DDR von A-Z, Band 1979

Kredit (1979)

 

 

Siehe auch:


 

Grundsätzlich wird auch im sozialistischen Wirtschaftssystem die befristete und in der Regel mit dem Zins verbundene Überlassung von Kaufkraft als K. bezeichnet. Allerdings tritt er legal nur in Form des Bank-K. auf und erfüllt auf der Grundlage der materiellen Planung ― wie auch die übrigen Instrumente des Finanzsystems ― subsidiäre Funktionen der Verteilung und Umverteilung von Geldmitteln. Stimulierung von ökonomischen Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekte und Kontrolle des Ablaufs der Wirtschaftsprozesse. „Aktive K.-Politik“ und die auf dem IX. Parteitag der SED (1976) hervorgehobene wachsende Rolle der Geld- und K.-Politik sind somit keine Alternative, sondern integrale Bestandteile der staatlichen Wirtschaftslenkung und zielen auf eine Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Effizienz ab. Im Mittelpunkt der K.-Planung steht die von der Staatsbank erarbeitete und vom Ministerrat zu bestätigende Bilanz des K.-Systems. Sie erfaßt neben den K.-Quellen die Bestände, Veränderungen und Struktur der K. nach folgenden Hauptpositionen:

  1. K. an die Wirtschaft zur Investitions- und Umlaufmittelfinanzierung;[S. 614]
  2. K. an das Wohnungswesen und den Bau staatlicher Einrichtungen;
  3. K. an die Bevölkerung;
  4. K. für Auslandsbeziehungen, z. B. Investitionsbeteiligungen und zur Finanzierung von Exportgeschäften der Außenhandelsbetriebe (in Mark);
  5. Refinanzierungskredite der Staatsbank (GBl., SDr., Nr. 775 a, S. 66, 225).

 

Für die K.-Gewährung der Institute des Bankwesens an die Wirtschaft gelten im einzelnen die K.-VO sozialistischer Betriebe vom 22. 12. 1971 (GBl. II. 1972. S. 41), die Kreditanordnung Landwirtschaft vom 15. 2. 1977 sowie zwei Verordnungen vom 15. 12. 1970 für Betriebe mit staatlicher Beteiligung (GBl. II. S. 699) und die Produktionsgenossenschaften des Handwerks sowie der Fischwirtschaft (GBl. II., S. 715). Auf der Grundlage von K.-Plänen werden den Betrieben folgende K.-Arten ausgereicht:

 

1. Investitions-K. im Rahmen der Investitionspläne (Titellisten) mit einer Laufzeit von in der Regel bis zu 5 Jahren;

 

2. Umlaufmittel-K. auf der Grundlage des Umlaufmittelplans;

 

3. Zusatz-K. zur Vorfinanzierung bzw. für zusätzliche, im volkswirtschaftlichen Interesse liegende Projekte und zur Überbrückung zeitweiliger Liquiditätsschwierigkeiten ;

 

4. Devisen-K. auf der Grundlage der Valutapläne zur Bezahlung planmäßiger Importe.

 

Die Einzelheiten regeln K.-Verträge zwischen den Betrieben und den zuständigen Geschäftsbanken, die Zweck, Höhe und Termine der Inanspruchnahme, Laufzeit. Tilgungsfristen. Folgen bei Vertragsverletzungen sowie den Zinssatz enthalten müssen. Letzterer kann als Grundzinssatz von 5 v. H. oder aber, zur Stimulierung ökonomischer Verhaltensweisen, in differenzierter Höhe durch Zu- oder Abschläge als Vorzugszinssatz (1,8 v. H.), Zinssatz für außerplanmäßige K. (8 v. H.) oder Sanktionszinssatz (10 v. H.) bei Verstößen gegen Bestimmungen des K.-Vertrages festgelegt sein. Die besondere Rolle der Banken wird nicht nur in der von der gewählten Finanzierungsform unabhängigen Finanzkontrolle sichtbar. Darüber hinaus steht ihnen das Recht zu. Betriebe für bedingt kreditwürdig oder kreditunwürdig zu erklären und somit die Einleitung eines Stabilisierungsverfahrens zu beantragen.

 

Von besonderem Interesse ist die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des K. Insgesamt beläuft sich der K.-Anteil an der Umlaufmittelfinanzierung auf über 50 v. H., während er bei den Investitionen niedriger liegt und in der Industrie über ein Drittel sowie in der Landwirtschaft etwa ein Viertel der Gesamtaufwendungen erreicht.

 

Von der Bevölkerung können unter bestimmten Voraussetzungen folgende wohnungs-, Verbrauchs- und bevölkerungspolitisch motivierte K.-Arten in Anspruch genommen werden:

 

1. K. zur Finanzierung von Modernisierungs-, Um- und Ausbaumaßnahmen sowie Baureparaturen an privaten Wohngebäuden, die im Prinzip mit 4,5 v. H. zu verzinsen und mit mindestens 1,5 v. H. zu tilgen sind. Sonderregelungen gelten für förderungswürdige Bauten und Maßnahmen von Arbeiter- oder kinderreichen Familien, bei denen der K. zu jeweils 1 v. H. Zins und Tilgung ausgereicht wird (GBl. I, 1960, S. 351).

 

2. K. zum Bau von Eigenheimen für Bürger, die eine staatliche Genehmigung erhalten haben. Sofern sie mindestens 25 v. H. der Baukosten aus eigenen Mitteln decken, ist der K. in gleichbleibender Zahlungsleistung für Zinsen (4 v. H.) und Tilgung (1. v. H.) zurückzuzahlen (GBl. II, 1970. S. 722). Auch bei dieser K.-Art werden Arbeiter- und kinderreiche Familien bevorzugt: Sie erhalten zur Finanzierung des Baumaterials einen unverzinslichen K. (Tilgung: 1 v. H. jährlich) sowie einen Bauleistungs-K., der zur Stimulierung eines möglichst hohen Eigenanteils mit 4 v. H. zu verzinsen und mit 1 v. H. jährlich zu tilgen ist (GBl. II, 1971, S. 709). Seit dem 24. 11. 1971 bis Ende März 1978 wurden 3,5 Mrd. Mark ― darunter 2,1 Mrd. Mark zinsfrei ― zum Bau von 48.000 Eigenheimen vergeben.

 

3. Teilzahlungskredite zum Kauf bestimmter Güter, die in einem vom Ministerium für Handel und Versorgung herausgegebenen Warenverzeichnis enthalten sind. Sie dienen vornehmlich zur Belebung der Nachfrage für Erzeugnisse, bei denen Marktsättigungstendenzen erkennbar sind (z. B. Fernsehgeräte). In der Regel sind K.-Laufzeit mit 2 Jahren, K.-Höhe mit 2.000 Mark und die K.-Zinsen mit 6 v. H. fixiert. Die Eigenmittelbeteiligung liegt differenziert nach Warenart und 9 K.-Nehmern (Erleichterungen für kinderreiche Familien. Rentner und Fürsorgeempfänger) zwischen 0 und 25 v. H. des Einzelhandelsverkaufspreises (GBl. II, 1964, S. 610).

 

Für Familien mit 4 und 5 Kindern ermäßigt sich der Zinssatz auf 3 v. H., Familien mit 6 und mehr Kindern erhalten zinslose Teilzahlungs-K., die für diese Personenkreise eine Laufzeit von bis zu 5 Jahren haben.

 

4. Zinsermäßigte Darlehen bis zu 4.000 Mark für in die DDR zuziehende Personen (GBl. II. 1966. S. 676)

 

5. K. an Arbeiter. Angestellte und Genossenschaftsmitglieder, die nicht älter als 26 Jahre sind, eine Erst-Ehe eingehen und deren gemeinsames Bruttoeinkommen 1.400 Mark monatlich nicht übersteigt. Die jungen Ehepaare erhalten einen zweckgebundenen und bis zur Höhe von 5.000 Mark zinslosen K. für den Erwerb von Anteilen der Wohnungsbaugenossenschaften oder den Kauf, Bau oder Umbau eines Eigenheims mit einer Laufzeit von 8 Jahren, wobei die Tilgung spätestens nach 3 Jahren einsetzt. Zur Beschaffung von Einrichtungsgegenständen auf der Grundlage einer Liste „kreditwürdiger“ Erzeugnisse kann ein gleich hoher K. aufgenommen werden, der innerhalb von 8 Jahren zurückzuzahlen ist. Während dieses Zeitraums werden bei der Geburt des 1. Kindes 1000 Mark, des 2. Kindes 1.500 Mark und des 3. Kindes weitere 2.500 Mark erlassen bzw. zurückerstattet. Diese Starthilfe zur Familiengründung nahmen, seit diese Möglichkeit besteht, nahezu alle jungen Ehepaare in Anspruch. Seit 1972 wurden für diesen Zweck eine halbe Mill. K. in Höhe von 2,5 Mrd. Mark ausgereicht und für über 343.000 Geburten K.-[S. 615]Erlasse mit einem Volumen von 387 Mill. Mark gewährt, d. h. vorrangig für Erstgeburten. Die Mittel dienen überwiegend der Wohnungsausstattung, während nur 11 v. H. zur Wohnraumbeschaffung verwendet wurden (Stand: 31. 3. 1978).

 

Im Rahmen der internationalen Finanzbeziehungen gewährt und empfängt die DDR K. Hervorgehoben seien die Waren-K. im Rahmen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) (Internationale Investitionsbank). Davon wurden als Investitionsbeteiligungen in den Jahren 1966–1977 über 7,8 Mrd. Mark bereitgestellt (vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1978, S. 79).

 

Im Rahmen des Außenhandels mit den westlichen Industrieländern tritt die DDR vor allem als K.-Schuldner auf. Außenwirtschaft und Außenhandel.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 613–615


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.