DDR von A-Z, Band 1979

Parteiwahlen der SED (1979)

 

 

Siehe auch:


 

Die P. in der SED erfolgen entsprechend dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus von unten nach oben. Zugleich ist durch Kaderpolitik und Nomenklatur gesichert, daß nur die von den jeweils übergeordneten Parteiorganen bestimmten Kandidaten gewählt werden. Die P. erfolgen geheim. [S. 793]„Gegenkandidaten“ (im Sinne westlicher Wahlsysteme) zu den aufgestellten und geprüften Kandidaten gibt es nicht. Verschiedene politische Plattformen sind innerhalb der Partei verboten (Verbot der Fraktionsbildung). Die Berichtswahlversammlungen und Delegiertenkonferenzen sind stets mit Rechenschaftsberichten der alten Leitungsorgane verbunden.

 

Formal höchstes Organ der Grundorganisation ist die Mitgliederversammlung, das der Parteiorganisationen der Großbetriebe und großen Verwaltungen (mit APO) sowie der Orte. Kreise, Städte und Bezirke ist die Delegiertenkonferenz und für die Gesamtpartei der Parteitag.

 

Die Partei-Mitgliederversammlungen und Delegiertenkonferenzen der Großbetriebe, Verwaltungen, Akademien, Hochschulen, Schulen usw. wählen ihre Leitungen alljährlich. Die Leitungen der Kreise, Städte und Bezirke werden im Turnus von zweieinhalb Jahren durch die Delegiertenkonferenzen gewählt. Die Delegierten- und Bezirksdelegiertenkonferenzen wählen die Delegierten des Parteitages.

 

Der Parteitag wählt das Zentralkomitee (ZK) für 5 Jahre. Als Mitglieder und Kandidaten des ZK können nur Parteimitglieder gewählt werden, die mindestens 6 Jahre Mitglied der Partei sind (Ausnahmen bedürfen der Bestätigung des Parteitages). Neben dem ZK wählt der Parteitag die Zentrale Revisionskommission (ZRK) entsprechend der von ihm festgelegten Zahl.

 

Das ZK wählt zur politischen Leitung das Politbüro und zur Durchführung der operativen Arbeit und zur Auswahl der Kaderpolitik das Sekretariat und bestätigt die Abteilungsleiter des Apparates des ZK. Die Mehrheit der hauptamtlichen Funktionäre wird nicht gewählt und erhält ihre Ämter allein durch eine Entscheidung der übergeordneten Leitungsfunktionäre. Das ZK wählt weiterhin die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK).

 

Die Bezirks-, Stadt- und Kreisleitungen wählen entsprechend den Instruktionen des ZK die Sekretäre und bilden Sekretariate. Sie bestätigen die Leitungen der Abteilungen der Parteiapparate und die Redakteure der örtlichen Parteipresse.

 

Sekretäre der Bezirksleitungen müssen mindestens 5 Jahre, Sekretäre der Kreisleitungen mindestens 3 Jahre Mitglied der Partei sein. Die Bestätigung der Sekretäre erfolgt entsprechend der Nomenklatur. Die Bezirks-, Stadt- und Kreisleitungen wählen die Parteikontrollkommissionen (PKK) und beschließen ihre Zusammensetzung. Der Vorsitzende der Bezirksparteikontrollkommission wird vom ZK, der der Stadt- bzw. der Kreiskontrollkommission von der Bezirksleitung bestätigt. Seit 1974 gehört er dem jeweiligen Sekretariat an. Der Parteitag findet alle 5 Jahre statt. Das Plenum des ZK tagt mindestens einmal in 6 Monaten, das der Bezirks-, Stadt- und Kreisleitungen ist vom jeweiligen Sekretariat einmal in 3 Monaten einzuberufen.

 

P. finden auf der Grundlage des Statuts, der Wahlordnung des ZK und jeweils neuerlassener Direktiven des ZK statt.

 

Die P. auf allen Ebenen werden durch Interviews, Reden von Politbüromitgliedern, Artikeln des Leiters der Abteilung Parteiorgane beim ZK und anderer hoher Funktionäre, durch Konferenzen mit dem Sekretariat des ZK usw. vorbereitet. Sie sollen stets Höhepunkte im Leben der gesamten Partei sowie der ganzen Bevölkerung sein.

 

Sie sollen der Stärkung der „Kampfkraft der Partei“, der Erläuterung der Grundprobleme der Strategie und Taktik und der schnellen Erfüllung bestimmter Aufgaben (Produktionswettbewerbe) dienen.

 

Durch eine Direktive des ZK wird die Durchführung der jeweiligen P. für alle Mitglieder und Kollektive der Partei mit einer solchen Aufgabenstellung verbunden. So sollten die Parteiwahlen 1975/76 gemäß der Direktive des ZK grundsätzlich im Zeichen der Vorbereitung des IX. Parteitags der SED (Mai 1976) stehen und im einzelnen eine Bilanz der Verwirklichung der Beschlüsse des VIII. Parteitags ziehen, auf die Erhöhung der Qualität der politischen Führungstätigkeit der Partei zielen, zur Steigerung der Initiativen im ökonomischen Wettbewerb zur Vorbereitung des IX. Parteitags beitragen sowie der Erhöhung der führenden Rolle und der Stärkung der Kampfkraft der SED dienen.

 

Für die letzten P. (November 1978 bis Februar 1979) sieht die Direktive vor, daß sie ihr besonderes Gepräge durch die Vorbereitung des 30. Jahrestages der Gründung der DDR (Oktober 1979) erhalten.

 

Im einzelnen sind damit folgende Aufgaben verbunden:

 

1. Eine Bilanz der bisher verwirklichten Beschlüsse des IX. Parteitages zu ziehen und weitere Aufgaben zu beschließen;

 

2. die Wirksamkeit der politisch-ideologischen Arbeit zu verbessern;

 

3. hohe Ergebnisse im sozialistischen Wettbewerb „durch neue große Arbeitstaten“ zu erzielen;

 

4. die sozialistische Staatsmacht zu stärken;

 

5. das Niveau der Parteiarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Kultur zu erhöhen und

 

6. die Führungsrolle und Kampfkraft der SED zu stärken.

 

Bei der Vorbereitung der P. werden auf allen Ebenen die bestehenden Probleme sowie die erreichten Leistungen und Erfolge eingeschätzt und die zur Wahl stehenden Kader überprüft. In den Berichtswahlversammlungen werden von den bisher amtierenden Gremien Rechenschaftsberichte gegeben. Es finden Diskussionen, die Kandidatenernennung und -befragung sowie die geheime Wahl statt. In den Rechenschaftsberichten wird in der Regel der Stand der Durchführung der Parteibeschlüsse dargelegt und die weitere Entwicklung behandelt.

 

Zugleich wird beraten, wie die Arbeit in den Massenorganisationen aktiviert werden kann. Neben dem Rechenschaftsbericht wird kein gesonderter schriftlicher Bericht mehr vorgelegt. Den Teilnehmern der Berichtswahlversammlung und Delegiertenkonferenz wird eine relativ kurze Entschließung zur Diskussion und Beschlußfassung vorgetragen.

 

Die übergeordneten Parteiorgane organisieren verantwortlich die im Sinne der Parteiführung erfolgreiche po[S. 794]litisch-ideologische und personalpolitische Abwicklung der P. Die zentrale Verantwortung liegt bei der Abteilung Parteiorgane in Verbindung mit der Kaderkommission des ZK.

 

Alle Mitglieder des ZK-Sekretariats, des Politbüros, der Bezirks- und Kreisleitungen müssen persönlichen Einfluß auf die Wahlen der nachgeordneten Ebene nehmen. Über den Verlauf der Rechenschaftslegungen und der Neuwahlen ist eine einheitliche und straffe Parteiinformation zu gewährleisten. Berichte über Ergebnisse und Probleme der P. sowie die Zusammensetzung der neuen Leitungen sind stets nach einem festgelegten Terminplan den vorgesetzten Parteiorganen zu melden.

 

Bei den P. 1975/76 fanden in 84.191 Parteigruppen, 20.093 Abteilungsparteiorganisationen sowie 51.246 Grundorganisationen der SED Neuwahlen statt. Hierbei wurden 417.781 Mitglieder in die Leitungen der Partei gewählt, so daß etwa jedes fünfte Mitglied der SED zugleich Parteifunktionär ist. 51 v. H. aller Funktionäre sind Arbeiter. Wie schon die vorangegangenen P. zeichneten sich auch die Neuwahlen 1975/76 zu den Kreis- und Bezirksleitungen der SED durch hohe Kontinuität aus. Nur in der Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt wurde mit der Wahl des ehemaligen leitenden FDJ-Funktionärs Siegfried Lorenz, bisher Leiter der Abteilung Jugend im ZK der SED, zum 1. Sekretär der Bezirksleitung ein Wechsel vorgenommen; von insgesamt 95 Sekretären der SED-Bezirksleitungen wurden 92 im Amt bestätigt. Die 1. Sekretäre der 269 Kreisparteileitungen wurden bis auf 33 alle wiedergewählt. Kaderpolitisch bemerkenswert ist, daß auch auf der Kreisebene zwei ehemalige leitende FDJ-Funktionäre aufgestiegen sind; 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Torgau wurde der ehemalige 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Halle, Dieter Itzerott, und 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Döbeln wurde der bisherige 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Leipzig, Joachim Prag.

 

P. sollen einerseits ein Bild der Geschlossenheit der SED bieten, in ihrem Verlauf wird daher besonders auf die Kontinuität der Politik der Parteiführung verwiesen. Andererseits bieten sie aber auch Gelegenheit, durch personelle Veränderungen die notwendige Anpassung an erfolgten gesellschaftlichen Wandel vorzunehmen bzw. durch Auswechselung von Leitungspersonal diesen Wandel selbst in Gang zu setzen.

 

Kampfabstimmungen bei P. in der SED sind bisher nicht bekanntgeworden. Obwohl die P. in der SED formal von unten nach oben stattfinden, kann bisher durch derartige personelle Veränderungen von der Basis aus ein Einfluß auf die Parteilinie nicht festgestellt werden.

 

Die Regelung der Nachfolge an der Parteispitze, vor allem die Berufung des Generalsekretärs des ZK der SED, erfolgt formal durch die Wahl des ZK durch den Parteitag. Jedoch ist anzunehmen, daß vorher eine diese Wahlentscheidung faktisch vorwegnehmende personelle Festlegung im Politbüro getroffen wird. Kreisparteiorganisationen der SED; Bezirksparteiorganisationen der SED.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 792–794


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.