
Grundeigentum (1979)
Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985
Grundstücke, die der Befriedigung der Wohn- und Erholungsbedürfnisse der Bürger und ihrer Familie dienen, können persönliches Eigentum sein. Auch über dieses Kriterium hinaus gibt es in der DDR noch verbreitet individuelles G., das rechtlich als Privateigentum eingestuft werden müßte, für das es in der DDR allerdings keine Rechtsgrundlage mehr gibt. Die Verfassung verbietet privates G. jedoch nicht ausdrücklich. In Art. 15 heißt es lediglich, daß „der Boden der DDR zu ihren kostbarsten Naturreichtümern gehört. Er muß geschützt und rationell genutzt werden. Land- und forstwirtschaftlich genutzter Boden darf nur mit Zustimmung der verantwortlichen staatlichen Organe seiner Zweckbestimmung entzogen werden.“ Nach § 3 EGZGB vom 19. 6. 1975 (GBl. I, S. 517) sind die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches auch auf andere Eigentumsformen anzuwenden, soweit dafür besondere Rechtsvorschriften nicht bestehen. Das private G. ist allerdings schon seit 1945 durch Enteignung stark dezimiert worden (Aufbaugesetz). Der staatlichen Kontrolle des privaten Grundstücksverkehrs und der Sozialisierung unerwünschten privaten G. dient die Grundstücksverkehrsordnung vom 15. 12. 1977 (GBl. I, 1978, S. 73). Nach § 2 ist jede Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder Gebäude oder dessen Belastung oder Übertragung dieser Belastung durch Rechtsgeschäft, aber auch der Verzicht auf das Eigentum genehmigungspflichtig. Dasselbe gilt für den Grunderwerb im Wege der Erbfolge, wenn eine juristische Person, also z. B. die Kirche, erben soll. Die Genehmigung erteilt der Rat des Kreises. Wenn „spekulative Gründe“ vorliegen oder wenn „durch den Erwerb eine Konzentration von Grundbesitz entsteht“ oder „in anderer Weise gesellschaftliche Interessen verletzt werden“, ist die Genehmigung zu versagen. Das geschieht vor allem dann, wenn der Erwerber im Westen lebt oder er selbst oder ein naher Angehöriger bereits Eigentümer eines Hausgrundstückes ist. „Um den Grundstücksverkehr entsprechend den Erfordernissen des sozialistischen Aufbaus zu lenken und die staatlichen Interessen durch den Erwerb von Grundstücken wahrzunehmen“, ist den Räten des Kreises durch die VO vom 15. 12. 1977 ein sogenanntes Vorerwerbsrecht eingeräumt, das allen sonstigen Verkaufsrechten vorgeht. Mit der Ausübung dieses Vorerwerbsrechts und der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch entsteht Volkseigentum oder sonstiges sozialistisches Eigentum. Alle auf dem Grundstück ruhenden Belastungen erlöschen. Für die Gläubiger, deren dingliche Rechte erloschen sind, tritt der Erlös an die Stelle des Grundstücks. Gegen Entscheidungen nach der Grundstücksverkehrsordnung ist das Rechtsmittel der Beschwerde beim entscheidenden Organ und, soweit der Beschwerde nicht stattgegeben wird, beim übergeordneten Organ eingeräumt. Das persönliche Eigentum an Grundstücken und Gebäuden sowie die zivilrechtlichen Modalitäten des Rechtsverkehrs mit Grundstücken regeln die §§ 295–311 ZGB. Auch hier wird nochmals bestimmt, daß die Eigentumsübertragung von Grundstücken und der Verzicht auf das Eigentum einer staatlichen Genehmigung bedürfen. Das [S. 494]G. von Flüchtlingen wird unter staatliche Treuhandverwaltung gestellt (Flüchtlingsvermögen). Die Behandlung sonstigen westlichen G. richtet sich danach, ob der Eigentümer in der Bundesrepublik Deutschland oder in Berlin (West) lebt. In der Bundesrepublik wohnende Eigentümer können für ihre Grundstücke einen Verwalter einsetzen. Nur wenn das nicht geschieht, wird das Grundstück in staatliche Treuhandverwaltung genommen (Treuhandvermögen). Demgegenüber werden Grundstücke, die West-Berlinern gehören, seit Errichtung der Mauer generell in staatliche Treuhandverwaltung genommen. Die Verwaltungsvollmachten der Grundstückseigentümer gelten als erloschen.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 493–494
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