DDR von A-Z, Band 1979

Freizügigkeit (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1963 1965 1966 1969 1975 1985


 

Art. 32 der Verfassung gewährleistet die F., d. h. das Recht eines jeden Bürgers, innerhalb des Staatsgebiets der DDR und im Rahmen ihrer Gesetze seinen Wohnsitz oder zeitweiligen Aufenthalt frei zu wählen und sich innerhalb des Staatsgebiets frei zu bewegen. Wegen der räumlichen Beschränkung der F. auf das Staatsgebiet der DDR erscheinen die paßrechtlichen Schranken der Ausreise, das Genehmigungserfordernis bei Reisen in „nichtsozialistische“ Staaten, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, und die Beschränkung der Erteilung von Genehmigungen auf dringende Familienangelegenheiten und Rentnerreisen (AO über Regelungen im Reiseverkehr von Bürgern der DDR vom 17. 10. 1972) sowie die Strafbarkeit des „ungesetzlichen Grenzübertritts“ mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren (§ 213 StGB) schon begrifflich nicht als Einschränkungen der F. Die wichtigsten Einschränkungen innerhalb der DDR ergeben sich aus:

  • a) den Zutrittsverboten und -beschränkungen innerhalb des Grenzgebiets (VO zum Schutze der Staatsgrenze vom 19. 3. 1964, Grenzordnung vom 15. 6. 1972) und der militärischen Sperrgebiete (Sperrgebietsordnung vom 21. 6. 1963),
  • b) den Aufenthaltsbeschränkungen, die von den Gerichten als Zusatzstrafe in einem Strafverfahren (§ 51 StGB) oder als Sicherheitsmaßregel zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 3 Abs. 1 der VO über Aufenthaltsbeschränkungen vom 24. 8. 1961) angeordnet werden können, sowie
  • c) Seuchenschutzmaßnahmen (Erste Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen vom 11. 1. 1966).

 

Das in der Verfassung von 1949 enthaltene Auswanderungsrecht ist in die geltende Verfassung von 1968 nicht aufgenommen worden. Dessenungeachtet ist die DDR nach Art. 12 Abs. 2 des Internationalen Paktes vom 19. 12. 1966 über bürgerliche und politische Rechte, den die DDR am 14. 1. 1974 ratifiziert hat und der am 23. 3. 1976 in Kraft getreten ist, völkerrechtlich verpflichtet, ihren Bürgern die Auswanderung zu gewährleisten. Dieser Verpflichtung kommt die DDR nicht nach. Sie begründet diese Vertragsverletzung damit, daß die Auswanderung ein typisches Produkt der Krisenwirtschaft kapitalistischer Staaten sei und es in der DDR keine soziale Basis für ein Grundrecht auf Auswanderung gebe (Staatsrecht der DDR, Lehrbuch, Berlin [Ost] 1977, S. 207).

 

Die Entscheidung über Auswanderungsanträge liegt im freien Ermessen der Verwaltungsbehörden, die dabei „die Klassenauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus“ zu berücksichtigen haben; sie stellen in Rechnung, „daß die Auswanderung in einen imperialistischen Staat bedeutet, Menschen einem System auszuliefern, das sie ausbeutet und zwingt, einer aggressiven Politik zu dienen, die ihre Existenz gefährdet und sich gegen den Sozialismus richtet“ (ebda.).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 430


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.