebes nehmen können.

 

In der DDR hat der Begriff „Finanzrevision“ 2 Bedeutungen. Einerseits stellt die Fr. eine Prüfungsmaßnahme [S. 381]dar. Andererseits ist sie ein staatliches Kontrollorgan. Als Prüfungsmaßnahme bedeutet die Fr. die jährliche Prüfung der Vorschriftsmäßigkeit des Rechnungswesens und der Jahresabschlußbilanzierung bei den einzelnen VEB. Kombinaten und VVB (= nachträgliche Kontrolle). Als staatliches Kontrollorgan stellt die Fr. eine Hierarchie institutionell verselbständigter Kontroll- und Revisionsinstanzen dar, die unter der direkten Anleitung des Ministeriums der Finanzen Revisionen durchführt.

 

Der Zuständigkeitsbereich der staatlichen Fr. erstreckt sich a) auf die Produktionseinheiten aller Wirtschaftsbereiche (Industrie, Bauwesen. Handel, Verkehr. Landwirtschaft, sonstige Dienstleistungssektoren), sofern diese ihre „Unternehmenspolitik“ nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung ausrichten; b) auf die staatlichen Kreditinstitute; c) auf alle staatlichen Verwaltungsorgane (= Haushaltsorgane/Haushaltsorganisationen) und d) auf sämtliche gesellschaftlichen Massenorganisationen.

 

Bei den erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Produktionseinheiten wird durch die Fr. geprüft, ob die vorgelegte Jahresbilanz und die unterbreitete Gewinn- und-Verlust-Rechnung ordnungsgemäß zustande gekommen sind. Hinzu kommt die Analyse der wirtschaftlichen „Tüchtigkeit“ des Betriebskollektivs. Als Prüfungsunterlagen zur Beurteilung des erreichten Wirtschaftserfolges werden die gesammelten Belege, Dokumente, Buchungen, Statistiken, Betriebspläne (einschließlich Finanzpläne), Planabrechnungen (Soll-Ist-Vergleiche) und die Ergebnisse der Gewinn-und-Verlust-Rechnungen ausgewertet.

 

Zweck der Revision ist die Beurkundung der Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses der Produktionseinheiten (Bilanz, Gewinn-und-Verlust-Rechnung, Planabrechnung) durch Erteilung eines „Bestätigungsvermerks“. Erst mit diesem Vermerk und durch einen positiven Prüfungsbericht wird das vom Arbeitgeber Staat eingestellte Führungspersonal der VEB, Kombinate und VVB durch diesen selbst für ihre Tätigkeit in der vergangenen Wirtschaftsperiode entlastet.

 

Prüfungsobjekte bei den zentralen und örtlichen Staatsorganen sind die Jahresabrechnungen der Finanz-, Haushalts-, Kredit- und Valutapläne, die Gesetzestreue bei der Erfüllung der ihnen aufgetragenen Aufgaben und der sparsame und pflegliche Umgang mit Staatsvermögen.

 

Entdecken die Revisionsinstanzen bei ihren Prüfungen, daß einzelne Produktionseinheiten und Verwaltungen unwirtschaftlich gearbeitet haben, planwidrige Aktionen unternahmen oder gegen Gesetze verstießen, so können sie bei kleineren Beanstandungen selbst die Beseitigung der Fehlleistungen und der Plan- und Ordnungswidrigkeiten anordnen. Bei größeren Vergehen müssen sie den Fall den übergeordneten Lenkungsinstanzen sowie den Gerichten übergeben. Sofern es sich nicht um einen Fall handelt, bei dem die Gerichte aufgrund der Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts zwingend eingeschaltet werden müssen, sorgt in den meisten Fällen das Ministerium der Finanzen für Abhilfe.

 

Während der Wirtschaftsreform in der DDR (1963 bis 1970) hat die primäre Verantwortlichkeit für die Fr. gegenüber der volkseigenen Wirtschaft zweimal gewechselt. Zunächst erhielten die „Konzern“-Spitzen der VVB 1963/64 anstelle behördlicher Kontrollinstanzen den Auftrag, die Finanzwirtschaft der ihnen angegliederten VEB laufend zu überwachen und das betriebliche Rechnungswesen nach Abschluß jedes Wirtschaftsjahres nach Maßgabe staatlicher Prüfungsvorschriften zu revidieren. Die Fr. gegenüber den VVB übernahmen die 1963/64 neu eingerichteten „Industrie-Bankfilialen“ der damaligen Deutschen Notenbank (heute Staatsbank der DDR).

 

Die VVB führten jedoch ihre Nachkontrolle nicht im Interesse der vorrangigen Durchsetzung der Staatsziele vor denen der Individual- und Betriebsinteressen durch. Wegen „Kumpanei“ mit den Kontrollierten wurden ihnen deshalb 1966 die primären Revisions- und Überwachungsbefugnisse wieder entzogen. Das Scheitern dieses Experimentes, die Verantwortlichkeit für Fk. und Fr. auf die VVB-Leitungen zu delegieren, rührte daher, daß durch die Umwandlung der VVB zu „Organen mit wirtschaftlicher Rechnungsführung“ diese mit ihren Betrieben zu einer Gewinn-und-Verlust-Gemeinschaft mit vielfach gleichen Interessen zusammenwuchsen. Daher deckten die Konzernleitungen finanzielle und wirtschaftliche Manipulationen ihrer VEB, sofern diese dem Konzern insgesamt zum Vorteil gereichten.

 

Aus diesen Gründen wurde Anfang 1966 das Revisionswesen in der DDR in der Weise umgestaltet, daß seit dieser Zeit eine eigene, von anderen wirtschaftsleitenden Organen unabhängige staatliche Instanz die Revisionen vornimmt. Die fachliche Anleitung dieser Sonderbehörde liegt beim Ministerium der Finanzen. (Vgl. den „Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision“ vom 12. 5. 1967, GBl. II, S. 329 ff.) Finanzsystem; Banken; Sparkassen; Örtliche Organe der Staatsmacht; Bezirk; Kreis; Gemeinde; Wirtschaft; Staatsapparat.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 379–381


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.