
Kraftfahrzeugindustrie (1979)
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Entsprechend der Industriezweigsystematik der DDR der Industriezweig des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus. Kraftfahrzeuge sind nichtgleisgebundene maschinenbetriebene Landfahr[S. 610]zeuge, nicht jedoch Fahrräder mit Hilfsmotor und Mopeds. Zur K. zählen im einzelnen der Lkw-, der Pkw-, der Traktoren- und Anhängerbau. Ferner gehören zu dieser Wirtschaftsgruppe die Betriebe zum Bau von Krafträdern. Insgesamt sind in der K. etwa 95.000 Arbeiter und Angestellte tätig. Die Bruttoproduktion des Zweiges Kraftfahrzeug- und Traktorenbau hat sich im Zeitraum 1960–1976 um das 3,06fache und damit im Vergleich zur gesamten Industrie überdurchschnittlich erhöht (die industrielle Bruttoproduktion stieg im gleichen Zeitraum nur um das 2,62fache). Die jahresdurchschnittliche Steigerung der Produktion des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus betrug im Zeitraum 1960–1965 8,3 v. H., 1965–1970 8,1 v. H. und 1970–1975 5,5 v. H.
Die Bedeutung der K. der DDR im Verhältnis zum entsprechenden Sektor der Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Kriege u. a. durch Demontagen stark gesunken. Die Bevorzugung der Produktionsgütererzeugung verhinderte einen umfassenden Neuaufbau. Die Betriebe wurden und werden bis heute nur unzulänglich mit Investitionsmitteln ausgestattet. Allerdings ist die DDR in den letzten Jahren zunehmend am Ausbau der Automobilproduktion interessiert, um dem ständig steigenden Bedarf der Bevölkerung, der nur zum Teil gedeckt werden kann, zu entsprechen. Mehrjährige Wartezeiten beim Kauf von Pkw aus eigener Produktion sind aber immer noch die Regel. Auf den „Wartburg“, das beliebteste in der DDR produzierte Auto, muß man oft bis zu 10 Jahren warten; geringer sind die Wartezeiten bei ausländischen Modellen aus Osteuropa. Diese Pkw gelten allerdings als störanfälliger als die DDR-Erzeugnisse.
Zunehmend wird in der DDR wie in westlichen Ländern das Auto zum Statussymbol, obgleich die Anschaffungs- und Unterhaltskosten relativ hoch sind. Vergaserkraftstoffe für die in der DDR produzierten Pkw kosten pro Liter 1,54 Mark, der sog. Sonder-Kraftstoff (94 Oktan) 1,65 Mark.
Vor dem Kriege entfiel auf das Gebiet der heutigen DDR ein Anteil von ca. 25 v. H., 1975 nur noch von ca. 6 v. H. der deutschen K. Die SED-Führung erklärte die schwache Entwicklung der K. lange Zeit damit, daß der Motorisierungsgrad der Bevölkerung in einem „sozialistischen Land“ kein Indikator für ihren Lebensstandard sei. Überdies konnte die K. in der DDR auch deshalb nicht weiterentwickelt werden, weil ihre Haupthandelspartner in Osteuropa über nur wenig aufnahmefähige Märkte verfügen. Die bis heute möglichen kleinen Produktionsserien liegen weit unter der Rentabilitätsgrenze jeder K., so daß dieser Industriezweig hoch subventioniert werden muß. Ein Teil der Subventionen wird durch die privaten Käufer aufgebracht, die für Pkw im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland zwei- bis dreifach höhere Preise zahlen müssen.
Der aus der DDR-eigenen Produktion beliebteste Pkw wird im VEB Automobilwerk Eisenach (annähernd 9.000 Beschäftigte; Hauptproduktion: Personenkraftwagen Typ „Wartburg 353“, Drei-Zylinder-Zweitakt-Motor, 1000 ccm, 50 PS, Preis: etwa 18.000 Mark; Jahresproduktion 1977: ca. 60.000) hergestellt. 1979 sollen 10.000 „Wartburg“ mit einem Viertaktmotor ausgestattet werden.
Der seit 18 Jahren gebaute Kleinwagen „Trabant“ wird 4 im VEB Sachsenring Zwickau (ebenfalls ca. 9.000 Beschäftigte; Hauptproduktion: „Trabant“, Zwei-Zylinder-Zweitakt-Motor. 600 ccm, 26 PS, Preis: 8.000 Mark; Jahresproduktion 1977: ca. 110.000) hergestellt. Die DDR will in den nächsten Jahren einen Nachfolgetyp in Zusammenarbeit mit der ČSSR bauen.
Motorräder werden in verschiedenen Größen und Ausführungen von den beiden Werken VEB Motorradwerk Zschopau in Zschopau/Sachsen („MZ“) und VEB Fahrzeug- und Gerätewerk Simson in Suhl/Thüringen („Simson“) produziert.
Bei Personenkraftwagen werden also nur 2 Typen hergestellt, der Mittelklassewagen „Wartburg“ und der Kleinwagen „Trabant“. Die Aufgabe der eigenständigen Pkw-Produktion, von der Anfang der 70er Jahre in der DDR inoffiziell die Rede war, ist jedoch gegenwärtig nicht mehr beabsichtigt.
Eine geplante Kooperation zwischen den Skoda-Werken in der ČSSR und dem VEB Automobilwerk Eisenach ist bisher nicht zustande gekommen. Beabsichtigt war, auf der Grundlage des Skoda-Motors und eines DDR-Getriebes ein Gemeinschaftsprodukt zu entwickeln und zu bauen, das nur noch in der Gestaltung der Karosserie nationale Eigenheiten bewahren sollte. 1975 ist dieser Plan aber aufgegeben worden, weil die DDR erklärte, bis 1980 seien ihre Investitionsmittel durch Großprojekte derart in Anspruch genommen, daß an Modernisierung und Ausbau der Automobilfertigung nicht zu denken sei. Die Spezialisierung und Produktionsaufteilung, die im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bei vielen Produktgruppen geplant oder schon verwirklicht ist, hat die Pkw-Produktion bisher kaum berührt. Nahezu jeder RGW-Staat stellt eigene Pkw her. Lange Zeit hat die DDR weniger Pkw ein- als ausgeführt. Im Fünfjahrplan-Zeitraum 1966–1970 betrug der Exportüberschuß rund 43.000 Stück. Im Fünfjahrplan-Zeitraum 1971–1975 waren es noch 15.000, doch 1976, im ersten Jahr des gegenwärtigen Fünfjahrplans, ergab sich ein Importüberschuß von knapp 14.000 Pkw. Im Jahr 1977 wurden 81.747 Pkw aus 8 Ländern importiert, u. a. 300 VW-Golf aus der Bundesrepublik Deutschland. Für 1978 hatten die Außenhandelsorgane der DDR Importe von 94.050 Pkw vereinbart, darunter 9.700 Pkw vom Typ VW-Golf. Dennoch liefert die DDR weiterhin einen großen Teil ihrer Eigenproduktion in das Ausland. Die Exportquote betrug in den 5 Jahren 1966–1970 fast 40 v. H. der Produktion (gemessen an der Stückzahl), im folgenden Jahrfünft gut 50 v. H. und 1976 noch fast 50 v. H.
1977 waren in der DDR 2,236 Mill. Pkw zugelassen d. h. auf 7,5 Einwohner ein Fahrzeug. Gegenüber 1970 beträgt die Zunahme 92 v. H. Auf 100 Haushalte kamen 1977 31 Autos, 1976 waren es 29. Beträchtliche Nachteile bestehen nach wie vor in der Sortiments- und termingerechten Bereitstellung von Kraftfahrzeug-Ersatzteilen, wenn auch in den letzten Jahren die Produk[S. 611]tion von Ersatzteilen — allerdings zum Teil zu Lasten der Finalproduktion — stark erhöht werden konnte.
Aufgrund einer Absprache mit den übrigen Ländern des RGW werden in der DDR im Lastkraftwagenbau nur Wagen mit einer Nutzlast von maximal 5 t hergestellt. Die Lastwagenfertigung beginnt mit dem 1-Tonner Frontlenker B-1000 (Zweitaktmotor, 42 PS) des VEB Barkas-Werke in Karl-Marx-Stadt. Den nächstgrößeren Lkw stellt der VEB Robur-Werke in Zittau/Sachsen her. Seit Anfang 1960 wird dieser 2,5-Tonner ebenfalls als Frontlenker gebaut. Im VEB Kraftfahrzeugwerk Ernst Grube in Werdau/Sachsen wird ein größerer 4-Tonner gebaut. Im Juli 1965 wurde im VEB IFA-Automobilwerk Ludwigsfelde in Ludwigsfelde (Kreis Zossen) mit der Produktion des 5-Tonners W 50 L begonnen (Frontlenker, Vier-Zylinder-Diesel-Motor, 125 PS). Der W 50 wird in 40 Varianten gebaut. Daneben ist noch ein Sonderfahrzeug aus dem VEB Fahrzeugwerk Waltershausen in Waltershausen/Thüringen zu erwähnen. Der Kleintransporter „Multicar 24“ ist mit einem wassergekühlten 45-PS-Dieselmotor (Höchstgeschwindigkeit 45 km/h) ausgestattet, wird in 11 Varianten gebaut und kann z. B. als Leiterfahrzeug, Muldenkipper und zur Straßenreinigung eingesetzt werden. Dieser Kleintransporter wurde 1974 neu entwickelt und löste den Transporter der Typenreihe „Multicar 22“ ab. Ein anderer Kleintransporter ist der „Mokick SSO“.
In der DDR gibt es zwar nur wenige Lkw-Haupttypen, von denen jedoch zahlreiche Nebentypen (Fahrzeuge für die verschiedenen Verwendungszwecke mit unterschiedlichen Motoren, Radständen und Aufbauten) geliefert werden können. Schwere Zugmaschinen, Kipper und Lkw müssen importiert werden.
Der Omnibusbau konzentriert sich unter Verwendung von Bauteilen der Lkw-Typen auf kleine Modelle (Robur-Omnibusse). Schwere Omnibusse werden nach einer Absprache der Länder des RGW in der DDR nicht entwickelt und auch nicht gefertigt. Zur Zeit beläuft sich die Zahl der eingesetzten Ikarus-Busse (Ungarn) auf ca. 17.000.
Der Traktorenbau ist ebenfalls schwach entwickelt. Bis September 1967 wurden nur Radschlepper mit etwa 20 PS gefertigt, die zum größten Teil exportiert wurden, da sie für die Großflächenbearbeitung in der DDR nicht geeignet waren. Seitdem werden auch Radtraktoren des Typs ZT 300 (90 PS) hergestellt.
Seit dem 1. 1. 1978 wurden in der DDR 4 neue Kombinate für die Produktion von Kraftfahrzeugen eingerichtet, die dem Bereich der Industrieverwaltung Fahrzeug- und Automobilbau (IFA) zugeordnet sind.
- Das IFA-Kombinat Personenkraftwagen, dem 13 Industriebetriebe angehören, darunter der VEB Automobilwerke Eisenach und der VEB Sachsenring, die Automobilwerke Zwickau, der VEB WTZ-Automobilbau (WTZ = Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit) und 10 Handelsbetriebe. Dem Kombinat gehören annähernd 50.000 Beschäftigte an.
- Das IFA-Kombinat Nutzkraftwagen mit den Herstellerbetrieben Ludwigsfelde, Robur in Zittau, VEB Fahrzeugwerk Waltershausen und weiteren 14 Motoren-, Fahrzeugzubehör- und Handelsbetrieben.
- Das IFA-Kombinat Spezialbauten und Anhänger mit dem Stammbetrieb VEB Kraftfahrzeugwerk „Ernst Gruber“, Werdau, und 9 weiteren Werken.
- Das IFA-Kombinat für Zweiradfahrzeuge mit dem Stammbetrieb VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk „Ernst Thälmann“, Suhl, und dem VEB Motorradwerk Zschopau, dem VEB Mifa-Werk Sangerhausen und VEB Blechformwerke Erzgebirge.
Die 4 neuen Kombinate sind dem Ministerium für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau direkt unterstellt. Mit der Neugründung der Kombinate wurden aufgelöst: die VVB Automobilbau, die Hauptdirektion IFA-Vertrieb und das Kombinat VEB Barkas-Werke. Die bisherigen Betriebsteile des VEB IFA-Karosserie Dresden in Halle. Aschersleben, Meerane und Erfurt wurden selbständige Betriebe. Der VEB Dieselmotorenwerk Schönebeck wurde in den VEB Kombinat Forst- und Landmaschinen Neustadt/Saale eingegliedert.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 609–611
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