
Schüler und Lehrlinge (1979)
Siehe auch das Jahr 1975
Während der Besuch der Einrichtungen und Veranstaltungen der Vorschulerziehung für die Kinder der entsprechenden Altersgruppen nicht verpflichtend ist, beginnt jeweils am 1. September für alle schulfähigen Kinder, die bis zum 31. Mai des betreffenden Jahres das 6. Lebensjahr vollendet haben, die Schulpflicht, die ausschließlich in den staatlichen Schulen der DDR. und zwar am Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt der Erziehungspflichtigen, zu erfüllen ist. Da bis zu diesem Zeitpunkt alle normal entwickelten Kinder als schulfähig angesehen werden, erfolgen in der Regel auch keine besonderen Prüfungen zur Feststellung der Schulfähigkeit. Statt dessen werden die zukünftigen Sch. vor Schuleintritt über eine längere Entwicklungszeit beobachtet, um nötigenfalls vorbeugende bzw. entwicklungsfördernde Maßnahmen ergreifen zu können. Diesem Zweck dienen einmal die beiden vorgeschriebenen ärztlichen Einschulungsuntersuchungen jeweils 1½ Jahr und ½ Jahr vor Schuleintritt und zum anderen die längerfristigen Beobachtungen der Kinder in den Kindergärten und während der Spiel- und Lernnachmittage im Rahmen der Schulvorbereitung sowie in Zusammenarbeit mit den aufnehmenden Schulen. Die Schulpflicht für Kinder und Jugendliche mit wesentlichen physischen und psychischen Schädigungen sowie die Förderung nicht schulfähiger Kinder sind besonders geregelt; nur völlig bildungsunfähige Kinder sind von der Schulpflicht befreit. Alle Kindergärten und Schulen sind angewiesen, den Eltern der künftigen Schulanfänger Hinweise für die zweckmäßige Vorbereitung der Kinder auf die Schule zu geben.
Die Schulpflicht erstreckt sich auf den Besuch der 10klassigen Oberschule und der Berufsschule bis zur Beendigung des Lehrvertrages; für Jugendliche, die weiterführende Bildungseinrichtungen besuchen, gelten die Schulpflichtbestimmungen entsprechend. Jugendliche, die keinen Lehrvertrag abschließen und das Ziel der 8. Klasse der Oberschule erreicht haben, unterliegen zur Weiterführung oder zum Abschluß der Ausbildung in den allgemeinbildenden Fächern einer 2jährigen Berufsschulpflicht. Nicht berufsschulpflichtig sind Absolventen der 10. Klasse sowie Jugendliche, die das Ziel der 8. Klasse nicht erreichten bzw. aus niederen Klassen entlassen wurden und keinen Lehrvertrag abschließen; mit diesen Jugendlichen müssen die aufnehmenden Betriebe jedoch „Qualifizierungsverträge“ abschließen. Innerhalb dieses Rahmens erstreckt sich die Schulpflicht nicht nur auf den regelmäßigen Besuch der Unterrichts- und Ausbildungsveranstaltungen der Schulen usw., sondern auf alle von den Volksbildungsorganen für den betreffenden Personenkreis für obligatorisch erklärten Veranstaltungen.
Laut Schulordnung bzw. Lehrvertrag haben alle SchuL. „zwecks Wahrnehmung ihres Rechtes auf sozialistische Bildung und Erziehung“ u. a. die Pflicht, fleißig und gewissenhaft zu lernen, die Forderungen und Aufträge der Lehrer, Erzieher, Ausbilder usw. unverzüglich und genau zu erfüllen, sich innerhalb und außerhalb der Bildungseinrichtungen diszipliniert zu verhalten (Erziehung zu bewußter Disziplin), an den Veranstaltungen [S. 924]der sozialistischen Wehrerziehung, der außerunterrichtlichen und der außerschulischen sozialistischen Bildung und Erziehung sowie an den verschiedenen Leistungswettbewerben aktiv teilzunehmen. Für besonders gute Pflichterfüllung und für hervorragende Leistungen können SchuL. ausgezeichnet werden; dafür besteht ein umfangreiches, abgestuftes Auszeichnungssystem, das durch ein differenziertes System von Schulstrafen und anderen Sanktionen ergänzt wird. Schulstrafen sind: Verwarnung vor der Klasse durch den unterrichtenden Lehrer, Tadel vor der Klasse durch den Klassenlehrer mit Eintragung in das Klassenbuch und Benachrichtigung der Erziehungsberechtigten, Verweis vor dem Schulkollektiv durch den Direktor mit Eintragung in die entsprechenden Schuldokumente, Androhung der Umschulung, Umschulung in eine andere Bildungseinrichtung durch den Schulrat und Ausschluß aus der Abiturstufe (begrenzt auf Sch. der 11. und 12. Klassen) auf Antrag des Schulrates durch den Minister für Volksbildung. Für die allgemeinbildenden und die berufsbildenden Schulen bestehen Schulgeldfreiheit sowie eine finanziell und bereichsmäßig eng begrenzte Lernmittelfreiheit (Unterrichtsmittel); darüber hinaus können unter Anlegung strenger sozialer Maßstäbe Unterhaltsbeihilfen für Sch. ab Klasse 9 und Ausbildungsbeihilfen für L. gewährt werden, auf die also kein Rechtsanspruch besteht. Für Sch. der Klassen 9 und 10 betragen die Unterhaltsbeihilfen mindestens 30 Mark monatlich, die bis 50 Mark, in Ausnahmefällen bis 60 Mark erhöht werden können; für Sch. der Klassen 11 und 12 sowie der Spezialschulen und Spezialklassen ab Klasse 9 betragen die Unterhaltsbeihilfen 45 Mark monatlich, die bis 80 Mark, in Ausnahmefällen bis 100 Mark erhöht werden können; für L. betragen die Ausbildungsbeihilfen mindestens 30 Mark monatlich, die bis 50 Mark, in Ausnahmefällen bis 60 Mark erhöht werden können.
L. erhalten bis zur Beendigung des Lehrvertrages ein monatliches L.-Entgelt, dessen Höhe und Steigerung sich nach dem Abschluß der allgemeinbildenden Schule (8. oder 10. Klasse) richten und für L. mit Abschluß der 8. Klasse von 90 auf 120 Mark und für L. mit Abschluß der 10. Klasse von 100 auf 150 Mark steigt. Sch. der allgemeinbildenden Schulen erhalten für besondere produktive Leistungen im polytechnischen Unterricht, vor allem in der wissenschaftlich-praktischen Arbeit auf der Abiturstufe, u. a. auch Geldprämien, und Sch. der 9. bis 12. Klassen, die an der „freiwilligen produktiven Tätigkeit“ während der Ferien in den „Lagern der Erholung und produktiven Arbeit“ bzw. in den VEB teilnehmen, erhalten eine Vergütung entsprechend den tariflichen Regelungen für vergleichbare Arbeiten bzw. für die betreffenden Betriebe.
Entsprechend den Grundsätzen der ganztägigen gesellschaftlichen Bildung und Erziehung werden die SchuL. auch in ihrer Freizeit und Ferien- bzw. Urlaubszeit — das Schuljahr umfaßt in der Regel 36 Wochen und das Lehrjahr 38 Wochen — in das engmaschige System der außerunterrichtlichen und außerschulischen Veranstaltungen zum Zwecke der Politisch-Ideologischen bzw. Staatsbürgerlichen ➝Erziehung sowie der Kollektiv- und Arbeitserziehung einschließlich der gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit einbezogen. Dabei verringert sich zwar der Erfolg dieser Bemühungen erkennbar mit zunehmendem Alter und abnehmenden Bildungs- und Aufstiegschancen. Jedoch wird den vielfältigen Anforderungen zumindest formal genügt. Daher erlaubt auch das Ausmaß der Teilnahme der SchuL. an den verschiedenen Veranstaltungen, an der „die durch Taten zu beweisende unbedingte und unerschütterliche Ergebenheit gegenüber dem Sozialismus, der sozialistischen DDR und Staatengemeinschaft, der Arbeiterklasse und ihrer Partei“ gemessen wird, noch keine Rückschlüsse auf die tatsächliche politisch-ideologische Einstellung. Wenn sich die Mehrzahl der SchuL. allem Anschein nach staatsbürgerlich loyal sowie lern- und leistungsbereit verhält, wobei sie sich anscheinend — wo immer möglich — eigene Freiräume schaffen, so geschieht dies vor allem zur Sicherung individueller Bildungs- und Aufstiegschancen.
Aus der marxistisch-leninistischen Auffassung von der Funktion der Schule als „eines Werkzeugs der Diktatur der Arbeiterklasse“ (Lenin) werden auch Notwendigkeit und Berechtigung der besonderen Förderung der Arbeiter- und Bauernkinder im Bildungssystem der DDR hergeleitet.
Viele Lehrer und Schulfunktionäre sehen eine spezielle Förderung der Arbeiter- und Bauernkinder heute in der DDR jedoch als überholt und im Widerspruch zu dem durch Verfassung und Bildungsgesetz allen Kindern und Jugendlichen garantierten Recht auf hohe Bildung stehend an und verweisen in diesem Zusammenhang auch darauf, daß das Fehlen exakter Definitionen über die Klassenzugehörigkeit keine systematische Entwicklung der Arbeiter- und Bauernkinder ermöglicht.
Demgegenüber betonen SED-Führung und Bildungspolitiker in der DDR auch für die Gegenwart und Zukunft die Notwendigkeit der besonderen Förderung der Arbeiter- und Bauernkinder, „um immer wieder vorwiegend aus der Arbeiterklasse und der Klasse der Genossenschaftsbauern junge Kader zu erziehen, die die zur Machtausübung und Entwicklung des sozialistischen Staates erforderliche Bildung und Erziehung in hervorragendem Maße besitzen“. Diese Förderung — praktiziert vor allem als bewußte Bevorzugung der als Arbeiter- und Bauernkinder bezeichneten und ausgewählten Kinder und Jugendlichen - bezieht sich sowohl auf die vollständige Erfüllung der zehnjährigen Oberschulpflicht als auch auf die Zulassung zu den weiterführenden Bildungseinrichtungen. Dies wird durch die in allen einschlägigen Bestimmungen enthaltene Formel „unter Berücksichtigung der sozialen Struktur der Bevölkerung der DDR“ zum Ausdruck gebracht. Daß die Zahl der Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten inzwischen auf nur zwei — an der Bergakademie Freiburg und an der Universität Halle-Wittenberg — verringert wurde, ist lediglich ein Zeichen für die Umorganisation der Abiturstufe, nicht jedoch für eine Verminderung der Förderung der Arbeiter- und Bauernkinder.
In den Sozialistischen Wettbewerb werden auch schon die Sch. und besonders die L. einbezogen. Wäh[S. 925]rend jedoch im Unterricht seine Anwendungsmöglichkeiten als relativ begrenzt angesehen werden, weil hier die Ergebnisse nicht nur von den Lernenden, sondern — wegen der führenden Rolle des Lehrers — in entscheidendem Maße auch von den Lehrenden abhängen, werden in der außerunterrichtlichen und außerschulischen Bildung und Erziehung zahlreiche materiell und erzieherisch angelegte Wettbewerbe veranstaltet und für die besten bzw. besonderen Leistungen entsprechende Auszeichnungen verliehen. Zu den Wettbewerben für Sch. bzw. Junge Pioniere und FDJ-Mitglieder gehören u. a. der Schülerwettstreit „Wer weiß es besser, wer kann es besser?“, die Russisch-Olympiaden, die Olympiaden Junger Mathematiker und die Treffen der Jungen Talente. Beispielsweise werden die Russisch-Olympiaden — ähnliches gilt für die Olympiaden Junger Mathematiker — zur Förderung der aktiven Beherrschung der russischen Sprache jährlich auf 4 Ebenen, nämlich als Schul-, Kreis-, Bezirks- und DDR-Olympiade durchgeführt und dienen auch der Auslese geeigneter Sch. für die weiterführenden Bildungseinrichtungen. Für L. werden der Berufswettbewerb und die Messe der Meister von Morgen (MMM) organisiert. Ziel des Berufswettbewerbs ist es, Aktivität, Initiative und Kreativität im Lernen und Arbeiten bei den L. zu entwickeln und sie auf ihre spätere Teilnahme am sozialistischen Wettbewerb als hochqualifizierte Facharbeiter vorzubereiten. Er wird während der gesamten Berufsausbildung über die Dauer jeweils eines Lehrjahres anhand bestimmter Einzel- und Kollektivverpflichtungen sowie mit entsprechenden Leistungsvergleichen durchgeführt, die anläßlich der Messen der Meister von Morgen stattfinden. Die Bewegung der Messen der Meister von Morgen, auf denen die Wettbewerbsergebnisse der Kinder und Jugendlichen aller Altersgruppen auf wissenschaftlich-technischem und wirtschaftlichem Gebiet ausgestellt werden, dient — wie auch der Berufswettbewerb — sowohl der Erfüllung vordringlicher volkswirtschaftlicher Aufgaben als auch der Heranbildung eines zu Spitzenleistungen fähigen Nachwuchses. Sie soll aber auch den gesunden Ehrgeiz der Kinder und Jugendlichen fördern, sich bei der Lösung schwieriger Aufgaben zu bewähren, und darüber hinaus bestimmte Prestigebedürfnisse befriedigen.
Als Anreiz zur Teilnahme an den verschiedenen Wettbewerben sowie für besondere Lern- und Arbeitsleistungen werden an SchuL. bzw. an Junge Pioniere und FDJ-Mitglieder zahlreiche Auszeichnungen verliehen, so z. B. die Artur-Becker-Medaille (als höchste Auszeichnung der FDJ), die Lessing-Medaille, Johann-Gottfried-Herder-Medaille, Karl-Liebknecht-Medaille, die Medaille „Vorbildliches Lehrlingskollektiv im sozialistischen Wettbewerb“, das Abzeichen „Für vorbildliche Leistungen zu Ehren der DDR“ und das „Thälmann-Abzeichen“, das Diplom für ein ausgezeichnetes Gesamtprädikat bei der Abschluß- und der Reifeprüfung, die Urkunde „Für gutes Lernen in der sozialistischen Schule“ und die Ehrenurkunde der FDJ, der Preis der FDJ für hervorragende wissenschaftliche Leistungen sowie die Titel „Vorbildliches Pionierkollektiv“, „Vorbildliches FDJ-Kollektiv“, „Hervorragender Jungaktivist“ und „Hervorragendes Jugendkollektiv der DDR“, außerdem zahlreiche Auszeichnungen im Rahmen des Kinder- und Jugendsports (Körpererziehung/Kinder- und Jugendsport).
Als Belobigungen für Sch. sieht die Schulordnung die Anerkennung vor der Klasse durch den unterrichtenden Lehrer, das Lob vor der Klasse durch den Klassenleiter mit Eintragung in das Klassenbuch und Mitteilung an die Erziehungsberechtigten, das Lob vor dem Pädagogischen Rat durch den Direktor mit Eintragung in die entsprechenden Schuldokumente sowie das Lob beim Fahnenappell durch den Direktor mit Eintragung in die entsprechenden Schuldokumente vor; dazu wird ein „Ehrenbuch der Schule“ geführt, in das alle Sch. eingetragen werden, denen Belobigungen und Auszeichnungen zuteil geworden sind.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 923–925
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