
Frauen (1979)
Siehe auch die Jahre 1965 1966 1969 1975 1985
Seit ihrer Gründung hat sich die SED die traditionelle marxistisch-leninistische Auffassung zu eigen gemacht, die Emanzipation der F. sei „ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital“ und deshalb nur in der sozialistischen Gesellschaft möglich, wie umgekehrt der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung die Gleichberechtigung der F. als unerläßliche Voraussetzung bedinge.
I. Gleichberechtigung der Frau
Entsprechend der marxistisch-leninistischen Lehre vertritt die SED die Ansicht, die Grundlage einer „wahrhaften“ Gleichberechtigung der F. sei ihre ökonomische Unabhängigkeit vom Mann, die sie sich durch ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Produktionsprozeß sichere. Die Verwirklichung der gesellschaftlichen Gleichberechtigung der F. in der DDR basiert somit auf ihrer umfassenden Einbeziehung in das Wirtschaftsleben. Weibliche Berufstätigkeit ist allerdings nicht nur eine politisch-ideologisch zu motivierende Notwendigkeit, sondern aufgrund des permanenten Arbeitskräftemangels in der DDR zugleich von eminent ökonomischer Bedeutung (volkswirtschaftlich ungünstige Bevölkerungsstruktur mit erheblichem F.-Überschuß und hohem Rentneranteil). Doch auch dieser Aspekt wird von der SED auf den Emanzipationsgedanken zurückgeführt und ideologisch verankert; indem nämlich die berufstätigen F. um ökonomische Erfolge in der Produktion ringen würden, stärkten sie „ihren“ sozialistischen Staat, der allein ihre wirkliche Gleichberechtigung garantieren könne.
Neben diesen politisch-ideologischen und wirtschaftlich-pragmatischen Elementen umfaßt der Emanzipationsgedanke der SED auch erzieherische Aspekte. Denn ihr Arbeitsbegriff enthält den Gedanken der Selbstverwirklichung des Menschen, seiner Entfaltung durch und im Prozeß der Arbeit. Diese Theorie wird auch auf die F., ihre Emanzipation und Persönlichkeitsentfaltung angewendet: Nur durch die Berufstätigkeit, insbesondere im sozialistischen Kollektiv arbeitender Menschen, könne sie zur maximalen Entwicklung ihrer Persönlichkeit, zu Gesellschaftlichem ➝Bewußtsein und zur vollen Gleichberechtigung gelangen.
In Übereinstimmung mit diesen ideologischen Grundmaximen ist die Gleichberechtigung der F. ― [S. 422]was die formal-juristische Seite anlangt ― in der DDR umfassend verwirklicht. Durch die Verfassung von 1949 wurde die volle rechtliche, ökonomische und politische Gleichstellung der F., ihre Gleichberechtigung auf allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens — insbesondere im Arbeits- und Familienrecht ― prinzipiell und ohne Einschränkungen gesichert sowie alle der Gleichberechtigung der F. entgegenstehenden oder sie beeinträchtigenden gesetzlichen Bestimmungen aufgehoben. In allen nachfolgenden einschlägigen Gesetzeswerken wurde das Prinzip der Gleichberechtigung der F. verankert bzw. noch weiterentwickelt. So nimmt Art. 20 Abs. 2 der Verfassung von 1968 die bereits in Art. 7 Abs. 1 der 1. Verfassung der DDR enthaltene Bestimmung über die Gleichberechtigung der F. in erweiterter Form auf: „Mann und Frau sind gleichberechtigt und haben die gleiche Rechtsstellung in allen Bereichen des gesellschaftlichen. staatlichen und persönlichen Lebens. Die Förderung der Frau, besonders in der beruflichen Qualifizierung, ist eine gesellschaftliche und staatliche Aufgabe.“
II. Frauenpolitik
Wurde die Verwirklichung der Gleichberechtigung der F. in der DDR in den Jahren des Aufbaus des Sozialismus vor allem unter dem Aspekt ihrer zahlenmäßigen Teilnahme am Produktionsprozeß gesehen und die Gewinnung möglichst vieler weiblicher Arbeitskräfte für die Volkswirtschaft angestrebt, so hat sich mit Beginn der 60er Jahre der Akzent auf die Probleme der beruflichen Qualifikation der F., ihrer Stellung im Produktionsprozeß und ihres beruflichen Aufstiegs verlagert. Nicht zuletzt aus gesellschaftspolitisch-pragmatischen und ökonomischen Notwendigkeiten sollen die F. befähigt werden, einen den Männern gleichwertigen Platz in der zunehmend technisierten Produktion einnehmen zu können, der allein — so die gegenüber der ursprünglichen marxistisch-leninistischen Gleichberechtigungsideologie modifizierte Auffassung der SED — ihre gleichberechtigte Stellung in der sozialistischen Gesellschaft garantiere. Danach bestimmt die von den F. eingenommene berufliche Stellung den Grad ihrer Befreiung und Gleichberechtigung, den Grad ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Integration. Unter den Verlautbarungen und gesetzlichen Bestimmungen zur F.-Politik der SED, die diese Akzentverschiebung widerspiegeln, kommt dem Kommuniqué des Politbüros des ZK der SED vom 23. 12. 1961 „Die Frau - der Frieden und der Sozialismus“ zentrale Bedeutung zu. Auf Veranlassung der F.-Kommission beim Politbüro entstanden, kritisierte das sog. „F.-Kommuniqué“ die unzureichende Durchsetzung der Forderungen der SED hinsichtlich der Rolle und Stellung der F. in der Gesellschaft. Die veränderten wirtschaftlichen und politischen Notwendigkeiten und Bedingungen berücksichtigend, präzisierte es die Verantwortung der Leitungen von Partei und Massenorganisationen, der Staats- und Wirtschaftsorgane für die Förderung der F., die gezielte Hebung ihres Qualifikationsniveaus, ihre verstärkte Gewinnung für naturwissenschaftlich-technische Berufe und für Leitungsfunktionen (Beschluß über die Aufgaben der Staatsorgane zur Förderung der F. und Mädchen in Durchführung des Kommuniqués des Politbüros des ZK der SED vom 23. 12. 1961 vom 19. 2. 1962; GBl. II, S. 295). Die normierende Wirkung des F.-Kommuniqués kommt vor allem in den Bereichen Familie, Arbeit und Bildung zum Ausdruck.
A. Familiengesetzbuch
Das Familiengesetzbuch vom 20. 12. 1965 (GBl. I, 1966, S. 1) fixiert nicht nur die Gleichstellung der F. in Ehe und Familie, indem es alle Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens ― Erziehung und Pflege der Kinder. Führung des Haushalts, materielle Aufwendungen für Haushalt und Familie ― zu Rechten und Pflichten beider Ehegatten erklärt, sondern auch das Recht der F. auf Ausübung bzw. Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit. Es verpflichtet zudem die Ehegatten zu „kameradschaftlicher Rücksichtnahme und Hilfe“, wenn sich der andere Ehegatte zur Teilnahme an weiterbildenden Maßnahmen oder zur Leistung gesellschaftlicher Arbeit entschließt (Familienrecht).
B. Arbeitsgesetzbuch
Der bereits im Befehl Nr. 253 der SMAD aufgestellte und im Gesetz der Arbeit vom 19. 4. 1950 (GBl., S. 349) wiederholte Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wurde mit weiteren Bestimmungen des Arbeitsgesetzes sowie des Gesetzes über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der F. vom 27. 9. 1950 (GBl., S. 1037) im Gesetzbuch der Arbeit (GBA) vom 12. 4. 1961 (GBl. I, S. 27) zusammengefaßt und im Arbeitsgesetzbuch (AGB) vom 16. 6. 1977 (GBl. I. S. 185) als besondere Rechte der werktätigen F. und Mütter weiter ausgebaut. Die Bestimmungen beziehen sich u. a. auf die Schaffung der äußeren Voraussetzungen für die Teilnahme der F. am Produktionsprozeß. Dazu zahlen die Einrichtung von Kinderkrippen, -gärten und -horten, von betrieblichen Verkaufsstellen. Wäschereien und anderen Dienstleistungen. Sie betreffen weiterhin arbeitszeitliche Sonderregelungen und Kündigungsschutz für Schwangere und stillende Mütter (Verbot von Überstunden und Nachtarbeit, Schwangerschafts- und Wochenurlaub von 6 bzw. 20, bei Mehrlingsgeburten oder komplizierten Entbindungen 22 Wochen, Arbeitsfreistellung bis zum Ende des 1. bzw. ― bei Nichtbereitstellung eines Krippenplatzes ― des 3. Lebensjahres des Kindes bei teilweiser Zahlung von Mütterunterstützung, Still[S. 423]pausen während der Arbeitszeit, Kündigungsverbot von mindestens einem bis zu drei Jahren; Mutterschutz) und Gewährung einer 40-Stunden-Arbeitswoche sowie von Hausarbeitstagen unter bestimmten Voraussetzungen für vollbeschäftigte F.
Ferner sollen besondere Maßnahmen zum F.-Arbeitsschutz, wie Verbot von schweren und gesundheitsgefährdenden Arbeiten, sowie eine entsprechende technisch-organisatorische Gestaltung der Arbeitsplätze den Einsatz der F. in einem weiten, auch nichttypische F.-Berufe umfassenden Tätigkeitsbereich ermöglichen. In von den Betriebsleitern in Zusammenarbeit mit den betrieblichen Gewerkschaftsleitungen (BGL) als Bestandteil der Betriebskollektivverträge (BKV) aufzustellenden F.-Förderungsplänen (1978: mehr als 14.300) sind außerdem detaillierte Weiterbildungsmaßnahmen für die weiblichen Beschäftigten festzulegen.
Als Maßnahme zur praktischen Durchsetzung der Gleichberechtigung der F. auf betrieblicher Ebene wurden auf Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 8. 1. 1952 in den Betrieben der Industrie, den Volkseigenen Betrieben der Land- und Forstwirtschaft, in staatlichen Verwaltungen, Hochschulen und Universitäten F.-Ausschüsse gebildet, die zunächst unter Anleitung der Betriebsparteiorganisationen (BPO) in den VEB arbeiteten und 1965 auf Empfehlung des Politbüros (Beschluß vom 15. 12. 1964) den BGL unterstellt wurden.
Um die spezifischen Probleme der F.-Arbeit in besonderem Maße berücksichtigen zu können, wurden in den industriellen und landwirtschaftlichen Betrieben der DDR zudem F.-Brigaden gebildet, Arbeitsgruppen, die ebenso wie die sonstigen Brigaden technologisch zusammenhängende Arbeitsaufträge bzw. -gänge arbeitsteilig im Kollektiv ausführen, jedoch ausschließlich aus weiblichen Arbeitskräften bestehen.
C. Bildungsgesetz
Das Gesetz über das Einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. 2. 1965 (GBl. I, S. 83) garantiert den F. und Mädchen gleiche Bildungsmöglichkeiten und den gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungsinstitutionen. Es fordert die Hinlenkung der Mädchen auf eine Ausbildung in technischen und landwirtschaftlichen Berufen, die Qualifizierung der F. zu Facharbeitern und ihre Vorbereitung auf die Übernahme von Kaderfunktionen. Ergänzt von einigen wichtigen Durchführungsbestimmungen (z. B. AO über die Aus- und Weiterbildung von F. für technische Berufe und ihre Vorbereitung für den Einsatz in leitenden Tätigkeiten vom 7. 7. 1966, GBl., SDr. 545, S. 25; AO zur Ingenieurausbildung von F. in Sonderklassen an den Fachschulen der DDR vom 15. 7. 1967, GBl. II, S. 506; AO zur Durchführung der Ausbildung von F. im Sonderstudium an den Hoch- und Fachschulen vom 15. 5. 1970, GBl. II, S. 407; AO über die Förderung von vollbeschäftigten werktätigen F. für die Ausbildung zu vollbeschäftigten Produktionsfacharbeiterinnen vom 12. 12. 1972, GBl. II, S. 860). bildet es die Grundlage für die vollständige Einbeziehung der F. in das allgemeine System der „abschnittsweisen“ Qualifizierung.
Wesentliche Gremien zur Erarbeitung und Durchführung der F.-Politik sind die Abteilung Frauen des ZK mit den ihr nachgeordneten F.-Kommissionen bei den Bezirks- und Kreisparteileitungen sowie die F.-Kommission beim Politbüro. Der aus hauptamtlichen weiblichen Funktionären zusammengesetzten ZK-F.-Abteilung obliegt die Anleitung der — auf die gesamte weibliche Bevölkerung gerichteten — F.-Arbeit der Partei wie auch des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) und die Kontrolle über die Durchführung entsprechender Beschlüsse. Bei der Vorbereitung von frauenpolitischen Richtlinien und Maßnahmen wird sie von der F.-Kommission beim Politbüro beraten und unterstützt, in der weibliche Führungskräfte des Staatsapparates, der Wirtschaft, Wissenschaft und der Massenorganisationen vereint sind. Seit der im Jahre 1964 erfolgten Gründung des Wissenschaftlichen Beirats „Die Frau in der sozialistischen Gesellschaft“ beim Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) stützen sich auch diese Parteigremien zunehmend auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse (vgl. auch Beschluß über die weitere Durchführung der Forschung zu Problemen der Entwicklung und Förderung der F. und Mädchen in der DDR vom 20. 10. 1966; GBl. II, S. 777).
III. Probleme der Frauenarbeit
Die Eingliederung der F. in den Produktionsprozeß ist der SED in beachtlichem Umfang gelungen. Der Anteil der weiblichen Beschäftigten ist seit 1949 kontinuierlich gestiegen, der F.-Beschäftigungsgrad ist einer der höchsten der Welt. Als Ursachen des Anstiegs sind die im Schnitt relativ niedrigen Einkommen der Männer und wachsendes Konsumbedürfnis der Bevölkerung ebenso zu nennen wie die zum Teil erfolgreiche Durchsetzung des von der SED propagierten Leitbildes der berufstätigen Frau und Mutter.
Allerdings stehen der weiblichen Berufstätigkeit ― trotz aller bisherigen Anstrengungen ― immer noch erhebliche Schwierigkeiten der F.-Arbeit entgegen. Weder sind genügend Plätze in den Einrichtungen der Kinderbetreuung vorhanden - 1977 wurden 60,1 v. H. der Kinder im Alter bis zu 3 Jahren in Kinderkrippen, 89,2 v. H. der 3- bis 6jährigen Kinder in Kindergärten und 74,1 v. H. (Anfang 1977) der Schüler der 1. bis 4. Klasse in Schulhorten betreut noch steht gegenwärtig ein qualitativ wie quantitativ ausreichendes Waren- und Dienstlei[S. 424]stungsangebot zur Verfügung, um den F. die noch immer zu 70–80 v. H. von ihnen allein erbrachte Hausarbeit spürbar zu erleichtern. So kritisieren denn auch die SED-F.-Funktionärinnen unablässig den im Vergleich zu kinderlosen F. und mehr noch zu Männern nach wie vor unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand berufstätiger Mütter von wöchentlich rd. 37 Stunden für Hausarbeit und Kindererziehung. Weitere Schwierigkeiten, die z. T. aus der mangelnden Erfüllung staatlicher Förderungsauflagen durch die Betriebsleiter resultieren bzw. Ausdruck des der Gleichberechtigung der F. immer noch entgegengebrachten Widerstandes der Männer sind, bilden z. B. ungünstige betriebliche Arbeitsbedingungen und der dem Ausbildungsniveau nicht gemäße Einsatz der weiblichen Arbeitskräfte. Letzteres trifft vor allem auf F. mit Hoch- und Fachschulabschluß zu, die auf den höheren Leitungsebenen von Betrieben und Verwaltungen deutlich unterrepräsentiert sind. Auch die im Arbeitsgesetzbuch ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung (Halbtagsarbeit) wird in zunehmendem Maße als unbefriedigend und von zweifelhaftem wirtschaftlichem Nutzen empfunden, da sie der völligen Eingliederung der F. in den Arbeits-, besonders aber in den Qualifizierungsprozeß im Wege steht. Bei weiblichen Führungskräften ergibt sich darüber hinaus die Problematik, daß eine Teilzeitbeschäftigung sowohl die Kontinuität der Leitungstätigkeit wie die von Weiterbildungsmaßnahmen unterbricht. Trotz der Bemühungen zu ihrer Begrenzung auf jene Fälle, in denen aus gesundheitlichen oder familiären Gründen keine Ganztagsarbeit möglich ist. besteht unter den berufstätigen F. und insbesondere Müttern aber weiterhin ein starker Trend zur Teilzeitbeschäftigung; im Jahr 1976 arbeiteten 32 v. H. der F. in der DDR verkürzt.
Als ein besonderes Problem, das aus der Mehrfachbelastung der F. (berufliche und gesellschaftliche Tätigkeit, Haushalt und Kindererziehung) resultiert, erweist sich für die DDR der in allen hochentwickelten Industrieländern zu beobachtende Rückgang der Geburtenziffern und Anstieg der Scheidungsquoten. Um dieser Entwicklung zu begegnen, hat die SED-Führung seit 1972 (Gemeinsamer Beschluß des ZK der SED, des Bundesvorstandes des FDGB und des Ministerrats der DDR über sozialpolitische Maßnahmen in Durchführung der auf dem VIII. Parteitag beschlossenen Hauptaufgabe des Fünfjahrplanes vom 27. 4. 1972) eine Serie von Maßnahmen zur Förderung der berufstätigen Mütter, der jungen Ehen und der Geburtenentwicklung beschlossen. Durch arbeitszeitliche Vergünstigungen und finanzielle Anreize konnte seitdem zwar die Geburtenfreudigkeit erhöht werden, jedoch nur um den Preis neuer betriebswirtschaftlicher und F.-Arbeitsprobleme, die sich auch allgemein aus dem inzwischen erreichten hohen Beschäftigungsgrad der F. ergeben: Aufgrund der erheblichen Verlängerung des Wochenurlaubs und der Inanspruchnahme des Rechts auf Arbeitsfreistellung für ein Jahr nach der Geburt eines Kindes durch rd. zwei Drittel der F. haben Betriebe mit hohem F.-Anteil ― so vor allem im Gesundheitswesen und im Handel ― mit erheblichen Ausfallquoten zu rechnen. Dies hat in der Praxis dazu geführt, jüngere qualifizierte F. — in Erwartung einer möglichen Schwangerschaft — nicht in den ihrer Ausbildung adäquaten beruflichen Positionen einzusetzen.
III. Die Frau in Bevölkerung, Wirtschaft und öffentlichem Leben
A. Die Frau in der Bevölkerung
Nach den Angaben des Statistischen Jahrbuches der DDR waren 1977 von den insgesamt 16.757.857 Einwohnern 8.940.816 F., das entspricht einem Anteil von 53,4 v. H. Der Altersaufbau der weiblichen Bevölkerung zeigt noch immer eine ähnlich ungünstige Struktur wie der der Gesamtbevölkerung (Menschenverluste im Krieg, geburtenschwache Jahrgänge). Zusätzlich negative Auswirkungen auf die weibliche Bevölkerungsstruktur hat der hohe F.-Überschuß in den älteren Jahrgangsgruppen, der sich 1977 von der Gruppe der 47jährigen an bemerkbar machte. Während in den unteren Altersgruppen bis einschließlich der 46jährigen ein geringer Männerüberschuß bestand (5.642.103 Männer, 5.437.687 F.; 3,8 v. H. Männerüberschuß), erhöhte sich der F.-Überschuß ab der Gruppe der 47jährigen (2.174.938 Männer, 3.503.129 F.; 61,1 v. H. F.-Überschuß) gegenüber 1972 um weitere 6,4 v. H. Die Diskrepanz zwischen männlichen und weiblichen Bevölkerungsanteilen in den höheren Altersgruppen macht sich aus volkswirtschaftlicher Sicht besonders nachteilig bemerkbar, da die Zahl der weiblichen Rentner ungleich höher ist als die der männlichen, zumal die F. bereits mit 60 Jahren in das Rentenalter eintreten, die Männer hingegen erst mit 65 Jahren; so standen 1977 den 2.175.330 Rentnerinnen 985.716 Rentner gegenüber. Unter der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (Männer: 15 bis unter 65 Jahre; F.: 15 bis unter 60 Jahre) sind hingegen die männlichen und weiblichen Anteile nahezu gleich: 5.139.336 Männern stehen 5.156.426 F. gegenüber (Bevölkerung).
B. Die Frau in der Wirtschaft (Berufs- und Qualifikationsstruktur)
Die seit Kriegsende bis 1973 rückläufige Anzahl der F. im arbeitsfähigen Alter verstärkte für die DDR- Behörden den Zwang, angesichts eines permanenten Arbeitskräftemangels die F. möglichst weitgehend in den Produktionsprozeß einzugliedern, um die volkswirtschaftlichen Planziele zu erfüllen. So waren 1977 von den insgesamt ca. 8,06 Mill. (mit Lehrlin[S. 425]gen ca. 8,55 Mill.) Beschäftigten inzwischen 4,03 Mill. (mit weiblichen Lehrlingen 4,25 Mill.) F. Ihr Beschäftigtenanteil betrug demnach 50,0 v. H., der Beschäftigungsgrad der F. im arbeitsfähigen Alter 82,3 v. H. (1964: 66,5 v. H.; 1967: 76,3 v. H., 1973: 81,7 v. H.; 1976: 82,6 v. H. Der geringfügige Rückgang des weiblichen Beschäftigungsgrades 1977 hat bevölkerungs-, bildungs- und familienpolitische Ursachen: Eintritt eines geburtenstarken Jahrgangs ins arbeitsfähige Alter bei gleichzeitigem Ausscheiden von im I. Weltkrieg geburtenschwachen Jahrgängen aus dem Arbeitsprozeß, anhaltender Trend zu längerer und höherer Bildung der Mädchen, verstärkte Inanspruchnahme des „Babyjahres“.)
Diese hohe Quote weiblicher Berufstätiger wird vor allem durch die Mitarbeit einer großen Anzahl von Müttern erreicht (1977 waren 1,9 Mill. F. mit Kindern unter 16 Jahren voll berufstätig), wobei ihr Beschäftigungsgrad ― wie Zahlenangaben von 1970 (neuere Daten sind nicht mehr publiziert worden) erkennen lassen ― proportional zur Einkommenshöhe des Ehemannes und der Anzahl der Kinder abnimmt:
Die Berufsstruktur der F. ist in den offiziellen Angaben nur grob nach Berufsgruppen aufgeschlüsselt. Für 1977 wie bereits für die vorhergegangenen Jahre gilt, daß nur ein Drittel der berufstätigen F. in der Industrie, fast die Hälfte aber in Bereichen arbeitet, in denen die Anzahl weiblicher Berufe traditionell am größten ist (Handel, nichtproduzierende Bereiche mit den Schwerpunktgebieten Volksbildung und Kultur sowie Gesundheits- und Sozialwesen). An dieser Struktur werden sich auf absehbare Zeit keine gravierenden Veränderungen ergeben, da auch die weiblichen Lehrlinge — trotz der seit Jahren intensiven Bemühungen der SED, sie für Ausbildungsgänge in den naturwissenschaftlich-technischen Branchen zu gewinnen — nach wie vor überwiegend in die traditionellen Bereiche der F.-Arbeit streben. Die Verteilung der weiblichen Berufstätigen (mit Lehrlingen) auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche zeigt für 1977 untenstehende Tabelle.
Aufgrund intensiver Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung, insbesondere der weiblichen, wobei die 1967 an den Hoch- und Fachschulen der DDR gebildeten F.-Sonderklassen den F. die berufliche Aus- und Weiterbildung erleichtern sollten, ist es der SED-Führung inzwischen gelungen, den Anteil weiblicher Beschäftigter mit abgeschlossener Berufsausbildung beträchtlich zu vergrößern. So hat sich der Anteil der Produktionsarbeiterinnen mit Facharbeiterabschluß von 27 v. H. im Jahre 1972 bis Anfang 1977 auf 44,9 v. H. erhöht; insgesamt verfügten Anfang 1978 66 v. H. der weiblichen Beschäftigten über eine abgeschlossene Berufsausbildung, was eine Steigerungsrate von 10 v. H. gegenüber 1974 bedeutet. Dieser Entwicklung entspricht ein seit 1967 überproportional hoher weiblicher Anteil bei den von Beschäftigten nachträglich absolvierten Facharbeiterprüfungen (im Durchschnitt von rd. 42.250 F. jährlich = 54,1 v. H.), die von allen Qualifizierungsmaßnahmen beruflicher Aus- und Weiterbildung von F. am meisten frequentiert werden (1977 betrug der Anteil weiblicher Schulungsteilnehmer an den Maßnahmen beruflicher Aus- und Weiterbildung insgesamt 39,4 v. H., bei der Qualifizierung zum Facharbeiter jedoch 56,0 v. H.). Während in den jüngeren Altersgruppen der prozentuale Anteil von Männern und F. mit abgeschlossener Berufsausbildung sich inzwischen stark angenähert hat — 1977 hatten 78 v. H. der männlichen und 75 v. H. der weiblichen 18- bis 19jährigen sowie 84 v. H. der männlichen und 78 v. H. der weiblichen 20- bis 29jährigen einen Facharbeiterabschluß —, finden sich in den höheren Altersgruppen immer noch zahlreiche F. ohne entsprechende Berufsqualifikation: bei den 50- bis 59jährigen hatten 1977 nur 34 v. H. der F. gegenüber 77 v. H. der Männer eine abgeschlossene Berufsausbil[S. 426]dung. Dies läßt darauf schließen, daß das Interesse an nachträglicher beruflicher Qualifizierung und damit verbunden an höheren Verdienstmöglichkeiten bei jenen F. besonders groß ist, die bis zum Erreichen des Rentenalters noch eine längere Zeit erwerbstätig sind. Der Anteil der F. an den niedrigen Lohngruppen ist aufgrund ihrer unzureichenden Berufsausbildung, namentlich der älteren und vor allem der in der Industrie beschäftigten, traditionell hoch. Auffallend hoch ist inzwischen der weibliche Anteil an den Beschäftigten mit Fachschulabschluß (1977: rd. 436.100 F. = 53,9 v. H.) wie auch an den Fachschulstudenten (1977: rd. 113.600 F. = 69,9 v. H., überwiegend im Direktstudium, wo der F.-Anteil 81,0 v. H. beträgt). Auch im Hochschulstudium (1977: 61.600 F. = 47,5 v. H.) wie bei den Beschäftigten mit Hochschulabschluß (1977: rd. 147.100 F. = 33,1 v. H.) ist der weibliche Anteil in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen — was Soziologen aus der DDR vor allem mit einem größeren Leistungswillen der Mädchen erklären. Aus entsprechenden Umfrageergebnissen leiten sie zugleich die Prognose ab, daß höherqualifizierte F. auch nach einer Eheschließung berufstätig und damit dem volkswirtschaftlichen Produktionsprozeß erhalten bleiben.
Trotz der ständig wachsenden Zahl beruflich hochqualifizierter F. nehmen sie jedoch, wie bereits erwähnt, immer noch nicht einen adäquaten Platz in den Leitungsfunktionen der Wirtschaft ein. Zwar gaben die DDR-Behörden Ende 1977 bekannt, daß jeder vierte Leiter in der sozialistischen Wirtschaft eine F. sei, doch fehlen detaillierte Angaben über die Art solcher Leitungsfunktionen. Nach wie vor verschwindend gering ist der Anteil weiblicher ökonomischer, kaufmännischer und vor allem technischer Direktoren in Kombinaten und Volkseigenen Betrieben.
In den Führungsfunktionen des Gesundheits- und Erziehungswesens sowie der Justiz sind F. zwar erheblich zahlreicher vertreten: Jede vierte Schule in der DDR steht unter weiblicher Leitung, ein Drittel der Richter und die Hälfte der Schöffen an Kreis- und Bezirksgerichten sind F. Gemessen an ihren in diesen Bereichen traditionell sehr hohen Anteilen (im Gesundheitswesen ist der F.-Anteil mit 86 v. H. für Anfang 1978 am höchsten, gefolgt vom Erziehungs- und Bildungswesen mit 75,7 v. H. für 1977) sind sie auch in den Führungsfunktionen erheblich unterrepräsentiert. Wie die Sekretärin für F.-Fragen im ZK der SED, Inge Lange, im Jahr 1975 mitteilte, ist vor allem der Anteil von F. mit mehreren Kindern in leitenden Funktionen besonders gering (Quelle: Einheit, 1975, H. 9. S. 960).
C. Die Frau im öffentlichen Leben
Die von der SED geforderte gleichberechtigte Teilnahme der F. am öffentlichen Leben ist besonders groß in jenen gesellschaftlichen und staatlichen Organisationen und Gremien, die primär einen repräsentativen Charakter haben oder lediglich eine beratende Funktion ausüben. In den politischen Entscheidungsorganen und -funktionen von Partei und Staat, in denen ein hoher weiblicher Anteil wirksame Gleichberechtigung bedeuten könnte, sind die F. weder ihrem Mitgliederanteil in den Parteien ― namentlich der SED ― noch ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft entsprechend vertreten.
Die Massenorganisationen weisen traditionell hohe weibliche Mitgliederzahlen auf. Im FDGB waren 1977 ca. 4,2 Mill. F. = 51 v. H., im Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) rd. 1,4 Mill. F. organisiert (seit Anfang der 60er Jahre relativ stagnierende Mitgliederzahlen des DFD).
Im Jahr 1976 befanden sich unter den 2 Mill. SED-Mitgliedern und -Kandidaten ca. 639.700 F. = 31,3 v. H. An der Spitze der 269 SED-Kreisleitungen gab es im März aber nur 1 1 weibliche 1. Sekretäre = 4,1 v. H. Den im März/April 1976 gewählten 15 Bezirksleitungen der SED gehörten zwar insgesamt 25,7 v. H. weibliche stimmberechtigte Mitglieder und 42,9 v. H. weibliche Kandidaten an, den entscheidungsbefugten Sekretariaten der Bezirksleitungen hingegen nur 9 weibliche Mitglieder (= 5 v. H.), darunter 4 weibliche Sekretäre (von insgesamt 90 Sekretären). Auf dem IX. Parteitag 1976 wurden 19 F. = 13,1 v. H. zu Mitgliedern und 5 F. = 8,8 v. H. zu Kandidaten des ZK der SED gewählt. Seit seiner Bildung im Januar 1949 hat dem Politbüro des ZK der SED noch keine F. als Vollmitglied angehört; seit Oktober 1973 (10. ZK-Plenum) befinden sich unterdessen Kandidaten 2 F. (Inge Lange, Margarete Müller) und unter den Sekretären des ZK-Sekretariats eine F. (Inge Lange, Sekretär für F.-Fragen). Eine größere weibliche Beteiligung in politisch bedeutenden Parteifunktionen ist schwerpunktmäßig in den Gremien und Institutionen der Parteikontrolle und Parteischulung gegeben.
Auch im Bereich der staatlichen Exekutive üben nur wenige F. politische Entscheidungsfunktionen aus: nur in einem der 15 Bezirke der DDR steht eine F. an der Spitze des Bezirksrates (Irma Uschkamp in Cottbus); dem rd. 40köpfigen Ministerrat der DDR gehört seit 1974 nur noch ein weiblicher Minister an (Margot Honecker, seit 1963 Minister für Volksbildung), während sich unter den rd. 200 Staatssekretären und Ministerstellvertretern lediglich 3 F. befinden. Dem aus 25 Mitgliedern bestehenden Staatsrat gehören 5 F. an.
In den Volksvertretungen hingegen ist der Anteil der F. erheblich höher. Den 1974 gewählten Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen (kreisangehörige Städte und Gemeinden) gehören 32,6 v. H., den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen (Land- und Stadtkreise) 39,7 v. H. F. an, den 1976 gewählten Bezirkstagen 37,9 v. H. F., der Volkskammer 33,6 v. H. F.
[S. 427]Die politische Tätigkeit der weiblichen Abgeordneten ― wie auch die der Funktionärinnen im Staatsapparat ― konzentriert sich auf sozial-, kultur- und handelspolitische Bereiche.
Die Gründe für die geringe Teilnahme von F. am gesellschaftlich-politischen Entscheidungsprozeß in der DDR sind vielschichtig und teilweise interdependent. Als wesentlichste seien genannt: nach wie vor bestehende tradierte Vorurteile gegen F.-Karrieren; erhebliche Gewichtung von Leitungsfunktionen aufgrund enger personeller Verbindung zwischen der Parteiführung und der Staats- und Wirtschaftsführung; unzureichendes weibliches Kaderreservoir in den mittleren Leitungsfunktionen; einseitige Konzentration der F. auf spezielle Sachgebiete in Politik und Wirtschaft; stärkere arbeitsmäßige Belastung der berufstätigen und/oder gesellschaftlich-politisch aktiven F. durch Haushalt und Familie; erheblicher Mehraufwand an Arbeitszeit und häufige Dienstreisen bei Ausübung leitender Funktionen; Fehlen geeigneter Organe zur Wahrnehmung der politischen Interessen der F.
Gabriele Gast
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 421–427