DDR von A-Z, Band 1979

Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) (1979)

 

 

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Unter den Freundschaftsgesellschaften der DDR die bedeutendste und nach dem FDGB die zweitgrößte Massenorganisation (1978: 5,5 Mill. Mitglieder). Anknüpfend an die Traditionen der 1923 gegründeten „Gesellschaft der Freunde des neuen Rußland in Deutschland“ und des „Bundes der Freunde der Sowjetunion“ (1928) bildeten sich 1945 und 1946 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone Zirkel, die sich mit dem Studium der sowjetischen Kultur befaßten. Aus ihnen gingen Ortsgruppen hervor, die zum Zeitpunkt der Gründung der zentralen „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion“ (30. 6. 1947) 2.200 Mitglieder hatten. Die Losung des Gründungskongresses „Durch Studium zur Wahrheit - durch Wahrheit zur Freundschaft mit der Sowjetunion“ spiegelte das Anliegen der Organisation in ihrer Anfangsphase wider, nämlich die in weiten Teilen der Bevölkerung verwurzelten, vor allem aus der Zeit des Nationalsozialismus stammenden anti-sowjetischen bzw. anti-russischen Ressentiments zu überwinden. Der 2. Kongreß beschloß am 2. 7. 1949 die Umbenennung in „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ und leitete den Übergang von einer Studiengesellschaft zu einer politischen Massenorganisation ein, die sich verstärkt an breitere Kreise der Bevölkerung wenden sollte. Der 3. Kongreß (1951) stand unter der auch später von der DSF immer wieder propagierten Losung „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“. Auf ihm wurde festgestellt, daß der Prozeß der bewußtseinsmäßigen Umerziehung der Bevölkerung weitgehend erfolgreich abgeschlossen sei. Fortan erfolgte die ideologische Tätigkeit in 3 Hauptrichtungen: Nachweis des Aufstiegs der Sowjetunion zur führenden Weltmacht; Erläuterung der Bedeutung des engen Bündnisses zwischen der DDR und der UdSSR; Nutzbarmachung der Erfahrungen der Sowjetunion beim Aufbau des Sozialismus/Kommunismus.

 

Die seit dem VIII. Parteitag der SED (Juni 1971) weiter gewachsene enge Anlehnung der DDR an die Sowjetunion und die durch das Komplexprogramm (Juli 1971) forcierte Integration im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) haben der Arbeit der DSF neue Impulse verliehen. Bei der Lösung der mit der ökonomischen Integration verbundenen Aufgaben wird jenen Arbeitskollektiven eine wichtige Rolle zugewiesen, denen durch die Kreisvorstände und den Zentralvorstand der Gesellschaft der Ehrenname „Brigade ‚Deutsch-Sowjetische Freundschaft‘“ zuteil wurde. Sie sollen sich dadurch auszeichnen, daß ihre Mitglieder als Agitatoren der deutsch-sowjetischen Freundschaft auftreten, Initiatoren der Auswertung und Nutzung sowjetischer Erfahrungen, Vorbild im rationellen Einsatz sowjetischer Maschinen und Rohstoffe sowie in der Erfüllung der Planaufgaben, vor allem der Exportverpflichtungen gegenüber der Sowjetunion, sind. Inzwischen gibt es mehr als 89.900 derartige Arbeitskollektive mit rd. 1,8 Mill. Mitgliedern. Neben den Brigaden sind die „Zirkel zur Auswertung sowjetischer Erfahrungen“ und die „Zirkel zum Erlernen der russischen Sprache“ aktive Träger der DSF-Arbeit.

 

Der DSF gehört der Verlag „Kultur und Fortschritt“; sie gibt die Wochenillustrierte „Freie Welt“ und die Monatsschriften „Sowjetwissenschaft, Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge“ sowie „Kunst und Literatur“ heraus. Von besonderer Bedeutung für die propagandistische Arbeit ist die 14täglich erscheinende „Presse der Sowjetunion“, die vom Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates in Zusammenarbeit mit dem DSF-Zentralvorstand herausgegeben wird. 23 Häuser der deutsch-sowjetischen Freundschaft sind wichtige Zentren der politisch-ideologischen und kulturellen Arbeit. Hinzu kommen noch 1300 sog. Kabinette der Freundschaft in Betrieben und sonstigen Einrichtungen. An verdienstvolle Russischlehrer und Schüler mit ausgezeichneten Leistungen im Fach Russisch wird jährlich die Johann-Gottfried-Herder-Medaille verlie[S. 468]hen. In jedem Jahr organisiert die DSF sog. Freundschaftszüge und Studienreisen in die Sowjetunion.

 

Das vom 9. Kongreß (1970) beschlossene Statut bezeichnet die politisch-ideologische Tätigkeit als Hauptaufgabe der DSF. „Durch ihren Beitrag zur Vermittlung des Beispiels und der Erfahrungen des Sowjetvolkes ist die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft gemeinsam mit den anderen gesellschaftlichen Kräften unserer Republik vor allem bemüht, den Kampf der Werktätigen um wissenschaftlich-technische Pionier- und Spitzenleistungen zu fördern.“ Organisationsaufbau und Tätigkeit beruhen auf dem Demokratischen Zentralismus. Die DSF ist nach dem Territorial- und Produktionsprinzip aufgebaut und gliedert sich in Grundeinheiten, Kreis- und Bezirksorganisationen. Die Wahl des Zentralvorstandes, der Vorstände der Bezirks- und Kreisorganisationen sowie der Grundeinheiten erfolgt in offener Abstimmung en bloc. Das höchste Organ ist der in der Regel alle 4 Jahre zusammentretende Kongreß; zwischen den Kongressen ist es der in der Regel jährlich mindestens 2mal zusammen tretende Zentralvorstand. Dieser wählt zur Leitung der Gesellschaft zwischen seinen Tagungen das Präsidium und zur Leitung seiner laufenden Arbeit das Sekretariat des Zentralvorstandes. Das Fundament der Organisation bilden die Grundeinheiten (1978: 37.500), die überall dort eingerichtet werden, wo mindestens 10 Mitglieder vorhanden sind. Die Grundeinheiten wiederum gliedern sich in Zehnergruppen. Mitglied kann jeder Einwohner der DDR vom 14. Lebensjahr an werden; die Mitgliedschaft in der DSF gilt als Mindestnachweis „gesellschaftlicher Aktivität“. Präsident der DSF wurde auf dem 11. Kongreß (19./20. 5. 1978) das Mitglied des Politbüros der SED Erich Mückenberger, nachdem der ehemalige Außenminister der DDR, Dr. Lothar Bolz (NDPD), nicht mehr für dieses Amt kandidierte. Generalsekretär ist seit 1967 Kurt Thieme. Schwestergesellschaft in der UdSSR ist die am 7. 1. 1958 in Moskau gegründete „Gesellschaft für Sowjetisch-Deutsche Freundschaft und kulturelle Verbindungen“, die auf dem II. Unionskongreß (1965) in „Sowjetische Gesellschaft für Freundschaft mit der DDR“ umbenannt wurde. Ihr Vorsitzender ist S. G. Lapin, Vorsitzender des Staatlichen Komitees des Ministerrates der UdSSR für Fernsehen und Rundfunk.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 467–468


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.