DDR von A-Z, Band 1979

Preissystem und Preispolitik (1979)

 

 

Siehe auch:

 

I. Grundsätze des Preissystems

 

 

Die Preisbildung folgt in der DDR anderen Prinzipien als in marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen. In diesen führt prinzipiell der Preismechanismus unter der Voraussetzung, daß wirksamer Wettbewerb vorliegt, eine Angleichung der Angebots- und Nachfragebeziehungen herbei und signalisiert den weitgehend autonomen Marktparteien (Wirtschaftseinheiten); was zu produzieren ertragreich ist bzw. welche Güter von Nutzen sind. Das bedeutet, die Koordination der Entscheidungen der Wirtschaftseinheiten erfolgt weitgehend über die Preise auf den Märkten.

 

Im Gegensatz dazu ist das Ps. in der DDR — genauso wie in anderen Wirtschaftssystemen des Ostblocks — Instrument der zentralen staatlichen Wirtschaftsführung und dient der Durchsetzung zentraler Ziele. Es ist Bestandteil des Gesamtsystems „ökonomischer Hebel“, zu dem u. a. die Steuern, Kredite, Zinsen, Fonds und Prämien (Jahresendprämie) gehören. Die Preise sind sowohl Gegenstand der Planung — deshalb erfolgt ihre Festsetzung generell auch durch staatliche Instanzen — als auch Instrumente zur Durchsetzung der Planziele. Die Wirksamkeit des Ps. zur Unterstützung der Planerfüllung hängt von seiner Übereinstimmung mit den jeweiligen Planzielen und den angewendeten Methoden des Planungssystems ab (Planung).

 

Unter den Bedingungen einer Zentralplanwirtschaft würden dann ökonomisch optimale Planpreise innerhalb einer Planperiode vorliegen, wenn diese in Abhängigkeit von den für diese Periode aufgestellten Planzielen die relative Knappheit der betreffenden Güter zum Ausdruck brächten. Hier knüpft das von Novožilov und Kantorovič entwickelte „Modell der optimalen Planung“ mit den daraus abgeleiteten „Schattenpreisen“ an. Es versucht, auf der Grundlage staatlich festgesetzter Zielfunktionen einerseits sowie der gegebenen Ressourcen (Arbeitskräfte, Kapazitäten, Rohstoffe, Importmöglichkeiten) andererseits einen optimalen Plan auszuarbeiten und aus diesem dann durch entsprechende Matrixoperationen Preise zu ermitteln, die das Angebot an die vorgegebene Nachfrage angleichen. Auch unter Zuhilfenahme bestimmter mathematisch-statistischer Verfahren (z. B. Input-Output-Analyse und lineare Programmierung) ist es jedoch bisher weder in der DDR noch in anderen sozialistischen Staaten in Osteuropa gelungen, auch nur annähernd derartig optimale Preise zu bestimmen. Erschwerend kommt hinzu, daß sich die staatlich gesetzten Einzelziele im Zeitverlauf ständig ändern, so daß die Modelle laufend korrigiert werden müßten.

 

Da die Bildung solcher „Optimalpreise“ bisher noch weitgehend unmöglich erscheint, bleibt als praktikable Lösung lediglich die Schaffung von Preisen auf der Basis des volkswirtschaftlich erforderlichen Aufwands. Unabhängig davon, wie man dabei wesentliche Probleme löst, z. B. die Bestimmung des notwendigen Aufwands, die Bewertung der Knappheit der Produktionsfaktoren, die Gewinnzurechnung als Entgelt für die Leistung des Betriebes, die Reduzierung der betriebsindividuellen auf die als „gesellschaftlich notwendig“ von den zentralen Organen anerkannten Selbstkosten, der Vorzug des Preises als Meßfunktion bleibt erhalten: Der gesamtwirtschaftlich erforderliche Aufwand wird zum Orientierungsmaßstab für Leistungen und für Zielentscheidungen. Da der sozialistische Staat jedoch seine z. T. politisch bestimmten Wirtschaftsziele nicht ausschließlich am notwendigen Aufwand messen will, läßt er nicht in jedem Falle die Berechnung aufwandsgleicher Preise zu, strebt sie aber grundsätzlich an. Damit erweist sich als zentrales — im Grunde unlösbares — Problem die Bestimmung von Wertkategorien, die sowohl aufwandsgleich sind als auch den staatlichen Zielvorstellungen entsprechen. Für die tatsächliche Preisfestsetzung bedeutet dies, daß sich Grundsätze der Preisbildung widersprechen können. Zudem können die Preise, die zwangsläufig bei zentraler Preisfestsetzung für längere Zeit terminiert sind, durch Änderungen der Planziele laufend in Gegensatz zu ihrer Funktion als Instrument der Plandurchsetzung gelangen. So hatte man nach dem Krieg die Preise wichtiger Grundstoffe mit Hilfe von Subventionen weit unter den Selbstkosten festgelegt, um den Investitionsgüterbereich durch Unterbewertung der Vorprodukte zu begünstigen. Für Konsumgüter galten hingegen meist überhöhte Prei[S. 851]se, um dadurch die Entwicklung des Konsums zugunsten der Investitionen zu hemmen. Damit standen die Preise jedoch bis zum Beginn der Industriepreisreform bewußt im Gegensatz zu dem auch in östlichen Wirtschaftssystemen — wie bereits dargestellt — grundsätzlich angestrebten Prinzip der Kostendeckung, das wiederum für Wahlentscheidungen im Rahmen des Planungsprozesses, insbesondere für die Messung der Wirtschaftlichkeit alternativer Produktionen von entscheidender Bedeutung ist.

 

Bei Konsumgütern ist ferner von Bedeutung, daß Preisdifferenzierungen aus sozialpolitischen Gründen durchgeführt werden mußten: So werden seit Jahren die Preise einer Reihe von Grundnahrungsmitteln (z. B. Brot, Kartoffeln, Fisch, Fleisch, Backwaren), aber auch von Kinderbekleidung und Dienstleistungen (z. B. Mieten, Verkehrstarife, Leistungen der Friseure und Wäschereien) durch staatliche Subventionen niedrig gehalten. Demgegenüber werden Erzeugnisse des gehobenen Bedarfs (z. B. Fernsehgeräte, Autos, Waschmaschinen, Kühlschränke) mit hohen Produktionsabgaben belastet. Den Preisen kommt in diesem Fall eine gewisse Verteilungsfunktion zu.

 

Als besondere Schwierigkeit erweist sich, daß bei unterbewerteten Produkten im Zeitverlauf die erforderlichen Preissubventionen in der Regel zunehmen. Ihr Abbau in besonders krassen Fällen würde aber wiederum kurzfristige Substitutionsprozesse auslösen, denen die dann bevorzugten Erzeugnisgruppen mangels zureichender Kapazitäten möglicherweise nicht gewachsen wären. Um solche Störungen sowie generell aus Preisänderungen resultierende Einflüsse zu vermeiden, tendieren Zentralplanwirtschaften zu einer Preisstarrheit, die über einen längeren Zeitraum hinweg wiederum nicht einmal die Übereinstimmung einiger wichtiger Preise mit bestimmten zentralen Zielvorstellungen gewährleisten kann. Solange aber die Preise der einzelnen Güter weder als Maßstab des erforderlichen volkswirtschaftlichen Aufwands noch der Dringlichkeit des im Plan festgelegten Bedarfs angesehen werden können, ist eine auf annähernd optimale Leistungsfähigkeit ausgerichtete Planung unmöglich, weil ihr der Orientierungsmaßstab für den Grad der ökonomischen Effizienz der verschiedenartigen Leistungen fehlt. Deshalb versuchte man auch im Rahmen des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) und des Ökonomischen Systems des Sozialismus (ÖSS) mit einer Reihe von aufeinanderfolgenden Schritten Verbesserungen des damaligen, recht widersprüchlichen Ps. durchzusetzen.

 

II. Die Industriepreisreform

 

 

In mehreren Stufen wurden in den Jahren 1964 bis 1967 in der DDR sämtliche Industriepreise auf der Basis der vorausgeschätzten Selbstkosten des Jahres 1967 neu festgelegt. Das Ziel dieser umfangreichen Preisreform war es, einen bedeutenden Teil der vor dem erheblichen Preisverzerrungen zu beseitigen. Da das bis 1964 geltende Ps. — besonders für Vorleistungen und Materialien — zum großen Teil auf Preisen des Jahres 1944 basierte, spiegelte es die in der DDR bestehenden volkswirtschaftlichen Kosten- [S. 852]und Knappheitsverhältnisse nur ungenau und erheblich verzerrt wider. Vor 1964 lagen die Preise wichtiger Grundstoffe beträchtlich unter den Herstellungskosten. Dies erforderte umfangreiche staatliche Subventionen. So wiesen beispielsweise die Preise für Rohstoffe wie Kohle, Gas, Elektroenergie, Holz, Eisen, Mauersteine und Dachziegel ein Niveau von nur 45–60 v. H. der effektiven Erzeugungskosten auf. Demgegenüber galten für Konsumgüter z. T. überhöhte Preise, weil die konsumnahen Bereiche hohe Steuern in Form der Produktionsabgaben zu tragen hatten.

 

 

Diese Preisverzerrungen bewirkten volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen: Es traten Rohstoffverschwendungen auf - sowohl als Folge zu niedrig bewerteter Rohstoffe als auch wegen zu seltener Nutzung technisch günstigerer, aber häufig überbewerteter substitutiver Einsatzgüter. Die Sortimentsstruktur der von den Betrieben erzeugten Fertigprodukte konzentrierte sich bei der vom Mengendenken beherrschten Planung z. T. auf Güter, deren volkswirtschaftlicher Aufwand die betrieblichen Kosten weit überstieg, weil der je Produkt ausgewiesene Gewinn kein echter Maßstab der betrieblichen Leistung sein konnte. Schließlich wurde der technische Fortschritt behindert, weil infolge der verzerrten Preise bei neuen Produktionsverfahren und Investitionsprojekten nicht die tatsächlich zu erwartende Wirtschaftlichkeit bestimmbar war; realisiert wurden daher z. T. Projekte mit vermeintlich hohem Nutzen, der sich bei kostengerechten Preisen als nur gering erwiesen hätte.

 

Der Industriepreisreform war eine Neuberechnung der viel zu niedrigen Abschreibungen vorausgegangen; sie entsprachen infolge einer uneinheitlichen Unterbewertung der Anlagegüter nicht dem Wert des tatsächlichen Verschleißes. Zu ihrer Neufestsetzung war deshalb eine Neubewertung des Brutto-Anlagevermögens (Grundmittelumbewertung) notwendig, die 1963 nach umfangreichen Vorarbeiten durchgeführt worden ist.

 

Die Industriepreisreform wurde in den folgenden — in der Tabelle dargestellten — 3 Etappen durchgeführt.

 

Da ein wichtiges Merkmal der Industriepreisreform darin bestand, die Konsumgüterpreise unverändert zu lassen, mußten die Betriebe der verbrauchsnahen Branchen Kostensteigerungen ihrer Vorprodukte durch vermehrte Rationalisierungen bzw. Gewinneinbußen ausgleichen. Allerdings wurden vereinzelt auch Minderungen der Produktionsabgaben vorgenommen bzw. Subventionen eingeführt, wenn die eingetretenen Kostenerhöhungen die Betriebe zu stark belastet hätten. Somit wirkte sich die letzte Etappe der Industriepreisreform vor allem auf die Preise der Investitionsgüter aus, die sich durchschnittlich um 16 v. H. erhöhten. Bei den Ausrüstungen stiegen die Preise im Durchschnitt um 8 v. H., bei den Bauinvestitionen um 33 v. H. Allgemein nahmen die Baupreise um 26 v. H. zu.

 

Als positives Ergebnis der Preisreform läßt sich vermerken, daß die staatlichen Preissubventionen in verschiedenen Bereichen von vorher etwa 13,5 Mrd. Mark auf 7,5 Mrd. Mark reduziert werden konnten. Damit wurden auch wesentliche Preisdisproportionen zwischen den Erzeugnissen verschiedener Wirtschaftszweige z. T. bereinigt.

 

III. Ungelöste Probleme der Preisreform

 

 

Obwohl die Industriepreisreform merklich bessere Preisverhältnisse geschaffen hatte, wiesen auch die neuen Preise Mängel auf. Sie entsprachen dem volkswirtschaftlich notwendigen Aufwand noch immer nicht und berücksichtigten die in der DDR gege[S. 853]benen Knappheitsverhältnisse nur unzureichend. Insbesondere zeigten sich folgende Mängel:

 

1. Der Preisreform hatte man die voraussichtlichen Kosten von 1967 zugrunde gelegt, die wiederum aufgrund vorausgeschätzter Durchschnittswerte für die Verarbeitungskosten sowie anhand globaler Umrechnungskoeffizienten für Rohstoffgruppen ermittelt worden waren. Dabei mußten zwangsläufig Schätzfehler auftreten.

 

2. In den Industriepreisen waren zwar die Abschreibungen, nicht jedoch der Kapitalzins für Eigen- und Fremdmittel enthalten, so daß die Erzeugnisse kapitalintensiver Zweige generell unterbewertet waren. Ursache der Vernachlässigung des Kapitalzinses war die vor den Reformen praktizierte kostenfreie Zuweisung von Staatshaushaltsmitteln für Investitionen.

 

3. Demgegenüber führte das Festhalten an den teilweise überhöhten Konsumgüterpreisen — trotz starker staatlicher Abschöpfungen — zu einer überhöhten Rentabilität entsprechender Konsumgüterproduktionen.

 

4. Da das Ps. grundsätzlich nur starre Preisrelationen kennt, erbrachten die im Zeitverlauf auftretenden Veränderungen der Kostenrelationen erneute Verzerrungen der Preisstruktur. So entsprachen beispielsweise die bei der Grundmittelumbewertung benutzten Wertmaßstäbe von 1962 schon 1968 — nach der Preisreform — nicht mehr den damaligen Wiederbeschaffungspreisen, so daß die Produktionsfondsabgabe auf eine nicht mehr einheitliche Bemessungsgrundlage bezogen und die Abschreibungen falsch ausgewiesen wurden.

 

5. Auch die neuen Preise stimulierten Neuentwicklungen nur unzureichend, da deren Produzenten nur den durchschnittlichen Kalkulationsgewinn erzielten, während sie bei älteren Erzeugnissen infolge von Kosteneinsparungen höhere Gewinne erreichen konnten.

 

6. Die mit der Industriepreisreform geschaffenen Preise berücksichtigten weder die in der DDR gege[S. 853]benen Knappheitsrelationen der Produktionsfaktoren noch die Dringlichkeit der Nachfrage.

 

IV. Preispolitik in den Jahren 1968--1970

 

 

In den letzten Jahren der NÖS-Periode wurde zur Beseitigung einiger der bereits erwähnten Preismängel eine Reihe von interessanten preispolitischen Maßnahmen realisiert:

 

a) Die Einführung des Fondsbezogenen Preises (GBl. II, 1968, S. 497): Mit diesem Preistyp sollte im Gegensatz zur bisherigen Preisbildung (sog. kostenbezogener Preistyp) auch der volkswirtschaftlich erforderliche Kapitalaufwand im Preis berücksichtigt werden, um damit die Zahlung der Produktionsfondsabgabe für kapitalintensive Betriebe zu ermöglichen. Bei diesem Preistyp wurde der Gewinnanteil ausschließlich als Prozentsatz (höchstens 18 v. H.) des notwendigen — und nicht des tatsächlichen — Kapitalaufwandes kalkuliert, der wiederum am Kapitaleinsatz der günstigsten Betriebe einer Erzeugnisgruppe bemessen war. Da der Preis somit nur den „optimalen“ Kapitaleinsatz sowie die „günstigste“ Höhe der Umlaufmittelbestände berücksichtigte, die Produktionsfondsabgabe aber auf den effektiven Kapitalaufwand bezogen war, konnte der Betrieb seinen Nettogewinn (Bruttogewinn minus Produktionsfondsabgabe) bei gegebenen Verarbeitungskosten nur durch Entscheidungen zur Verbesserung seiner Kapitalnutzung maximieren.

 

b) Die Schaffung von Preisdynamisierungsmaßnahmen (GBl. II, 1968, S. 497): Ausgelöst durch im Zeitverlauf auftretende Kostenminderungen sollte beim Industriepreisregelsystem eine Überschreitung der festgelegten Obergrenze des fondsbezogenen Gewinns automatisch Preissenkungen auslösen, bis die vorbestimmte Gewinnuntergrenze erreicht war. Den Generaldirektoren der VVB oblag die Feststellung, inwieweit sich die Rentabilität der jeweiligen Erzeugnisgruppe an den Höchstgewinn annäherte; bei Überschreiten desselben sollten sie Preisherabsetzungen für Einzelerzeugnisse bzw. Erzeugnisgruppen Vorschlägen oder selbst durchführen. Preissenkungen sollten jedoch ausgeschlossen sein, wenn die dann eintretenden Nachfrageerhöhungen bei bestehenden Kapazitäten nicht hätten befriedigt werden können oder wenn verfälschte Preisrelationen für Substitutionsgüter entstanden wären.

 

 

Um zu erreichen, daß die Betriebe auch tatsächlich an Kosten- und Preisminderungen interessiert waren, durften sie — gemäß den für 1969 und 1970 geltenden Bestimmungen — die aufgrund von Preisreduktionen eintretenden Gewinneinbußen voll von der an den Staat zu zahlenden Nettogewinnabführung abziehen.

 

Zur Förderung der Entwicklung neuer sowie der Ausschaltung veralteter Güter wurde weiterhin eine Preisdegression für neu- und weiterentwickelte Erzeugnisse eingeführt, die bei zunächst erhöhtem Gewinn und danach folgenden kontinuierlichen Preis- und Gewinnminderungen dem Hersteller eines Gutes schließlich dann Verluste bringen sollte, wenn das Produkt nicht mehr dem allgemeinen technischen Niveau entsprach.

 

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An der Festlegung sowohl des Ausgangspreises als auch an der Preisdegression waren neben dem Hersteller und den Abnehmern vor allem die zuständigen Preiskontrollorgane beteiligt (z. B. Amt für Preise, Industrieministerium, VVB). Die Preisdegression sollte sich nach der voraussichtlichen „ökonomischen Lebensdauer“ des Erzeugnisses, also der [S. 854]Periode richten, in der das Produkt dem in der DDR erreichten durchschnittlichen technischen Niveau entsprach. Dabei war vorgesehen, eine stärkere Preisdegression im Zeitverlauf festzulegen, als Kosteneinsparungen zu erwarten waren, um beim Produzenten einen wirksamen Druck auf die Kosten auszulösen. Nach Ablauf der „ökonomischen Lebensdauer“ des Erzeugnisses sollte sein Hersteller durch Verluste zur Produktionseinstellung des nunmehr „veralteten“ Produktes veranlaßt werden.

 

c) Die Einführung differenzierter Preisformen: Um eine größere Beweglichkeit der Preisbildung zu erreichen, wurden neben den bis dahin fast ausschließlich geltenden Festpreisen auch Preisformen wie Höchstpreise und Vereinbarungspreise eingeführt (GBl. II, 1967, S. 153 sowie 1968, S. 971). Während Festpreise, die weder über- noch unterschritten werden durften und nur durch planmäßige Preisänderungen (z. B. Industriepreisregelsystem) verändert werden konnten, vor allem bei Erzeugnissen Anwendung fanden, die als Vorleistungen Niveau und Struktur der Kosten weiter Abnehmerkreise beeinflußten, wurden Höchstpreise für verschiedenartige Güter festgelegt. Diese Preisform war für alle Konsumgüter sowie für Erzeugnisse, die einer raschen technischen Entwicklung unterliegen, vorgesehen. Mit den Höchstpreisen, die unter-, aber nicht überschritten werden durften, wurde den Betrieben ein gewisser eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum hinsichtlich Preissenkungen zur Erzielung von Absatzsteigerungen eingeräumt.

 

Unter Vereinbarungspreisen sind solche Preise zu verstehen, die ohne Bestätigung der Preisorgane auf der Grundlage der geltenden Kalkulationsrichtlinien, jedoch mit höherem bzw. niedrigerem als dem vorgesehenen kalkulatorischen Gewinnsatz frei zwischen Herstellern und Abnehmern (insbesondere für Einzelanfertigungen, Spezialmaschinen usw.) vereinbart werden durften.

 

d) Preisprognose und Preisplanung (GBl. III, 1968, S. 29): Ein wichtiges Problem der Planung zu konstanten Preisen besteht darin, daß bei auftretenden Preisänderungen die im Plan festgelegten Strukturentscheidungen überprüft und der neuen Preissituation angepaßt werden müssen. Zur Überwindung dieser Schwierigkeiten sollten Preisprognosen auf betrieblicher Ebene sowie eine gesamtwirtschaftliche Preisplanung dienen. Zu diesem Zweck wurden für den Fünfjahrplanzeitraum 1971–1975 probeweise unter Leitung des Amtes für Preise in einigen zentralgeleiteten Betrieben entsprechende Planinformationen erarbeitet. Es war dabei die 1969 bestehende Kostenstruktur zu ermitteln sowie die für den Zeitraum 1971–1975 zu erwartende Entwicklung der Selbstkosten, des Brutto-Anlagevermögens und der Umlaufmittel einzuschätzen. Die ermittelten Daten wurden in ein zentrales, 1.150 Erzeugnisgruppen umfassendes Preisverflechtungsmodell übertragen. Unter Berücksichtigung zentraler Entscheidungen (z. B. über Außenhandel, Strukturänderungen, Lohnerhöhungen) sollten dann aus dem dynamisierten Preisverflechtungsmodell Preisänderungskoeffizienten für die einzelnen Erzeugnisgruppen erarbeitet werden, die dann eine der Grundlagen für die Fünfjahrplanentwürfe bilden sollten. Während bis 1970 tatsächlich für rd. ein Drittel der industriellen Warenproduktion fondsbezogene Preise eingeführt worden waren, zeigte sich bei den Preisdynamisierungsinstrumenten als deutliche Schwäche, daß statt der angestrebten Preisminderungen faktisch Preiserhöhungen eintraten. Dies dürfte seine Ursache darin haben, daß leistungsfähige Betriebe bis dahin keinen genügenden Anreiz zu Preissenkungen hatten: Eine formale Kostenverrechnung im bisher üblichen Umfang war für sie auch im Falle echter Kosteneinsparungen günstiger als die Erhöhung des Nettogewinns, weil auf diese Weise unauffällig Leistungen für Investitionen finanziert werden konnten, ohne den Weg über die betriebliche Fondsbildung nehmen zu müssen; denn vom Nettogewinn blieb ihnen nach Abzug der Nettogewinnabführung (Gewinn) sowie der zweckgebundenen Fonds nur ein kleiner Teil zur Verwirklichung eigener Investitionsvorhaben übrig. Bei der Preisdegression für neue Güter konnten die Betriebe auf Kostensteigerungen von Vorleistungen verweisen, die die eigenen Einsparungen infolge von Produktivitätsfortschritten übertrafen; sie konnten aber auch durch erneute Produktveränderungen versuchen, die Produktion der bisherigen Erzeugnisse auslaufen zu lassen, bevor sie überhaupt in den Bereich stärkerer Preisdegression gelangten.

 

Auch die Preisplanung verlief nicht erwartungsgemäß. Offensichtlich gab es bei der praktischen Anwendung des Preisverflechtungsmodells erhebliche Schwierigkeiten: Die Betriebe konnten nicht mit ausreichender Genauigkeit künftige Entwicklungen der Kosten und Preise prognostizieren; häufig wurde mangels entsprechender Daten lediglich von einer Extrapolation der bisher beobachteten Entwicklungen ausgegangen; schließlich waren weder die zentralen Planungsorgane noch die Betriebe — mangels entsprechender Erfahrungen — in der Lage, künftige Bedarfsentwicklungen für wichtige Konsumgüter vorauszusagen.

 

V. Preispolitik in den Jahren 1971--1975

 

 

Die Rezentralisierung von Ende 1970 wirkte sich besonders ungünstig auf das Ps. aus. Gerade als es begann, aktives Instrument der Planung zu werden, indem es stimulierend auf Kostensenkungen und eine bessere Nutzung des technischen Fortschritts hinwirken sollte, wurde das NÖS- bzw. ÖSS-Modell abgebrochen. Angesichts der geschilderten Unzulänglichkeiten ist das Industriepreisregelsystem so[S. 855]wie die Preisdegression bei neuen und weiterentwickelten Erzeugnissen aufgehoben und die weitere Einführung fondsbezogener Preise ausgesetzt worden (GBl. II, 1972, S. 761). Ohne nachhaltige Kostenminderungen sah man keine Möglichkeit, für kapitalintensive Produktionen — bei Vermeidung von Preisheraufsetzungen — zu fondsbezogenen Preisen zu gelangen. Besonders ungünstig wirkte der generelle Preisstopp für alle 1971 produzierten Güter (GBl. II, 1971, S. 669 ff. und S. 674 ff.). Er war ursprünglich bis zum Jahre 1975 begrenzt, ist nunmehr aber praktisch bis 1980 verlängert worden, mit Ausnahme einiger Erzeugnisse, für die planmäßig Preiskorrekturen vorgesehen sind. Damit wurden die Preise wieder passives Systemelement, das kaum effizienzsteigernde Impulse auslösen vermochte. Mit dem Preisstopp ergaben sich für kapitalintensive Produktionen Finanzierungsprobleme, soweit für sie noch keine fondsbezogenen Preise galten: Die Betriebe der betroffenen Branchen waren gar nicht in der Lage, die Produktionsfondsabgabe in Höhe von 6 v. H. des Anlagevermögens und der Umlaufmittel zu bezahlen, ohne z. T. beträchtliche Einbußen bei ihrer Fondsbildung hinnehmen zu müssen. Dem ist offenbar durch Minderungen der Nettogewinnabführung bzw. durch Subventionen begegnet worden.

 

Da bei einem Preisstopp die Preisfestsetzung für neue oder weiterentwickelte Produkte zum Problem wurde, haben die zentralen Wirtschaftsorgane ein umständliches und äußerst bürokratisches Preisantrags- und Preisbestätigungsverfahren entwickelt (GBl. II, 1972, S. 257 ff.) sowie die dafür erforderliche einheitliche Kalkulationsrichtlinie (GBl. II, 1972, S. 741 ff.) in Kraft gesetzt. Gleichzeitig wurde die Vielzahl stark differenzierter früherer Preisverordnungen aufgehoben (GBl. I, 1973, S. 9 ff.). Die neuen Bestimmungen verlangten einen exakten Kostennachweis und die Einhaltung vorgegebener Normative für Verarbeitungs- und Gemeinkosten. Das Preisantrags- und -bestätigungsverfahren wurde wie folgt gehandhabt:

 

a) Preise für neue oder verbesserte Konsumgüter mußten nach eingehender Kontrolle der Preis- und Kostenkalkulation von zentralen Organen (z. B. durch das Amt für Preise, dem ein Zentraler Preisbeirat beigeordnet ist) bestätigt werden. Ausgangspunkt des komplizierten Preisbestätigungsverfahrens war ein vom Betrieb zu stellender Preisantrag, der neben Angaben über Produktionsvolumen und dem zu erwartenden Bedarf sowohl die nach den geltenden Kalkulationsvorschriften ermittelten Kosten als auch einen mitden Hauptabnehmern abgestimmten Preisvorschlag enthalten sollte. Dieser ging nacheinander den wirtschaftsleitenden Organen der Industrie, des Handels, die ihrerseits durch einzelne Preisbeiräte unterstützt wurden, und dann dem Ministerium für Handel und Versorgung sowie schließlich — bei wichtigen Erzeugnissen — dem Amt für Preise bzw. dem Ministerrat zu. Alle Instanzen hatten eine eingehende Prüfung und Stellungnahme sowie dem jeweils übergeordneten Organ einen Preisvorschlag zu unterbreiten, bis schließlich bei der letzten Instanz die endgültige Preisentscheidung getroffen wurde. Lediglich bei der Preiseinstufung endete der Prozeß bereits beim wirtschaftsleitenden Organ des Handels (z. B. Zentrales Warenkontor), soweit der Betrieb anhand von Preisberechnungsvorschriften nicht selbst einstufen durfte.

 

b) Bei den Industriepreisen verlief das Verfahren der Preisbestätigung im Prinzip genauso, nur standen in der Mitte der Kette der zentralen Prüfungsinstanzen statt der Organe des Handels und des Ministeriums für Handel und Versorgung die jeweils zuständigen Fachministerien, die durch Arbeitskreise bzw. zeitweilige Expertenkommissionen unterstützt wurden. Die Preiseinstufung erfolgte auch hier durch das Preiskoordinierungsorgan der Industrie bzw. die Betriebe selbst. Bei neuen Produkten wurde grundsätzlich für 3 Jahre ein höherer Gewinnzuschlag zugestanden, jedoch durften sie nur um weniger verteuert werden, als ihrer Qualitätsverbesserung zum bisherigen Erzeugnis entsprach. Zur Stimulierung besserer Qualitäten wurden bei Produkten mit dem amtlichen Gütezeichen „Q“ oder „1“ Preiszuschläge gewährt. Um aber grundsätzlich auf möglichst niedrige Preise hinzuwirken, wurden für Neuentwicklungen bereits im Entwicklungsstadium unter Mitwirkung der Hauptabnehmer und Zulieferer Preislimite festgelegt. Bei ganzen Investitions[S. 856]projekten durften Auftraggeber sowie General- und Hauptauftragnehmer entsprechend der geltenden Kalkulations- und Kostenregelungen im Rahmen verbindlicher Angebote Vereinbarungspreise bilden. Dabei durfte der Auftraggeber Einsicht in die Berechnungsunterlagen der Anbieter nehmen. Damit folgte die Preisbildung für Neuerungen dem in folgendem Schema dargestellten Prinzip: Entscheidend waren einerseits ein auf 3 Jahre begrenzter, sich vermindernder Gewinnzuschlag und der Verzicht auf eine darüber hinausgehende, im voraus festgelegte Preisdegression. Ferner bestimmte die Kalkulationsrichtlinie, daß im Fall erheblicher Kostensenkungen durch Rationalisierungen — zur Vermeidung von ungerechtfertigten Übergewinnen — auf Antrag (z. B. der Industrieminister bzw. anderer wirtschaftsleitender Organe) eine Herabsetzung des Betriebspreises durch das Amt für Preise durchgesetzt werden konnte.

 

 

Für die Hersteller bedeutete dies, daß ein Festhalten an veralteten Erzeugnissen unerwünschte Preisreduktionen bewirken konnte. Für tatsächliche Neuerungen war der Anreiz aber ebenfalls noch immer zu gering, da ein erheblicher Teil des ohnehin nur relativ kleinen Zusatzgewinns an den Staatshaushalt abzuführen und der Rest genau vorgeschriebenen Zwecken (Fonds) zuzuführen war. Deshalb hatten leistungsfähige Betriebe auch kein Interesse an der Aufdeckung ihrer Reserven, denn angesichts des komplizierten Verfahrens der Preisbestätigung für neue oder verbesserte Produkte gelang ihnen vielfach die Durchsetzung von Preisvorteilen auf dem Wege des Produktwandels.

 

Insgesamt nahmen mit dem Wegfall wichtiger Preisbildungskonzeptionen des NÖS und dem 1971 verhängten Preisstopp die Preisverzerrungen wieder zu. Denn nunmehr galten 3 Gruppen von Preisen nebeneinander: Für einen großen Teil der Erzeugnisse wurden noch die mit der Industriepreisreform geschaffenen Preise angewandt, bei einer Gruppe von Produkten bestanden fondsbezogene Preise, und für eine weitere Gruppe neuer oder weiterentwickelter Güter wurden neue — in der Regel allerdings nicht fondsbezogene — Preise angewandt.

 

Wegen dieser Uneinheitlichkeit der Preise haben die einst mit der Industriepreisreform verminderten Preismängel wieder deutlich zugenommen: Bei formal konstanten Preisen blieben die infolge laufend auftretender Kosten- und Aufwandsveränderungen entstehenden Verschiebungen der Wert-Relationen zwischen den Gütern verborgen. Auch inflationäre Erscheinungen wurden verdeckt, da Preiserhöhungen vermittels Produktwandels auftraten, indem billige Erzeugnisse aufgegeben und durch neue — im Preis überhöhte — Produkte ersetzt wurden. Eine wirtschaftlich sinnvolle — d. h. wenigstens annähernd kostengerechte — Leistungsbewertung war daher kaum noch möglich. Dies wiederum erwies sich als Störfaktor der Planung, da die bestehenden Preise volkswirtschaftliche Verlustproduktionen induzierten und notwendige Innovationsprozesse behindern oder in falsche Richtungen lenken konnten. Hinzu kam, daß es den Preisbildungsorganen nicht gelang, die Preise für neuentwickelte oder verbesserte Erzeugnisse mit den divergierenden Preisen der bisherigen Warensortimente in Einklang zu bringen.

 

Das Amt für Preise war trotz seiner umfangreichen Kompetenzen schon wegen der übermäßigen Verwaltungsarbeit überfordert, die Prinzipien der Preisfestsetzung konsequent durchzusetzen.

 

VI. Tendenzen der Preispolitik seit 1976

 

 

Zusätzlich zu den geschilderten Preisverzerrungen im Inland kam extern ein entscheidendes neues Problem hinzu: die weltweiten Energiepreissteigerungen. Obwohl zwischen Binnen- und Außenpreisen in der DDR grundsätzlich keine Verbindung besteht, mußte die Wirtschaftsführung der DDR entscheiden, ob und wie sie die z. T. erhebliche Verteuerung der Rohstoffimporte sowie die Verschlechterung der geologischen Bedingungen der heimischen Braunkohle bei den Binnenpreisen berücksichtigen sollte. Eine bloße Subventionierung ohne Preiserhöhung kam nicht in Frage, da aus einem derartigen Verfahren keine Impulse zu Materialeinsparungen erwachsen wären, die zentralen Planinstanzen der DDR aber zwei Drittel des für den Produktionszuwachs bis 1980 erforderlichen Energiebedarfs über Einsparungen zu realisieren hofften. Aber auch eine sofort in Kraft tretende Veränderung aller Preise von Halb- und Fertigerzeugnissen der Rohstoffverwender in der Industrie (soweit nicht Konsumgüter) war nicht möglich, da sonst das — ohnehin gestörte — Preisgefüge vollends durcheinandergekommen wäre und bereits im ersten Jahr der Fünfjahrplanperiode 1976–1980 der Jahresplan 1976 auf einer wesentlich anderen Preisgrundlage hätte aufgebaut werden müssen als der Fünfjahrplan. Deshalb entschied sich die Wirtschaftsführung für schrittweise Preisveränderungen: Seit 1. 1. 1976 wurden höhere Preise für Rohstoffe und rohstoffintensive Erzeugnisse (z. B. Erdöl, Elektroenergie, Gas, Wärme, Brennstoffe, Baustoffe) festgelegt (GBl. I, 1975, S. 369 ff.) sowie seit 1. 1. 1977 neue Preise für Halbfabrikate, Ersatzteile und einige Fertigprodukte (z. B. metallurgische und chemische Produkte, Holz, Glas, Wolle, Baumaterialien, Maschinenbauerzeugnisse) bestimmt (GBl. I, 1976, S. 264 ff.).

 

Am 1. 1. 1978 erfolgten weitere Preiskorrekturen (z. B. für chemische Spezialerzeugnisse, Pharmazeutika, Farben, Garne, Spinnstoffe, Lederprodukte, Kunststofferzeugnisse, Geräte, Ersatzteile sowie eine Reihe von Maschinen und Ausrüstungen) (vgl. GBl. I, 1977, S. 153 f.). Seit 1. 1. 1979 gelten neue Preise für Neubau- und Montageleistungen, Wohn[S. 857]raumtextilien, Konfektionserzeugnisse. Textilien, Wirk- und Strickwaren, für Kunstleder- und Lederwaren. Schuhe, Tonwaren, für Holzkohle und Holzteer, Hopfen, Hopfenprodukte sowie für bestimmte Maschinen und Ausrüstungen (vgl. GBl. I. 1978, S. 182 f.).

 

Wegen der politischen Entscheidung, die Preise für Konsumgüter nach wie vor konstant zu halten, sind die neuen Preise nur für die Verwender in der Industrie wirksam. Die entstandenen Kostensteigerungen werden bei den Herstellern von Konsumgütern sowie von solchen Produkten, für die bestimmte Substitutionsbeziehungen angestrebt werden, über staatliche Preisstützungen bzw. Änderungen der produktgebundenen Abgaben ausgeglichen.

 

Bei industriellen Abnehmern werden Verteuerungen u. a. durch Minderungen der Nettogewinnabführung sowie durch Produktivitätsanstrengungen der Betriebe abgefangen (GBl. I, 1975, S. 419 ff., S. 422 ff. und S. 424 ff. sowie 1976, S. 373 f. und 1978, S. 54 ff.). Damit entstanden neue Probleme: die zusätzliche Belastung des Staatshaushaltes, ein erheblicher Verwaltungsaufwand und die Schwierigkeiten eines doppelten Preisniveaus, indem gleiche Erzeugnisse für Konsumenten billiger blieben als für andere Verwender. Schließlich trat das Problem auf, diese Preisrevisionen auch in Zukunft wegen der inzwischen weiter gestiegenen Importpreise für Energierohstoffe weiterführen zu müssen.

 

Da auch mit den neuen Rohstoffpreisen keine ausreichenden Materialeinsparungen erreichbar waren und die Betriebe nach wie vor die Produktion veralteter Erzeugnisse Neuerungen vorzogen, sind Mitte 1976 kurzfristig zusätzliche Neuregelungen (GBl. I, 1976, S. 317 ff.) durchgesetzt worden: Danach darf der Betrieb den Betriebspreis bei Kosteneinsparungen bis zum Jahre 1980 konstant halten; das bedeutet. daß Materialeinsparungen die Planabrechnung nicht mehr negativ beeinflussen, sondern durch Gewinnvorteile belohnt werden. Für neue bzw. weiterentwickelte Erzeugnisse werden nunmehr Preise nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis gebildet, d. h. in Relation zur Gebrauchswertverbesserung gegenüber Vergleichserzeugnissen. Da mit dieser Regelung die rein kostenmäßige Preisbildung verlassen wurde, mußte die Kalkulationsrichtlinie von 1972 aufgegeben und durch eine neue ersetzt werden (GBl. I. 1976, S. 321 ff.). Diese Kalkulationsrichtlinie gewährt dem Hersteller einen größeren Anteil an der Nutzensteigerung des neuen Erzeugnisses (70 v. H.) als dem Verwender (30 v. H.). Für den Hersteller erhöht sich der Gewinn, für den Anwender ergibt sich — bezogen auf den Gesamtnutzen des Produktes — eine Verbilligung.

 

Gegenüber der bisherigen Preisfestlegung ist der Zusatzgewinn für den Hersteller nicht nur höher, er wird auch für 2 Jahre in voller Höhe und erst in den folgenden 3 Jahren — also langsamer — abgebaut.

 

 

Ferner haben Kostensenkungen bis zum Jahre 1980 keinerlei Preisreduktionen mehr zur Folge.

 

Als Vorteil des neuen Verfahrens erhoffen sich die Planungsorgane der DDR einerseits Erleichterungen bei den ihnen im Rahmen der Preisantrags- und Preisbestätigungsverfahren zufallenden Kontrollaufgaben. Statt einer eingehenden Überprüfung der Kosten glauben sie den neuen Preis schneller und einfacher direkt aus dem bisher bereits anerkannten Aufwand je Leistungseinheit von Vergleichserzeugnissen ableiten zu können. Andererseits ist eine bessere Einordnung der neuen Güter in bestehende Sortimente zu erwarten, da die Preise in Relation zu vergleichbaren Erzeugnissen gebildet werden.

 

Die neuen Regelungen stellen indessen nur einen kleinen Schritt in Richtung auf die gewünschten Verbesserungen dar. und zwar aus drei Gründen: 1. Der Anreiz der Betriebe zu Neuentwicklungen ist bei den gegebenen Vorschriften der Gewinnverwendung relativ gering; 2. häufig fehlen objektive Maßstäbe zur Messung der Gebrauchseigenschaften neuer Güter, d. h. aber, die Betriebe werden alle positiven Eigenschaften ihrer Erzeugnisse herausstellen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Nachteile. Die zentralen Organe stehen damit vor der Aufgabe, statt der bisher undurchführbaren Kontrolle der Kosten die genauso schwierige Messung der Gebrauchswerte durchzuführen. 3. Mit den neuen Preisen werden die bestehenden Preisverzerrungen keineswegs aufgehoben, sondern lediglich neue Güter besser in bestehende Sortimente eingefügt.

 

[S. 858]Zur Durchsetzung der Preisantragspflicht für neue Erzeugnisse (Produktionsmittel und Konsumgüter) sind kürzlich einheitliche Preisantragsverfahren entwickelt, entsprechende Formblätter geschaffen, Antragstermine (Zeit vor Aufnahme der Produktion) bestimmt und Ordnungsstrafen bei Verletzung der Antragspflicht in Höhe von 10 bis 1.000 Mark festgelegt worden (GBl. I, 1978, S. 44 ff. sowie SDr. Nr. 941/1978).

 

Die heute gebräuchlichen Preisarten, die sich sowohl nach der Anzahl der Preiselemente als auch nach unterschiedlichen Funktionen unterscheiden, lassen sich durch das folgende Schaubild charakterisieren.

 

 

Im Gegensatz zu den bei Konsumgütern wirksamen Großhandels- oder Einzelhandels-Verkaufspreisen gelten für Investitionsgüter, Rohstoffe, Materialien, Halbprodukte und Vorleistungen in den zwischenbetrieblichen Wirtschaftsbeziehungen sowie zwischen den Betrieben und dem Produktionsmittelhandel die sog. Industriepreise. Hierzu rechnen einmal der Betriebspreis, der sich aus den kalkulierbaren Kosten zuzüglich des gemäß den Kalkulationsvorschriften zulässigen Gewinns zusammensetzt, und zum anderen der Industrieabgabepreis (Betriebspreis + Produktionsabgabe). Dafür Investitionsgüter in der Regel keine Produktionsabgabe zu zahlen ist, fallen bei diesen Betriebspreis und Industrieabgabepreis zusammen.

 

VII. Gegenwärtige Preisprobleme

 

 

Die Preisprobleme haben sich noch weiter verschärft, denn zusätzlich zu den bereits erläuterten drei — miteinander unvereinbaren — Gruppen von Preisen gibt es nunmehr noch eine vierte Gruppe: Preise, die aufgrund des Preis-Leistungs-Verhältnisses für Güter mit teilweise nur scheinbaren bzw. überbewerteten Gebrauchswertverbesserungen gebildet wurden. Verbesserungen der Preisbildungsmethoden dürften auch zu Anfang der 80er Jahre kaum zu erwarten sein. Offensichtlich ist eine umfassende Preisreform sowohl wegen der Unsicherheiten der künftigen Rohstoffpreisentwicklung auf dem Weltmarkt und innerhalb des RGW als auch wegen der bei erheblichen Preisanhebungen eintretenden Gefährdung der politisch gewollten Konstanz des Konsumgüterpreisniveaus vorläufig nicht vorgesehen. Deshalb wird versucht, wenigstens mit periodischen Preisrevisionen einige starke Veränderungen der Aufwandsrelationen zwischen den Gütern abzufangen.

 

Die Planabrechnung im Fünfjahrplanzeitraum 1976–1980 erfolgt auf der Basis der Preise vom 1. 1. 1975 (GBl. I, 1974, S. 240 f.) — d. h. unter Beibehaltung der gegenwärtig verzerrten Preisrelationen. Für die nächste Fünfjahrplanperiode ist der Übergang auf eine neue Preisbasis wahrscheinlich. Allerdings werden damit die Unzulänglichkeiten der gegebenen Preisstrukturen nicht zu überwinden sein, sondern lediglich die bisher erfolgten Preisrevisionen berücksichtigt.

 

Insgesamt haben die einst mit der Industriepreisreform verminderten Preismängel wieder erheblich zugenommen: 1. Die Preise weichen heute wieder stärker von den Kosten ab; 2. die bei der Kapitalbewertung (Anlagevermögen) zugrunde gelegten Preise von 1962 entsprechen heute keineswegs mehr den tatsächlichen Wiederbeschaffungspreisen; 3. der volkswirtschaftlich erforderliche Kapitalaufwand ist in vielen Wirtschaftsbereichen im Preis noch immer nicht berücksichtigt; 4. mit dem gegenwärtigen Preissystem wird kein ausreichender „Wettbewerb“ im Hinblick auf Kosten- und Preisminderungen ausgelöst; 5. auch die neuen Preisbildungsmethoden üben keinen genügenden Anreiz zu Innovationen aus; 6. das Amt für Preise, das die Kalkulationsrichtlinien bestimmt und die im Preis berücksichtigten Gewinnormen gemeinsam mit der Staatlichen Plankommission und dem Ministerium der Finanzen festlegt, ist überfordert.

 

Manfred Melzer


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 850–858


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.